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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 12.01.2000
Aktenzeichen: 6 U 2969/99
Rechtsgebiete: SGB VII
Vorschriften:
SGB VII § 104 | |
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1 |
Leitsatz
Die Haftungsfreistellung nach § 104 SGB VII greift auch ein, wenn ein Schulträger Schüler zwischen Schule und einer Sammelstelle mit eigenen Fahrzeugen und eigenem Personal befördert. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII führt in diesem Fall nicht zu einer Haftungsentsperrung.
(OLG Dresden, Ur. v. 12.01.2000, Aktenzeichen.: 6 U 2969/99, nicht rechtskräftig!)
Oberlandesgericht Dresden
Aktenzeichen: 6 U 2969/99 4 O 1042/99 LG Dresden
Verkündet am 12.01.2000
Die Urkundsbeamtin:
R
Justizobersekretärin
IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
S M , v.d.d. Eltern S und V M , R Straße , D
Kläger und Berufungskläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K , P & N , C Straße 42, D
gegen
S H , v.d.d. Oberbürgermeister H -D B , .- .-F -Straße 1, H
Beklagte und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. E & P , E 46, D
wegen Schmerzensgeld
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.12.1999 durch
Richter am Oberlandesgericht B ,
Richter am Amtsgericht G und Richter G
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 26.08.1999 - Az.: 4 O 1042/99 - wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
II. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen auf dem Gebiet der Europäischen Union zugelassenen Kreditinstituts oder einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
III. Das Urteil beschwert den Kläger mit weniger als 60.000,00 DM.
IV. Die Revision des Klägers wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.500,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes aufgrund eines Verkehrsunfalls.
Der minderjährige, aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung geistig und körperlich behinderte Kläger ist Schüler einer Behindertenschule, die gemäß §§ 21 ff. SächsSchulG in Trägerschaft der Beklagten steht. Angegliedert ist ein Heim, das aber nicht Bestandteil der Förderschule ist.
Jeweils montags wurde der Kläger von seinen Eltern zu einer Behindertenschule der Stadt Dresden in der Fischhausstraße in Dresden gebracht. Von dort erfolgte der Weitertransport in einem für die Bedürfnisse des Transports Behinderter eingerichteten und von der Beklagten gehaltenen Kleinbus, der durch einen bei der Beklagten beschäftigten Fahrer geführt wurde. Der Bus bediente lediglich die Förderschule bzw. das Heim der Beklagten.
Von Montag bis Freitag wurde der Kläger in der Schule bzw. dem angegliederten Heim betreut und untergebracht. Weder in der Behindertenschule in der Fischhausstraße in Dresden noch während der Fahrt von bzw. nach Hoyerswerda fand eine besondere Betreuung wegen der Behinderung der Schüler statt; ebenso wenig bedurfte der Kläger während der Fahrt einer besonderen Betreuung. Der Transport musste daher auch nicht zwingend mit einem für die speziellen Bedürfnisse Behinderter ausgestatteten Kleinbus durchgeführt werden. Außerdem kam es häufig vor, dass die Behindertenschule in Dresden bereits geschlossen war, wenn die Kinder dort auf den Bus nach Hoyerswerda warteten oder von Hoyerswerda wieder nach Dresden zurückgebracht wurden.
Der Kostenaufwand für den Schultransport ist von der Beklagten durch Satzung geregelt.
Am 20.06.1997, einem Freitag, wurde der Kläger nach Beendigung des Schulunterrichts wie üblich von der Förderschule in Hoyerswerda zum vereinbarten Sammelpunkt in der Fischhausstraße in Dresden gefahren. Gegen 15.10 Uhr überfuhr der Kleinbus der Beklagten ca. 300 m nach dem Ortsausgang Leppersdorf auf der Rückfahrt von Hoyerswerda aus nicht mehr aufklärbaren Gründen die Mittellinie der Staatsstraße 95 und kollidierte hierbei mit einem entgegenkommenden LKW. Dabei wurden sowohl der Fahrer des Kleinbusses als auch eine Mitschülerin des Klägers getötet.
Der Kläger erlitt infolge des Unfalls eine Schädelprellung sowie eine Kontusion des linken Oberarmes. Etwa zwei Monate nach dem Verkehrsunfall begab sich der Kläger in fachärztliche psychiatrische Behandlung.
Der Kläger hat in der ersten Instanz vorgetragen:
Infolge des Verkehrsunfalles habe er neben den physischen Verletzungen auch psychische Schäden davongetragen. Es sei infolge des Unfalls zu rezidierenden Angstzuständen, einer vegetativen Übererregbarkeit, übermäßiger Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen und Freudlosigkeit gekommen. So habe er es seither vermieden, Aktivitäten und Situationen zu erleben, die Erinnerungen an den Unfall wachrufen könnten. Infolge seiner geistigen Behinderung sei er nur schwer in der Lage, das erlittene Trauma zu verarbeiten.
Insgesamt sei daher ein Schmerzensgeld in Höhe eines Betrages von 10.500,00 DM angemessen.
Bei der Fahrt des Klägers von Hoyerswerda nach Dresden handele es sich nicht um einen Teil der schulischen Organisation. Außerdem fehle es an einer die Unfallversicherung begründenden Beziehung. Als Schüler gehöre der Kläger nicht zu dem Personenkreis, der für das "Unternehmen" i.S.v. § 2 SGB VII tätig werde.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 21.06.1997 zu bezahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld ausscheide, da der Fahrer der Beklagten den Verkehrsunfall weder vorsätzlich herbeigeführt, noch der Unfall sich auf einem i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg ereignet habe.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 26.08.1999 die Klage abgewiesen. Es hat unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu von Arbeitgebern organisierten Betriebstransporten dafürgehalten, dass die Haftungsprivilegierung des Schulträgers eingreife, wenn der Weg von und zur Schule durch den Schulträger organisiert und mit eigenen Mitarbeitern und eigenen Fahrzeugen durchgeführt werde.
Der Kläger hat gegen das ihm am 06.09.1999 zugestellte Endurteil mit am 05.10.1999 beim Oberlandesgericht eingegeangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 04.11.1999 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft seine Ausführungen. Er führt weiter aus:
Die Haftungsprivilegierung greife nicht ein, da es sich um eine herkömmliche Schulbusfahrt gehandelt habe. Da der Kläger keiner besonderen Betreuung während des Transports bedürfe, hätte die Schulbusfahrt auch in einem normalen Schulbus durchgeführt werden können. Die Beklagte habe für den Kläger daher keinen speziellen Behindertentransport selbst organisieren müssen, da dies überhaupt nicht notwendig gewesen sei.
Eine andere Sichtweise sei für den Kläger im Hinblick auf nicht behinderte Schüler diskriminierend. Bei der Fahrt von Hoyerswerda nach Dresden habe es sich um den Weg von der versicherten "Tätigkeit" nach Hause gemäß § 8 Abs. 2 Ziff. 1 SGB VII gehandelt. Der Schülertransport gehöre weder direkt noch indirekt zur Veranstaltung "Schule". Die Reichweite der Haftungsprivilegierung nach § 104 SGB VII ende daher für den schulischen Bereich an der Schulbushaltestelle vor der Schule. Eine sich danach realisierende Gefahr, die ihre Ursache allein in einem Fehlverhalten des Fahrers habe, stehe in keinem Zusammenhang mehr mit mit der Veranstaltung "Schule". Unerheblich sei auch, ob die Fahrt durch einen privaten Unternehmer oder aber durch die Beklagte selbst als öffentlich-rechtliche Trägerin der Schule veranstaltet werde. Gefahren aus der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr seien in beiden Fällen schuluntypisch.
Im übrigen greife § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bereits seinem Wortlaut nach nicht ein, da er nur für solche Versicherte gelte, die für ihre Unternehmen "tätig" seien. Die Schüler seien aber nicht für ihre Unternehmen bzw. die Schule tätig, sondern würden von dieser lediglich betreut.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 26.08.1999 verkündeten Urteils des Landgerichts Dresden, Az.: 4 O 1042/99, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 21.06.1997 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie könne sich auf die Haftungsprivilegierung stützen. Sie habe im Rahmen der Heimbetreuung während der Woche die Verpflichtung übernommen, den Kläger mit ihren Fahrzeugen zu transportieren. Zur Heimorganisation habe es auch gehört, die Verbringung am Ende der Woche nach Dresden und das Abholen am Wochenanfang zu bewerkstelligen. Der Transport nach Dresden sei derart eng mit dem eigentlichen Heimbetrieb verbunden, dass er mit dem vom Arbeitgeber organisierten Transport versicherter Arbeitnehmer in einem Betriebsfahrzeug zwischen Wohnung und Betrieb vergleichbar sei. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung des § 104 SGB VII keine zusätzliche Belastung der Unternehmer beabsichtigt. Hätte er eine Rechtsänderung gegenüber der zuvor geltenden Regelung der RVO gewollt, hätte dies im Gesetzestext oder jedenfalls in der Begründung deutlich zum Ausdruck kommen müssen.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.12.1999 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht kein Anspruch aus §§ 847, 839 BGB i.V.m. mit Art. 34 GG, der hier einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu.
1. Bei dem Transport des Klägers von der Förderschule zum Abholtreffpunkt in der Fischhausstraße in Dresden handelt es sich um einen Fall schlicht-hoheitlichen Handelns im Rahmen der Leistungsverwaltung der Beklagten (vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 26).
Eine in § 839 BGB vorausgesetzte Handlung in Ausübung eines öffentlichen Amtes kommt auch im Fall schlichter Hoheitsverwaltung in Betracht (Palandt/Thomas, 58. Aufl., § 839 Rdn. 11).
Im Bereich der Daseinsvorsorge, der die Förderung und Betreuung Behinderter unterfällt, hat die Verwaltung ein Wahlrecht, ob sie ihre Aufgaben mit hoheitlichen Mitteln oder auf der Ebene des Privatrechts verfolgt. Im vorliegenden Fall transportierte die Beklagte die Schüler der Förderschule mit einem auf sie zugelassenen Fahrzeug im Rahmen der ihr öffentlich-rechtlich auferlegten notwendigen Beförderung. § 23 Abs. 3 SächsSchulG unterstreicht überdies, dass der Träger der notwendigen Beförderung der Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen Schulen die Einzelheiten des Transports durch Satzung, also hoheitlich regeln kann, wie auch hier geschehen.
Der bei dem Verkehrsunfall getötete Fahrer war daher Beamter im haftungsrechtlichen Sinne.
2. Bei der (adäquat-kausal) herbeigeführten (unstreitigen) körperlichen und der (behaupteten) psychischen Verletzung des Klägers handelt es sich um die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht, da jeden Beamten im haftungsrechtlichen Sinne die Verpflichtung trifft, jede deliktische Handlung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB gegen Dritte zu unterlassen.
Zwar setzt eine deliktische Handlung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB stets eine willensgesteuerte Handlung in Form eines aktiven Tuns oder eines Unterlassens voraus. Anhaltspunkte dafür, dass das Überfahren der Mittellinie durch den Fahrer der Beklagten Folge eines jedwede Willenssteuerung ausschließenden plötzlichen physischen Defekts des Fahrers war, sind allerdings weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Der Fahrer der Beklagten handelte auch schuldhaft. Bei einem von der Fahrbahn abkommenden, auf die Gegenfahrbahn geratenden Fahrzeug spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Fahrzeugführers (vgl. nur: Jagusch/Hentschel, 34. Aufl., § 2 StVO Rdn. 74 m.w.N.).
Weder hat die Beklagte insoweit Umstände dargelegt, die diesen Anscheinsbeweis entkräften könnten, noch hierfür Beweis angetreten. Auch der erstinstanzlich erhobene Einwand, der Fahrer sei offenbar "schuldunfähig" gewesen, genügt hierfür nicht, so dass dahinstehen kann, ob dieser Vortrag überhaupt noch von der Beklagten in der Berufungsinstanz aufrechterhalten wird. Jedenfalls fehlt es hierfür an einem tauglichen Beweisangebot.
Schließlich ist völlig unklar geblieben, wie es zu dem Unfall gekommen ist. Diese Unklarheiten gehen aufgrund des Anscheinsbeweises aber zu Lasten der Beklagten.
4. Die Haftung der Beklagten auf immateriellen Schadensersatz ist aber gemäß des zum 1.1.1997 in Kraft getretenen § 104 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen. Danach sind Unternehmer Versicherten gegenüber, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen, zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur dann verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.
Von diesem Haftungsausschluss ist insbesondere auch der hier geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch mit umfasst (OLG Dresden, Urteil vom 14.10.1998, Az.: 6 U 1485/98, NJW-RR 1999, 902; Nehls in Hauck, Komm. zum Sozialgesetzbuch VII, § 104 Rdn. 14).
Dem Begriff des Unternehmens unterfallen dabei nicht nur Betriebe im engeren Sinne, sondern auch Verwaltungen, Einrichtungen und sonstige Tätigkeiten (vgl. Nehls a.a.O., Rdn. 18); ebenso erfasst sind davon Schulen (vgl. OLG Dresden, a.a.O., S. 903).
Der Kläger stand gegenüber der von ihm besuchten Förderschule der Beklagten jedenfalls in einer "sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung" i.S.v. § 104 Abs. 1 SGB VII (OLG Dresden, a.a.O., S. 903). Dahinstehen kann daher, ob bei Schülern generell ein "Tätigwerden" i.S.d. Vorschrift des § 104 Abs. 1 SGB VII ausscheidet.
Der Kläger gehört ferner gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII zum Kreis der kraft Gesetzes unfallversicherten Personen.
Ein vorsätzliches Herbeiführen des Unfalls durch den Fahrer der Beklagten ist nicht ersichtlich.
Ebenso wenig fand der Unfall auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 -4 SGB VII versicherten Weg statt. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gehört zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Nach der zur inzwischen aufgehobenen Reichsversicherungsordnung (RVO) ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kam es für die Entsperrung des Haftungsausschlusses darauf an, ob die Teilnahme am allgemeinen Verkehr erfolgte oder nicht.
Eine Haftung für Personenschäden wurde insbesondere dann verneint, wenn die Fahrt durch die Organisation als innerbetrieblicher Vorgang gekennzeichnet war (vgl. Rolfs, Die Neuregelung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerhaftung bei Arbeitsunfällen durch das SGB VII NJW 1996, 3177, 3179).
Zwar hat unter Geltung des § 636 RVO der Bundesgerichtshof im Urteil vom 01.12.1981 (Versicherungsrecht 1982, 270) ausgeführt, dass ein selbstständiger, vertraglich mit dem Schülertransport beauftragter Busunternehmer nicht Teil des "Unternehmens" Schule sei. Dabei hat er aber entscheidend darauf abgestellt, ob der jeweilige Transportunternehmer "allgemeinen Weisungen des Schulträgers oder der Schulverwaltung" unterlag. Gerade dies ist hier aber der Fall. Das Unfallfahrzeug wurde von der Beklagten gehalten, der Fahrer war von der Beklagten angestellt worden und der Bus diente nach dem Vortrag des Klägers allein der Beförderung der Schüler der Förderschule und nicht etwa weitergehend auch dem Transport anderer Schüler an verschiedenen Schulen. Entscheidend war damit die Eingliederung des Schülertransportes in den Schulbetrieb. Dass dabei keine besondere Betreuung während des Transportes von Hoyerswerda zur Sammelstelle in der Fischhausstraße in Dresden durchgeführt wurde, ist hierfür ohne Belang. Die Beklagte bzw. deren Förderschule hatte die alleinige Verfügungs- und Weisungsgewalt über den Kleinbus inne und die Beförderung war integrierter Bestandteil der Organisation des Schulbetriebs.
Ebenso wenig rechtfertigt die Tatsache, dass nicht behinderte Schüler üblicherweise mit privat betriebenen Schul- oder Linienbussen befördert werden, eine andere Betrachtungsweise. Dass in diesen Fällen Ansprüche eines verletzten Schülers gegen den Schulbusbetreiber und -fahrer bei gleichzeitig (im Falle einer materiellen Schädigung) eintretender Unfallversicherung bestehen bleiben können, ist eine Folge der anders ausgestalteten Organisation und damit ein sachliches Differenzierungskriterium, kann aber nicht zu einer nicht gewollten Auslegung des § 104 SGB VII führen.
In der Literatur (vgl. Rolfs, Die neue Regelung der Arbeitgeber und Arbeitnehmerhaftung bei Arbeitsunfällen durch das SGB VII N JW 1996, 3177, 3179) wird zwar die Ansicht vertreten, dass durch die gegenüber der vor Inkrafttreten des SGB VII bestehenden Rechtslage modifizierte Formulierung des § 104 SGB VII eine Anbindung der Haftungsentsperrung an die den Versicherungsschutz begründende Norm und eine Anknüpfung an die sozialgerichtliche Rechtsprechung zum Wegeunfall beabsichtigt war. Demnach würden diejenigen Fälle, in denen die Rechtsprechung bislang einen Weg zur oder von der Arbeit ausnahmsweise als Teilnahme am (besonderen) betrieblichen Verkehr gewertet hatte, weil sie vom Arbeitgeber organisiert gewesen waren oder als Teile der innerbetrieblichen Organisations- und Funktionsbereiche erschienen, gerade nicht mehr vom Haftungsausschluss des § 104 SGB VII umfasst (Rolfs, a.a.O.; ihm wohl folgend: Nehls, a.a.O., § 104 Rdn. 8). Dem vermag sich der Senat im Einklang mit der vom Landgericht und in der Literatur unter Hinweis auf eine teleologische Reduktion vertretenen Auffassung, dass trotz des Wortlauts von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII der Haftungsausschluss in Anknüpfung an die unter der Geltung der RVO ergangene Rechtsprechung zum Haftungsausschluss jedenfalls dann Anwendung findet, wenn der Unternehmer organisatorischen Einfluss auf den Weg von und zum Ort der Tätigkeit ausübt, nicht zu folgen. Stellt der Unternehmer einen Dienstwagen oder ein allein für den Transport Unternehmensangehöriger bestimmtes Transportfahrzeug zur Verfügung, steht der Unfall in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, so dass bereits Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 SGB VII besteht.
Hätte der Gesetzgeber in Kenntnis der zur RVO ergangenen Rechtsprechung eine zusätzliche Belastung der Unternehmer gewollt, wäre eine im Gesetzestext oder zumindest in der amtlichen Begründung eindeutig zum Ausdruck gebrachte Klarstellung zu erwarten gewesen (vgl. Stern-Krieger/Arnau, Neuregelung der gesetzlichen Unfallversicherung im SGB VII unter Berücksichtigung des zivilrechtlichen Haftungsrechts, VersR 1997, 408, 410).
Zwar könnte die Formulierung von §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 104 SGB VII darauf hindeuten, dass nunmehr auch solche Fälle von der Haftungsfreistellung ausgenommen sein können, in denen der Fahrzweck eng mit dem Unternehmenszweck verbunden ist (Waltermann, Änderung im Schadensrecht durch das Neue SGB VII, NJW 1997, 3401, 3402). Von dieser Entsperrung der Haftungsfreistellung wären dann die Fälle eines organisierten Transportes Versicherter in einem Betriebsfahrzeug von der Wohnung zum Betrieb bzw. umgekehrt erfasst (Waltermann, a.a.O.). Die Rechtsprechung zu § 636 RVO behandelte aber schon diese Fälle infolge des Betriebsbezuges nicht als Teilnahme am allgemeinen Verkehr, so dass es letztlich bei der Haftungsfreistellung verblieb (Waltermann, a.a.O.).
Es ist deshalb davon auszugehen, dass mit der Neuregelung in § 104 SGB VII nicht beabsichtigt war, die Differenzierung zwischen Schadensfällen im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit und solchen außerhalb des betrieblichen Organisations- und Funktionsbereiches aufzugeben.
Aus der amtlichen Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf (BT-Dr. 13/2204, S. 100) folgt, dass die Haftung des Unternehmers "entsprechend dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) auf vorsätzliches Handeln des Unternehmers und auf Wegeunfälle" beschränkt bleiben sollte. Hingegen sollte die Ausnahme "nicht mehr Betriebswege, die nach geltendem Recht als Teilnahme am öffentlichen Verkehr behandelt" (a.a.O.) wurden, umfassen. Hieraus ergibt sich aber hinreichend deutlich, dass die Reichweite der Haftungsentsperrung im Gegensatz zur Rechtslage unter der Geltung der RVO nicht erweitert, sondern reduziert werden sollte.
Hierfür spricht ferner auch, dass die in § 104 SGB VII behandelten Ausnahmehaftungsfälle mit Rücksicht auf den gesetzgeberischen Zweck der Reduzierung des unternehmerischen Haftungsrisikos bei gleichzeitiger Gewährung solventen Versicherungsschutzes für den Arbeitnehmer grundsätzlich eng auszulegen sind (Geigel/Kolb, Der Haftpflichtprozess, 22. Aufl., Kap. 31, Rdn. 85). Die Teilnahme am allgemeinen Verkehr wird daher vom Haftungsausschluss nicht mehr ausgenommen (derselbe, a.a.O.).
II.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 546, 708 Nr. 10, 711, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 546 Satz 2 Nr. 1 ZPO) und - soweit ersichtlich - zur Frage der Reichweite des Haftungsprivilegs nach § 104 SGB VII im Hinblick auf die Haftungsentsperrung bislang höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ergangen ist.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 3 ZPO, 14 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei sich der Senat an den Vorstellungen des Klägers zur Angemessenheit eines Schmerzensgeldbetrages orientiert hat.
Ende der Entscheidung
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