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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 03.07.2002
Aktenzeichen: 8 U 628/02
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 622 | |
KSchG § 1 | |
KSchG § 5 | |
KSchG § 7 | |
KSchG § 9 | |
KSchG § 10 | |
ZPO § 3 | |
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 313a n.F. | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 713 |
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 8 U 628/02
Verkündet am 03.07.2002
In dem Rechtsstreit
wegen Schadenersatz aus Anwaltsvertrag
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2002 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richter am Landgericht Großmann und Richterin am Landgericht Wittenberg
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 19.02.2002 (Az: 12 O 2345/01) abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Streitwert: 14.060,53 Euro -
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO n.F. abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
I.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Schadenersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten aus einem Anwaltsvertrag (§§ 611, 675 BGB).
Zwar muss sich die Beklagte grundsätzlich ein Verschulden des bei ihr angestellten Rechtsanwaltes R , der das Mandat bearbeitet hat, zurechnen lassen (§ 278 BGB), jedoch hat dieser keine vorwerfbare Pflichtverletzung bei der Bearbeitung des Mandates begangen (1). Selbst wenn er die Klägerin bei Abschluss des Vergleiches über die Prozessaussichten nicht ausreichend beraten hätte, würde es an der Kausalität dieser Pflichtverletzung für den von der Klägerin behaupteten Schaden fehlen (2).
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat Rechtsanwalt R weder Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der verspäteten Erhebung der Kündigungsschutzklage verletzt noch den Sachverhalt bei der Feststellung des Zugangsdatums der Kündigung ungenügend aufgeklärt (a). Er hat es bei dem eingereichten Antrag nach § 5 KSchG auch nicht an einer erforderlichen Glaubhaftmachung der zur Begründung vorgetragenen Tatsachen fehlen lassen (b) oder die maßgebliche Kündigungsfrist nicht beachtet (c). Darüber hinaus mangelt es nicht an der erforderlichen Sachaufklärung durch die fehlende Beiziehung des medizinischen Gutachtens (d) und er hat weder die Vor- und Nachteile des Vergleiches in unzutreffender Weise abgewogen (e) noch die Klägerin zur Abfindungshöhe oder wegen des unterlassenen Hinweises über die Stellung eines Auflösungsantrages fehlerhaft beraten (f).
a) Rechtsanwalt R hat keine Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der verspäteten Erhebung der Kündigungsschutzklage verletzt. Er hat ausgehend von dem Datum 09.03.1999, welches er sich unstreitig anlässlich des Gespräches mit der Klägerin zum Zugang der Kündigung notiert hat, fristgerecht die Klage eingereicht. Entgegen seiner Notiz war der Klägerin die Kündigung allerdings schon am 08.03.1999 zugegangen, so dass die Kündigungsschutzklage tatsächlich verspätet war.
Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt bei der Feststellung des Zugangsdatums der Kündigung Fehler unterlaufen sind. Die Klägerin hat den Nachweis, dass sie Rechtsanwalt R als Zugangsdatum den 08.03.1999 genannt hat, nicht geführt. Es ist vielmehr nicht aufklärbar, ob der 09.03.1999 durch eine irrtümliche Angabe der Klägerin oder aufgrund eines Missverständnisses seitens des Rechtsanwaltes von diesem notiert wurde. Zwar spricht zunächst für die Darstellung der Klägerin, sie habe den 08.03.1999 genannt, dass ihr an diesem Tag tatsächlich die Kündigung zugegangen ist. Auf der anderen Seite spricht für die Darstellung der Beklagten und macht sie sogar wahrscheinlicher, dass bei den Zahlen 8 und 9 phonetisch eine Verwechslungsgefahr, anders als z.B. bei den Zahlen 2 und 3, und damit ein Missverständnis nahezu ausgeschlossen ist. Zudem ist unstreitig, dass der Rechtsanwalt anlässlich des Gespräches mit der Klägerin den vorgelegten Aktenvermerk gefertigt hat, in dem er als Zugangsdatum den 09.03.1999 eingetragen hat. Es gibt in diesem Fall keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, warum der Rechtsanwalt, wenn ihm die Klägerin tatsächlich als Zugangsdatum den 08.03.1999 genannt hat, statt des 08.03.1999 in den unmittelbar angefertigten Vermerk das Datum 09.03.1999 eingetragen haben sollte. Des Weiteren zeigt auch die Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, dass es möglicherweise dadurch, dass sie am 09.03.1999 mit der Rechtsschutzversicherung gesprochen hat, zu diesem, wie sie selbst sagt, "Datumswirrwarr" gekommen ist und sie Rechtsanwalt R dieses Datum genannt hat.
Da mithin nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Klägerin dem Rechtsanwalt als Zugangsdatum den 09.03.1999 genannt hat, liegt eine Pflichtverletzung des Anwaltes nicht vor.
Insbesondere hatte Rechtsanwalt R vor diesem Hintergrund auch keine Pflicht zur weiteren Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes. Denn der Rechtsanwalt darf auf die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben seines Mandanten vertrauen und braucht insoweit keine eigenen Nachforschungen vorzunehmen, solange er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben weder kennt noch kennen muss (vgl. BGH, NJW 2000, 730; NJW 1996, 2931). Zwar gilt dieser Grundsatz nicht für die Mitteilung von Rechtstatsachen, wozu auch der Zugang von Schriftstücken zählen kann, und rechtlichen Wertungen, da solche Angaben eines rechtsunkundigen Mandanten unzuverlässig sind. Allerdings ist der Zugang des Kündigungsschreibens vorliegend durch die Übergabe des Schriftstückes erfolgt. In diesem Fall besteht keine Unsicherheit hinsichtlich der Feststellung des Zuganges, da der Zugang grundsätzlich mit Übergabe des Schriftstückes eintritt. Anders ist es z.B. in den Fällen, in denen es sich um eine Zustellung in Form der Niederlegung handelt, da hier regelmäßig der Zugang und die Übergabe des Schriftstückes zeitlich auseinander fallen. Vorliegend resultierte die Zugrundelegung des Datums 09.03.1999 darüber hinaus nicht aus einem Irrtum, der auf der Art der Zustellung beruhte. Vielmehr war das Datum der Übergabe entweder durch die Klägerin falsch genannt oder durch den Rechtsanwalt nicht richtig verstanden worden. Die Annahme, dass der Irrtum hinsichtlich des Datums geklärt worden wäre, wenn die Form des Zuganges der Kündigung Gegenstand des Gespräches gewesen wäre, ist rein hypothetisch und kann daher eine Pflichtverletzung nicht begründen.
Eine Pflicht des Rechtsanwaltes zur weiteren Nachforschung ergab sich auch nicht aus dem Umstand, dass zwischen dem Datum des Kündigungsschreibens und dem Zugang mehrere Tage lagen, da dies - zumal auch noch ein Wochenende dazwischen lag - nichts Ungewöhnliches ist und daher auch nicht dazu führt, dass der Rechtsanwalt die Unrichtigkeit der Angaben kennen musste.
Den Nachweis, dass die Klägerin in dem Gespräch mitgeteilt hat, dass sie die Kündigung an einem Montag erhalten habe, und der Rechtsanwalt bei Zugrundelegung des Datums 09.03.1999 schon deshalb habe feststellen können, dass die Angaben unrichtig sind, hat die Klägerin ebenfalls nicht geführt. Der Senat ist nach der Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung von ihrer Sachverhaltsdarstellung nicht überzeugt. Die Klägerin hatte, selbst bei Nachfragen des Senates, an den Gesprächsinhalt keine nähere Erinnerung mehr, so dass es dem Senat nicht plausibel erscheint, dass die Klägerin sich gerade an diese Äußerung nach ihrer Darstellung genau zu erinnern vermag.
b) Der Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, es seien die zur Begründung des Antrages nach § 5 KSchG vorgetragenen Tatsachen nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden, indem Rechtsanwalt R eine eidesstattliche Versicherung dem Antrag nicht beigefügt habe. Denn es wird im Allgemeinen als ausreichendes Mittel der Glaubhaftmachung angesehen, wenn ein Rechtsanwalt in einem Schriftsatz eine "Erklärung" abgibt (vgl. Ascheid/Preis u.a., Großkommentar zum Kündigungsrecht, § 5 KSchG, Rz. 74 m.w.N.). Dies hat Rechtsanwalt R vorliegend getan, indem er den Verlauf des Gespräches zwischen ihm und der Klägerin in der Antragsbegründung dargelegt hat.
c) Der Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, dass der Rechtsanwalt nicht beachtet habe, dass die Kündigung mangels Einhaltung der Kündigungsfrist unwirksam sei und das Arbeitsverhältnis statt zum 30.09.1999 erst zum 31.10.1999 hätte beendet werden können. Denn der sachbearbeitende Rechtsanwalt ist zutreffend davon ausgegangen, dass die damalige Arbeitgeberin der Klägerin bei der Kündigung die Kündigungsfrist eingehalten hat.
Für die Feststellung der Dauer der Kündigungsfrist ist nicht § 622 BGB, sondern die Regelung unter § 18 Abs. 5a des Bundesmanteltarifvertrages Nr. 10 für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten maßgebend, da die Arbeitsvertragsparteien unter § 2 des Arbeitsvertrages vom 01.07.1991 vereinbart haben, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem vorgenannten Tarifvertrag richtet. Diese Regelung wurde auch nicht durch den Änderungsvertrag der Arbeitsvertragsparteien vom 09.09.1991 berührt. Nach dem vorgenannten Tarifvertrag konnte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres, mithin durch die Kündigung vom 04.03.1999 zum 30.09.1999, beendet werden.
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der sachbearbeitende Rechtsanwalt seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes auch nicht dadurch verletzt, dass er in das medizinische Gutachten vom 13.01.1999, auf welches die Arbeitgeberin sich zur Begründung der Kündigung bezog, nicht Einsicht genommen hat, um die Kündigungsgründe überprüfen zu können. Eine dahingehende weitere Aufklärung des Sachverhaltes war nicht geboten, da sowohl die Existenz als auch der Inhalt des Gutachtens zwischen den Parteien des Vorprozesses unstreitig war. Darüber hinaus hat die Klägerin nicht dargelegt, welche Erkenntnisse der sachbearbeitende Rechtsanwalt bei Beiziehung des Gutachtens gewonnen hätte, die er nicht bereits aufgrund ihrer Information bzw. der Ausführungen der Arbeitgeberin im Vorprozess hatte.
e) Der sachbearbeitende Rechtsanwalt hat bei Abschluss des Vergleiches im Vorprozess auch keine Pflichten im Zusammenhang mit der Abwägung der Vor- und Nachteile des abgeschlossenen Vergleiches und seiner Empfehlung, den Vergleich abzuschließen, verletzt.
Ein Rechtsanwalt hat vor Abschluss eines Vergleiches alle damit zusammenhängenden Vor- und Nachteile so gewissenhaft zu bedenken, wie es ihm aufgrund seiner Informationen, Kenntnisse und Erfahrungen vorausschauend möglich ist. Wegen der Schwierigkeiten und Ungewissheiten bei der Abwägung der Vor- und Nachteile eines Vergleiches billigt die Rechtsprechung dem Rechtsanwalt, der den Auftraggeber bei Vergleichverhandlungen berät oder vertritt, einen weiten Ermessensspielraum zu. Innerhalb dieses Spielraumes hat der Rechtsanwalt jedoch eine gewissenhafte Interessenabwägung vorzunehmen. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile eines Vergleiches hat der Rechtsanwalt nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche und persönliche Interessen seines Mandanten zu berücksichtigen. Bei den rechtlichen Aspekten spielt die Bewertung der Prozessaussichten eine entscheidende Rolle. Aus wirtschaftlicher Sicht kann in Erwägung zu ziehen sein, dass ein Vergleich dem Mandanten die Möglichkeit bietet, schnell zu Geld zu kommen. Schließlich können für einen Vergleichsschluss auch die psychische Belastung der Partei durch einen langjährigen Rechtsstreit sowie private, familiäre oder geschäftliche Beziehungen der Parteien sprechen. Die Empfehlung des Prozessgerichtes, einen bestimmten Vergleich zu schließen, entbindet den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung, den Auftraggeber zu beraten. Jedoch ist in jedem Fall eine entsprechende richterliche Empfehlung ein wichtiger Faktor bei der Abwägung, ob der Vergleich geschlossen werden soll. Der Rechtsanwalt darf einen Vergleich nicht empfehlen, wenn dieser den Interessen seines Mandanten nicht gerecht wird und begründete Aussicht besteht, im Fall einer Prozessentscheidung ein günstigeres Ergebnis zu erzielen. Die Aufklärungspflicht und der Spielraum des Rechtsanwaltes bei Vergleichsverhandlungen richten sich dabei nach der Lage, die sich dem Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses (ex-ante) bietet (vgl. zu Vorstehendem: Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rz. 757 f.).
Bei Betrachtung der Situation zum maßgeblichen Zeitpunkt war die Einbeziehung der Vor- und Nachteile des Vergleiches in die Interessenabwägung und die anschließende Empfehlung zum Vergleichsabschluss durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt sachgerecht:
aa) Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG wäre bei Betrachtung zum damaligen Zeitpunkt mit großer Wahrscheinlichkeit erfolglos geblieben.
Die nachträgliche Zulassung einer verspäteten Klage setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach der Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Den Arbeitnehmer darf demnach kein Verschulden an der verspäteten Klageerhebung treffen. Da er alle ihm zuzumutende Sorgfalt beachtet haben muss, darf ihm noch nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar sein (vgl. nur Ascheid/Preis, a.a.O., § 5 KSchG, Rz. 10 m.w.N.).
Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Zugrundelegung des Zugangsdatums 09.03.1999 bei der Fristberechung durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt auf einer fehlerhaften Mitteilung der Klägerin oder auf einem Missverständnis des Rechtsanwaltes beruhte. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit wäre in beiden Fällen der Antrag erfolglos geblieben.
So kommt eine Zulassung nach § 5 KSchG nicht in Betracht, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft seinem Bevollmächtigten ein unzutreffendes Datum des Zugangs der Kündigung mitteilt und dieser davon ausgehend verspätet Klage erhebt (vgl. nur Ascheid/Preis, a.a.O., § 5 KSchG, Rz. 32 m.w.N.). Die Nervosität der Klägerin, mit der der Antrag nach § 5 KSchG im Vorprozess begründet worden ist, hätte sie hinsichtlich einer fehlerhaften Mitteilung des Datums nicht entschuldigt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre der Klägerin aber auch ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, wonach ein Missverständnis seinerseits vorgelegen habe, gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen gewesen. Zwar wird in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem die Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des Antrages auf nachträgliche Zulassung gemäß § 5 KSchG zum Nachteil gereichen kann, unterschiedlich und kontrovers beantwortet, jedoch geht die herrschende Meinung (vgl. Nachweise bei Becker/Etzel u.a., Gemeinschaftskommentar zum KSchG, 4. Aufl., § 5 KSchG, Rz. 69 b) von einer Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des § 5 KSchG aus.
bb) Aufgrund der großen Wahrscheinlichkeit, dass, wie ausgeführt, der Antrag nach § 5 KSchG als unbegründet angesehen worden wäre, war bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 KSchG in dem Fall nicht mehr hätte geltend gemacht werden können und die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gegolten hätte (§ 7 KSchG).
cc) In die Abwägung war einzubeziehen, dass selbst wenn der Antrag nach § 5 KSchG als begründet angesehen worden wäre, dennoch aufgrund des medizinischen Gutachtens vom 13.01.1999 das große Risiko bestand, dass die Kündigung nicht als sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 KSchG angesehen worden wäre.
Diesbezüglich wären folgende Überlegungen maßgeblich gewesen: Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung hat zwar in der Regel in drei Stufen zu erfolgen, wobei es zunächst einer negativen Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers bedarf. Im Anschluss daran ist zu prüfen, ob die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen und in einer dritten Stufe ist nach Maßgabe einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinnehmbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen (vgl. Ascheid/Preis, a.a.O., § 1 KSchG, Rz. 138).
Vorliegend war jedoch in Betracht zu ziehen, dass aufgrund des vorgelegten Gutachtens vom 13.01.1999, dessen Inhalt unstreitig war, von einer dauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausgegangen werden konnte. Wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer dauernd unfähig ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, bedarf es einer negativen Prognose hinsichtlich künftiger Krankheitszeiten nicht mehr. Vielmehr kann die krankheitsbedingte dauernde Arbeitsunfähigkeit den Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung berechtigen (Ascheid/Preis, a.a.O., § 1 KSchG, Rz. 188 f.). Ebenfalls bedarf es in dem Fall nicht der Feststellung der erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen. Denn wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist ein derartiges Arbeitsverhältnis schon aus diesem Grund auf Dauer erheblich gestört. Die unmittelbare betriebliche Beeinträchtigung besteht in dem Fall darin, dass der Arbeitgeber damit rechnen muss, dass der Arbeitnehmer auch weiterhin auf Dauer außer Stande ist, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
dd) Darüber hinaus war zu berücksichtigen, ob "andere Unwirksamkeitsgründe" als die Sozialwidrigkeit der Kündigung vorlagen (§ 7 KSchG), da deren Geltendmachung trotz verspäteter Einreichung der Kündigungsschutzklage noch möglich gewesen wäre.
Eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen kam zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses unter folgenden Gesichtspunkten in Betracht:
(1) Ein anderer Unwirksamkeitsgrund i.S.d. § 7 KSchG liegt vor, wenn eine Kündigung gegen ein tarifliches Kündigungsverbot verstößt (vgl. Ascheid/Preis, a.a.O., § 7 KSchG, Rz. 14 m.w.N.).
Ein tarifliches Kündigungsverbot konnte sich vorliegend aus § 18 des einschlägigen Bundesmanteltarifvertrages ergeben. Danach ist ein Arbeitsunfall oder eine in der Privatkrankenanstalt zugezogene Berufserkrankung kein Beendigungs- oder Entlassungsgrund, solange die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht durch Bescheid des Rentenversicherungsträgers anerkannt worden ist. Eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit war zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht anerkannt worden. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt hatte in der Klageschrift im Vorprozess die Unwirksamkeit der Kündigung auch wegen eines Verstoßes gegen § 18 des Bundesmanteltarifvertrages Nr. 10 für Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten gerügt und unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Krankheit der Klägerin als Berufserkrankung zu bezeichnen sei. Dies war von der Arbeitgeberin im Vorprozess bestritten worden. Eine Beweisaufnahme dazu stand allerdings noch aus.
(2) Zu den anderen Unwirksamkeitsgründen i.S.d. § 7 KSchG gehört auch die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates (§ 102 Betriebsverfassungsgesetz).
Zur Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz gehört, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat seine Kündigungsabsicht eindeutig zu erkennen gibt und die beabsichtigte Kündigung konkretisiert. Der Arbeitgeber muss die grundlegenden sozialen Daten dem Betriebsrat mitteilen, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Familienstand und die Unterhaltspflichten. Eine Mitteilung der sozialen Daten ist allerdings entbehrlich, soweit sie dem Betriebsrat bereits bekannt sind. Ferner muss der Arbeitgeber die Art der Kündigung sowie grundsätzlich auch die Kündigungsfrist und den Zeitpunkt, zu dem gekündigt werden soll (Kündigungstermin), angeben. Allerdings ist auch die Angabe der Kündigungsfrist entbehrlich, wenn sie dem Betriebsrat bekannt ist oder er über die tatsächlichen Umstände für die Berechnung der maßgeblichen Kündigungsfrist unterrichtet ist. Des Weiteren muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitteilen, d.h. er hat ihn über alle Gesichtspunkte zu unterrichten, die ihn zu der Kündigung veranlassen. Dabei muss er die maßgebenden Tatsachen dem Betriebsrat substantiiert mitteilen, die pauschale Angaben von Kündigungsgründen genügt nicht. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die einzelnen Fehlzeiten aus der Vergangenheit mitzuteilen. Es genügt insoweit nicht die pauschale Angabe "wiederholte Fehlzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit" oder die Mitteilung der Zahl der addierten Fehlzeiten je Kalenderjahr. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Art der jeweiligen Erkrankung anzugeben, sofern sie ihm bekannt ist, weil daraus ggf. Schlüsse auf künftige Fehlzeiten gezogen werden können. Ebenfalls muss er ihm die konkreten Tatsachen mitteilen, aus denen sich eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ergibt. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung, die der Arbeitgeber auf die dauernde Unmöglichkeit des Arbeitnehmers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, stützen will, braucht er allerdings dem Betriebsrat keine darüber hinausgehenden Betriebsbeeinträchtigungen mitzuteilen. Will der Arbeitgeber die Kündigung auf gesundheitliche Nichteignung des Arbeitnehmers für seinen Arbeitsplatz stützen, braucht er dem Betriebsrat nur das hierfür ausschlaggebende Leiden mitzuteilen, weil dies die Kündigung trägt (vgl. zu Vorstehendem: Becker/Etzel u.a., a.a.O., § 102 Betriebsverfassungsgesetz, Rz. 58 ff.). Ausnahmsweise entfällt eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer genauen und umfassenden Darlegung der Kündigungsgründe, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat bereits vor Beginn des Anhörungsverfahrens aufgrund bestimmter Umstände über die (späteren) Kündigungsgründe umfassend unterrichtet hatte oder dem Betriebsrat der Kündigungssachverhalt auf andere Weise bekannt geworden ist und der Arbeitgeber davon als sicher ausgehen kann. Es kommt insoweit auf den Kenntnisstand des Betriebsrates bei Einleitung des Anhörungsverfahrens an.
Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Vorprozess reichte der Vortrag der Arbeitgeberin nicht aus, um feststellen zu können, ob die Anhörung tatsächlich ordnungsgemäß war. Zwar kann dem vorgelegten Schreiben des Betriebsrates entnommen werden, dass dem Betriebsrat die maßgeblichen Sozialdaten bekannt waren, jedoch fehlen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Betriebsrat hinsichtlich des Kündigungstermins und des Kündigungsgrundes ausreichend informiert worden ist. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses war unter diesem Gesichtspunkt der Ausgang des Prozesses daher noch offen.
ee) Da neben den rechtlichen Aspekten auch wirtschaftliche und persönliche Interessen in die Abwägung einzubeziehen sind, war auch entscheidend, welches Interesse die Klägerin im Vorprozess vorrangig verfolgte. Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe gegenüber dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt deutlich gemacht, dass sie in keinem Fall ihre Tätigkeit bei der Arbeitgeberin wieder aufnehmen wolle, sondern dass sie das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung möglichst rasch beenden wolle. Dies ist von der Klägerin schriftsätzlich zunächst zwar bestritten worden, bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie dann jedoch ausdrücklich bestätigt, dass es ihr primär um die Zahlung einer Abfindung und nicht um den Erhalt des Arbeitsplatzes ging, zumal sie sich bereits nach dem Ausspruch der Kündigung damit abgefunden gehabt habe, bei ihrer ehemaligen Arbeitgeberin nicht mehr arbeiten zu können.
ff) Da der Klägerin primär an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Erzielung einer möglichst hohen Abfindung gelegen war, ist die Abwägung der Vor- und Nachteile des abgeschlossenen Vergleiches, selbst vor dem Hintergrund des zumindest in zwei Punkten noch sehr ungewissen Prozessausganges (s. oben unter dd), aus folgenden Gründen sachgerecht:
Hinsichtlich der Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen ein tarifvertragliches Kündigungsverbot trug die Klägerin die Beweislast und somit letztlich das Prozessrisiko. Zwar oblag der Arbeitgeberin hinsichtlich der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung die Darlegungs- und Beweislast, jedoch war insoweit zu berücksichtigen, dass, selbst wenn die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt wäre, die Betriebsratsanhörung hätte nochmals erfolgen können und die Kündigung anschließend erneut hätte ausgesprochen werden können. Weiteres und entscheidendes Kriterium auch für die Angemessenheit der Höhe des Abfindungsbetrages war vor diesem Hintergrund, dass die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Vorprozess keinerlei Annahmeverzugslohnrisiko trug, da die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt noch Krankengeld bezog.
f) Der sachbearbeitende Rechtsanwalt hat auch keine Beratungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleiches im Vorprozess verletzt, indem er die Klägerin nicht über die Möglichkeit der Stellung eines Auflösungsantrages (aa) oder über eine "Regelabfindung" von 1/2 Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr (bb) belehrt hat.
aa) Die Klägerin wirft der Beklagten vor, dass eine Beratung bzw. Belehrung über die Möglichkeit, einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG zu stellen, mit der Folge, dass ein Abfindungsbetrag durch das Gericht festzusetzen gewesen wäre, nicht stattgefunden habe. Insoweit weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass eine derartige Erörterung nicht notwendig war, da keine Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches vorlagen. Dass in der ersten Instanz keine Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 9 KSchG vorlagen, hat die Klägerin selbst im vorliegenden Verfahren erklärt. Ob solche Umstände ggf. in einem späteren Verlauf des Arbeitsgerichtsprozesses sich eingestellt hätten, ist entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch unerheblich, da es für die Frage, ob insoweit eine Pflichtverletzung des sachbearbeitenden Rechtsanwaltes vorliegt, darauf ankommt, wie die Lage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches war.
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin hatte ebenfalls keine Beratung dahingehend zu erfolgen , dass bei langandauernden Arbeitsverhältnissen nach den prinzipiellen Regeln der Arbeitsgerichte bei Abfindungsvergleichen ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr zugrunde gelegt werde und daher ein höherer Abfindungsbetrag hätte erzielt werden können. Nach der Kenntnis des Senates (zwei Senatsmitglieder waren als Richter am Arbeitsgericht tätig) gibt es im Zuständigkeitsbereich des Sächsischen Landesarbeitsgerichtes keine prinzipielle Regel dahingehend, dass im Rahmen eines Abfindungsvergleiches ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr zugrunde gelegt wird. Diese Erfahrung wird auch durch den von der Klägerin erwähnten Aufsatz von Hümmerich (" Die Arbeitsgerichtliche Abfindung", NZA 1999, Seite 344) bestätigt, wonach beim Sächsischen Landesarbeitsgericht diese Formel keine Anwendung findet, vielmehr sich die Höhe der Abfindung nach der Erfolgsaussicht der Kündigungsschutzklage, nach dem Verhandlungsgeschick der Beteiligten, den Vorstellungen der Parteien, dem Kündigungsgrund, der sozialen Stellung des Arbeitnehmers oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers richtet. Eine Belehrung in der Form , wie sie sich die Klägerin vorstellt, war daher nicht nur nicht geboten, sie wäre vorliegend sogar falsch gewesen.
2. Dahingestellt bleiben kann, ob Rechtsanwalt R die Klägerin vor Abschluss des Vergleiches ausreichend über die Prozessaussichten belehrt hat. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre die Pflichtverletzung für den behaupteten Schaden einer höheren Abfindung bzw. des entgangenen Arbeitslohnes bei Erhalt des Arbeitsplatzes nicht kausal gewesen.
Den Beweis für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Schaden hat grundsätzlich der Gläubiger des Anspruches zu führen (vgl. nur BGH, NJW 1994, 3295; Zugehör, a.a.O., Rz. 1043 f.). Den Nachweis hat die Klägerin nicht geführt.
Bei der Verletzung von Beratungspflichten sind seit dem Urteil des BGH vom 30.09.1993 (NJW 1993, 3259) folgende Grundsätze maßgeblich: Es gilt zunächst die Vermutung, dass der Mandant bei pflichtgemäßer Beratung des Anwaltes dessen Hinweisen gefolgt wäre, sofern für ihn bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht nur eine Entscheidung nahe gelegen hätte. Diese Vermutung, die keine Beweislastumkehr bewirkt, kann der Berater entkräften, indem er Tatsachen beweist, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten sprechen.
Die Klägerin behauptet zwar, sie hätte bei sachgerechter Beratung von einem Vergleichsabschluss Abstand genommen und die Kündigungsschutzklage weiterverfolgt. Diese Behauptung ist durch die Beklagte jedoch entkräftet worden, indem sie dargelegt hat, was von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch bestätigt worden ist, dass es der Klägerin primär um den Abschluss eines Abfindungsvergleiches und nicht um den Erhalt ihres Arbeitsplatzes ging.
Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht ausreichende Beratung über die Prozessaussichten für den von der Klägerin behaupteten Schaden kausal war und die Klägerin bei vollständiger Belehrung über die Prozessaussichten, den Vergleich nicht bzw. nur mit einer anderen Abfindungshöhe geschlossen hätte, zumal die Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Prozessaussichten der Klägerin und die anschließende Empfehlung, den Vergleich abzuschließen, wie ausgeführt, sachgerecht war.
II.
Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
Ende der Entscheidung
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