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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 16.06.1999
Aktenzeichen: 8 U 443/99
Rechtsgebiete: HWiG, VerbrKrG, ALB, AGBG, VVG, BGB, ZPO
Vorschriften:
HWiG § 1 Abs. 1 | |
HWiG § 2 Abs. 1 Satz 4 | |
HWiG § 6 Nr. 1 | |
VerbrKrG § 1 Abs. 1 | |
ALB § 4 Abs. 1 | |
ALB § 4 Abs. 2 | |
ALB § 6 Abs. 7 | |
AGBG § 2 Abs. 1 | |
AGBG § 24 Satz 1 Nr. 1 | |
VVG § 74 ff | |
BGB § 768 Abs. 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 | |
ZPO § 546 Abs. 2 |
1. Dem Begehren des Leasinggebers, der die Leasingraten für die Zeit zwischen Entwendung des Leasingobjekts und Kündigung des Leasingvertrages statt - wie rechtlich zutreffend - in voller Höhe brutto lediglich netto und abgezinst verlangt, darf das Gericht nur entsprechen, wenn mit dem einen wie dem anderen keine unterschiedlichen Streitgegenstände bezeichnet sind.
2. Schließt der Kfz-Leasinggeber, dem sämtliche Rechte aus der vom Leasingnehmer abgeschlossenen Kaskoversicherung abgetreten sind, mit der Versicherung einen "Abfindungsvergleich", ohne zuvor mit dem Leasingnehmer Rücksprache zu den Umständen der Entwendung des Fahrzeugs genommen zu haben, kann er zum Schadensersatz verpflichtet und sein Anspruch auf restliche Amortisation um die Differenz zwischen erzielbar gewesener und tatsächlich vereinnahmter Versicherungsleistung zu kürzen sein.
3. Der Leasingnehmer trägt (auch) im Prozess mit dem Leasinggeber grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das äußere Bild des behaupteten Kfz-Diebstahls.
OLG Dresden, 8. Zivilsenat
Urteil vom 16. Juni 1999, Az. 8 U 443/99
Oberlandesgericht Dresden
Aktenzeichen: 8 U 443/99 6-O-564/97 LG Dresden
Verkündet am: 16. Juni 1999
Die Urkundsbeamtin: Wiesner Justizsekretärin
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt ... als Konkursverwalter über das Vermögen der ... GmbH & Co. KG,
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
gegen
F.,
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen Forderung (Bürgschaft/Leasing)
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 1999 durch Richter am Amtsgericht Bokern als Vorsitzenden, Richter am Landgericht Weidelhofer und Richter Kadenbach als beisitzende Richter
für Recht erkannt:
1. Die Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 8. Januar 1999 wird auf Kosten des Beklagten
zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Streitwert der Berufung und Beschwer des Beklagten: bis zu 14.000,00 DM -
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des (ursprünglich: Erst-)Beklagten hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht der Klage durch Aufrechterhaltung des entsprechenden Versäumnisurteils in vollem Umfang stattgegeben.
1. Durchgreifende Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage, die der Senat auch ohne Berufungsangriff zu beachten hätte, bestehen nicht.
a) Die beiden selbstschuldnerischen Bürgschaften, aus denen der Kläger vorgeht, sind form- und auch im Übrigen wirksam erteilt.
Vergeblich hat der Beklagte in erster Instanz seine Bürgschaftserklärungen nach den Vorschriften des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HWiG) widerrufen. Ein Widerrufsrecht gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG stand ihm nicht zu. Zwar trifft die Begründung des Landgerichts, der Beklagte falle gemäß § 6 Nr. 1 HWiG als damaliger Geschäftsführer der - zwischenzeitlich sowohl rechtskräftig verurteilten als auch erloschenen - Leasingnehmerin nicht in den persönlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes, nicht zu (grundlegend BGHZ 133, 71 und 133, 220 für Schuldbeitritt des GmbH-Geschäftsführer und Gesellschafters, jeweils zu § 1 Abs. 1 VerbrKrG). Indessen ist für Bürgschaften, die wie hier eine vom Hauptschuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit eingegangene Verbindlichkeit sichern, der sachliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 HWiG nicht eröffnet (eingehend BGHZ 139, 21).
b) Das Landgericht bejaht stillschweigend verbürgte Ansprüche des Klägers gegen die Leasingnehmerin auch für die Zeit nach "Entwendung" der beiden Fahrzeuge am 03.11.1995. Dieser Ansatz ist richtig. Da die Leasingnehmerin die Sach- und Gegenleistungsgefahr übernommen hatte, blieb sie nach dem 03.11.1995 zur Fortentrichtung der Leasingraten sowie - nach späterer Kündigung der Leasingverträge - zum Ersatz des Vollamortisationsinteresses verpflichtet. Für sämtliche Ansprüche der Leasinggeberin/des Klägers hat der Beklagte als Bürge einzustehen.
aa) Die Leasinggeberin hat bei Abschluss der Leasingverträge die Sach- und Gegenleistungsgefahr auf die Leasingnehmerin abgewälzt, § 4 Abs. 1 der Leasing-Bedingungen (ALB). Diese leasingtypische Gefahrabwälzungsklausel unter anderem für die Fälle "des Untergangs, Verlustes oder Diebstahls" ist wirksam, weil § 4 Abs. 2 ALB dem Leasingnehmer für den Fall, dass sich das Risiko - wie hier - verwirklicht, ein kurzfristiges Kündigungsrecht einräumt (vgl. zuletzt BGH WM 1998, 2148 unter II 1 m.w.N.).
bb) Die ALB der Leasinggeberin, auf deren Geltung und umseitigen Abdruck auf den Vorderseiten der Leasingvertragsformulare ausdrücklich hingewiesen ist, sind Vertragsbestandteil geworden. Im Verhältnis der kaufmännischen Leasingvertragsparteien galten die engen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG und damit die vergleichsweise strengen Anforderungen an die "Möglichkeit, in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen", nicht (§ 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG).
cc) Ob es im Verhältnis zum Beklagten einer gesonderten Einbeziehung der ALB in die Bürgschaftsverträge bedurfte, ist zweifelhaft, ließe sich aber mit der Begründung, andernfalls erhalte der Bürge keinen vollständigen Aufschluss über das wahre Risiko seiner Verpflichtungserklärung, immerhin erwägen. Im Streitfall kann die Frage indessen auf sich beruhen. Denn die Leasinggeberin hat gegenüber dem Beklagten die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG eingehalten.
Auf den Bürgschaftsformularen hat der Beklagte ausdrücklich bestätigt, "Mehrfertigungen des ... Leasingvertrages mit Vertragsbedingungen" erhalten zu haben. Vom Inhalt der ALB konnte er trotz des kleinzeiligen Schriftbildes in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen. Nach der Rechtsprechung des Senates liegt die Grenze, bis zu der ohne weiteres von einer mühelosen Lesbarkeit ausgegangen werden kann, zwar bei fünf Zeilen pro Zentimeter. Diese für den nichtkaufmännischen Verwendungsgegner geltende Grenze ist hier geringfügig überschritten (knapp sechs Zeilen pro Zentimenter). Der Nachteil des kleinen Schriftbildes wird aber aufgewogen durch die Gliederung des Klauselwerkes mit fettgedruckten und vergrößerten Überschriften, durch die Untergliederung der einzelnen Bestimmungen nach Ziffern und Buchstaben sowie durch das trotz geringer Größe klare Schriftbild. Insgesamt ist dem durchschnittlichen Verwendungsgegner daher, liest er die ALB mit der gebotenen Aufmerksamkeit, die Kenntnisnahmemöglichkeit nicht unzumutbar erschwert.
c) Mit Recht hat sich das Landgericht nicht für verpflichtet gehalten, die im Ausgangspunkt unstreitige Höhe der Gesamtforderungen des Klägers im Einzelnen zu überprüfen. Zutreffend hat es ferner die - mit Ausnahme einer einzelnen Leasingrate für November 1995 - durchweg netto und abgezinst verlangten Leasingraten auch insoweit in die Bürgenhaftung einbezogen, als es die Zeit bis zur Kündigung, die wirksam möglicherweise erst durch den Kläger selbst mit Schreiben vom 15.04.1997 erfolgt ist, betrifft. Prozessuale Bedenken bestehen insoweit nicht deswegen, weil dem Kläger für diesen Zeitraum vertragliche Erfüllungsansprüche (sogar in voller Höhe zuzüglich Mehrwertsteuer) zustehen, während das Einfordern abgezinster Nettoleasingraten in der Regel, da es kennzeichnend für - wesensverschiedene - leasingtypische Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche ist, auf einen anderen Streitgegenstand hindeutet. Denn dem konkreten Vorbringen und Begehren des Klägers war und ist mit ausreichender Klarheit zu entnehmen, dass er, bezogen auf die bis zur Beendigung der Leasingverträge angefallenen Leasingraten, nicht ein "Anderes", sondern ein "Weniger" verlangt und zugesprochen erhalten hat.
2. Den beiden Angriffen der Berufung hält das angefochtene Urteil im Ergebnis ebenfalls stand.
a) Ohne Erfolg erneuert der Beklagte seine Zweifel an der Aktivlegitimation des Klägers.
Dem Senat ist aus mehreren vom Kläger angestrengten Prozessen bekannt, dass er als Konkursverwalter über das Vermögen der H. GmbH & Co. KG (Gemeinschuldnerin) eingesetzt ist und dass diese früher unter Angabe ihres Firmensitzes in G. zahlreiche Leasinggeschäfte im Freistaat Sachsen getätigt hat. Schon aus diesem Grund steht die Identität zwischen Gemeinschuldnerin einerseits und Leasinggeberin/Bürgschaftsgläubigerin andererseits fest. Unabhängig davon hat das Landgericht den Nachweis der Aktivlegitimation des Klägers zu Recht den Anlagen K 12 und K 13 entnommen. Aus den beiden Beschlüssen das Amtsgerichts S. geht zwanglos hervor, dass das Konkursgericht seine Eröffnungszuständigkeit aufgrund des Verwaltungssitzes der Leasinggeberin in F. bejaht hat. Den vom Beklagten dagegen sinngemäß vorgebrachten Grundsatz, vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung habe über das Vermögen einer in den neuen Bundesländern geschäftsansässigen Schuldnerin ausschließlich die Gesamtvollstreckung, nicht der Konkurs stattfinden können, gibt es in dieser Allgemeinheit nicht.
b) Ebenfalls vergeblich wendet der Beklagte nach wie vor ein, der Kläger habe den "Abfindungsvergleich" mit der Vollkaskoversicherung pflichtwidrig zum Nachteil der Leasingnehmerin abgeschlossen; er müsse sich daher so behandeln lassen, als habe er weitere 11.000,00 DM als Versicherungsleistung erlangt.
aa) Die Begründung des Landgerichts trägt dieses Ergebnis allerdings nicht. Sie beleuchtet einseitig die Rechtsbeziehungen der Leasingvertragsparteien zum Versicherer, befasst sich aber nicht mit deren gegenseitigen Pflichten im Verhältnis zueinander.
Daraus, dass eine vom Leasingnehmer abgeschlossene Kaskoversicherung regelmäßig, wie das Landgericht den von ihm zitierten Entscheidungen BGH NJW 1993, 2870 und OLG Köln VersR 1997, 57 entnimmt, als Fremdversicherung im Sinne von §§ 74 ff VVG zugunsten des Leasinggebers anzusehen ist, lassen sich im vorliegenden Fall keine maßgebenden Schlüsse ziehen. Da die Leasingnehmerin im voraus alle Rechte aus dem abzuschließenden Versicherungsvertrag unwiderruflich an die Leasinggeberin abgetreten hatte (§ 6 Abs. 7 ALB), standen ihr anlässlich des Schadensfalles keine Ansprüche gegen die R. Versicherung zu. Gerade deswegen konnte diese eine vergleichweise Regelung mit dem Kläger herbeiführen, ohne nachträgliche Forderungen der Leasingnehmerin fürchten zu müssen. Damit geht die Überlegung des Landgerichts, dem Beklagten (gemeint wohl: der Leasingnehmerin) sei es unbenommen, mögliche "weitere Ansprüche aufgrund seines eigenen Interesses gegen die Kaskoversicherung" (LGU 6) geltend zu machen, ins Leere.
Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, dass die Parteien eines Kfz-Leasingvertrages einander in aller Regel verpflichtet sind, bei Eintritt des Versicherungsfalls alles Zumutbare zu unternehmen, damit die Versicherungssumme ihrer Zweckbestimmung gemäß beiden Parteien zugute kommt (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1996, 175, 176 m.w.N.). Daher kann der Leasinggeber dann, wenn er im Wege des Vergleichs mit Wirkung für und gegen den Leasingnehmer eine "zu geringe" Versicherungsleistung akzeptiert und vereinnahmt, von diesem nicht ohne weiteres in voller Höhe Restamortisation verlangen. Andernfalls wäre der die Zulässigkeit von Gefahrabwälungsklauseln mitbestimmende Gedanke, dass das Risiko z.B. des Untergangs oder des Verlustes des Fahrzeugs für den Leasingnehmer tragbar ist, weil er dieses Wagnis entsprechend versichern kann (vgl. BGH NJW 1988, 198, 199 f unter Hinweis auf BGHZ 93, 391), nachhaltig in Frage gestellt. Darüber hinaus entspricht es gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Leasinggeber bei planmäßigem wie bei vorzeitigem Vertragsablauf zur bestmöglichen Verwertung des Leasingobjekts verpflichtet ist (zuletzt BGH WM 1997, 1904 unter II 1 b m.w.N.). Es ist nicht einzusehen, warum ihn - im Falle des Untergangs oder des Verlustes - bei der "Verwertung" der an die Stelle des Leasingobjekts getretenen Versicherungsansprüche geringere Sorgfaltspflichten treffen sollen.
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich freilich nicht, dass der Kläger, was auch der Beklagte als Bürge geltend machen könnte (§ 768 Abs. 1 BGB), einem Schadensersatzanspruch der Leasingnehmerin ausgesetzt ist. Der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht dargetan, dass die Leasingnehmerin einen Schaden erlitten hat, als sich der Kläger gegenüber der R. Versicherung mit der hälftigen Erstattung des Verkehrswertes der Fahrzeuge zufrieden gab und im Gegenzug auf weitergehende Ansprüche verzichtete.
Die Durchsetzung eines Anspruchs gegen die Kaskoversicherung setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer zumindest das äußere Bild eines Kfz-Diebstahls beweist (zuletzt BGH VersR 1999, 182; 1998, 1012 und 447; st. Rspr.). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen und damit vom Eintritt des Versicherungsfalles kann hier schon nach dem Vortrag des Beklagten nicht ausgegangen werden. Er unterlässt im Gegenteil jedwede Erläuterung zur Entwendung der Fahrzeuge. Überdies zeigt der Kläger mit den Hinweisen auf frische Kopierspuren an den Fahrzeugschlüsseln (Bl. 63) und auf die polizeiliche Ermittlungsakte (Bl. 118) Umstände auf, die die gänzliche Versagung einer Versicherungsleistung selbst dann nicht hätten unwahrscheinlich erscheinen lassen, wenn der Beklagte das äußere Bild eines Diebstahls schlüssig hätte darlegen und beweisen können.
Ohne Erfolg moniert der Beklagte in diesem Zusammenhang, der Kläger habe vor der endgültigen Vereinbarung mit der Kaskoversicherung keinerlei Rücksprache mit der Leasingnehmerin bzw. mit ihm genommen. Dieses Unterlassen mag einen Sorgfaltspflichtverstoß des Klägers darstellen, hat aber keinen Schaden zum Nachteil der Leasingnehmerin verursacht. Denn der Beklagte sagt nicht, was er bei der von ihm vermissten Unterredung dem Kläger zur Untermauerung des Anspruchs gegen die Versicherung hätte mitteilen können und mitgeteilt hätte.
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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