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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 04.10.2006
Aktenzeichen: 8 U 1272/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 167
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3
1. Verzögert sich infolge mehrerer fehlgeschlagener Versuche die Zustellung eines Mahnbescheides beträchtlich (hier 11 Monate), ist diese nur dann "demnächst" erfolgt, wenn der Gläubiger darlegt, nach Kenntniserlangung von der Unzustellbarkeit jeweils die gebotenen Anstrengungen zur raschen Erforschung und Mitteilung einer neuen Zustellanschrift unternommen zu haben.

2. Erwirkt der Rechtsnachfolger einer Bank, die den Darlehensvertrag außerordentlich gekündigt und eine näher aufgeschlüsselte Gesamtabrechnung erteilt hat, einen Mahnbescheid wegen "Zinsrückständen" aus früherer Zeit, wird die Verjährung mangels hinreichender Individualisierung des Anspruchs nicht gehemmt, wenn der Mahnbescheid eine neue, dem Schuldner unbekannte Vertragsnummer und weder Höhe noch Verwendungszweck des Darlehens bezeichnet, der Schuldner über den Gläubigerwechsel nicht unterrichtet worden ist und sich die geforderten Zinsrückstände nicht mit der Abrechnung des Darlehensgebers in Übereinstimmung bringen lassen.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 8 U 1272/06

Verkündet am 04.10.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2006 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richter am Oberlandesgericht Bokern und Richter am Landgericht Meyer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 31.05.2006 abgeändert.

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 27.12.2005 (Az.: 04-3344033-0-3) wird, soweit die Klage erstinstanzlich nicht zurückgenommen wurde, aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstrek-kenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

- Streitwert der Berufung: bis 40.000,00 EUR (42.688,98 EUR abzüglich gem. § 43 GKG nicht berücksichtigungsfähiger kapitalisierter Verzugszinsen von 763,30 EUR und 2.551,86 EUR) -

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Investmentgesellschaft, die Ende 2004 durch Ausgliederung aus der H Bank entstanden ist, macht Ansprüche aus zwei Darlehen über 390.000,00 DM und 210.000,00 DM geltend, die der Beklagte am 27.12.1995 und 06.05.1996 bei der N Bank aufgenommen hatte. Die Vertragsnummern lauteten "...956 " und "...966 in ...965". Ab Mai 2000 leistete der Beklagte keine Zahlungen mehr. Die H Bank , die Gesamtrechtsnachfolgerin der N Bank , kündigte die beiden Darlehen deshalb mit Schreiben vom 30.03.2004 unter Angabe der Vertragsnummern ...965 und ...966 außerordentlich. Dem per Gerichtsvollzieher zugestellten Kündigungsschreiben waren zwei Rückzahlungsaufstellungen per 31.03.2004 beigefügt. Darin wurden für die beiden Verträge Gesamtbeträge von 264.840,26 EUR bzw. 139.647,42 EUR gefordert. Die beiden Summen setzten sich zusammen aus einem zurückzuführenden "Effektivrest" von 180.878,95 EUR bzw. 93.949,90 EUR, Bearbeitungskosten von jeweils 250,00 EUR, näher aufgelisteten "rückständigen Raten inklusiv Verzugsschaden" von 68.481,83 EUR (31.05.2000 bis 31.03.2004) bzw. 40.064,31 EUR (31.03.2000 bis 31.03.2004) und schließlich einer Vorfälligkeitsentschädigung von 15.229,48 EUR bzw. 5.383,21 EUR.

Die Klägerin sieht sich als Anspruchsinhaberin. Sie ordnet dem Vertrag mit der Nr. ... 965 die neue Vertragsnummer .... 1111 (so Mahnbescheid) bzw. .... 111 (so Bezeichnung der Klägerin im Rechtsstreit) und dem Vertrag mit der Nr. ... 966 die neue Vertragsnummer .... 1121 zu. Am 28.12.2004 beantragte sie einen Mahnbescheid, der am 13.01.2005 erlassen und dem Beklagten nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen am 06.12.2005 zugestellt wurde. Mahn- und am 27.12.2005 erlassener Vollstreckungsbescheid bezeichnen als Hauptforderungen "Zinsrückstände" von 26.178,84 EUR und 17.077,66 EUR, die im Übrigen wie im angefochtenen Urteil zitiert (LGU 3 f.) näher beschrieben sind.

Im ersten Rechtszug hat die Klägerin zunächst unter Verweis auf die Rückzahlungsaufstellungen geltend gemacht, der Beklagte sei beim Darlehen Nr. ... 965 für den Zeitraum vom 31.05.2000 bis zum 31.12.2001 insgesamt 26.178,84 EUR an Tilgung und Verzugszinsen schuldig geblieben; beim Darlehensvertrag Nr. ... 966 habe für den Zeitraum vom 31.03.2000 bis zum 31.12.2001 eine Schuld an Tilgung und Verzugszinsen von insgesamt 17.077,66 EUR bestanden. Auf die Rüge des Beklagten, dass den Rückzahlungsaufstellungen dies nicht zu entnehmen sei, hat die Klägerin für den erstgenannten Vertrag 19 Darlehensraten zu je 1.337,67 EUR für die Monate Juni 2000 bis Dezember 2001 (insgesamt 25.415,54 EUR) geltend gemacht und die Differenz zum insgesamt geforderten Betrag (26.178,84 EUR - 25.415,54 EUR = 763,30 EUR) mit Verzugszinsen bis zum Kündigungszeitpunkt für die Monatsraten August 2001 (Teilbetrag von 35,46 EUR) und September bis Dezember 2001 (720,84 EUR) unterlegt; für den zweitgenannten Vertrag hat sie nunmehr für die Jahre 2000 und 2001 acht quartalsweise zu zahlende Zinsraten zu je 1.409,25 EUR, für das zweite Halbjahr 2001 eine - im Hinblick auf die KfW-Förderung dieses Darlehens erstmals zu diesem Zeitpunkt zu erbringende - Tilgung von 2.684,28 EUR sowie Verzugszinsen von 2.551,86 EUR, insgesamt also 16.510,14 EUR beansprucht. Dementsprechend hat sie die Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides in Höhe von 42.688,98 EUR beantragt (26.178,84 EUR + 16.510,14 EUR) und die Klage im Übrigen zurückgenommen.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen und rechtliche Würdigung im angefochtenen Urteil Bezug genommen wird, hat den Vollstreckungsbescheid in Höhe von 26.178,84 EUR und 16.510,40 EUR, jeweils nebst 4 % Zinsen ab dem 06.12.2005, bestätigt.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er hält an der Rüge fehlender Aktivlegitimation der Klägerin und an der Verjährungseinrede fest. Das Landgericht habe sich mit diesen Einwänden, wie im Einzelnen ausgeführt wird, nur unzureichend und zudem fehlerhaft auseinandergesetzt.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung hat Erfolg und führt unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheides zur Abweisung der Klage. Die geltend gemachten Ansprüche sind ungeachtet der Frage, ob sie der Klägerin zustehen, jedenfalls vollständig verjährt.

1. Vorab ist auf ein Fehlverständnis des Landgerichts hinzuweisen.

Indem es unter anderem § 609 BGB a.F. zitiert und wiederholt auf eine Rückführungsverpflichtung des Beklagten aufgrund außerordentlicher Kündigung der Verträge abhebt, bringt das angegriffene Urteil zum Ausdruck, dass es auf die Kündigung und deren Berechtigung ankomme. Das trifft nicht zu, weil Gegenstand der - im Übrigen im Vergleich zum Vollstreckungsbescheid mit der Anspruchsbegründung und dem späteren Schriftsatz vom 21.03.2006 mehrfach modifizierten - Klage gerade keine kündigungsbedingt nunmehr fälligen Darlehensrückzahlungsansprüche, sondern ausschließlich bereits in den Jahren 2000 und 2001 fällig gewordene Zins- und Tilgungsraten samt hierauf bis zum Kündigungszeitpunkt berechneter Verzugszinsen sind. Das Abstellen auf die außerordentliche Kündigung lässt zudem besorgen, dass das Landgericht den durch die geltend gemachten Ansprüche festgelegten Streitgegenstand nicht präzise erfasst hat. Diese Sorge ist zusätzlich deshalb berechtigt, weil das Landgericht der Klägerin unbesehen auf die volle zuerkannte Summe (26.178,84 EUR + 16.510,40 EUR = 42.689,24 EUR; verlangt waren von der Klägerin "nur" 42.688,98 EUR) 4 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheides zugesprochen hat. Tatsächlich sind in der geforderten Summe Verzugszinsbeträge von 763,30 EUR und 2.551,86 EUR enthalten, die dem Zinseszinsverbot unterliegen.

2. Das Landgericht hat ohne Benennung gesetzlicher Grundlagen lediglich einen kleinen Ausschnitt der Verjährungsproblematik (Individualisierung der geltend gemachten Ansprüche im Mahnbescheid) beurteilt, nicht aber die für die Verjährung maßgebenden Vorschriften insgesamt in den Blick genommen und einer Prüfung unterzogen. Diese Prüfung ergibt, dass die Ansprüche unabhängig von der Frage hinreichender Individualisierung der im Mahnbescheid bezeichneten Forderungen verjährt sind.

a) Die Ansprüche, die die Klägerin im Rechtsstreit unter teilweiser Auswechslung der im Vollstreckungsbescheid titulierten Forderungen geltend macht und die ihr mit dem angefochtenen Urteil zuerkannt sind, sind zum einen rückständige Zins- und Tilgungsraten, die in den Jahren 2000 und 2001 fällig wurden, zum anderen auf den Kündigungszeitpunkt berechnete Verzugszinsen wegen nicht rechtzeitiger Erbringung eben dieser Raten. Die darlehensvertraglich geschuldeten Zins- und Tilgungsraten unterlagen ursprünglich der vierjährigen Verjährungsfrist der §§ 197, 201 BGB a.F. An deren Stelle ist mit Wirkung vom 01.01.2002 die neue Regelverjährung von drei Jahren getreten, so dass die Ratenrückstände einheitlich mit Ablauf des 31.12.2004 verjährten, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB. Sind diese Hauptansprüche verjährt, gilt gem. § 217 BGB dasselbe für die von ihnen abhängenden Nebenleistungen, nämlich die kapitalisiert beanspruchten Verzugszinsen von 720,84 EUR und 2.551,86 EUR.

b) Durch Einreichung des Mahnbescheidsantrages am 28.12.2004 hat die Klägerin die Verjährung schon deshalb nicht rechtzeitig gehemmt, weil nicht festgestellt werden kann, dass dem Beklagten der Mahnbescheid "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zugestellt worden ist.

aa) Allerdings hindern dem Adressaten zuzurechnende Verzögerungen wie eine falsche Adressangabe, ein Wohnungswechsel oder eine Inhaftierung die Rückwirkung im Allgemeinen nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres (Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 167 Rn. 13 m.w.N.). Der Zustellungsbetreiber muss jedoch innerhalb eines zumutbaren Zeitrahmens die möglichen Maßnahmen ergreifen, um eine zeitnahe Zustellung zu bewirken (Zöller/Greger a.a.O.). Kommt er dieser Obliegenheit - ggf. fortwährend - nach, so schadet ihm selbst eine unter Umständen beträchtliche Verzögerung nicht. Nachlässigkeiten des Betreibers, die eine Verzögerung um mehr als zwei Wochen, im Mahnverfahren um mehr als einen Monat verursachen, stehen jedoch einer Rückwirkung gemäß § 167 ZPO entgegen. Das ist namentlich der Fall, wenn der Einreicher zwischen Kenntniserlangung vom Zustellungsmangel und Mitteilung einer neuen Zustellanschrift eine Zeitspanne von mehr als zwei Wochen bzw. einem Monat verstreichen lässt (vgl. BGHZ 131, 376 für Zustellung einer Klage; BGHZ 150, 221 für Zustellung eines Mahnbescheides; vgl. zu beidem BGH FamRZ 2004, 21).

bb) Eine solche Nachlässigkeit kann vorliegend auf der Grundlage des unstreitigen, aus dem Aktenausdruck des Mahngerichts ersichtlichen Sachverhaltes und des eigenen Vorbringens der Klägerin, die die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Merkmals "demnächst" trägt, nicht ausgeschlossen werden.

Auf die ihren Prozessbevollmächtigten am 04.02.2005 zugegangene erste Nachricht von der Unzustellbarkeit des Mahnbescheides ("unter der Anschrift M.straße in L. nicht zu ermitteln") hat die Klägerin gegenüber dem Mahngericht erst am 22.04.2005 und damit mehr als zweieinhalb Monate später mit einem Antrag auf Neuzustellung unter der Anschrift Dör.straße in L. reagiert. Welche Anstrengungen sie in der beträchtlichen Zwischenzeit entfaltet hatte, um diese neue vermeintliche Anschrift des Beklagten ausfindig zu machen, legt sie nicht konkret dar. Sie zeigt nicht einmal auf, wie sie auf die "Dör.straße " - die es in L. ebenso wenig gibt wie die "Doer.straße ", unter der im Anschluss an die am 03.05.2005 vom Mahngericht versandte Mitteilung, der "Empfänger sei unbekannt verzogen", und die dann am 02.06.2005 eingegangene Bitte der Klägervertreter ein weiterer erfolgloser Zustellversuch stattgefunden hat; tatsächlich handelte es sich offenbar um die Döl.straße mit identischer Postleitzahl - gekommen ist. Unter diesen Umständen lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin alles ihr Zumutbare getan hat, um eine zügige Zustellung auf den Weg zu bringen.

Dasselbe gilt erst recht für den Zeitraum ab dem 17.06.2005, an dem die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei Zugrundelegung postüblicher Laufzeiten die am 15.06.2005 an sie versandte Nachricht von der abermaligen Unzustellbarkeit ("unter der angegebenen Anschrift - Doer.straße in L. - nicht zu ermitteln") erreicht hatte, und dem 30.11.2005, als der Antrag auf dann geglückte Zustellung unter der Anschrift R.straße in L. einging. Auch hinsichtlich dieses Zeitraumes von sogar rund fünfeinhalb Monaten bleibt die Klägerin konkreten Vortrag schuldig, welche Maßnahmen sie zur Erlangung der neuen zustellfähigen Adresse ergriffen hat.

Hypothetische Erwägungen, wonach rascheres Tätigwerden der Klägerin unter den gegebenen Umständen - insoweit fällt immerhin auf, dass der Beklagte für die Zeit von April bis einschließlich November 2005 seinen Aufenthaltsort oder seine Wohnung nicht benennt - möglicherweise keine schnellere Zustellung des Mahnbescheids bewirkt hätte, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Zum einen macht die Klägerin solches selbst nicht geltend. Zum anderen wäre es ihr unbenommen und zumutbar gewesen, bei zwischenzeitlich belegbar unbekanntem Aufenthalt des Beklagten ihre Ansprüche - unter Abstandnahme vom Mahnverfahren - im Klagewege zu verfolgen und eine öffentliche Zustellung zu erreichen (vgl. §§ 688 Abs. 2, 185 Nr. 1 ZPO). Ein solches Vorgehen hätte Rechtsnachteile aus der erkannterweise drohenden Verjährung vermieden, weil entweder die öffentliche Zustellung der Klage in weiter Auslegung des § 167 ZPO - und ggf. entsprechender Heranziehung von § 691 Abs. 2 ZPO - auf den Zeitpunkt der Einreichung des Mahnbescheidsantrages zurückzubeziehen gewesen wäre (vgl. BGH WM 1995, 1413 zur Rückwirkung der Anspruchsbegründung gemäß § 693 Abs. 2 ZPO a.F. im Falle eines Mahnbescheides, dessen unvollständig zugestellte Ausfertigung dem Schuldner keinerlei Aufschluss über die geltend gemachten Forderungen gab) oder aber der Beklagte jedenfalls nach Treu und Glauben gehindert gewesen wäre, aus der trotz aller zumutbaren Anstrengungen der Klägerin eingetretenen, auf sein "Untertauchen" zurückzuführenden Verjährung Vorteile zu ziehen.

c) Für eine rechtzeitige Hemmung kraft Gesetzes ist aus dem Vorbringen der Parteien nichts ersichtlich.

Zu denken wäre allenfalls an § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB. Diese im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung geschaffene, am 01.01.2002 in Kraft getretene Vorschrift bewirkt eine (längstens) zehnjährige Hemmung der Verjährung der Ansprüche auf Darlehensrückerstattung und Zinsen ab Verzugsbeginn. Unabhängig davon aber, ob die Überleitungsregeln in Art. 229 § 6 EGBGB diese Hemmungswirkung auch auf vor dem 01.01.2002 fällig gewordene Ansprüche erstrecken, greift § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB nur dann ein, wenn es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt. Hierfür gibt es im Streitfall, namentlich im Vorbringen der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin, keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Tatsache, dass der Beklagte in größerem Stil mehrere Bauvorhaben in L. , G. und R. kreditfinanziert bewältigt hat, spricht im Gegenteil deutlich für ein gewerbliches Tätigwerden und damit gegen eine Verbraucherstellung des Beklagten bei Abschluss der beiden streitgegenständlichen Verträge.

d) Unter den feststellbaren Umständen ist die Berufung des Beklagten auf die Einrede der Verjährung auch nicht treuwidrig.

Zwar liegt ein Verstoß gegen § 242 BGB vor, wenn der Schuldner seine vertragliche Verpflichtung zur Mitteilung eines Wohnungswechsels schuldhaft verletzt und dadurch eine wirksame Zustellung des Mahn- und Vollstreckungsbescheides vereitelt hat (BGH WM 2004, 2203). So verhält es sich hier aber nicht. Mit der zweifellos berechtigten, zustellbaren und zugestellten Kündigung der beiden Darlehensverträge durch die H Bank im Frühjahr 2004 waren etwaige Pflichten des Beklagten zur Mitteilung eines Wohnungswechsels erloschen. Deshalb kann dahinstehen, ob den in die Darlehensverträge einbezogenen Bedingungen eine solche nicht ausdrücklich festgeschriebene Pflicht überhaupt zu entnehmen ist.

3. Sogar dann aber, wenn man von einer "demnächst" erfolgten Zustellung ausgeht, sind die geltend gemachten Ansprüche verjährt.

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts waren die Angaben im Mahnbescheid aus der maßgeblichen Sicht des Beklagten nicht hinreichend individualisiert.

aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hemmt ein Mahnbescheid die Verjährung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend individualisiert worden ist. Er muss durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt sein, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann. Die Angaben müssen dem Schuldner ferner ausreichenden Aufschluss darüber geben, welcher Anspruch oder welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden, damit er beurteilen kann, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen will. Wann diesen Anforderungen genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden. Vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (vgl. BGH WM 2000, 686 unter II 1 a; BGH WM 2000, 2375 unter II 2 c aa; BGH WM 2002, 398 unter II 2 a, jeweils m.w.N.).

bb) Nach diesen Maßstäben kann im Streitfall nicht von einer hinreichenden Individualsierung ausgegangen werden. Das Landgericht lässt bei seiner gegenteiligen Würdigung wesentlichen unstreitigen Prozessstoff unberücksichtigt. So ist dem Beklagten der Name der Klägerin erstmals mit Zustellung des Mahnbescheides bekannt geworden. Weder von ihr noch von seiner bisherigen Gläubigerin, der H Bank , welche noch in eigener Person die Kündigung ausgesprochen und mit den beiden "Rückzahlungsaufstellungen" umfangreiche eigene Forderungen aufgemacht hatte, war er über den Gläubigerwechsel unterrichtet worden. Die Firmenbezeichnung der Mahnbescheidsgläubigerin wies nicht einmal entfernte Ähnlichkeiten zur Firma der Altgläubigerin auf. Auch ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass den Mahnbescheidsforderungen zwei seitens der Klägerin - in der Abwicklung - übernommene Kreditengagements zugrunde lagen, fehlte. Erschwert wurde dem Beklagten die Möglichkeit der Zuordnung ferner dadurch, dass die im Mahnbescheid zur näheren Kennzeichnung der beiden Verträge mitgeteilten Nummern (.... 1111 und .... 1121) für ihn keinerlei Aussagekraft hatten. Sie waren ihm unbekannt und unterschieden sich von den bis dahin selbst bei Ausspruch der Kündigung im Jahre 2004 noch verwandten Vertragsnummern (... 965 und ... 966) deutlich. Überdies hatte der Beklagte bei der N Bank unstreitig weitere Darlehensverträge abgeschlossen. Auf diese Weise finanzierte er Grundstücksgeschäfte für die Mü.straße in L. , die C.straße in G. und die Mi.straße in R. . Die beiden vorliegend relevanten Darlehensverträge betrafen das Objekt N.straße in L. . Der Mahnbescheid benennt kein finanziertes Objekt. Insgesamt wurde dem Beklagten damit nicht ausreichend offenbart, dass die im Mahnbescheid bezeichneten Zinsforderungen auf von ihm ursprünglich mit der N Bank geschlossene Darlehensverträge zurückgingen. Gerade der Gesichtspunkt aber, ob dem Schuldner Gläubiger und Lebenssachverhalt bekannt sind, ist für die verjährungsrechtliche Frage ausreichender Individualisierung von Bedeutung (vgl. etwa BGH WM 2000, 686 unter II 1 b).

Die demgegenüber vom Landgericht und der Klägerin angeführten Anhaltspunkte erlauben keine andere Beurteilung. Zwar enthält der Mahnbescheid für die beiden Verträge Angaben, die Übereinstimmungen mit den unter den Vertragsnummern ... 965 und ... 966 geschlossenen aufweisen. Beim ersten Vertrag ist das Datum korrekt benannt (27.12.1995), beim zweiten stimmt immerhin der Monat (Mai 1996); zudem entsprechen die Effektivzinsangaben exakt den in den ursprünglichen Verträgen gemachten, wenngleich sie sich dort - im Gegensatz zur rasch wahrnehmbaren Angabe des (Nominal-)Zinses auf Seite 1 - erst bei gründlichem Lesen der Seite 2 finden. Diese Gemeinsamkeiten reichen aber zur Individualisierung nicht aus. Zum einen setzen sie gerade voraus, dass der Beklagte einen Bezug zu den ihm vor vielen Jahren von der N Bank gewährten Darlehen herstellte. Das lag nach seinem Kenntnisstand nicht nahe, weil er mit den im Vordergrund stehenden Mahnbescheidsangaben zur Person der Gläubigerin - keiner Bank - und zu den Vertragsnummern nichts anfangen konnte und außerdem weder die jeweilige Darlehenshöhe (390.000,00 DM bzw. 210.000,00 DM) noch das Finanzierungsobjekt benannt waren. Zum anderen wurden die Gemeinsamkeiten durch andere Auffälligkeiten entwertet. Da die Verträge gekündigt waren und die H Bank eine umfangreiche Gesamtabrechnung vorgenommen hatte, konnte der Beklagte damit rechnen, dass ein Mahnverfahren gegen ihn unter Hinweis auf diese Abrechnungen - wie es dann im Prozess auch geschehen ist - betrieben würde. Der Mahnbescheid erwähnt diese Abrechnungen hingegen gerade nicht, sondern liest sich eher, als bestünden die - nicht einmal ausdrücklich als Darlehensverträge bezeichneten - Verträge fort. Überdies war selbst dann, wenn man die im Mahnbescheid genannten Zinsrückstände mit den Rückzahlungsaufstellungen verglich, keine auch nur ungefähre Übereinstimmung festzustellen. Dies war nicht nur der Grund, warum die Klägerin im streitigen Verfahren die Mahnbescheidsforderungen zu einem nicht unerheblichen Teil kurzerhand auswechselte, sondern konnte für den Beklagten bei Prüfung des Mahnbescheides ein weiterer Anhaltspunkt sein, der dagegen sprach, dass den geltend gemachten Forderungen die Verträge mit der N Bank zugrunde lagen.

b) Ein Teil der streitgegenständlichen Forderungen wäre im Übrigen, wie das Landgericht übersieht, selbst bei Bejahung "demnächstiger" Zustellung und ausreichender Individualisierung verjährt.

aa) Die jedenfalls aus der Feder eines Rechtsanwaltes unmissverständliche Kennzeichnung der Ansprüche im Mahnbescheid als "Zinsrückstände" erfasst nicht die im Prozess teilweise verlangten Tilgungsraten. Bei diesen handelt es sich um selbständige Ansprüche mit anderem Streitgegenstand. Dementsprechend sind alle Tilgungsanteile, die die Klägerin für die Jahre 2000 und 2001 verlangt, verjährt; auf sie erstreckt sich die unterstellte Hemmungswirkung des zugestellten Mahnbescheides keinesfalls. Betroffen sind davon beim Vertrag ... 965 die in den 19 Raten zu je 1.337,67 EUR enthaltenen Tilgungsanteile, beim Vertrag ... 966 die Tilgungsrate von 2.684,28 EUR.

bb) Die Verjährung der Ansprüche auf Tilung hat zugleich zur Folge, dass die auf sie kapitalsiert bis zum 31.03.2004 aufgeschlagenen Verzugszinsen ebenfalls nicht mehr durchgesetzt werden können (§ 217 BGB).

cc) Schlussendlich wäre - unabhängig von den Erwägungen zu II 2 und II 3 a - auch ein Teil der auf die geltend gemachten Vertragszinsansprüche geforderten Verzugszinsen verjährt.

Der Mahnbescheid hat in Bezug auf die nunmehr kapitalisert bis zum 31.03.2004 verlangten Verzugszinsen keine Hemmung bewirkt. Für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 31.03.2004, der im Mahnbescheid nicht genannt ist, liegt dies auf der Hand. Doch auch für den Zeitraum vom 31.03./31.05.2000 bis zum 31.12.2001 ist die Hemmungswirkung zu verneinen. Denn die im Prozess verlangten Verzugszinsen fallen nicht unter den im Mahnbescheid genannten Begriff "Zinsrückstände"; gegen ein solches Verständnis spricht unter Berücksichtigung des allgemein bekannten Zinseszinsverbotes ferner das in den Mahnbescheid aufgenommene Begehren einer Verzinsung der vollen Hauptsachebeträge ab Zustellung des Mahnbescheides.

Dementsprechend hat insoweit frühestens die Einreichung der Anspruchsbegründung am 31.01.2006 die Verjährung gehemmt. Das bedeutet, dass die auf die Vertragszinsraten verlangten Verzugszinsen, soweit sie die Jahre 2000, 2001 und 2002 betreffen, verjährt sind (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB, Art. 6 Abs. 4 EGBGB). Aus § 217 BGB ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift ordnet lediglich an, dass Ansprüche auf Nebenleistungen spätestens mit dem Hauptanspruch verjähren. Sie ändert nichts daran, dass Ansprüche auf Nebenleistungen hinsichtlich des Verjährungsbeginns, der Dauer der Verjährung, der Hemmung und der Unterbrechung von der Verjährung des Hauptanspruchs unabhängig sind.

4. Das in der mündlichen Verhandlung beantragte Schriftsatzrecht zu den unter II 2 b und II 3 a behandelten Fragen war der Klägerin nicht zu gewähren. Beide Punkte sind im schriftsätzlichen Vortrag des Beklagten in erster wie auch in zweiter Instanz ausreichend angesprochen worden, so dass für die Klägerin alle Veranlassung bestand, sich hierzu rechtzeitig und vollständig zu erklären. Im Übrigen wird speziell die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin - wie das Landgericht nicht geprüft, wohl aber der Beklagte, auch im Berufungsverfahren, ausdrücklich beanstandet hat - den Anforderungen des § 167 ZPO genügt hat, letztlich nicht entscheidungserheblich. Denn es fehlt (außerdem) an einer hinreichenden Individualisierung der Mahnbescheidsforderungen. Dass der Senat insoweit einen anderen Standpunkt einnimmt als das Landgericht, konnte die Klägerin keinesfalls überraschen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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