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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 27.09.2002
Aktenzeichen: 8 W 521/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1
1. Der Insolvenzverwalter hat für die Prozesskostenfinanzierung jedenfalls private Gläubiger heranzuziehen, denen Forderungen in erheblichem Umfang zustehen und die bei Prozesserfolg in nicht nur unerheblichem Umfang mit einer Quote zu rechnen haben.

2. Die Gläubiger bestrittener Forderungen sind nur dann von der Obliegenheit zur Prozessfinanzierung ausgenommen, wenn und soweit der Insolvenzverwalter im Prozesskostenhilfeverfahren erhebliche Einwendungen gegen die jeweils bestrittene Forderung darlegt.

3. Dass die Forderungen privater Gläubiger vom Insolvenzverwalter bestritten sind, rechtfertigt deren Nichtinanspruchnahme für die Prozessfinanzierung nur dann, wenn der Insolvenzverwalter im PKH-Verfahren erhebliche Einwendungen gegen die betreffende Forderung darlegt.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 W 0521/02

Beschluss

des 8. Zivilsenats

vom 27.09.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung; PKH

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richterin am Landgericht Haller und Richter am Landgericht Großmann

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 19.02.2002 - Az: 4 O 6444/01 - wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Immobiliengesellschaft. Er begehrt Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine gegen die Antragsgegner gerichtete Klage auf Zahlung des Kaufpreises aus der Veräußerung von Eigentumswohnungen. Über das Vermögen der Antragsgegnerin zu 1) - einer Projektentwicklungsgesellschaft - wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Im Beschwerdeverfahren geht es um die Frage, ob der Antragsteller die Insolvenzgläubiger zur Finanzierung der Prozesskosten heranzuziehen hat.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat dem antragstellenden Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe zu Recht versagt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob Prozesskostenhilfe hinsichtlich der beabsichtigten Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) bereits deshalb versagt werden müsste, weil die Rechtsverfolgung im Hinblick auf deren Vermögenslage - Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters - als mutwillig anzusehen ist. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO insgesamt nicht vor, weil es den am Gegenstand des Rechtsstreites wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.

1. Wirtschaftlich beteiligt i.S.d. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind diejenigen Gläubiger, die bei einem erfolgreichen Abschluss des konkreten Rechtsstreites wenigstens mit einer teilweisen Befriedigung ihrer Ansprüche aus der Masse rechnen können (BGHZ 119, 372, 377). Dies sind vorliegend sämtliche Gläubiger, die Ansprüche zur Tabelle angemeldet haben (vgl. Anlage K 10, Bl. 143 f. dA). Diesen Gläubigern würden nach dem unstreitigen Vorbringen des Antragstellers im Falle einer erfolgreichen Einziehung der Klageforderung nach Abzug von Gerichtskosten, der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, der Vergütung des Insolvenzverwalters sowie unter Berücksichtigung sonstiger Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 InsO noch 306.775,13 Euro (600.000,00 DM) zum Zwecke der Verteilung zur Verfügung stehen. Damit verbessern sich die Befriedigungsaussichten sämtlicher Gläubiger in nicht unerheblichem Maße.

2. Den wirtschaftlich Beteiligten ist die Vorfinanzierung der Prozesskosten auch zumutbar:

a) Hierbei kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob der Steuerfiskus, welcher vorliegend ebenfalls Forderungen angemeldet hat, zur Finanzierung herangezogen werden kann (bejahend BGHZ 138, 188 f.; BGH, NJW-RR 1999, 275; ebenso OLG Celle, NJW-RR 2000, 728; OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 237). Auch kann offen bleiben, ob im Zuge der durch die Insolvenzordnung eingeführten Gleichstellung aller Gläubiger - in Abkehr von der früher in § 61 KO bzw. § 17 GesO vorgenommenen Rangunterscheidung zwischen bevorrechtigten und nicht bevorrechtigten Gläubigern - noch davon ausgegangen werden kann, dass ehemals bevorrechtigten Gläubigern wie Arbeitnehmern, Berufsgenossenschaften oder Sozialversicherungsträgern eine Kostenbeteiligung schlechterdings nicht zugemutet werden kann (vgl. hierzu KG, NJW-RR 2000, 1001 f.; Fischer, in: Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 116 Rdn. 8).

b) Vorliegend ist nämlich jedenfalls einem Teil der privaten Gläubiger die Leistung eines Kostenvorschusses zumutbar:

Nach unwidersprochener Darstellung des Antragstellers ist im Falle des erfolgreichen Einzuges der Klageforderung und bei Feststellung sämtlicher angemeldeter Forderungen unter Berücksichtigung von Gerichtskosten, Verwaltervergütungen und sonstigen Masseverbindlichkeiten mit einer Quote von etwa 10,3 % zu rechnen. Diese ist nicht derart geringfügig, dass die Aufbringung der Kosten als unzumutbar angesehen werden müsste.

Auch übersteigt der für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger verbleibende Betrag in Höhe von 306.775,13 Euro (600.000,00 DM) den von den Gläubigern für die Prozessfinanzierung insgesamt aufzubringenden Betrag erheblich. Nach Angaben des Antragstellers betragen die Prozesskosten für die erste Instanz 23.362,09 Euro (45.692,28 DM); der Gerichtskostenanteil hieraus beläuft sich auf 3.067,78 Euro (etwa 6.000,00 DM).

c) Ohne Einfluss auf das gefundene Ergebnis bleibt, dass es sich bei einem Teil der angemeldeten Forderungen nur um geringfügige handelt, deren Inhabern angesichts der bei einer Verteilung zu erwartenden minimalen Beträge eine Vorschussleistung nicht zugemutet werden kann (vgl. OLG Naumburg, ZIP 1994, 383, 384; Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 116 Rdn. 7 m.w.N.). Der Antragsteller hat jedenfalls private Gläubiger heranzuziehen, denen Forderungen in erheblichem Umfang zustehen. Dies trifft beispielsweise zu auf die bereits zur Tabelle festgestellte Forderung der Fa. Fenster und Türen GmbH in Höhe von 171.438,61 DM (vgl. Ziff. 8 der als Anlage K 10 vorgelegten Forderungsübersicht) sowie auf die Forderung der -Bank in Höhe von 1.998.707,19 DM und die Forderung des Herrn H in Höhe von 1.126.347,45 DM (Ziff. 4 und 67 der Forderungsübersicht).

d) Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die beiden letztgenannten Forderungen der -Bank und des Herrn H bestritten hat. Denn die Gläubiger bestrittener Forderungen sind entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht ohne weiteres von der Obliegenheit zur Prozessfinanzierung ausgenommen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 116 Rdn. 11; a.A. - jeweils ohne nähere Begründung - OLG Naumburg, ZIP 1994, 383, 384; OLG Karlsruhe, AnwBl. 2000, 61, 62). Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb das bloße Bestreiten einer Forderung ohne Rücksicht auf die dafür maßgeblichen Erwägungen genügen sollte, den hiervon betroffenen Gläubiger von der Prozessfinanzierung auszunehmen. Das Bestreiten einer Forderung durch den Insolvenzverwalter kann vielerlei Gründe haben. Insbesondere kann es auch lediglich vorsorglich erfolgt sein. Im Verfahren über die Prozesskostenhilfe kann das Bestreiten daher erst relevant werden, wenn und soweit der Insolvenzverwalter erhebliche Einwendungen gegen die jeweils bestrittene Forderung darlegt. Nur unter diesen Voraussetzungen kann beurteilt werden, ob der jeweilige Gläubiger seine Forderung nicht oder nur unter Schwierigkeiten realisieren kann, so dass ihm die Aufbringung eines Beitrages zur Prozesskostenfinanzierung billigerweise nicht wird abverlangt werden können.

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend nicht ersichtlich, welche konkreten Einwendungen der Antragsteller gegen die von ihm bestrittenen Forderungen - deren Anteil am Gesamtbestand der angemeldeten Forderungen immerhin annähernd 92 % beträgt - erhebt. Nachvollziehbar ist insbesondere nicht, welche rechtlichen Gesichtspunkte der angemeldeten Kreditforderung der -Bank entgegenstehen sollen.

e) Es ist daher zu beanstanden, dass der Antragsteller es unterlassen hat, zumindest diejenigen Gläubiger zur Prozessfinanzierung heranzuziehen, denen erhebliche Forderungsbeträge zustehen (vgl. hierzu Senat, OLG-Report Dresden 1997, 336). Im Übrigen ist unerheblich, ob die Gläubiger tatsächlich bereit sind, die Kosten vorzuschießen (vgl. Zöller, ZPO, § 116 Rdn. 7). Ebenso müsste PKH versagt werden, wenn nur einige Gläubiger zur Finanzierung des Rechtsstreites nicht bereit wären und der Rest allein dazu nicht in der Lage sein sollte, da auf die Gesamtheit der Gläubiger abzustellen ist, denen der Prozesserfolg zugute käme (BGH, WM 1997, 1725; Zöller, a.a.O.).

3. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich auch nicht aus der gesetzlichen Systematik von § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter die Regel und die Nichtgewährung die Ausnahme sein sollte (BGHZ 138, 188, 191, entgegen BGHZ 119, 372, 377; BGH, NJW 1991, 40, 41; OLG Naumburg, ZIP 1994, 383, 384). Vielmehr folgt aus dem Wortlaut des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO und der Stellung der Vorschrift im Gesamtzusammenhang des Prozesskostenhilferechts eindeutig, dass die allgemeinen Grundsätze dieses Rechtsgebietes auch für Parteien kraft Amtes und damit auch für Insolvenzverwalter gelten. Zu diesen Grundsätzen gehört die Regel, dass jede Partei ihre Aufwendungen für die Prozessführung grundsätzlich selber zu tragen hat und Prozesskostenhilfe nur erhält, wenn sie die dafür geltenden besonderen Voraussetzungen dartut sowie auf Verlangen des Gerichts glaubhaft macht. Hinsichtlich der Voraussetzung der Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung für die am Gegenstand des Rechtsstreites wirtschaftlich Beteiligten (§ 116 Satz 1 Nr. 1, 2. Hs. ZPO) enthält das Gesetz keine abweichende Regelung (BGHZ 138, 188, 191 f.).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Einer Wertfestsetzung bedarf es nicht, da nur eine Pauschalgebühr zu erheben ist (Nr. 1952 KV zum GKG) und gemäß § 127 Abs. 4 ZPO eine Kostenerstattung nicht stattfindet.

Ende der Entscheidung

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