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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 03.06.2005
Aktenzeichen: 8 W 530/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
Zwar gilt auch im Prozesskostenhilfeverfahren grundsätzlich das Verbot vorweggenommener Beweiswürdigung. Das Gericht kann aber im Einzelfall eine Glaubhaftmachung verlangen.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 W 530/05

Beschluss

des 8. Zivilsenats vom 03.06.2005

In dem Rechtsstreit

wegen Darlehensforderung;

hier: Versagung von Prozesskostenhilfe

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richter am Oberlandesgericht Bokern und Richter am Oberlandesgericht Dr. Ross

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 29.03.2005 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Behandlung und erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten an das Landgericht Chemnitz zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Rückzahlung eines Anfang 1994 zur Finanzierung des Erwerbs eines PKW Fiat Tipo ausgereichten Darlehens. Der Beklagte bestreitet die (Mit-)Unterzeichnung des Darlehensvertrages. Das Landgericht hat seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen und der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Eine Stellungnahme der Klägerin, der das Landgericht Versagungsbeschluss, Rechtsmittelschrift und Nichtabhilfeentscheidung zugeleitet hat, ist nicht eingegangen.

II.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht die Rechtsverteidigung des Beklagten für aussichtslos gehalten, § 114 ZPO.

1. Wenn der Beklagte den Darlehensvertrag vom 28.02.1994 neben seiner damaligen Ehefrau als Mitdarlehensnehmerin selbst abgeschlossen hat, steht seine Verpflichtung zur Rückzahlung des noch offenen Betrages außer Frage. Das beurteilt er selbst nicht anders. Die entsprechende Feststellung kann indes gegenwärtig nicht getroffen werden.

a) Für einen Vertragsabschluss in eigener Person sprechen zwar zahlreiche Indizien.

So besteht zwischen den Unterschriften mit seinem Namen auf dem Darlehensvertragsformular und Vergleichsunterschriften des Beklagten auf anderen Schriftstücken augenscheinlich weitgehende Ähnlichkeit. Ein Motiv für seine damalige Ehefrau, ihn als (ersten) Darlehensnehmer vorzuschieben und seine Unterschrift zu fälschen, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Der mit dem Darlehen finanzierte Erwerb des Fiat Tipo kann dem Beklagten auch nicht verborgen geblieben sein, zumal er vorträgt, die Ehefrau habe den früher genutzten Fiat Uno beim Autohaus Z in Zahlung gegeben (gemeint wohl: zur Ablösung des ersten Darlehensvertrages verwandt) und sich mit dem Fiat Tipo ein größeres Fahrzeug zugelegt. Für einen Vertragsschluss beider Eheleute im Frühjahr 1994 spricht außerdem, dass nach eigener Darstellung des Beklagten bereits der Erwerb des PKW Fiat Uno im Jahre 1993 (ebenfalls beim Autohaus Zenker) durch ein gemeinsam aufgenommenes Darlehen finanziert worden war. Das nachträgliche Verhalten, namentlich die Unterzeichnung der Erklärungen vom 18.02.1995 und 16.05.1996 (Anlagen K 2, K 7), deutet schließlich ebenfalls außerordentlich stark auf eine Unterzeichnung des Darlehensvertrages durch den Beklagten - zumindest aber mit seinem Willen - hin.

b) Darüber hinaus hat nicht die Klägerin den Beweis der Echtheit der Unterschrift zu führen, sondern muss umgekehrt der Beklagte beweisen, dass die Unterzeichnung mit seinem Namen weder durch ihn selbst noch mit seinem Willen erfolgt ist.

Diese Umkehr der Beweislast ist gerechtfertigt, weil die schriftlichen Erklärungen des Beklagten vom 18.02.1995 und 16.05.1996 eine Bestätigung der in Rede stehenden Darlehensschuld beinhalten und deshalb - mindestens - als "Zeugnis gegen sich selbst" anzusehen sind (vgl. BGHZ 66, 250, 254; BGH WM 2003, 1421 unter II 2 m.w.N.). Obliegt damit dem Beklagten der Beweis für das Nichtbestehen des geltend gemachten Anspruchs, so erstreckt sich dies auch auf die Frage, ob die Vertragsurkunde von ihm selbst oder - unter seinem Namen - mit seiner Billigung von einem Dritten unterzeichnet worden ist.

c) Ungeachtet dieser Beweislastverteilung und der deutlich gegen die Darstellung des Beklagten sprechenden äußeren Anhaltspunkte ist es aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dem Beklagten mit Hilfe des beantragten Gutachtens eines Schriftsachverständigen der ihm obliegende Beweis gelingt. Dieser Beweisantritt darf auch im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren grundsätzlich nicht durch vorweggenommene Beweiswürdigung übergangen werden.

2. Auf die bezeichnete Tatfrage kommt es streitentscheidend an. Mit anderen rechtlichen Erwägungen lässt sich die Berechtigung des Klagebegehrens nicht begründen.

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, welches den Beklagten mit sämtlichen Einwendungen und Einreden ausschließen würde, nicht vor.

Schon der Anwendungsbereich eines deklaratorischen, also schuldbestätigenden (kausalen) Anerkenntnisses ist nicht eröffnet. Ein solches ist nur anzunehmen, wenn die Parteien zuvor ernsthaft über die Berechtigung der Forderung gestritten haben oder mit dem Anerkenntnis eine erkannte rechtliche Unsicherheit ausräumen wollen (vgl. zuletzt BGH WM 2003, 1626; BGH NJW-RR 2005, 236). Davon kann hier keine Rede sein. Die Erklärungen des Beklagten in den Urkunden vom 18.02.1995 und 16.05.1996 sind nicht Ausdruck der Beilegung eines Streites oder einer Ungewissheit, sondern spiegeln das gemeinsame Vorverständnis der Beteiligten von einer Verpflichtung des Beklagten aus dem Darlehensvertrag wider.

b) War der Beklagte tatsächlich nicht Darlehensnehmer, hat seine schriftliche Erklärung vom 18.02.1995, namentlich hinsichtlich der Pflicht zur Zahlung eines Differenzbetrages nach Verwertung des Fahrzeuges, keine wirksame Zahlungsverpflichtung begründet.

Dies gilt unabhängig von der genauen rechtlichen Einordnung des möglichen Schuldgrundes als abstraktes Schuldanerkenntnis, als Schuldbeitritt oder als Zahlungsversprechen eigener Art. In jedem Falle läge eine konstitutive Schuldübernahme im Zusammenhang mit der Beendigung eines noch laufenden Verbraucherkreditvertrages vor. Auf einen solchen Vertrag finden die Vorschriften des früheren Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) - in der hier maßgeblichen bis zum 30.09.2000 geltenden Fassung - entsprechende Anwendung (vgl. für Schuldbeitritt BGHZ 155, 240 sowie BGH WM 2000, 1799, jeweils m.w.N.; für Vertragsübernahme BGHZ 142, 23). Den danach maßgeblichen Formerfordernissen des § 4 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 4 Nr. 2 VerbrKrG genügt die Urkunde vom 18.02.1995 nicht. Ungeachtet aller sonstigen Formmängel setzte sie den Beklagten nicht einmal annähernd über den Umfang der übernommenen Verpflichtung ins Bild. Dies führt zur Nichtigkeit der Haftungsübernahmeerklärung, § 6 Abs. 1 VerbrKrG. Heilung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG ist nicht eingetreten, da das Fahrzeug nach dem im Beschwerdeverfahren zu unterstellenden Sachverhalt nicht dem Beklagten, sondern dessen damaliger Ehefrau übergeben und von dieser genutzt wurde.

c) Auf das vom Beklagten und seiner damaligen Ehefrau unterzeichnete Schreiben vom 16.05.1996 lässt sich der geltend gemachte Anspruch nicht stützen.

Die Erklärungen des Beklagten in dieser Urkunde unterliegen zwar, nachdem der ursprüngliche Darlehensvertrag zu diesem Zeitpunkt endgültig beendet war, keinen Wirksamkeitsbedenken nach dem Verbraucherkreditgesetz. Indessen lassen sie nicht den Willen des Beklagten zur (konstitutiven) Übernahme der Haftung für die im Antragsschreiben erwähnte Forderung der Klägerin erkennen. Vielmehr erschöpft sich der Sinngehalt bei lebensnaher Auslegung, dem Anlass und der Einleitung des vom Inkassobüro vorformulierten Schreibens entsprechend, in dem Bemühen um eine Ratenzahlungsvergünstigung und daneben in der Bestellung von Sicherheiten. Die Kreditschuld, auf die sich diese Vereinbarungen bezogen, wurde dabei als selbstverständlich vorausgesetzt. Sie sollte ersichtlich nicht (erst) mit dem Schreiben begründet werden.

III.

Der angegriffene Beschluss kann somit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Das Landgericht wird erneut über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden haben. Dabei wird es dem Beklagten aufgeben müssen, eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit vollständigen Belegen einzureichen; die derzeit vorliegende Erklärung vom 13.05.2004 ist nicht mehr ausreichend aktuell. Außerdem ist das Landgericht nicht gehindert, vor der erneuten Entscheidung vom Antragsteller eine Glaubhaftmachung seiner Angaben, gerade bezogen auf die Hauptsache, zu fordern, § 118 Abs. 2 ZPO (vgl. auch Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 118 Rn. 16).

IV.

Abschließend hält es der Senat für angebracht, den Beklagten darauf hinzuweisen, dass er, sollte sich am Ende des Prozesses - ggf. nach einer Beweisaufnahme - die Unrichtigkeit seiner Einlassung herausstellen, mit erheblichen Weiterungen zu rechnen hat. Auch unter diesem Gesichtspunkt möge er daher seine Erinnerung an die lange zurückliegenden Geschehnisse nochmals genau überprüfen.

Ende der Entscheidung

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