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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 19.02.2003
Aktenzeichen: 6 U 955/02
Rechtsgebiete: SächsStrG, BGB, BbgStrG, StVO, SächsGemO, DVO SächsGemO, ZPO, EGZPO, GKG
Vorschriften:
SächsStrG § 2 Abs. 2 Ziff. 1 b) | |
SächsStrG § 51 Abs. 1 | |
SächsStrG § 51 Abs. 3 | |
SächsStrG § 51 Abs. 3 S. 1 | |
SächsStrG § 51 Abs. 3 Satz 2 | |
SächsStrG § 51 Abs. 5 S. 1 | |
BGB § 839 | |
BGB § 847 a. F. | |
BbgStrG § 49 a Abs. 2 Satz 1 | |
StVO § 25 Abs. 1 Satz 2 | |
SächsGemO § 4 Abs. 2 Satz 1 | |
SächsGemO § 4 Abs. 3 Satz 1 | |
DVO SächsGemO § 1 Abs. 1 Nr. 1 | |
DVO SächsGemO § 1 Abs. 1 Nr. 2 | |
ZPO § 3 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 293 | |
ZPO § 525 | |
ZPO § 531 Abs. 2 | |
ZPO § 543 Abs. 2 | |
ZPO § 545 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 | |
EGZPO § 26 Nr. 8 | |
GKG § 14 | |
GKG § 12 |
2. Die Gemeinden sind gem. § 51 Abs. 5 S. 1 SächsStrG grundsätzlich berechtigt, in diesem Umfang durch Satzung die Reinigungs- und Winterdienstpflichten auf die Anlieger zu übertragen.
3. Lediglich tatsächlich entbehrliche Wege, für die ein echtes, jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht besteht, fallen aus dem Kreis der zu bestreuenden Verkehrsflächen heraus.
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 6 U 955/02
Verkündet am 19.02.2003
In dem Rechtsstreit
wegen Schadenersatz
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2003 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B , Richter am Oberlandesgericht G und Richter am Landgericht H
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 07.02.2002 - Az.: 1 O 1315/00 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Das Urteil beschwert die Klägerin mit weniger als 20.000,00 Euro.
Beschluss:
Der Gebührenstreitswert für das Berufungsverfahren wird auf bis 8.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat mit Grundurteil vom 07.02.2000 - Az.: 1 O 1315/00 -, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage dem Grunde nach zuerkannt.
Gegen das ihr am 15.04.2002 zugestellte Grundurteil hat die Beklagte am 15.05.2000 mit Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese, nachdem ihr die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 17.07.2002 verlängert worden war, am 17.07.2002 mit Schriftsatz vom gleichen Tage begründet.
Die Beklagte trägt in der Berufungsinstanz vor:
Das Bestreiten der Unfallursachen und -folgen bleibe auch in der Berufungsinstanz aufrechterhalten.
Selbst wenn die Klägerin in der F -Z -Straße in Höhe des Hausgrundstückes der Zeugin S gestürzt sei, habe dort keine Verantwortlichkeit der Beklagten für den Winterdienst bestanden.
Die Beklagte habe gemäß §§ 1, 6 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 2 der Satzung vom 07.09.1993, welche im Netzschkauer Stadt-Anzeiger Nr. 19 am 17.09.1993 veröffentlicht war, den Winterdienst auf die Anlieger übertragen. Dies gelte insbesondere dann, wenn man der Auffassung des Landgerichtes folge, wonach die nicht mit baulich abgegrenzten Gehwegen versehene F -Z -Straße im Sturzbereich als ein als Gehweg dienender Verbindungsweg mit begrenzt zugelassenem Anliegerverkehr zu beurteilen sei.
Die Anlieger hätten - wie sich aus der Aussage der Zeugin S ergebe - den Winterdienst seit 1990 ausgeführt. Dies sei der Beklagten auch bekannt gewesen. Deswegen sei, wenn man von keiner wirksamen Übertragung des Winterdienstes auf die Anlieger durch die Satzung ausgehe, aufgrund der tatsächlichen und dauerhaften Ausführung des Winterdienstes auf der F -Z -Straße durch die Anlieger dieser im Wege der Ingerenz ausschließlich auf die Anlieger übergegangen.
Sollte daher die F -Z -Straße am Unfalltag tatsächlich nicht einmal in Teilbereichen winterdienstlich ordnungsgemäß behandelt gewesen sein, wozu sich die Beklagte mit Nichtwissen erklären könne, wären hierfür ausschließlich die Anlieger verantwortlich gewesen.
Der Beklagten hätte auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem hier fraglichen Unfall keine Kontrollpflicht obgelegen. Insoweit vermöge die Klägerin nicht darzulegen, weshalb die Beklagte gehalten gewesen wäre, unmittelbar vor dem Unfall eine Kontrolle durchzuführen.
Darüber hinaus würde für den fraglichen Anliegerweg überhaupt keine Pflicht zur Ausführung des Winterdienstes bestehen. Diese bestehe nämlich nur an solchen Wegen, für die ein echtes Verkehrsbedürfnis bestehe. Ein solches Verkehrsbedürfnis habe bezogen auf den Fußgängerverkehr jedoch für die F -Z -Straße nicht bestanden, da es sich um eine Straße mit völlig untergeordneter Verkehrsbedeutung handele und der D -Einkaufsmarkt über gut ausgebaute, voll erschlossene und stets winterdienstlich behandelte Gehwege und Straße erreichbar gewesen sei. Eine Notwendigkeit, die schmale, nicht ausgebaute F -Z -Straße zu benutzen, habe deswegen nicht bestanden.
Des Weiteren scheide eine Haftung der Beklagten auch deswegen aus, weil sich die Klägerin in Kenntnis der tatsächlichen Oberflächenverhältnisse beim Rückweg erneut zur Begehung entschlossen habe, obwohl hinreichend winterdienstlich behandelte Flächen vorhanden gewesen seien.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt in der Berufungsinstanz ergänzend vor:
Zu Recht sei das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung aufgrund der vorhandenen Indizienkette zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin am 27.01.1998 an der Unfallstelle wegen Glätte gestürzt sei. Auf dem gesamten Weg zum D -Einkaufsmarkt sei es glatt gewesen mit Ausnahme dort, wo die Anlieger geräumt und gestreut hätten. Auf der F -Z -Straße habe sich eine Eisfläche befunden. Diese sei aber wegen des anhaltenden Schneefalls verdeckt gewesen.
Die F -Z -Straße sei aufgrund des von den Zeugen S bestätigten Fußgängerverkehrs auch winterdienstlich zu behandeln gewesen, zumal es sich hierbei um die - unstreitig - kürzeste Verbindung zwischen der Wohnung der Klägerin und dem D -Einkaufsmarkt gehandelt hätte.
Die Beklagte habe auch nicht - zumindest nicht wirksam - den Winterdienst mit der Satzung vom 07.09.1993 auf die Anlieger übertragen bzw. übertragen können.
Zum einen sei eine Übertragung der Winterdienstpflicht für "Gehbahnen", d. h. nicht baulich von der Fahrbahn abgegrenzten Gehwegen, auf der Fahrbahn für den Fußgängerverkehr überhaupt nicht zulässig. Zum anderen fehle es auch an einer ausreichenden Bestimmtheit einer Übertragung in der Satzung. So differenziere diese in § 3 und § 5 zwischen der allgemeinen Straßenreinigungspflicht und der Räumpflicht bei Schneefall. Zwar werde in § 4 bezüglich Absatz 2 die Reinigungspflicht für Gehbahnen von 1,50 m Breite längs der Grundstücksgrenzen definiert. Eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Schneeräumverpflichtung fehle. Der Pflichtumfang müsse aber so klar umschrieben sein, dass die betreffenden Anwohner hierüber nicht im Zweifel seien. Dies sei bezüglich des Winterdienstes für Gehbahnen nicht der Fall gewesen. So habe die Zeugin Cornelia S ausgesagt, dass sie bezüglich ihrer Schneeräumverpflichtung im Zweifel gewesen sei und deshalb den Rat der Stadt aufgesucht habe.
Fehle in der Satzung die ausdrückliche Anordnung, einen 1,50 m breiten Streifen der Fahrbahn bei Fehlen eines Gehweges abzustreuen, so stelle dies allein schon eine eigene Amtspflichtverletzung dar, die zum Schadensersatz verpflichte.
Letztlich könne die Klägerin auch nicht darauf verwiesen werden, dass eine weniger gefährliche Alternative über die S und die A -S -Straße bestanden habe. Dies sei nicht der Fall gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 02.10.2002 und 29.01.2003 Bezug genommen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 27.09.2001, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Landgerichts Zwickau vom 07.02.2002 verwiesen.
II.
Auf die zulässige Berufung war das landgerichtliche Urteil vom 07.02.2002 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen (vgl. RG, Urteil vom 26.10.1905, Az.: VI 25/05, RGZ 61, 409, 412; vgl. MünchKommZPO-Rimmelspacher, 2. Aufl., § 538, Rdn. 17).
Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass sie am 27.01.1998 auf dem Rückweg von dem D -Einkaufsmarkt auf der F -Z -Straße in Höhe des Hauses Nr. 6 innerhalb von 1,50 m von der Grundstücksgrenze entfernt wegen Eisglätte zu Fall kam und sich herbei am Knöchel verletzte, steht ihr gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß §§ 839, 847 BGB a. F. (Art. 229 § 5 EGBGB) zu.
1. Zwar oblag der Beklagten grundsätzlich für die F -Z -Straße die Verkehrssicherungspflicht, wozu auch der Winterdienst gehört, welche im Freistaat Sachsen hoheitlich ausgestaltet ist (§ 10 Abs. 1 SächStrG).
Gemäß § 51 Abs. 1 SächsStrG sind überdies von den Gemeinden die innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen öffentlichen Straßen zu reinigen. Nach § 51 Abs. 3 S. 1 SächsStrG umfasst die Reinigungspflicht insbesondere die Verpflichtung, die Gehwege und Überwege für Fußgänger vom Schnee zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen. Diese öffentlich-rechtlich ausgestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Sicherheit im Straßenverkehr entspricht insoweit inhaltlich der Räum- und Streupflicht, wie sie auch aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht abgeleitet wird.
1.1 Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht aber nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Grundsätzlich muss sich der Straßenverkehr auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen. Nach den in der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätzen hat der Pflichtige durch Schneeräumung und Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren zu beseitigen, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen. Zum Schutz des Fußgängerverkehrs sind aber an die Streupflicht strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 01.07.1993, Az.: III ZR 88/92, NJW 1993, 2802, 2803 m. w. N.).
Innerhalb geschlossener Ortschaften müssen die Gehwege sowie die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege bestreut werden. Voraussetzung ist danach, dass die Wege zu bestreuen sind, wenn und soweit hierzu ein Bedürfnis des Verkehrs besteht und auf diesen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet (BGH, Beschluss vom 20.10.1994, Az.: III ZR 60/94, VersR 1995, 721, 722; BGH, Urteil vom 01.10.1959, Az.: III ZR 59/58, NJW 1960, 41, 42; Senat, Urt. v. 14.09.1998, Az.: 6 U 786/98; Urt. v. 02.04.1997, Az.: 6 U 2908/96; Rinne, NJW 1996, 3303, 3305). Dass nur für den Fußgängerverkehr wichtige Wege abgestreut werden müssen, bedeutet aber nur, dass lediglich tatsächlich entbehrliche Wege - wie z. B. durch Parks, Grünanlagen etc. -, für die ein echtes, jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht besteht, aus dem Kreis der zu bestreuenden Verkehrsflächen herausfallen (OLG Hamm, Urteil vom 04.12.1992, Az.: 9 U 78/92, VersR 1993, 1285, 1286; Senat, Urteil vom 14.07.1999, Az.: 6 U 1200/99; Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 3. Aufl., Rdn. 229;).
Keine Räum- und Streupflicht besteht auf bloßen Abkürzungswegen, die lediglich aus Bequemlichkeit benutzt werden (BGH, Urteil vom 28.03.1963, Az.: III ZR 184/61, VRS 25, 242, 243; Senat, Urteil vom 14.07.1999, Az.: 6 U 1200/99; Rotermund, Haftungsrecht in der kommunalen Praxis, 2. Aufl., Rdn. 283).
1.2 Soweit - wie hier - kein baulich von der Fahrbahn abgegrenzter, separater Bürgersteig bzw. Gehweg vorhanden ist, muss für den Fußgängerverkehr ein ausreichender, bis 1,50 m breiter Seitenstreifen auf der Fahrbahn abgestreut werden.
Dies entspricht der herrschenden Rechtsprechung und Literatur zur Verkehrssicherungspflicht innerhalb geschlossener Ortschaften (BGH, NJW 1960, 41, 42; LG Heidelberg, Urteil vom 15.02.1989, Az.: 3 O 301/88, VersR 1989, 850; Bergmann/Schumacher, Rdn. 236; Rotermund, Rdn. 283; a. A. Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der Kommunalen Praxis, Rdn. 89 m. w. N., siehe aber ders. Rdn. 147 f.).
Nichts anderes gilt im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Reinigungspflicht. Nach § 51 Abs. 3 SächsStrG umfasst die öffentlich-rechtliche bzw. polizeimäßige Reinigungspflicht auch die Verpflichtung, innerorts die Gehwege und Überwege für Fußgänger von Schnee zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen. Eine ausdrückliche Regelung der Räum- und Streupflicht für Gehbahnen auf Straßen, an denen sich keine (separaten) Gehwege befinden, besteht zwar nicht. Auch aus der Begründung zum Entwurf des Sächsischen Straßengesetzes vom 29.06.1992 (Drucks. 1/2057) ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, ob vom Begriff des Gehwegs im Sinne des § 51 Abs. 3 SächsStrG auch die Gehbahnen umfasst werden sollten. Ebensowenig enthält das Gesetz ansonsten eine eigenständige Definition des Begriffs Gehweges; § 2 Abs. 2 Ziff. 1 b) SächsStrG definiert lediglich die Zuordnung zur öffentlichen Straße. Allerdings befasst sich das Sächsische Straßengesetz in § 51 Abs. 3 Satz 2 mit einer entsprechenden Regelung für Fußgängerzonen (Zeichen § 242 StVO) und für verkehrsberuhigte Bereiche (Zeichen 325 StVO). Dies allein lässt jedoch nicht den (Umkehr-)Schluss zu, dass außerhalb dieser Bereiche eine Reinigungspflicht bei nicht vorhandenen Gehwegen - außer für Überwege - nicht besteht und der Gesetzgeber bei Erlass des Sächsischen Straßengesetzes hinter den in jahrzehntelanger Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht und öffentlich-rechtlichen Reinigungspflicht entwickelten Verpflichtungen zurückbleiben wollte. Aus den dem Senat bekannten Gesetzesmaterialien gibt es hierfür keinen Anhaltspunkt. Es besteht auch kein sachlicher Grund, die Sicherheitsanforderungen zugunsten von Fußgängern außerhalb von Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Zonen niedriger anzusetzen. Das Sicherheitsbedürfnis für Fußgänger ist dasselbe, wenn nicht sogar bei Fahrbahnen ohne separate, baulich abgetrennte Gehwege besonders groß wegen der Gefahren des Fahrzeugverkehrs. Zu berücksichtigen ist hierbei auch der historische Hintergrund besonderer Regelungen zu Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15.02.1979 - Az.: III ZR 172/77 - (VersR 1979, 541) betraf die öffentlich-rechtliche Reinigungspflicht nach § 43 Abs. 1 Satz 1 des Straßengesetzes für Baden-Württemberg vom 20.03.1964 (Ges.Bl. Bad.-Württ. S. 127) nur unselbstständige Fußwege, sodass eine Übertragung dieser Pflicht nach Absatz 2 der Norm auf Anlieger von Fußgängerzonen nicht zulässig war. Deswegen bedurfte es für Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche einer eigenständigen gesetzlichen Regelung, wie sie dann in § 1 des Gesetzes zur Änderung des Straßengesetzes für Baden-Württemberg vom 19.11.1974 (Ges.Bl. S. 454) und später z. B. auch in § 49 a Abs. 2 Satz 1 BbgStrG erfolgt ist. Dieser Vorgabe trägt auch der Wortlaut des § 51 Abs. 3 Satz 2 SächsStrG Rechnung. Deswegen lässt sich aus der ausdrücklichen Erwähnung von Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen in § 51 Abs. 3 Satz 2 SächsStrG nicht folgern, dass nach dem Willen des Sächsischen Gesetzgebers nur in Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen eine entsprechende Räum- und Streupflicht hinsichtlich eines Streifens am Rande (Gehbahn) besteht.
Zu berücksichtigen ist überdies in diesem Zusammenhang, dass nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVO Fußgänger die Fahrbahn benutzen müssen, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Da Sinn und Zweck der Räum- und Streupflicht gerade die funktionsorientierte Nutzung der jeweiligen Straßenbestandteile ist, Fußgänger aber an Straßen ohne ausgewiesene Gehwege sogar gesetzlich verpflichtet sind, diese Straßenteile zu benutzen, spricht alles dafür, diese Fahrbahnteile als für den Fußgängerverkehr vorgesehene Bereiche anzusehen und sie zu seinen Gunsten der Winterwartung zu unterstellen.
1.3 Danach bestand hier eine Räum- und Streupflicht für eine Gehbahn für Fußgänger.
Der hier zu beurteilende Teil der F -Z -Straße stellt nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und den vorgelegten Lichtbildern sowie Ablichtungen des Stadtplanes keine entbehrliche Straße ohne ein Verkehrsbedürfnis dar. Nach den eigenen Angaben der Beklagten werden über die F -Z -Straße die anliegenden Häuser erschlossen. Der streitgegenständliche Teil der F -Z -Straße ist auch keine Sackgasse, sondern bildet eine Verbindung zwischen der A -S -Straße und dem Parkplatz des D -Einkaufsmarktes, wie sich aus den mit Schriftsatz vom 06.09.2002 vorgelegten Lichtbildern 10 bis 12 und 15 ergibt, wenn auch die Fahrbahn nicht asphaltiert ist. Nach der Aussage der Zeugin Cornelia S wird die F -Z -Straße sowohl von Fußgängern als auch von Autofahrern stark frequentiert. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage bestehen aus den vom Landgericht angegebenen Gründen nicht. Auch die nicht unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten in der Berufungsinstanz, dass diese eine solche erhebliche Frequentierung bei Kontrollen nicht habe feststellen können, ist ungeeignet, um Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage zu begründen, da nicht im Ansatz dargetan ist, wann und in welcher Häufigkeit die Bediensteten der Beklagten Kontrollen durchführten. Zwar war, wie sich aus der vorgelegten Ablichtung des Stadtplans sowie den Lichtbildern 16 und 17 ergibt, der Parkplatz des D -Einkaufsmarktes von den Bewohnern an der A -S -Straße über die gut ausgebaute S erreichbar. Da aber die F -Z -Straße auch die Verbindung für die Anlieger erschließt, handelt es sich hier nicht nur um einen - entbehrlichen - Abkürzungsweg, für den keine Räum- und Streupflicht bestehen würde.
2. Die Beklagte wurde aber von der ihr grundsätzlich obliegenden Räum- und Streupflicht für den Randbereich der F -Z -Straße frei, weil sie diese wirksam mit der Satzung über die Verpflichtung der Straßenanlieger zum Reinigen, Schneeräumen und Bestreuen der Gehwege vom 07.09.1993 auf die Anlieger übertragen hat.
2.1 In der Berufungsinstanz ist unstreitig, dass am 07.09.1993 die Stadtverordnetenversammlung die Satzung über die Verpflichtung der Straßenanlieger zum Reinigen, Schneeräumen und Bestreuen der Gehwege beschlossen hatte und diese am 17.09.1993 im Netzschkauer Stadt-Anzeiger veröffentlicht wurde. Zweifel an ihrer Wirksamkeit bestehen nicht. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 SächsGemO werden Satzungen vom Gemeinderat beschlossen; nach § 4 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO sind Satzungen durch den Bürgermeister auszufertigen und öffentlich bekannt zu machen. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 DVO SächsGemO vom 08.06.1993 (GVBl. S. 561) können öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinden durch Einrücken in das Amtsblatt der Gemeinde bzw. durch Einrücken in eine bestimmte, regelmäßig, mindest einmal wöchentlich erscheinende Zeitung erfolgen, wobei die Satzungen mit ihrem vollen Wortlaut bekanntzumachen sind. Dies ist vorliegend geschehen. Damit liegen die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Satzung vor.
Dahinstehen kann im Hinblick darauf, dass zwar die Beklagte erstinstanzlich als Datum der Satzung den 29.04.1994 angab, jedoch eine Kopie der Satzung vorlegte, aus der sich als Tag des Beschlusses der Satzung der 07.09.1993 und als Tag der Veröffentlichung der 17.09.1993 ergab, ob es sich hier um neuen Tatsachenvortrag im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO handelt. Denn das Bestehen der Satzung ist gemäß §§ 525, 293 ZPO schon von Amts wegen zu berücksichtigen.
2.2 Die Beklagte war auch berechtigt, unter § 6 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 2 der Satzung vom 07.09.1993 den Winterdienst bei Glätte für die Gehbahnen auf die Anlieger zu übertragen.
2.2.1 Gemäß § 51 Abs. 5 Satz 1 SächsStrG sind die Gemeinden berechtigt, durch Satzung die Verpflichtung zur Reinigung im Sinne der Absätze 1 - 3 dieser Vorschrift ganz oder teilweise den Eigentümern oder Besitzern der durch öffentliche Straßen erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen. Eine Übertragung von Reinigungs- und Winterdienstpflichten, die sich nicht mehr im Rahmen dieser Ermächtigung hält, wäre zwar unwirksam (vgl. BGH, VersR 1979, 541). Wie aber bereits unter Ziffer II. 1.2 dargelegt, ist jedoch § 51 Abs. 3 Satz 1 SächsStrG dahingehend auszulegen, dass unter "Gehwegen" im Sinne dieses Gesetzes auch die "Gehbahnen" im Sinne der Rechtsprechung zu verstehen sind. Darüber hinaus haben die Gemeinden - wenn keine eindeutige, gesetzliche Definition besteht - einen Spielraum für die Begriffsbestimmung, der erst dann überschritten wird, wenn die getroffene Bestimmung gegen höherrangiges Recht verstößt (BGH, Urteil vom 05.12.1991, Az.: III ZR 31/90, VersR 1992, 444, 445). Eine Satzung, die hinsichtlich der Räum- und Streupflicht für Fußgänger und deren Übertragung sich im Rahmen dessen hält, was - wie bereits dargelegt - seit Jahren nach der herrschenden Rechtsprechung und Literatur Standard ist, hält sich auf jeden Fall innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Definitionsmacht (vgl. Brandenburgischen OLG, Urteil vom 13.11.2001, Az.: 2 U 85/00 zu § 49 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Nr. 2 BgbStrG). Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber die Gemeinden generell darauf beschränken sollte, im Rahmen des Zumutbaren und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Winterdienst nur für (separate) Gehwege und nicht für Gehbahnen auf die Anlieger zu übertragen.
Es ist im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich, dass es - etwa wegen hohen Fahrzeugaufkommens und der damit einhergehenden Gefahren - für die Anlieger der F -Z -Straße unzumutbar wäre, Gehbahnen entlang der Straßengrenze im Winter für Fußgänger zu beräumen und zu streuen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die F -Z -Straße in erster Linie dem Anliegerverkehr dient. Soweit die F -Z -Straße darüber hinaus auch von Kraftfahrern als Abkürzung zum D -Einkaufsmarkt benutzt wird, ist - wie die vorgelegten Lichtbilder deutlich dokumentieren - aufgrund der schlechten, unausgebauten Oberflächenverhältnisse nicht mit hohen Geschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge zu rechnen.
2.2.2 Die Übertragung ist auch nicht deswegen unwirksam, weil diese keine eindeutige Regelung enthielte, dass der Winterdienst auf Gehbahnen von den Anliegern zu erfüllen sei. Zwar sind an dem Inhalt der Straßenreinigungssatzung hohe Anforderungen zu stellen. Sie muss eindeutige Regelungen treffen, damit der Anlieger nicht über den Umfang seiner Pflichten im Unklaren ist (OLG Köln, Urt. v. 26.11.1987, Az.: 7 U 2/87, VersR 1988, 827; Wichmann, Rdn. 151 m.w.N.). Diesen Anforderungen entspricht die Satzung. So stellt § 4 Abs. 2 der Satzung klar, dass Gegenstand der Reinigungspflicht auch entsprechende Flächen von 1,50 m Breite am Rande entlang einer Fahrbahn sind, falls Gehwege auf keiner Seite vorhanden sind. In § 6 Abs. 1 der Satzung wird ausdrücklich auch auf diese Flächen hinsichtlich des Winterdienstes Bezug genommen. Dort heißt es:
"Bei Schnee- und Eisglätte haben die Verpflichteten (§ 2) die Gehwege und die in § 4 genannten Flächen rechtzeitig so zu streuen, dass sie von Fußgängern bei Beachtung der gebotenen Vorsicht möglichst gefahrlos benutzt werden können."
Dass der Winterdienst für Gehbahnen auf die Anlieger übertragen war, wurde offensichtlich zumindest von den Anliegern der F -Z -Straße auch so verstanden. So hat die Zeugin Cornelia S ausgesagt, dass von den Anliegern die F -Z -Straße gestreut und von Schnee befreit wurde, d. h. die Anlieger von einer entsprechenden Verpflichtung ausgingen. Zwar hätte sie sich, als der D -Einkaufsmarkt eröffnet wurde, beim "Rat der Stadt" beschwert, weil sie nicht einsah, weiterhin den Winterdienst auszuüben, obwohl die Straße nunmehr "öffentlich geworden ist" und eine starke Fußgängerfrequentierung stattgefunden habe. Nachdem ihr jedoch bei dem Gespräch gesagt worden sei, dass weiterhin die Verpflichtung zum Winterdienst bestehe, habe sie weiter den Schnee "geschoben und gestreut". Im Übrigen gaben sowohl die Zeugen Cornelia S als auch ihr Sohn Nico bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht an, dass am Unfalltag die F -Z -Straße von Schnee durch den Anlieger beräumt war, es lediglich aufgrund der anziehenden Kälte zur Eisbildung kommen sei.
2.3 Die Beklagte haftet daneben nicht aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, die nicht Gegenstand der Übertragung nach § 51 Abs. 5 SächsStrG ist.
Die Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs. 5 SächsStrG bezieht sich nur auf die sogenannte polizeimäßige Reinigung und nicht auf die sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergebenden Räum- und Streupflicht. Es kann offen bleiben, ob die verkehrsmäßige Reinigung auch im Freistaat Sachsen hinter die öffentlich-rechtliche bzw. polizeimäßige zurücktritt - und wenn, in welchem Umfang (siehe Senat, Urteil vom 10.05.2000, Az.: 6 U 439/00 und Urteil vom 31.01.2001, Az.: 6 U 2972/00). Zulässig ist nämlich, dass die Gemeinden die Wahrnehmung der aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht fließenden, konkreten Aufgaben auf Dritte übertragen bzw. durch diese erfüllen lassen, die wiederum dann selbst verkehrssicherungspflichtig werden. Dies ist vorliegend durch die Satzung geschehen.
2.4 Zwar verbleibt den Kommunen im Falle der Übertragung der Räum- und Streupflicht auf die Anlieger eine Überwachungspflicht dahingehend, dass diese ihren Pflichten auch in ausreichendem Maße nachkommen (Rotermund, Rdn. 294 m. w. N.). Dass die Beklagte diese ihr verbliebene Kontroll- und Überwachungspflicht verletzt hätte und dies kausal für den Unfall gewesen wäre, wird von der Klägerin nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision war bereits deswegen nicht zuzulassen, da es sich hinsichtlich der Frage, ob aufgrund des Sächsischen Straßengesetzes die Beklagte die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Anlieger übertragen konnte, um nicht revisibles Recht i. S. d. § 545 ZPO handelt. Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor.
IV.
Der Gebührenstreitwert war gemäß §§ 14, 12 GKG i. V. m. § 3 ZPO festzusetzen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin in der ersten Instanz ein Schmerzensgeld i. H. v. 15.000,00 DM begehrte, war unter Berücksichtigung der erforderlichen objektiven Würdigung (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., Anh § 3, Rdn. 99 f. "Schmerzensgeld") der Gebührenstreitwert für den Schmerzensgeldantrag auf bis 8.000,00 Euro festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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