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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 21.02.2001
Aktenzeichen: 6 U 2233/00
Rechtsgebiete: StPO, BGB, StHG


Vorschriften:

StPO § 152 Abs. 2
StPO § 160 Abs. 1
StPO § 170 Abs. 1
StPO § 203
StPO § 209 Abs. 1
StPO § 210 Abs. 1
BGB § 839 Abs. 1
BGB § 839 Abs. 2
StHG § 1 Abs. 1
StHG § 1 Abs. 4
StPO §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1, 170 Abs. 1, 203, 209 Abs. 1, 210 Abs. 1, BGB § 839 Abs. 1, Abs. 2, § 1 Abs. 1, Abs. 4 StHG

Leitsätze:

1. Ein Beamter, der der Staatsanwaltschaft dienstlich erlangte Verdachtsmomente für eine Straftat mitteilt, ohne zu überprüfen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Straftat vorliegen, begeht keine Amtspflichtverletzung.

2. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 152 Abs. 2 StPO, der Umfang und die Dauer der Ermittlungen sowie die Entschließung zur Anklageerhebung nach § 170 Abs. 1 StPO können im Staatshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob sie vertretbar sind.

Bei der Bejahung des hinreichenden Tatverdachtes darf die Aufklärung von tatsächlichen Widersprüchen der Hauptverhandlung überlassen bleiben. Ebenso kann es der Staatsanwaltschaft nicht verwehrt werden, ihre vertretbare strafrechtliche Auffassung der Klärung durch richterliche Entscheidung zuzuführen.

Die Einlegung der Berufung gegen ein strafgerichtliches Urteil durch die Staatsanwaltschaft ist ebenfalls nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen.

3. Eine schuldhaft amtspflichtwidrige Anklageerhebung ist in der Regel zu verneinen, wenn ein Kollegialgericht gemäß § 203 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen und damit die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat. In diesem Fall ist auch eine pflicht- und rechtswidrige Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 StHG ausgeschlossen.

4. Die Entschließung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß §§ 203, 209 Abs. 1 StPO stellt ein "Urteil in einer Rechtssache" im Sinne des § 839 Abs. 2 BGB dar.

OLG Dresden, Urteil vom 21.02.2001, Az.: 6 U 2233/00


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 2233/00 14 O 1929/99 LG Dresden

Verkündet am 21.02.2001

Die Urkundsbeamtin: R Justizobersekretärin

In dem Rechtsstreit

Dr. T W ,

Notar,

E -F -S 6,

L

Kläger und Berufungskläger

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P S , K -L -S 153-155, L

gegen

F S ,

vertr. durch das L f F , S 2, D

Beklagter und Berufungsbeklagter

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. E & Partner, E 46, D

wegen Forderung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2001 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B , Richter am Oberlandesgericht G und Richterin am Landgericht G

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 27.07.2000 - Az.: 14 O 1929/99 - wird auf seine Kosten

zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten des Beklagten vorläufig vollstreckbar.

3. Das Urteil beschwert den Kläger mit weniger als 60.000,00 DM.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 44.226,22 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. In Höhe eines Betrages von 3.143,38 DM ist die Klage bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

1.1 Unstreitig wurden von den im Strafverfahren 101 Js 3483/99 geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von 32.395,94 DM vom Amtsgericht Leipzig ein Betrag von 3.143,38 DM mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.11.1998 als erstattungsfähig festgesetzt. Von diesen Kosten entfielen 1.828,50 DM auf die erste Instanz und auf die Berufungsinstanz 1.314,87 DM. Soweit in dieser Höhe gemäß § 464 b StPO die Kosten festgesetzt wurden, liegt bereits ein vollstreckbarer Titel vor, aus dem der Kläger gemäß § 464 b Satz 3 StPO i. V. m. §§ 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 ZPO die Zwangsvollstreckung betreiben kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 464 b, Rdn. 3; Karlsruher Kommentar/Schimansky, StPO, 3. Auflage, § 464 b, Rdn. 3). Damit fehlt es aber an einem Rechtschutzbedürfnis der Klage in dieser Höhe und damit an deren Zulässigkeit (Zöller/Greger, ZPO, 22. Auflage, vor § 253, Rdn. 18 a). Dem steht nicht entgegen, dass sich bisher die Staatskasse trotz mehrfacher Vorsprache über Jahre hinweg geweigert haben soll, diesen Betrag auszuzahlen und eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen. Zwar kann trotz Vorliegens eines sonstigen Vollstreckungstitels ein Rechtschutzbedüfnis bestehen, wenn die Durchsetzbarkeit des Titels zweifelhaft ist (Zöller/Greger, a. a. O.). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, denn die behauptete (amtspflichtwidrige) Weigerung des Urkundsbeamten, die für die Vollstreckung notwendige vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, ändert nichts an der rechtlichen Durchsetzbarkeit des insoweit rechtskräftigen Titels. Vielmehr bleibt es dem Kläger überlassen, die im Falle einer Verweigerung der Klauselerteilung vorgesehenen Rechtsmittel, nämlich die Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO bzw. die Erinnerung nach § 11 Abs. 1 RPflG zu ergreifen (vgl. Zöller/Stöber, a. a. O., § 724, Rdn. 13; Thomas/Putzo, ZPO, 21. Auflage, § 724, Rdn. 14). Dass dieses bisher (erfolglos) geschehen ist, wird vom Kläger selbst nicht behauptet. Einer erneuten Feststellung der insoweit bereits rechtskräftig festgestellten Kostenerstattungsansprüche im Urteilsverfahren bedarf es nicht.

1.2 Soweit der Kläger hilfsweise die Klage auch auf den von der Staatskasse festgesetzten Betrag erstreckt, ist auch dieser Hilfsantrag aus den unter Ziffer II. 1.1 genannten Gründen unzulässig.

2. Ebenfalls ist die Klage unzulässig, soweit der Kläger mit ihr Aufwendungen für den Einsatz seines Personals für den Schriftverkehr und Verdienstausfall in Höhe von insgesamt 10.000,00 DM geltend macht.

Die Unzulässigkeit folgt bereits daraus, dass der Kläger lediglich einen Teilbetrag geltend macht, der sich aus mehreren selbständigen Einzelforderungen zusammensetzt, ohne jedoch anzugeben, in welcher Reihenfolge er die Teilforderungen zur Entscheidung stellt (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 253, Rdn. 15).

Der Kläger begehrt nämlich zum einen die Kosten seines eigenen Verdienstausfalls, der ihm durch den Zeitaufwand für die Bearbeitung entstanden sein soll, zum anderen die "Aufwendungen" durch den erforderlichen Einsatz von Personal aufgrund des notwendigen Schriftwechsels für die Sachbearbeitung. Hinsichtlich des Umfanges beruft sich der Kläger auf die als Anlage K 2 vorgelegte Aufstellung. Bezüglich der Höhe berechnet der Kläger einen Stundensatz für den Einsatz seiner Sekretärin von DM 20,00, für das Korrekturlesen der Schreiben durch seine Ehefrau von DM 90,00 sowie für seinen eigenen Verdienstausfall von DM 680,00. Ausweislich der Aufstellung will der Kläger 112 Stunden für die Bearbeitung benötigt haben. Dies ergibt bereits rechnerisch eine Forderung von 76.160,00 DM, die weit über den geltend gemachten 10.000,00 DM liegt. Die prozessual zur Bestimmung des Streitgegenstands notwendige Abgrenzung ist trotz ausführlicher Erörterung des Rechtstreitsstreits im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.01.2001 nicht erfolgt.

3. Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig, dem Kläger stehen aber keine Ansprüche auf Schadensersatz wegen der behaupteten weiteren Anwalts- und Sachverständigenkosten aus § 1 Abs. 1 StHG bzw. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG - den einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen - zu.

Da der die Haftung begründende Sachverhalt vor dem 30.04.1998 lag, ist das Staatshaftungsgesetz grundsätzlich auf den vorliegenden Fall gemäß Art. 1 § 4 des Rechtsbereinigungsgesetzes des Freistaates Sachsen vom 17.04.1998 anzuwenden.

4. Soweit Richter H mit Schreiben vom 03.11.1993 anzeigte, dass nach Aktenlage der Verdacht bestünde, im Zusammenhang mit der Nachlasssache K habe der Kläger den Straftatbestand der vorsätzlichen Falschbeurkundung im Amt erfüllt (4.1), und mit Schreiben vom 20.10.1994 der Präsident des Landgerichts Leipzig B an die Staatsanwaltschaft zwei Vorgänge, die Gegenstand von disziplinarischen Vorermittlungsverfahren gegen den Kläger waren, mit der Bitte um strafrechtliche Überprüfung übersandt hat (4.2), fehlt es bereits an der jeweiligen objektiven Pflichtverletzung.

4.1 Zu Recht hat das Landgericht in der Anzeige vom 03.11.1993 durch Richter H keine Amtspflichtverletzung aus den auf Seite 13 der unter lit. a) genannten Gründen, die sich der Senat gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zu eigen macht, gesehen. Unstreitig wurde der vom Kläger beurkundete Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vom 28.01.1993 dem Nachlassgericht vorgelegt, der die objektiv unrichtige eidesstattliche Versicherung des Werner K enthielt, dass mit Ausnahme der dort genannten Erben keine weiteren Erben vorhanden sind, obwohl unstreitig Udo K weiterer Miterbe war. Unstreitig waren ein Schreiben des Udo K vom 10.01.1993, in dem dieser seine Erbenstellung mitteilte, sowie weitere Personenstandsurkunden in der Kanzlei des Klägers eingegangen. Nur diese Tatsachen wurden in dem Schreiben vom 03.11.1993 der Staatsanwaltschaft Leipzig mitgeteilt. Weitere Angaben enthält das Schreiben nicht. Insbesondere wird hierin nicht behauptet, dass der Miterbe Udo K persönlich mit dem Kläger geredet habe. Soweit der Kläger vorträgt, dass seitens des Richters H keinerlei entsprechender Verdacht bestand, da diesem die üblichen Vorgänge im Notariat bekannt gewesen seien, insbesondere er gewusst habe, dass anlässlich der Urkundenerstellung das Schreiben des Udo K vom 10.01.1993 nicht dem Kläger zur Kenntnis gelangt sei, und er hierfür die Vernehmung des Richters H und des Miterben Udo K anbietet, ist das Vorbringen nicht ausreichend substanziiert, so dass es nicht der Einholung der genannten Beweise bedurfte. Es fehlt nämlich bereits jeglicher Vortrag darüber, woher Richter H , der nicht im Büro des Klägers tätig war, die dort üblichen Vorgänge kennen sollte und ihm insbesondere positiv bekannt sein konnte, dass das Schreiben vom 10.01.1993 dem Kläger bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht bekannt war. Darüber hinaus sind, wenn wie hier Beweis über innere Tatsachen, nämlich das Nichtbestehen eines Verdachtes erhoben werden soll, tatsächliche und greifbare Anhaltspunkte darzulegen, aus denen sich der innere Vorgang ergibt. Die bloße Benennung eines Zeugen hierfür stellt einen unzulässigen Ausforschungsantrag dar (vgl. Zöller/Greger, ZPO, a. a. O., vor § 284, Rdn. 5).

Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob, selbst wenn feststünde, dass der Kläger bei Beurkundung am 22.01.1993 positiv von dem Schreiben vom 10.01.1993 Kenntnis gehabt habe, dieses den Tatbestand der vorsätzlichen Falschbeurkundung nach § 348 StGB erfüllt. Denn der Beamte, dem im Rahmen seiner Diensttätigkeit Vorfälle bekannt werden, die zumindest Anhaltspunkte für den Verdacht einer strafbaren Handlung ergaben, muss bei Weiterleitung dieser Vorfälle an die Staatsanwaltschaft nicht im Vorfeld prüfen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Straftat vorliegen. Dies zu überprüfen, ist nach §§ 152 Abs. 2 ,160 Abs. 1 StPO Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Insoweit stellt die Mitteilung vom 03.11.1993 lediglich die Anregung an die Staatsanwaltschaft dar, zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorliegen. Deswegen kann die Übermittlung eines derartigen Sachverhaltes selbst dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass keine Straftat vorliegt, nicht als eine Verletzung der Amtspflicht gesehen werden. Dies gilt insbesondere bei dem Verdacht von Verfehlungen im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit eines Notars im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer einwandfreien Erfüllung seiner Dienstpflichten.

Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang weiterhin, ob, wie der Kläger behauptet, das (ausschließliche) Motiv der Anzeige vom 03.11.1993 seitens des Richters H war, den Kläger unglaubwürdig zu machen, um von Verfehlungen im Bereich des Nachlassgerichtes "abzulenken". Denn selbst derartig unlautere Beweggründe führten nicht dazu, dass Richter H Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten nicht weiterleiten durfte.

Abgesehen davon fehlt es auch an der erforderlichen Kausalität zwischen dem vom Kläger geltend gemachten Schaden und der Anzeige durch Richter H . Denn die geltend gemachten Kosten für die Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. G sowie seine geltend gemachten eigenen Aufwendungen sind Folge der Entschließung der Staatsanwaltschaft, gemäß §§ 160 Abs. 1, 152 Abs. 2 StPO ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger durchzuführen, und nicht der Anzeige vom 03.11.1993. Dieser selbstständige Entschluss der Staatsanwaltschaft unterbricht aber die Kausalität.

4.2 Aus den unter Ziffer II.4.1 genannten Gründen stellt auch die Mitteilung des Präsidenten des Landgerichtes vom 20.10.1994 keine Amtspflichtverletzung dar.

5. Dahinstehen kann, ob die Einleitung des Ermittlungsverfahrens 703 Js 30971/93 gegen den Kläger mit Verfügung vom 14.12.1993 aufgrund der Anzeige vom 03.11.1993 durch die Staatsanwältin W amtspflichtwidrig war.

5.1 Bei der Prüfung, ob gemäß § 152 Abs. 2 StPO zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorliegen, steht der Staatsanwaltschaft ein Beurteilungsspielraum zu, so dass deren Entschließung im Amtshaftungsprozess nur auf die Vertretbarkeit zu überprüfen ist (BGH, Urteil vom 21.04.1988, Az.: III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 98). Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft bereits dann ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt (sog. Anfangsverdacht) (BGH, NJW 1989, 96, 97; BGH, Urteil vom 24.02.1994, Az.: III ZR 76/92, NJW 1994, 3162).

5.2 Zwar bestehen Bedenken, ob die Entscheidung über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch diesen Beurteilungsspielraum gedeckt wurde. Denn zum damaligen Zeitpunkt bestand gegenüber dem Kläger lediglich der Verdacht, dass er trotz Kenntnis weiterer, im Erbscheinsantrag nicht aufgeführter Erben den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins beurkundete. Zwar stellt der notariell beurkundete Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vom 22.01.1993 eine notarielle Urkunde im Sinne des § 415 ZPO dar und unterfällt damit auch dem Anwendungsbereich des § 348 StGB. Die erhöhte Beweiskraft einer solchen Urkunde erstreckt sich jedoch nur auf die Abgabe der beurkundeten Erklärung, nicht auf deren inhaltliche Richtigkeit. Bewiesen wird damit also nur, dass zu der in der Urkunde angegebenen Zeit, am bezeichneten Ort, vor der genannten Urkundsperson Erklärungen des niedergelegten Inhalts abgegeben worden sind (BGH, Urteil vom 14.08.1986, Az.: 4 StR 400/86, BB 1986, 2017, 2018; Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, 23. Auflage, § 348, Rdn. 8). Damit bestanden aber zum damaligen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Urkunde falsch war, denn es war nicht ersichtlich, dass Werner K die in dem Antrag niedergelegte Erklärung nicht gegenüber dem Kläger abgegeben hatte.

5.3 Letztendlich kommt es hierauf aber nicht an. Denn hierdurch ist dem Kläger nicht der von ihm geltend gemachte Schaden entstanden. Der Kläger macht - wie bereits dargelegt - die ihm entstandenen Anwaltsgebühren aufgrund der nach Erhebung der Anklage erfolgten Beauftragung des Rechtsanwaltes Dr. G sowie Verdienstausfall und Aufwendungen geltend. Der Kläger trägt aber selbst vor, dass er erstmals im Jahr 1995 davon erfahren hat, dass gegen ihn wegen der Beurkundung am 22.01.1993 wegen Falschbeurkundung ermittelt wurde. Damit kann allenfalls die Fortführung des Ermittlungsverfahrens über das Jahr 1994 hinaus für den Schaden des Kläger kausal sein und nicht bereits dessen Einleitung.

5.4 Eine Pflichtverletzung kann auch nicht in der Fortsetzung des Ermittlungsverfahren bis zur Erhebung der Anklage gesehen werden.

Abgesehen davon, dass aus den unter Ziffer II. 2. genannten Gründen die Klage auf Ersatz des Verdienstausfalls und der Aufwendungen für den Einsatz seines Personals ohnehin unzulässig ist, liegt auch keine Verletzung der Amtspflicht durch die zuständigen Beamten der Staatsanwaltschaft vor. Die Staatsanwaltschaft hat, sobald sie von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, den Sachverhalt zu erforschen (§ 160 Abs. 1 StPO). Ziel der Ermittlung ist die Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben oder das Verfahren einzustellen ist. Der Umfang der Ermittlungen richtet sich nach der Eigenart des Tatverdachtes und den bereits gewonnenen Erkenntnissen, dies hängt von der Bewertung der Fakten durch den die Ermittlung führenden Staatsanwalt ab. Dabei steht die Entscheidung, worauf die Nachforschungen im Einzelnen zu erstrecken sind, im Hinblick auf das im Legalitätsprinzip wurzelnde Gebot der Sachverhaltsaufklärung zwar nicht im Ermessen des Staatsanwaltes, ihm ist jedoch ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen, so dass auch diesbezüglich seine Entschließung im Amtshaftungsprozess ebenfalls (nur) auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen ist (BGH, NJW 1989, 96, 98).

Zwar dürfte die Aufrechterhaltung des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich des Verdachts auf Falschbeurkundung soweit dieser sich darauf stützte, dass der Kläger den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins des Erben Werner K vom 22.01.1993 trotz Kenntnis weiterer Erben beurkundet hatte, über das Jahr 1994 hinaus nicht mehr vertretbar gewesen sein, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen in diese Richtung hätten eingestellt werden müssen. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Ziffer II. 5.2 verwiesen. Darüber hinaus ergaben sich sogar aus dem Sitzungsprotokoll im Strafverfahren 60 Cs 703 Js 30971/93 gegen Werner K vor dem Amtsgericht Leipzig am 05.12.1994 Anhaltspunkte gegen die positive Kenntnis des Klägers über das Vorhandensein eines weiterer Erben. Denn es gaben sowohl Werner K in seiner Beschuldigtenvernehmung als auch seine Ehefrau Hildegard K in ihrer Zeugenvernehmung ausweislich des Sitzungsprotokolls an, dass an dem Tag, an dem sie sich im Büro des Klägers eingefunden und einen "Zettel" unterschrieben haben, sie die Erklärung über das Nichtvorhandensein weiterer Erben nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber dem Bruder des Udo-Jens S abgegeben haben wollen. Ebenfalls bekundete ausweislich des Protokolls der weitere Erbe Udo K , dass dieser zumindest persönlich niemals mit dem Kläger gesprochen hat, sondern nur über dessen Kanzlei korrespondierte.

Andererseits ergaben sich jedoch aus der Niederschrift der Aussagen von Werner und Hildegard K Anhaltspunkte dafür, dass entgegen der Beurkundung in dem Antrag vom 22.01.1993 der Kläger weder die Erklärung entgegengenommen noch den Erben Werner K über die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung aufgeklärt und den Antrag auch nicht verlesen hatte. So bekundete ausweislich Blatt 3 der Sitzungsniederschrift Hildegard K zwar, dass der Kläger "etwas" verlesen habe, gab aber andererseits an, dass sie den Kläger lediglich einmal bei Abgabe der Verzichtserklärung, d. h. an einem anderen Beurkundungstermin gesehen haben will. Insoweit war die Fortführung des Ermittlungsverfahrens unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden.

5.5 Ebenso wenig handelte die zuständige Beamtin der Staatsanwaltschaft amtspflichtwidrig, als sie gemäß § 152 Abs. 2 StPO das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Falschbeurkundung aufgrund der Nichtbeurkundung des Vermerkes, dass es sich bei der Beurkundung vom 25.07.1991 um eine Blankobeglaubigung gehandelt hatte, eröffnete und weiter betrieb.

Auch insoweit lagen die Entschließungen der Beamtin der Staatsanwaltschaft in dem dieser zustehenden Beurteilungsspielraum. Wie sich bereits aus den vom Kläger im Ermittlungsverfahren selbst vorgelegten Stellungnahmen des Deutschen Notarinstitutes vom 16.08.1995, sowie der Notarkammer Sachsen vom 12.09.1995 ergibt, gingen sowohl das Deutsche Notarinstitut als auch die Notarkammer Sachsen davon aus, dass selbst dann, wenn wie vorliegend vor Beglaubigung der Unterschrift unter einer Blankoerklärung der Notar diese ausfüllte, dieses gemäß § 40 Abs. 5 Satz 2 BeurkG zu vermerken ist. Der Beglaubigungsvermerk der Unterschrift, der inhaltlich die Echtheit der Unterschrift bezeugt, stellt eine öffentliche Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. ZPO dar, die gemäß § 418 Abs. 1 ZPO die Echtheit der Unterschrift beweist. Dahinstehen kann, ob sich die erhöhte Beweiskraft einer solchen Urkunde auch auf den Beglaubigungsvermerk nach § 40 Abs. 5 Satz 2 BeurkG erstreckt und deswegen bei der Beurkundung der Beglaubigung der Unterschrift entsprechend § 40 Abs. 5 Satz 2 BeurkG mit anzugeben war, dass der über der Unterschrift befindliche Text bei Abgabe der Unterschrift noch nicht vorhanden war. Hierzu gab und gibt es - soweit ersichtlich - noch keine obergerichtliche Entscheidung. Insoweit konnte es der Staatsanwaltschaft nicht verwehrt werden, diese strafrechtliche Frage der Klärung durch richterliche Entscheidung zuzuführen. Dies gilt umso mehr, als im Nachhinein das Amtsgericht Leipzig die Strafbarkeit lediglich am Vorsatz scheitern ließ, d. h. selbst zumindest den objektiven Tatbestand des § 348 StGB bejahte, während erstmals das Landgericht, das - wenn auch nicht dieselbe Kammer - immerhin das Verfahren eröffnet hatte, im Berufungsverfahren davon ausging, dass es an den objektiven Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 348 StGB fehlt.

6. Eine Amtspflichtverletzung ergibt sich auch nicht aus der Erhebung der Anklage wegen zweier Vergehen der Falschbeurkundung im Amt gemäß § 348 Abs. 1 1. Alt. StGB.

6.1 Bestimmte Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, zu denen auch die Entschließung zur Erhebung der öffentlichen Klage nach § 170 Abs. 1 StPO gehört, können im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre "Richtigkeit", sondern nur darauf überprüft werden, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege - vertretbar sind (BGH, NJW 1989, 96, 97; Urteil vom 16.10.1997, BGH, Urteil vom 16.10.1997, Az.: III ZR 23/96, NJW 1998, 751, 752; BGH, Urteil vom 18.05.2000, Az.: III ZR 180/99).

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft nur Anklage erheben durfte, wenn die Ermittlungen hierzu genügend Anlass boten, d. h. hinreichenden Tatverdacht bezüglich der vorsätzlichen Falschbeurkundung in 2 Fällen ergeben hatten (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.1970, Az.: III ZR 95/68, NJW 1970, 1543, 1544; vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2000, Az.: III ZR 180/99). Hinreichender Tatverdacht bedeutet die Feststellung von Tatsachen, die nach praktischer Erfahrung zu einer Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit voll gültigen Beweisen führen werden. Hierbei hat die Staatsanwaltschaft nicht die Frage der Täterschaft und Schuld restlos bis in alle Einzelheiten zu klären, sondern nur einen hinreichenden Tat- und Schuldverdacht zu ermitteln, der eine Verurteilung wahrscheinlich macht. Dabei müssen zwar gewisse Belastungsmomente erwiesen sein, jedoch darf die Aufklärung von Widersprüchen zwischen den Angaben des Beschuldigten und den vorhandenen Beweisergebnissen der Hauptverhandlung überlassen bleiben (BGH, NJW 1970, 1543, 1544; BGH, Urteil vom 18.05.2000, Az.: III ZR 180/99). Der unbestimmte Rechtsbegriff "hinreichender Tatverdacht" lässt einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum zu, zumal es sich (auch) um eine Prognose handelt. Entscheidend ist letztendlich die - vertretbare - eigene Prognose des Staatsanwalts, dass er selbst nach Sach- und Rechtslage wahrscheinlich am Ende einer Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen wird (BGH, Urteil vom 18.05.2000, Az.: III ZR 180/99).

6.1.1 Gemessen an diesen Grundsätzen war die Entschließung der Staatsanwaltschaft zur Erhebung der Anklage hinsichtlich der Beurkundung vom 22.01.1993 vertretbar.

Die Staatsanwaltschaft sah insoweit sowohl in der Beurkundung der Belehrung über die eidesstattliche Versicherung und des Verlesens des Protokolls als auch in der Beurkundung, dass keine weiteren Erben bekannt seien, einen Fall der vorsätzlichen Urkundenfälschung im Amt. Zwar bestand aus den bereits genannten Gründen kein hinreichender Tatverdacht gegen den Kläger, soweit dieser beschuldigt wurde, dass er trotz Kenntnis weiterer Erben den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vom 22.01.1993 beurkundete, da hierin - selbst wenn sich dieser Vorwurf erwiesen hätte - kein strafbares Verhalten i. S. v. § 348 StGB zu sehen ist. Darüber hinaus bestand auch nach der Anklageschrift, insbesondere dem dort aufgeführten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen, keine hinreichende Wahrscheinlichkeit auf eine Verurteilung. Denn danach ging die Staatsanwaltschaft selbst nur davon aus, dass ihr der Nachweis gelingen wird, dass das Schreiben vom 10.01.1993 das Notariat erreicht hat und der Miterbe Udo K sich mit dem Notariat am 19.01.1993 in Verbindung setzte und dort die erforderlichen Personenstandsurkunden (welche?) zugeleitet hatte. Hieraus ergibt sich aber gerade nicht, dass der Miterbe Udo K persönlich mit dem Kläger Rücksprache genommen hat. Ebenso ergibt sich hieraus nicht, dass das Schreiben vom 10.01.1993 und die Personenstandsunterlagen an den Kläger vor dem 22.01.1993 weitergeleitet wurden und dieser somit hiervon Kenntnis nehmen konnte. Das Gelangen des Schreibens vom 10.01.1993 und der weiteren Unterlagen in den Bereich des Notariats, wofür allenfalls die Vernehmung des Udo K hätte Beweis erbringen können, reichte aber noch nicht aus, um den Nachweis der Kenntnisnahme dieser Unterlagen durch den Kläger vor Beurkundung zu erbringen. Bezüglich des Vorsatzes kommt es nämlich auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Kläger an und nicht darauf, dass dies ihm bei einer geeigneten Büroorganisation möglich gewesen wäre.

Letztendlich kommt es aber hierauf nicht an, da es nach den unter Ziffer II. 5.4 genannten Grundsätzen die Erhebung der Anklage zumindest vertretbar war, soweit sich der Vorwurf der Falschbeurkundung der Anklage darauf stützte, dass hinreichender Tatverdacht dafür bestehe, dass in der Beurkundung vom 22.01.1993 die Belehrung über die eidesstattliche Versicherung und die Verlesung aufgenommen wurde, obwohl diese nicht erfolgt sei.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass verfahrensfehlerhaft vor Abschluss der Ermittlungen eine Vernehmung des Klägers als Beschuldigter nach § 163 a StGB zu diesem Komplex nicht erfolgte, denn in der Verfügung der Staatsanwältin Eppelt-Knochenstirn vom 26.07.1995 sollte er nur zu dem Vorwurf der vorsätzlichen Urkundenfälschung hinsichtlich der Beurkundung am 25.07.1991 vernommen werden. Unabhängig davon, ob bei Übersendung auch des ersten Bandes der Ermittlungsakte 101 Js 3483/94 Blatt 160 ff. dieser Akte eingeheftet waren, musste im Hinblick auf die Verfügung vom 26.07.1995 der Kläger nicht ohne weiteres damit rechnen, dass gegen ihn auch dahingehend ermittelt wurde, eine vorsätzliche Falschbeurkundung dadurch vorgenommen zu haben, dass er in der Urkunde vom 22.01.1993 die Belehrung und die Verlesung aufnahm, obwohl eine solche nicht erfolgt sein soll. Ebenso kann dahinstehen, ob für den Fall, dass er vorschriftsmäßig vernommen worden wäre, der Kläger dafür, dass am 22.01.1993 eine korrekte Belehrung und Verlesung erfolgte, seine Ehefrau sowie seine Sekretärin Q benannt haben würde. Abgesehen davon, dass der Kläger deren Zeugnis zu seiner Entlastung weder im Zwischenverfahren nach der Anklageerhebung noch (offensichtlich) während des gesamten strafrechtlichen Verfahrens angeboten hatte - zumindest ergibt sich kein entsprechender Antrag aus den Protokollen -, fehlt es bereits an jeglichem substanziierten Vortrag, was konkret seine Ehefrau und seine Sekretärin Q im Strafverfahren hätten bekunden können. Es wird nicht einmal behauptet, dass diese bei der Beurkundung im selben Raum waren. Selbst wenn diese beiden eine ordnungsgemäße Belehrung und Verlesung hätten bestätigen können, hätten sich allenfalls Widersprüche zu dem bisherigen Ermittlungsergebnis - insbesondere den protokollierten Angaben Werner und Hilgegard K im Strafverfahren 60 Cs 703 Js 30971/93 - ergeben können, deren Aufklärung die Staatsanwaltschaft gerade der mündlichen Verhandlung hat überlassen dürfen.

6.1.2 Gemessen an den unter II. 6.1 genannten Grundsätzen war die Erhebung der Anklage auch hinsichtlich des Tatkomplexes der vorsätzlichen Falschbeurkundung am 25.07.1991 durchaus vertretbar. Wie bereits dargelegt, gab und gibt es zu der Rechtsfrage, ob der Kläger verpflichtet war, bei der Beglaubigung der Blankoerklärung entsprechend § 40 Abs. 5 Satz 2 BeurkG auch zu beglaubigen, dass zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterschrift sich noch keine Erklärung über dieser befand, und ob auch dieser Beurkundungsvermerk der erhöhten Beweiskraft nach § 348 StGB unterliegt, noch keine (gefestigte) höchstrichterliche Rechtssprechung. Im Hinblick darauf, dass zumindest nach den vom Kläger selbst vorgelegten Stellungnahmen des Deutschen Notarinstitutes und der Notarkammer Sachsen diese zumindest von einer entsprechenden Verpflichtung zur Beurkundung ausgingen, und ein etwaiger Irrtum über die Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache allenfalls einen Tatbestandsirrtum darstellen konnte (Leipziger Kommentar/Tröndle, StGB, 10. Aufl., § 348, Rdn. 23), durfte die Staatsanwaltschaft die Klärung dieser Rechtsfrage den Gerichten überlassen.

6.2 Darüber hinaus handelte Staatsanwältin E -K bei der Entschließung über die Anklageerhebung zumindest nicht schuldhaft i. S. v. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn die 6. Strafkammer des Landgerichts Leipzig - bestehend aus drei Richtern - hat mit Beschluss vom 03.06.1996 die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Leipzig - Strafrichter - eröffnet. Damit ging zum damaligen Zeitpunkt die für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständige Strafkammer von einem hinreichenden Tatverdacht aus. Ein Verschulden des ermittelnden Staatsanwalts ist aber in der Regel zu verneinen, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (BGH, NJW 1998, 751, 752). Zwar handelt es sich hierbei nur um eine Richtlinie, die keine Anwendung findet, wenn das Kollegialgericht den Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt oder sich ihre Überzeugung vom dringenden Tatverdacht aufgrund eines verfahrensfehlerhaft festgestellten Sachverhalts gebildet (BGH, NJW 1998, 751, 753) oder nur unter einem eingeschränkten Prüfungsmaßstab überprüft hat (BGH, NJW 1998, 751, 752). Hierfür sind aber keine Tatsachen ersichtlich. Solche wurden auch nicht vorgetragen. Gemäß § 203 StPO hat nämlich das die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließende Gericht diese nur zu eröffnen, wenn der Angeschuldigte nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. Dies bedeutet, dass das Gericht vollständig anhand des gesamten Akteninhaltes (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 203, Rdn. 3) den Sachverhalt noch einmal rechtlich überprüft. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine derartige Überprüfung durch die Strafkammer nicht erfolgt ist. Vielmehr ergibt sich aus dem Eröffnungsbeschluss, in dem die Strafkammer entgegen dem Antrag in der Anklageschrift das Verfahren nicht vor dem Landgericht, sondern vor dem Amtsgericht eröffnete, dass sich die Strafkammer umfangreich mit der Anklage auseinandergesetzt hat.

Zwar wäre, soweit der Schadensersatzanspruch auf § 1 Abs. 1 StHG gestützt wird, hier ein Verschulden des Beamten nicht notwendig. Letztendlich führt aber die Anwendung des Staatshaftungsgesetzes im Hinblick auf den im Rahmen der Amtshaftung angewendeten objektivierten Verschuldensmaßstab im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass aus den unter Ziffer II.6.1 ff. genannten Gründen die Erhebung der Anklage bereits objektiv nicht pflichtwidrig war, folgt daraus zumindest dann, wenn ein Kollegialgericht - wie vorliegend - die Anklage zulässt, das Hauptverfahren eröffnet und damit ebenfalls von einem hinreichenden Tatverdacht ausgeht, dass dieses auch ein pflicht- und rechtswidriges Handeln des die Anklage erhebenden Staatsanwaltes ausschließt. Denn die Richtlinie beruht auf der Erwägung, dass von einem Beamten eine bessere Rechtseinsicht als von einem mit mehreren Rechtskundigen besetzten Kollegialgericht regelmäßig nicht erwartet und verlangt werden kann (BGH, NJW 1998, 751, 756). Damit setzt aber diese Erwägung nicht erst beim Verschuldensmaßstab, sondern früher an. Denn, wenn es wie im vorliegenden Fall hinsichtlich der Amtspflichtverletzung nicht auf die "Richtigkeit" der Entscheidung, sondern nur auf die "Vertretbarkeit" ankommt, das Kollegialgericht bei der voll umfänglichen Prüfung unter dem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt, nämlich der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung, zu dem selben Ergebnis kommt, was sich bereits daraus ergibt, dass die Anklage eröffnet wurde, kann einem Staatsanwalt bereits ein objektiv pflichtwidriges Verhalten nicht vorgeworfen werden.

7. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch deswegen zu, weil die Strafkammer zu Unrecht das Hauptverfahren eröffnet hätte.

Unabhängig davon, dass aus den bereits unter Ziffer II. 6. genannten Gründen es durchaus vertretbar war, die Hauptverhandlung zu eröffnen, würden die Richter für Fehler bei Erlass des Eröffnungsbeschlusses nur bei vorsätzlicher Pflichtverletzung haften (§ 839 Abs. 2 BGB), für die hier nicht einmal Anhaltspunkte vorhanden wären. Zwar stellt das Eröffnungsverfahren, in dem die richterliche Entscheidung ergangen ist, nicht einen Teil des Hauptverfahrens dar, aufgrund dessen ein Strafurteil ergehen kann, sondern ist diesem vorgeschaltet. In diesem sogenannten Zwischenverfahren tritt das Gericht zum Schutz des Angeschuldigten zunächst nur in eine Vorprüfung ein, ob der Angeschuldigte einer strafbaren Handlung hinreichend verdächtig erscheint und ob Umstände vorliegen, die etwa eine Strafverfolgung prozessual hindern (BGH, Urteil vom 10.02.1969, Az.: III ZR 35/68, NJW 1969, 786; offengelassen: BGH, NJW 1970, 1543, 1544). Der Beschluss aber, das Hauptverfahren gemäß §§ 203, 209 Abs. 1 StPO zu eröffnen stellt bereits selbst ein "Urteil" im Sinne des § 839 Abs. 2 StPO dar. Der Beschluss, durch den das Hauptverfahren eröffnet worden ist, kann nämlich vom Angeklagten nicht angefochten werden (§ 210 Abs. 1 StPO). Unter einem "Urteil in einer Rechtssache" im Sinne des § 839 Abs. 2 BGB ist nicht nur ein Urteil im prozesstechnischen Sinne zu sehen. Vielmehr sind darunter alle Entscheidungen zu verstehen, die - wie hier - ein Prozessrechtsverhältnis für die Instanz ganz oder teilweise mit bindender Wirkung beenden oder in einem geordneten Verfahren mit den wesentlichen Merkmalen eines Urteilsverfahrens, insbesondere der Gewährung rechtlichen Gehörs - wie hier -, zu Stande kommen (Erman-Küchenhoff/Hecker, BGB, 10. Auflage, § 839, Rdn. 63; BGH, NJW 1969, 876 f. für die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens).

Etwas anderes folgt auch nicht, soweit der Kläger seinen Anspruch auf § 1 Abs. 1 StHG stützt. Gemäß § 1 Abs. 4 StHG gelten für den Ersatz von Schäden, die einer natürlichen oder einer juristischen Person hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Rechte durch eine gerichtliche Entscheidung rechtswidrig zugefügt werden, die dafür bestehenden Gesetze oder anderen Rechtsvorschriften. Diese speziellen Regelungen, zu denen auch § 839 Abs. 2 BGB gehören, verdrängen das Staatshaftungsgesetz als das generelle Gesetz. Insoweit sind sowohl Rechtsgrund als auch Rechtsfolgen dem speziellen Gesetz zu entnehmen (Herbst/Lühmann, Die Staatshaftungsgesetze der neuen Länder, Dritter Teil, Kommentar § 1 Abs. 4, Anm. 3, Anm. 4).

8. Die Klage ist auch nicht im Hinblick auf die Einlegung der Berufung durch die Staatsanwaltschaft begründet.

Auch diese war vertretbar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Landgericht, d. h. das Gericht, welches über die Berufung zu entscheiden hatte, bereits das Hauptverfahren eröffnet hatte, d. h. von einem hinreichenden Tatverdacht ausging. Das Amtsgericht hat hinsichtlich des Komplexes vom 25.07.1991 die Strafbarkeit wegen fehlenden Vorsatzes verneint. Da das Landgericht das Hauptverfahren eröffnet hatte, obwohl in der Anklageschrift zum Vorsatz nicht ausdrücklich vorgetragen wurde, durfte die Staatsanwaltschaft davon ausgehen, dass das Berufungsgericht entgegen dem erstinstanzlichen Gericht die subjektiven Voraussetzungen nicht ohne weiteres verneinen würde.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 546, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Der Gebührenstreitwert war entsprechend dem Berufungsantrag des Klägers gemäß §§ 12, 14 GKG i. V. m. § 3 ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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