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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 10.08.2005
Aktenzeichen: 8 W 831/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
Gelangt bei Rücknahme des Mahnantrages im Übrigen nur ein Teil der im Mahnbescheid bezeichneten Forderung in das streitige Verfahren, so muss bei der die Kosten des Mahnverfahrens einschließenden Kostenentscheidung berücksichtigt werden, dass für den im Mahnverfahren erledigten Teil regelmäßig geringere Kosten entstanden sind als für den Teil des Streitgegenstandes, über den im streitigen Verfahren entschieden worden ist. Dazu sind die durch den höheren Streitwert des Mahnverfahrens bedingten Mehrkosten zu errechnen und in die Kostenquote einzubeziehen. Eine entsprechende Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO scheidet aus, wenn der zurückgenommene Teil nicht verhältnismäßig geringfügig ist.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 W 0831/05

Beschluss

des 8. Zivilsenats

vom 10.08.2005

In dem Rechtsstreit

wegen Darlehensforderung

hier: Kostenentscheidung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Richter am Oberlandesgericht Bokern als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagen wird der Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom 15.06.2005 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der gesamten Kosten des Mahnverfahrens trägt die Klägerin zu 1/10, der Beklagte zu 9/10.

2. Die Kosten beider Beschwerdeverfahren trägt die Klägerin zu 1/5, der Beklagte zu 4/5.

3. Der Streitwert beider Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 4.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin erwirkte gegen den Beklagten am 05.10.2004 einen Mahnbescheid über eine Darlehensrückzahlungsforderung von 101.371,30 EUR. Nach anwaltlich erklärtem Widerspruch zeigten sich für die Klägerin deren Prozessbevollmächtigte an, nahmen den Mahnantrag i.H.v. 51.371,30 EUR zurück, baten wegen der restlichen 50.000,00 EUR um Abgabe an das im Mahnbescheidsantrag bezeichnete Streitgericht und begründeten später in diesem Umfang den Anspruch. Auf das uneingeschränkte Anerkenntnis des Beklagten erging im schriftlichen Vorverfahren so bezeichnetes "Teilanerkenntnis- und Endurteil". Die Kosten des Rechtsstreits sind darin zu 51 % der Klägerin und zu 49 % dem Beklagten auferlegt. Der auf Befreiung von einer eigenen Kostenlast gerichteten sofortigen Beschwerde der Klägerin half das Landgericht mit Beschluss vom 15.06.2005 in vollem Umfang ab. Es errechnete durch den höheren Streitwert des Mahnverfahrens zusätzlich entstandene Kosten von 378,64 EUR (Gerichtskosten: 200,00 EUR; außergerichtliche Kosten des Beklagten: 178,64 EUR), setzte diese ins Verhältnis zu den ermittelten Gesamtkosten des Rechtsstreites von 7.859,84 EUR (Gerichtskosten: 1.568,00 EUR; außergerichtliche Kosten der Klägerin: 3.056,00 EUR; außergerichtliche Kosten des Beklagten: 3.235,24 EUR) und gelangte wegen der geringfügigen Kostendifferenz zur Anwendung des § 92 Abs. 2 ZPO. Den anschließenden Antrag der Klägerin, dem Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, hat das Landgericht nicht beschieden. Der Beklagte hat gegen die Entscheidung vom 15.06.2005 seinerseits binnen zwei Wochen "Rechtsmittel" eingelegt. Nach seiner Ansicht muss es bei der ursprünglichen Kostenverteilung bleiben, da die Entscheidung allein entsprechend dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen zu treffen sei. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Die Klägerin hält es für unbegründet.

II.

Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde zulässig und hat in der Sache teilweise, nämlich dahin Erfolg, dass die Kosten des Rechtsstreits (einschließlich der gesamten Kosten des Mahnverfahrens) von der Klägerin zu 1/10 und vom Beklagten zu 9/10 zu tragen sind.

1. Zu Unrecht hat das Landgericht eine (entsprechende) Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für möglich gehalten. Die Vorschrift setzt nach ihrem eindeutigen Wortlaut voraus, dass die Zuvielforderung nicht nur keine oder nur geringfügig höhere Kosten verursacht hat, sondern auch ihrerseits verhältnismäßig geringfügig war. Davon kann hier nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin im Mahnverfahren eine deutlich höhere als die im anschließenden streitigen Verfahren durchgesetzte Forderung geltend gemacht hatte.

2. Fehl geht allerdings auch die Einschätzung des Beklagten, es komme allein auf das Maß des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens an. Gelangt bei Rücknahme des Mahnantrages im Übrigen nur ein Teil der im Mahnbescheid bezeichneten Forderung in das streitige Verfahren, so muss bei der Kostenentscheidung, die die Kosten des Mahnverfahrens einschließt (§§ 696 Abs. 1 Satz 5, 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO), berücksichtigt werden, dass für den im Mahnverfahren abschließend erledigten Teil in der Regel geringere Kosten entstanden sind als für den Teil des Streitgegenstandes, über den im streitigen Verfahren entschieden worden ist (OLG München, OLGR 2000, 229, 231; vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Rn. 20 vor § 688). Daher sind in entsprechender Anwendung von §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 1 ZPO die durch den höheren Streitwert des Mahnverfahrens bedingten Mehrkosten zu errechnen und in die Kostenquote einzubeziehen.

3. Da der Mahnbescheidsantrag am 05.10.2004 eingegangen und die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten beider Seiten erst anschließend erfolgt ist, finden die neuen Regelungen des Gerichtskostengesetzes und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Anwendung (§ 72 Nr. 1 GKG, § 61 Abs. 1 RVG). Der Streitwert des streitigen Verfahrens betrug von Anfang an, also mit Eingang der Akten beim Streitgericht, lediglich 50.000,00 EUR (Anm. Satz 1 zu KV 1210 zum GKG); der frühere Streit zum zutreffenden Wert bei vorausgegangenem Mahnverfahren mit höherem Streitwert (vgl. Senat, Beschluss vom 17.03.2004 - 8 W 82/04, OLG-NL 2004, 112 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 1097) ist durch die Neufassung des Gerichtskostengesetzes überholt (Zöller/Vollkommer, a.a.O., ebenda; Meyer, GKG, 6. Aufl., KV 1210 Rn. 15). Von diesen Grundsätzen ist auch das Landgericht ausgegangen. Es hat aber die tatsächlich entstandenen Kosten nicht in allen Punkten zutreffend ermittelt.

a) Die Gerichtskosten betragen nicht 1.568,00 EUR, sondern nur 656,00 EUR (Nr. 1110, 1210, 1211 Ziff. 2 KV zum GKG).

Das Landgericht hat den Ermäßigungstatbestand der Nr. 1211 Ziff. 2 KV zum GKG für den Erlass eines Anerkenntisurteils übersehen. Eine Ermäßigung wird zwar verbreitet abgelehnt, wenn das Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast abgegeben wurde (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 307 Rn. 12; Meyer, a.a.O., KV 1211, Rn. 39 jeweils m.w.N.). So lag es hier aber nicht; der vorprozessual wiederholt gemahnte Beklagte hat sein Anerkenntnis uneingeschränkt abgegeben. Trotz der Bezeichnung als Teilanerkenntnis- und Endurteil, die das Landgericht offenbar wegen der gemischten Kostenentscheidung gewählt hat, handelt es sich der Sache nach um ein gerichtskostenbegünstigtes Anerkenntnisurteil.

Über die ermäßigte 1,0-Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen aus einem Streitwert von 50.000,00 EUR (456,00 EUR) hinaus umfassen die Gerichtskosten weitere 200,00 EUR als nicht anrechnungsfähiger Teil der Gebühr Nr. 1110 KV zum GKG (0,5-Gebühr aus 101.371,30 EUR = 428,00 EUR; 0,5-Gebühr aus 50.000,00 EUR = 228,00 EUR).

b) Die außergerichtlichen Kosten beider Parteien bestehen zunächst in je 2,5 Gebühren aus einem Wert von 50.000,00 EUR gemäß Nr. 3100, 3104 VV zum RVG. Für den Erlass eines Anerkenntnisurteils im schriftlichen Vorverfahren fällt nach der Neuregelung auf beiden Seiten sowohl die Verfahrens- als auch die Terminsgebühr in voller Höhe an (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., VV 3104 Rn. 49; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 307 Rn. 12 a.E.). Einschließlich Pauschale von 20,00 EUR (Nr. 7002 VV zum RVG) und zzgl. Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV zum RVG) ergibt dies Beträge von 3.060,40 EUR.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin erhöhen sich, da die Beteiligung ihrer Prozessbevollmächtigten am Mahnverfahren (Erklärung der Teilrücknahme) als vergütungspflichtige Tätigkeit i.S.v. Nr. 3305 VV zum RVG einzustufen ist (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, a.a.O., VV 3305 bis 3308, Rn. 55), um die Differenz zwischen einer 1,0-Gebühr aus 101.371,30 EUR und einer (anteiligen) 1,0-Verfahrensgebühr aus 50.000,00 EUR. Sie beläuft sich einschließlich Umsatzsteuer auf 357,28 EUR.

Beim Beklagten kommt derjenige Betrag hinzu, der seiner Prozessbevollmächtigten für die Fertigung des Gesamtwiderspruchs gegen den Mahnbescheid zusteht (0,5-Gebühr gemäß Nr. 3307 aus 101.371,30 EUR = 677,00 EUR), soweit er nicht durch die entsprechende anteilige 0,5-Verfahrensgebühr aus einem Wert von 50.000,00 EUR (523,00 EUR) aufgezehrt wird. Diese Differenz beträgt 154,00 EUR, zzgl. Umsatzsteuer 178,64 EUR.

c) Die Mehrkosten, die die Klägerin in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen hat, betragen also (200,00 EUR + 357,28 EUR + 178,64 EUR =) 735,92 EUR. Das sind ziemlich genau 10 % der Gesamtkosten von (656,00 EUR + 3.060,40 EUR x 2 + 357,28 EUR + 178,64 EUR =) 7.312,72 EUR.

4. Die Kosten beider Beschwerdeverfahren fallen der Klägerin gemäß §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO jeweils zu 1/5, dem Beklagten zu 4/5 zur Last. Die zumindest etwa hälftige Kostenlast des Beklagten stand nie im Streit. Der Streitwert der Beschwerdeverfahren entspricht dem jeweils verfolgten realen Kosteninteresse.

Ende der Entscheidung

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