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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 7 W 554/04
Rechtsgebiete: HGB, GmbHG, InsO


Vorschriften:

HGB § 110
HGB § 110 Abs. 1
HGB § 171
HGB § 171 Abs. 1
GmbHG § 19 Abs. 2 Satz 2
InsO § 94
1. Leistet der Kommanditist einer GmbH & Co. KG seine Einlage durch Zahlung auf ein debitorisches Gesellschaftskonto, kann er - wenn die Gesellschaft nicht über eine Kreditlinie für das Konto verfügt - seine Einlagepflicht (auch noch in der Insolvenz der KG) durch Aufrechnung mit seiner Regressforderung gemäß § 110 HGB zum Erlöschen bringen. Auf die Vollwertigkeit der Kontoausgleichsforderung der Bank gegen die KG kommt es für die Wirkung der Aufrechnung nicht an.

2. Das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG findet auf die Kommanditeinlageforderung auch dann keine entsprechende Anwendung, wenn die einzige persönlich haftende Gesellschafterin eine Kapitalgesellschaft ist.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 7 W 0554/04

Beschluss

des 7. Zivilsenats

vom 24.06.2004

In dem Rechtsstreit

wegen Kommanditeinlage

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Werber, Richter am Oberlandesgericht Dr. Märtens und Richter am Landgericht Kuhn

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dresden vom 16.04.2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Verwalter in dem am 30.06.2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH & Co. KG (nachfolgend: Schuldnerin). Er begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er die Antragsgegnerin als Kommanditistin der Schuldnerin auf Zahlung eines Teilbetrages ihrer Kommanditeinlage in Höhe von 51.129,19 Euro in Anspruch zu nehmen beabsichtigt.

Persönlich haftende Gesellschafterin der am 30.11.1998 gegründeten Schuldnerin ist die GmbH. Diese ist weder am Vermögen noch am Ergebnis der Schuldnerin beteiligt. Kommanditist seit Gründung war mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 1.000,00 DM Rechtsanwalt D . Die Antragsgegnerin erwarb diesen Kommanditanteil am 01.08.1999. Die Kommanditeinlage wurde sodann am 01.08.1999 und am 18.10.2000 auf zuletzt 1.885.000,00 DM erhöht. Die Antragsgegnerin hielt den Kommanditanteil treuhänderisch für eine Vielzahl von Anlegern, die ihrerseits Zahlungen auf die Einlageverpflichtung der Antragsgegnerin auf ein Bankkonto der Schuldnerin leisteten. Von diesen Einzahlungen sind 100.000,00 DM zu Zeitpunkten auf das Konto überwiesen worden, in denen sich das Konto in den Betrag der Einzahlung jeweils übersteigender Höhe im Soll befunden hat. Nach bestrittenem Vortrag des Antragstellers ist der Schuldnerin von der kontoführenden Bank eine Kreditlinie nicht eingeräumt worden.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Leistungen auf die Kommanditeinlage der Antragsgegnerin in Form der Überweisung auf ein debitorisches Konto der Schuldnerin seien - entsprechend der Rechtslage bei der GmbH - zur Erfüllung der Einlagepflicht nicht geeignet gewesen. Im vorliegenden Fall, in dem die persönlich haftende Gesellschafterin der KG eine Kapitalgesellschaft sei, sei im Hinblick auf die Leistung der Kommdanditeinlage eine entsprechende Anwendung der Kapitalaufbringungsregeln der GmbH geboten. Die Antragsgegnerin sei daher verpflichtet, ihre Kommanditeinlage in Höhe der auf das debitorische Konto geleisteten Zahlungen nochmals zu leisten.

Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat dem Antragsteller die Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage zu Recht wegen mangelnder Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage versagt. Die Überweisungen auf das debitorische Konto der Schuldnerin sind - zumindest in Verbindung mit einer Aufrechnung gegen die Einlageschuld - geeignet, die Kommandteinlagepflicht der Antragsgegnerin zum Erlöschen zu bringen.

a) Im Unterschied zum GmbH-Recht kann der Kommanditist seine Einlagepflicht durch Überweisung auf ein debitorisch geführtes Bankkonto erfüllen (Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, § 171 Rn. 43; MünchKommHGB/K. Schmidt, §§ 171, 172 Rn. 53). Das gilt auch dann, wenn der KG eine Kreditlinie für das Konto nicht eingeräumt worden ist und die geschäftsführenden Gesellschafter folglich nicht frei über die Valuta verfügen können. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, erwirbt der Kommanditist in diesem Fall eine Regressforderung gegen die Gesellschaft gemäß § 110 Abs. 1 HGB, weil er mit seiner Zahlung an die Bank als Gesellschaftsgläubigerin die Gesellschaft von einer Verbindlichkeit befreit hat. Mit dieser Regressforderung kann der Kommanditist gegen die Einlageforderung der Gesellschaft aufrechnen. Die Möglichkeit der Aufrechnung besteht gemäß § 94 InsO auch noch in der Insolvenz, sofern - wie hier der Fall - die Aufrechnungsbefugnis bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.1971 - II ZR 33/68, BGHZ 58, 72, 75 = NJW 1972, 480; Urt. v. 7.7.1980 - II ZR 233/79, NJW 1981, 232, 233 - beide Entscheidungen noch zur KO; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 171 Rn. 111).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es für die Befreiungswirkung der Aufrechnung in diesem Fall nicht darauf an, ob und inwieweit die Forderung des Gesellschaftsgläubigers, von der die Gesellschaft durch die Leistung des Kommanditisten befreit wurde, vollwertig ist. Grundsätzlich ist allerdings seit dem Urteil des BGH vom 8.7.1985 (II ZR 269/84, BGHZ 95, 188, 195 = NJW 1985, 2947) anerkannt, dass bei einer Aufrechnung des Kommanditisten der Anspruch auf die Pflichteinlage nicht in Höhe des Nennwertes, sondern nur in Höhe des objektiven Wertes der aufgerechneten Gegenforderung erlischt. Wie der BGH jedoch an gleicher Stelle ausgeführt hat, gilt von diesem Grundsatz eine Ausnahme für den Fall, dass es sich bei der aufgerechneten Gegenforderung um eine Regressforderung des Kommanditisten wegen der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers handelt (BGHZ 95, 188, 195 f.; ebenso MünchKommHGB/K. Schmidt, §§ 171, 172 Rn. 60; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 171 Rn. 36; Röhricht/Graf von Westphalen/von Gerkan, HGB, 2. Aufl., § 171 Rn. 50; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 171 Rn. 7). Diese Ausnahme ist dem Haftungssystem des § 171 HGB geschuldet. Leistet der Kommanditist, der seine Kommanditeinlage noch nicht erbracht hat, vor der Insolvenz der Gesellschaft an einen Gesellschaftsgläubiger, ist er in Höhe des Nennbetrages der getilgten Forderung gegenüber sämtlichen Gesellschaftsgläubigerin von der Kommanditistenhaftung gemäß § 171 Abs. 1 HGB befreit (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.1969 - II ZR 222/67, BGHZ 51, 391; BGHZ 95, 188, 195). Ist demnach im Falle der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers unter dem Gesichtspunkt der Kommanditistenhaftung eine Berücksichtigung der getilgten Verbindlichkeit zu deren Nennwert möglich, besteht kein Grund, abweichend hiervon bei der Prüfung der Tauglichkeit der Aufrechnung mit dem Regressanspruch zur Erfüllung der Einlagepflicht die getilgte Verbindlichkeit einer Vollwertigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 54 II 3.c)cc), S. 1575).

b) Eine abweichende Beurteilung ist vorliegend nicht deshalb geboten, weil im Fall der Schuldnerin die einzige persönlich haftende Gesellschafterin eine Kapitalgesellschaft ist. Insbesondere ist in einem solchen Fall nicht das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG entsprechend anzuwenden. In dem Fall, den der BGH in BGHZ 95, 188, zu beurteilen hatte, lag eine solche Konstellation vor, ohne dass der BGH insoweit ein Aufrechnungsverbot statuiert hat. Er hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass der im Recht der GmbH geltende Grundsatz, nach dem die Verrechnung der Einlageschuld mit einer nicht vollwertigen Forderung gegen die Gesellschaft im Ganzen unwirksam sei, auf der besonderen Ausprägung des Kapitalaufbringungsgrundsatzes im GmbH-Recht beruhe und auf die Kommanditgesellschaft nicht übertragen werden könne (BGHZ 95, 188, 198). Die Kapitalaufbringung bei der GmbH & Co. KG ist dadurch ausreichend abgesichert, dass die diesbezüglichen GmbH- und KG-Regeln für beide Gesellschaften nebeneinander eingehalten werden müssen (vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 V 1 a, S. 1653) und dass auch für die Leistung auf die Kommanditeinlage grundsätzlich das Prinzip der objektiven Wertdeckung gilt (BGHZ, 95, 188, 195). Eine darüber hinausgehende vollständige Übertragung der Kapitalaufbringungsregeln der GmbH auch auf den Kommanditanteil ist nicht geboten.

c) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass der Rechtssache im vorliegenden Fall grundsätzliche Bedeutung beikäme oder eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (vgl. zu diesem Bewilligungsgrund BGH, Beschl. v. 17.3.2004 - XII ZB 192/02, FamRZ 2004, 867). Die zu entscheidenden Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung vom Grundsatz her geklärt. Das gilt auch für die vom Antragsteller zur Prüfung gestellten Anwendbarkeit des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG auf die Einlagepflicht des Kommanditisten einer GmbH & Co. KG. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine solche entsprechende Anwendung in Rechtsprechung und einschlägiger Literatur ernsthaft diskutiert wird.

Ende der Entscheidung

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