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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 10.02.2004
Aktenzeichen: 8 U 2225/03
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO §§ 114 ff. | |
ZPO § 115 | |
ZPO § 116 I Nr. 2 |
2. Die stiftungsrechtliche Verpflichtung, den Vermögensstock zu erhalten, hat nicht zur Folge, dass eine bei der Anlage des Stiftungsvermögens beratende Bank der Stiftung von einer Anlage in Aktien- oder Rentenfonds abraten müsste. Die Einhaltung der stiftungsrechtlichen Vorschriften obliegt allein der Stiftung selbst.
Oberlandesgericht Dresden
Aktenzeichen: 8 U 2225/03
Beschluss
des 8. Zivilsenats
vom 10.02.2004
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatz aufgrund Beratungsverschulden bei Geldanlage
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richterin am Oberlandesgericht Haller und Richterin am Landgericht Dr. Baer
beschlossen:
Tenor:
1. Der Antrag der Klägerin, ihr für ein Berufungsverfahren gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 11.11.2003, Az: 4 O 971/03, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine gemeinnützige Stiftung, nimmt die beklagte Bank wegen Beratungsfehlern im Zusammenhang mit der Anlage des Stiftungsvermögens in Aktien- und Rentenfonds in Anspruch.
Nach Beratung durch den für die Beklagte handelnden Zeugen G legte die Klägerin im Frühjahr 2000 3/4 ihres Stiftungsvermögens von damals insgesamt 2 Mio. DM in dem europäischen Aktienfonds "Incofonds" und 1/4 des Stiftungsvermögens in dem europäischen Rentenfonds "Corenta II" an. In der Folgezeit kam es zu drastischen Kurseinbrüchen, so dass die Klägerin erhebliche Verluste erlitt.
Sie ist der Auffassung, die Beklagte hätte sie nicht anleger- und anlagegerecht beraten. Insbesondere habe die Beklagte nicht ausreichend berücksichtigt, dass Aktienfonds, vor allem risikoreiche Fonds des "Neuen Marktes", für eine gemeinnützige Stiftung, die gehalten ist, ihr Stiftungsvermögen ungeschmälert zu erhalten, nicht geeignet seien.
Zudem habe die Beklagte nicht auf die mit der Anlage verbundenen Risiken hingewiesen.
Die Beklagte wendet dagegen ein, die Klägerin habe sich nach umfassender Beratung durch den Zeugen G im Bewusstsein des damit verbundenen Risikos eigenverantwortlich für den Erwerb der Fonds entschieden.
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhaltes wird auf das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 11.11.2003 Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg.
1. Der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin war bereits deshalb zurückzuweisen, weil die Klägerin nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen.
Nach ihrem eigenen Vortrag im Schriftsatz vom 15.12.2003 verfügt die Klägerin über ein Stiftungsvermögen, das sich am 25.11.2003 auf 607.926,20 Euro belief. Es sind keine Gründe ersichtlich, die dagegen sprächen, dieses Vermögen zur Prozessführung einzusetzen.
Mit dem Hinweis, dass sie nach ihrer Satzung und dem im Stiftungsrecht geltenden Vermögenserhaltungsgebot verpflichtet sei, das Stiftungsvermögen ungeschmälert zu erhalten, verkennt die Klägerin, dass dieses Gebot nur sie selbst hinsichtlich der von ihr angestrebten Mittelverwendung bindet. Das Gebot kann indes nicht zur Folge haben, die Klägerin von der Tragung der Prozesskosten freizustellen und diese Kosten dem Staat und damit letztlich der Allgemeinheit aufzuerlegen (ähnlich BFH, Beschluss vom 21.07.1999 - Az: I S 6/98 - zu einem gemeinnützigen Verein).
Anderenfalls hätten es die Stiftungen in der Hand, durch entsprechende Fassung der Satzungen jeden Prozess - vorbehaltlich natürlich der Erfolgsaussicht - auf Kosten des Steuerzahlers zu führen. Dass dies dem gesetzgeberischen Willen bei der Fassung der §§ 114 ff. ZPO entspräche, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch ein gemeinnütziger Verein kann nicht darauf gestützt Prozesskostenhilfe erhalten, er habe in der Vereinssatzung bestimmt, sein Vermögen nur für unmittelbare Vereinszwecke i.S.d. Gemeinnützigkeit auszugeben.
Vorliegend ist somit allein entscheidend, dass das Stiftungsvermögen objektiv vorhanden ist und der Klägerin zur Verfügung steht. Ob ihr der Einsatz - auch vor dem Hintergrund der Erhaltungspflicht - zuzumuten ist, ist im Rahmen des § 116 I Nr. 2 ZPO, anders als bei §§ 114, 115 ZPO, nicht zu prüfen (Zöller-Philippi, 23. Aufl., § 116 Rdnr. 4).
Das der Klägerin derzeit zur Verfügung stehende Vermögen übersteigt die zu erwartenden Prozesskosten um ein Vielfaches. Es ist nicht zu erkennen, dass die Klägerin durch die Verpflichtung, die Prozesskosten selbst aufzubringen, nachhaltig geschädigt oder gar in ihrer Existenz bedroht würde. Weiter ergibt ein Vergleich der finanziellen Verhältnisse der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit ihrer jetzigen Situation, dass sich das Vermögen der Klägerin infolge zwischenzeitlich eingetretener Kurssteigerungen von seinerzeit 528.962,20 Euro (vgl. Schriftsatz vom 17.02.2003, Bl. 7) auf derzeit 607.926,20 Euro wieder erhöht hat. Auch insoweit wäre eine Schonung ihres Vermögens nicht gerechtfertigt. Vielmehr hat sie einen (geringen) Teil dieses Vermögens zur Prozessfinanzierung einzusetzen. Dabei mag sie zur Kostenminimierung auch die Möglichkeit einer Teilklage in Erwägung ziehen (hierzu Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 114 Rn. 34).
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Hamburg (NJW-RR 1987, 894 = MDR 1987, 502). Dort ging es um einen gemeinnützigen sozialpädagogischen Verein ohne Vermögen, dessen erforderliche Mittel im Wesentlichen die öffentliche Hand zur Verfügung stellte. Das OLG Hamburg hielt es für nicht zumutbar, dass die Vereinsmitglieder die Prozesskosten aufbringen und gewährte deshalb Prozesskostenhilfe. Mit dem vorliegenden Fall einer Stiftung, die über ausreichendes Vermögen verfügt, ist dies nicht vergleichbar.
2. Darüber hinaus war der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe auch deshalb abzulehnen, weil die Berufung der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das Landgericht Leipzig hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die beklagte Bank kein Anspruch aus fehlerhafter Anlageberatung zu.
Die Beratung durch die Beklagte war anlegergerecht. Die Beklagte wusste, dass es sich bei der Klägerin um eine gemeinnützige Stiftung handelte und dass es der Klägerin auf die Wahrung des Stiftungsvermögens ankam.
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, waren der Beklagten damit die wesentlichen Eckpunkte für eine anlegergerechte Beratung bekannt. Soweit die Klägerin der Auffassung ist, die Beklagte hätte sich unter dem Gesichtspunkt einer anlegergerechten Beratung auch mit den stiftungs- und steuerrechtlichen Besonderheiten, die sich insbesondere im Hinblick auf den Vermögenserhaltungsgrundsatz ergeben, befassen müssen, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
a) Der Vermögenserhaltungsgrundsatz, der in § 14 Abs. 2 des Stiftungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - dem Sitzland der Klägerin - sowie in § 3 ihrer Satzung niedergelegt ist, ist eine Verpflichtung, die sich ausschließlich an die Klägerin als gemeinnützige Stiftung richtet. Dritten, die mit einer Stiftung in Geschäftskontakt treten, obliegt die Wahrung dieser stiftungsrechtlichen Bestimmungen nicht. Das gilt in gleicher Weise etwa für einen Lieferanten einer teuren - den Vermögensstock tangierenden - Büroeinrichtung wie für eine bei der Geldanlage beratende Bank. Es bleibt in beiden Beispielsfällen Aufgabe der Stiftungsorgane, für die Einhaltung der stifungsrechtlichen Bestimmungen zu sorgen. War aus deren Sicht die Anlage des Stiftungsvermögens in Aktienfonds problematisch, weil sie gegen Stiftungsrecht verstieß oder weil bei nur vorübergehenden Kursverlusten ein Entzug der Gemeinnützigkeit durch die Finanzbehörden drohte, so hätten sie von einer solchen Anlage Abstand nehmen müssen. Wenn die Klägerin meint, die beklagte Bank hätte ihr wegen der stiftungsrechtlichen Bedenklichkeit von derartigen risikobehafteten Anlagen abraten müssen, so geht dies zu weit. Auch eine anlegergerechte Beratung erfordert nicht, dass der Berater quasi Aufgaben der Stiftungsaufsicht übernimmt.
Ein Erfolg der Klage würde bedeuten, dass die Stiftungsvorstände das Riskiko der allein von ihnen getroffenen Anlageentscheidungen auf die sie beratenden Banken abwälzen könnten, weil diese sie aus stiftungsrechtlichen Gründen daran hätten hindern müssen, eine aus damaliger Sicht von allen Beteiligten zwar als riskant, aber angesichts der Kursentwicklung in der Vergangenheit erwünscht angesehene Anlageentscheidung zu treffen.
Selbst wenn man eine entsprechende Aufklärungspflicht annehmen würde, ergäbe sich hieraus nichts für die Klägerin Günstiges. Sie legt selbst dar, dass ihre Vorstände durch die Anlageentscheidung keine Pflichtverletzung begangen und Kuratorium wie Stiftungsaufsicht die Entscheidungen gebilligt hätten. Es ist nicht erkennbar, wieso dann gerade die beklagte Bank einen haftungsbegründenden Fehler wegen nicht ausreichender Berücksichtigung stiftungsrechtlicher Grundsätze begangen haben sollte.
b) Auch mit der konkret unterbreiteten Anlageempfehlung hat die Beklagte ihre Pflichten zu einer anleger- und anlagegerechten Beratung nicht verletzt.
aa) Das Vorstandsmitglied der Klägerin, H , hat in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 bestätigt, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer Anlagestrategie von vornherein die Gespräche mit der Beklagten unter der Vorgabe führte, u.a. Aktien bzw. Aktienfonds erwerben zu wollen. Der von der Beklagten zunächst unterbreitete Vorschlag, etwa 50 % des anzulegenden Vermögens in Aktien zu investieren, geht auf die von der Klägerin geäußerten Vorstellungen zurück. Die mündliche Verhandlung hat im Ergebnis weiter ergeben, dass die Erhöhung des Anteils des in Aktien zu investierenden Kapitals auf 75 % zumindest auch auf einer Initiative der Klägerin beruhte und an einer Ertragsoptimierung orientiert war.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, wegen des Vermögenserhaltungsgrundsatzes hätten nicht mehr als 30 % des Vermögens in Aktien investiert werden dürfen und diesen Anteil im Entwurf der Berufungsbegründung sogar mit nur 20 % angibt, weist der Senat nochmals darauf hin, dass die Wahrung der sich aus der Satzung der Klägerin und dem Stiftungsrecht ergebenden Verpflichtungen nicht Aufgabe der Beklagten war. Es kann der Beklagten nicht angesonnen werden, die Klägerin von der von ihr selbst initiierten und gewünschten Anlagestrategie mit dem Hinweis auf ihre stiftungsrechtliche Verpflichtung, den Grundstock des Vermögens zu erhalten, abzubringen. Dies würde zu einer Verkehrung der Verantwortlichkeiten und damit letztlich auch der Risikoverteilung führen.
Abgesehen davon wären auch unter dem Gesichtspunkt des Vermögenserhaltungsgrundsatzes nie ernsthafte Zweifel an dem Vorschlag der Beklagten aufgekommen, hätten sich die Kurse wie erhofft entwickelt und die Klägerin die erwarteten Gewinne realisiert. Allein der Umstand, dass es zu Kurseinbrüchen kam, welche die Beklagte nicht vorhersehen konnte, kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
bb) Auch der Umstand, dass der für die Beklagte tätige Zeuge G den Vertretern der Klägerin die Begriffe "Rendite" und "Ausschüttung" möglicherweise nicht hinreichend scharf erläutert hat, begründet keinen Verstoß gegen die Beratungspflichten. Das Landgericht Leipzig hat insoweit völlig zutreffend ausgeführt, dass es der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen wäre, Vermögenszuwächse, die nicht durch die Ausschüttungen gedeckt waren, durch Wertpapierverkäufe zu realisieren, ohne dass sie sich dafür in die von ihr nicht gewünschte Rolle eines "Wertpapierhändlers" hätte begeben müssen.
Abgesehen davon würde auch die Bejahung eines diesbezüglichen Beratungsfehlers nicht zu einer Haftung der Klägerin führen, da sich dieser nicht in dem geltend gemachten Schaden realisiert hat. Die Klägerin macht vorliegend keine Schäden geltend, die etwa dadurch entstanden wären, dass sie in unzulässiger Weise Wertpapiergeschäfte betrieben hätte. Ihr geht es allein um den Ersatz der infolge der ungünstigen Kursentwicklung eingetretenen Verluste. Für diese waren aber die unscharfen Angaben des Zeugen G zu den Begriffen "Rendite" und "Ausschüttung" nicht kausal.
cc) Letztlich hat die Beklagte die Klägerin auch in ausreichendem Umfang auf die mit der Anlage verbundenen Risiken aufmerksam gemacht.
Das Landgericht Leipzig hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte in den einzelnen Beratungsgesprächen und auch im Rahmen des Schriftverkehrs mehrfach auf die mit Aktienanlagen verbundenen "Kursrisiken" hingewiesen hatte. Das Vorstandsmitglied der Klägerin H hat diese Hinweise auch verstanden.
Die Angaben der Beklagten, dass bei entsprechend langfristigem Anlagehorizont nach der bisherigen Entwicklung rechnerisch keine Verluste im Aktiengeschäft zu erwarten waren, waren nach den Erfahrungen der Vergangenheit zutreffend.
Die langfristige Prognose für die Anlage in Fonds wird auch - und gerade heute - von Anlageberatern und Verbraucherschutzorganisationen (z.B. Stiftung Warentest) als positiv angesehen. Die Klägerin ist das Engagement auch nicht als Kurzfristiges eingegangen. Daher verbietet sich schon eine Betrachtung, die bei Erwerb nahe den historischen Höchstständen nach dem allen sattsam bekannten Crash der Märkte auf die dadurch eingetretenen Verluste abstellt. Schon die ganz beträchtliche Erholung der Märkte seit März 2003 zeigt, das das Herausgreifen dieser einzigartigen Verlustphase zur langfristigen Beurteilung des Anlageerfolges ungeeignet ist.
Dies deckt sich mit der im Schreiben der Beklagten vom 06.03.00 enthaltenen Erklärung, wonach "historisch betrachtet bei einer Laufzeit von mehr als 5 Jahren weder bei der Aktien- noch bei der Rentenfondsanlage ein Kursrisiko besteht". Diese Aussage ist völlig zutreffend, was auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht. Sie macht deutlich, dass bei kurzfristiger Betrachtung sich auch einmal negative Ergebnisse ergeben können. Dass bald nach dem Kauf eine solche extreme Verlustphase von eintreten würde, haben weder die Mitarbeiter der Beklagten, noch sonst jemand gewusst. Dass ein solches Risiko nicht bestehe, hat die Beklagte nicht suggeriert. Sie ist aber auch keine Hellseherin. Ein Beratungsfehler liegt also nicht vor.
Die Berufung ist damit ohne hinreichende Erfolgsaussichten.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Einer Wertfestsetzung bedurfte es nicht, da gemäß § 127 Abs. 4 ZPO Kosten nicht erstattet werden.
Ende der Entscheidung
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