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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 09.09.2005
Aktenzeichen: 8 U 804/05
Rechtsgebiete: URüV


Vorschriften:

URüV § 8
Erfolgt eine sog. Trümmerrestitution auf der Grundlage einer "gütlichen Einigung", die Erstattungspflichten im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 URüV festschreibt, kann der später auf Zahlung in Anspruch Genommene nicht einwenden, die Ertragslage des Unternehmens habe sich wesentlich verschlechtert (§ 8 Abs. 1 Satz 2 URüV) oder der gütlichen Einigung fehle die Geschäftsgrundlage.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 U 0804/05

Beschluss

des 8. Zivilsenats

vom 09.09.2005

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richter am Oberlandesgericht Bokern und Richter am Oberlandesgericht Dr. Ross

beschlossen:

Tenor:

1. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.09.2005 wird aufgehoben.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.

3. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

1. Der teilweise erst noch fällig werdende Zahlungsanspruch der Klägerin, die früher Treuhandanstalt hieß (im Folgenden einheitlich: Klägerin), ergibt sich aus Ziff. II 2, 3 der gütlichen Einigung vom 19.11.1992/21.01.1993. Vermögens- oder entschädigungsrechtliche Regelungen stehen der Zahlungspflicht der Beklagten nicht entgegen.

a) Der Einwand der Berufung, die Rückzahlungspflicht entfalle gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 URüV, weil sich die Ertragslage des Unternehmens wesentlich verschlechtert habe, ist unbegründet.

Abgesehen davon, dass dies grundsätzlich schon im Restitutionsverfahren hätte geltend gemacht werden müssen, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden, dass die Vergünstigung, die § 8 Abs. 1 Satz 2 URüV hinsichtlich der Erstattungspflichten aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 URüV vorsieht, nur bei noch werbend tätigen Unternehmen eingreift, welche gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG als Unternehmen zurückgegeben werden. Sie kommt nicht zum Tragen, wenn - wie hier - der Geschäftsbetrieb des Unternehmens endgültig eingestellt wurde und deshalb gem. § 6 Abs. 6a VermG nur noch einzelne Vermögensgegenstände - vorliegend zwei Betriebsgrundstücke - zurückgefordert werden können ("Trümmerrestitution"). In solchen Fällen ist es gerechtfertigt, den Gesellschaftern des Berechtigten zum Ausgleich dafür, dass ihnen über ihre eigene Beteiligung hinaus auch die staatliche Beteiligung zuwächst, die Erstattung der beim damaligen Erwerb dieser Beteiligung erbrachten Einlage abzuverlangen (BVerwGE 95, 1; BVerwG ZOV 2004, 312). Völlig zu Recht hat deshalb die entsprechende Ausgleichspflicht der Beklagten in Höhe von 73.500,00 DM Eingang in die vertragliche Vereinbarung der Beteiligten gefunden, auf deren Grundlage anschließend der bestandskräftige Rückübertragungsbescheid vom 28.07.1993 erlassen worden ist. Für die dem damaligen Gesellschafter wegen der Schädigung zugeflossene Geldleistung (umgerechnet 38.744,00 DM) gilt der Ausschluss der Vergünstigung des § 8 Abs. 1 Satz 2 URüV in gleicher Weise.

b) Entgegen der Auffassung der Berufung kann die Beklagte nichts für sie Günstiges daraus herleiten, dass das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen im Entschädigungsverfahren mit Bescheid vom 08.05.2003 bei der Berechnung des Entschädigungsanspruchs gem. §§ 1, 2, 4, 6 EntschG eine "Doppelanrechnung" vorgenommen hat.

aa) Die Berufung übersieht bereits, dass die Entschädigungsbehörde lediglich den zu DDR-Zeiten auf Grund der Enteignung gezahlten Ablösungsbetrag von umgerechnet 38.744,00 DM, nicht aber auch den knapp doppelt so hohen Ausgleichsbetrag für die staatliche Beteiligung (73.500,00 DM) doppelt angerechnet, das heißt von der Bemessungsgrundlage abgezogen hat. Wegen der Degressionsstaffel in § 7 Abs. 1 Satz 1 EntschG beläuft sich der dadurch verursachte Nachteil auf 8.000,00 DM (116.928,80 DM, abgerundet 116.000,00 DM bei Ausgangswert 449.644,00 DM; 124.677,60 DM, abgerundet 124.000,00 DM bei Ausgangswert 488.388,00 DM [= 449.644,00 DM + 38.744,00 DM]). Ob der Beklagten dieser möglicherweise in Widerspruch zu § 6 Abs. 1 Satz 2 EntschG stehende "Entschädigungsverlust" verbleiben wird, hängt davon ab, ob der Bescheid vom 08.05.2003 Bestandskraft erlangt. Für den Streitfall ist dies freilich ohne Belang.

bb) Letzteres gilt auch für die von den Parteien bislang nicht angesprochene Frage, ob die Beteiligten bei der gütlichen Einigung vom 19.11.1992/21.01.1993 zu Recht davon ausgegangen sind, der im Zuge der Enteignung gezahlte Ablösungsbetrag (umgerechnet 38.744,00 DM) sei gegen Rückübertragung der Grundstücke zu erstatten.

(1) Zwar mag dies seinerzeit einer verbreiteten Praxis entsprochen haben. Diese stand aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im etwa ein Jahr später ergangenen Urteil vom 17.12.1993 (BVerwGE 95, 1) nicht im Einklang mit der damaligen Rechtslage. Danach war im ("Unternehmenstrümmer-")Restitutionsverfahren - anders als hinsichtlich des Erwerbs der staatlichen Beteiligung - keine Entscheidung über die Pflicht zur Rückzahlung eines bei Überführung in Volkseigentum erhaltenen Kaufpreises oder Ausgleichs gem. § 6 Abs. 7 Satz 2 VermG zu treffen. Allerdings hat der Gesetzgeber auf dieses Urteil umgehend reagiert und noch im Jahre 1994 in § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG einen zweiten Halbsatz angefügt, um zu verhindern, dass über die Rückzahlungspflicht erst im Entschädigungsverfahren entschieden wird (vgl. BVerwG ZOV 2004, 312, 315).

(2) Wirksamkeit und Bestand der vertraglichen Einigung der Parteien bleiben von alledem indes unberührt.

Insbesondere kann die Beklagte ihre Verpflichtungserklärung in Bezug auf die wegen der Schädigung geflossene Geldleistung unabhängig davon, ob insoweit - was mindestens zweifelhaft wäre - ein Anfechtungsgrund bestünde, nach zwischenzeitlichem Ablauf von über 10 Jahren keinesfalls mehr mit Erfolg anfechten, §§ 121 Abs. 2, 124 Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat insoweit auch keinen Anpassungsanspruch nach den Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage (jetzt § 313 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB). Zwar kann die Geschäftsgrundlage gestört sein und im Einzelfall eine Vertragsanpassung erforderlich machen, wenn sich die beiderseitigen Vorstellungen von einer bestimmten Rechtslage als falsch erweisen (vgl. BGHZ 25, 393; BGH NJW 1978, 695, 696). Voraussetzung ist aber stets, dass der belasteten Partei das unveränderte Festhalten am Vertrag unzumutbar ist. So liegt es hier nicht. Vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.1993 bestand mindestens Ungewissheit, ob über die Rückzahlung einer anlässlich der Schädigung geleisteten Geldsumme bereits im Restitutions- oder erst im Entschädigungsverfahren zu entscheiden sei. Der Gesetzgeber des bereits im Mai 1993 auf den Weg gebrachten Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrs 12/4887) hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wie Beschlussempfehlung und Bericht des federführenden Finanzausschusses vom 18.05.1994 belegen (BTDrs 12/7588, S. 47 f.), zum Anlass einer - vom Finanzausschuss ausdrücklich nur als Klarstellung bezeichneten - Änderung durch Anfügung eines zweiten Halbsatzes in § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG genommen. Zur Begründung wurde vor allem auf die Ungleichbehandlungen zwischen den verschiedenen Formen der Unternehmensrestitution abgestellt, zu denen die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts führe. Angesichts der mit dieser nachvollziehbaren Begründung vom Gesetzgeber rasch nach Bekanntwerden des besagten Urteils vorgenommenen "Korrektur", mit der die vertragliche Einigung der Parteien genau übereinstimmt, ist es der Beklagten zuzumuten, sich an der übernommenen Zahlungsverpflichtung auch hinsichtlich des Teilbetrages von 38.744,00 DM festhalten lassen zu müssen. Im Übrigen kann keineswegs mit Gewissheit angenommen werden, dass die Beklagte, hätte sie von der gütlichen Einigung abgesehen, in einem dann "streitigen" Restitutionsverfahren eine bestandskräftige Rückübertragung ohne Auferlegung einer Rückzahlungsverpflichtung erreicht hätte.

2. Aufrechenbare oder als Einwendung entgegen zu haltende Schadens- oder Aufwendungsersatzansprüche stehen der Beklagten nicht zu.

a) Mit Unterzeichnung und/oder im Zuge der gütlichen Einigung hat die Klägerin keine Verpflichtung zur Beräumung der zurückgegebenen Grundstücke übernommen. Das hat das Landgericht fehlerfrei festgestellt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung bestehen nicht, so dass sie der Senat zugrunde zu legen hat, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Entgegen der Ansicht der Berufung bietet die Vertragsurkunde, die den Überlassungsvertrag vom 30.10.1992 samt Anlagen als Bestandteil der gütlichen Einigung einbezog, keinen Anhalt dafür, dass die Klägerin die Räumungsverpflichtungen, die die Bürstenwerke Schönheide GmbH - deren Geschäftsanteile von der Klägerin gehalten wurden - gegenüber "den Anspruchsberechtigten der ehem. Firma Friedrich Blei" eingegangen war, übernommen hat. Auch die damaligen Gespräche der Beteiligten haben, wie das Landgericht unter Berücksichtigung und in nicht zu beanstandender Würdigung der Aussage des Zeugen B feststellt, keine derartige Schuldübernahme begründet. Dass die B Sch GmbH, an die sich die Beklagte, vertreten durch ihren Sohn, wegen der Beräumung wiederholt gewandt hat (vgl. Anlagen K 10, B 13), ihren Pflichten nicht nachgekommen ist, kann die Beklagte nicht der Klägerin entgegenhalten.

b) Bestand aber keine eigene Beräumungsverpflichtung der Klägerin, scheiden Schadens- oder Aufwendungsersatzansprüche wegen Nichterfüllung einer solchen Pflicht bzw. wegen auftragsloser Besorgung eines Geschäftes der Klägerin schon dem Grunde nach aus.

c) Unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten kommt ein Ersatzanspruch der Beklagten ersichtlich nicht in Betracht. Im Übrigen weist die Berufungserwiderung mit Recht darauf hin, dass die Schadensauflistung der Beklagten samt eingereichter Belege überwiegend solche Positionen enthält, die sich mit Abrissarbeiten und ähnlichem befassen und keine Zuordnung zu den im Überlassungsvertrag konkret übernommenen - eingeschränkten - Beseitigungspflichten erlauben.

3. Angesichts der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch den Senat mag die Beklagte ggf. erwägen, die Berufung zur Vermeidung weiterer erheblicher Verfahrenskosten zurückzunehmen.

Ende der Entscheidung

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