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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 20.11.2001
Aktenzeichen: 9 U 1821/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
BGB § 467 S. 1
BGB § 346
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 9 U 1821/01

Verkündet am 20.11.2001

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2001 durch

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kindermann, Richter am Oberlandesgericht Rein und Richter am Landgericht Dr. Lames

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 05.07.2001, Az.: 14 O 541/01, aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22 893,53 DM Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Opel Astra G mit der Fahrgestell-Nr. W zu zahlen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der durch die Beweisaufnahme verursachten Kosten, die die Beklagte zu tragen hat, hat die Klägerin zu tragen; im Übrigen hat die Beklagte die Kosten zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 22.893,53 DM.

Tatbestand:

Von dessen Darstellung wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Insbesondere wurde das angefochtene Urteil in der Berufungsschrift ordnungsgemäß bezeichnet (§ 518 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Zwar ist in der Berufungsschrift, die zugleich die Berufungsbegründung enthält, ausnahmslos von einem Urteil des Amtsgerichts Dresden die Rede, doch ist durch die korrekte Bezeichnung des Datums der Verkündung, des Datums der Zustellung und des dem Landgericht zuzuordnenden Aktenzeichens die Bezeichnung des Urteils so erfolgt, dass jedenfalls durch die gleichzeitig beigefügte Ausfertigung innerhalb der Berufungsfrist keinerlei Zweifel mehr an der Identität der angefochtenen Entscheidung verblieb.

II.

Die Berufung ist begründet. Die Klägerin kann gem. Nr. VII. 4. S. 1 der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern die Wandelung des zwischen den Parteien geschlossenen Neuwagenkaufvertrages verlangen. Nach dieser Klausel können Wandelung oder Minderung verlangt werden, wenn bei Fehlerhaftigkeit des gelieferten Fahrzeuges die Nachbesserung fehlschlägt. Maßstab für die Fehlerfreiheit ist dabei der Stand der Technik für vergleichbare Fahrzeuge des Typs des Kaufgegenstandes bei Auslieferung (Nr. VII. 1. S. 2 der AGB).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagten ordnungsgemäß Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben wurde. Zur Überzeugung des Senats (§ 286 Abs. 1 ZPO) steht fest, dass das Fahrzeug den von der Klägerin gerügten Fehler (kurzzeitiges Aufheulen des Motors durch erhöhte Drehzahl nach längerer Sonneneinstrahlung und Temperaturen von oberhalb 22 Grad, das noch vor dem Anfahren von selbst wieder verschwindet) aufweist. Diese Erscheinung ist jedenfalls im vorliegenden Fall als zur Wandelung berechtigender Fehler zu behandeln.

1. Allerdings hat der Senat erhebliche Zweifel, ob das von der Klägerin beschriebene Phänomen einen Fehler i.S.d. vertraglichen oder gesetzlichen Gewährleistungsrechte darstellt (vgl. BGH NJW 1997, 2590 - Kraftstoffmehrverbrauch -; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1211 - Fahrgeräusche -).

Es wäre jedoch ein gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßendes Verhalten, wenn sich die Beklagte trotz ihres vorgerichtlichen Verhaltens erfolgreich auf die Fehlerfreiheit des Fahrzeugs berufen könnte. Denn aus den Erklärungen der Parteien ergibt sich eine vertragliche Verpflichtung, das von der Kläger gerügte Verhalten des Motors als Fehler i.S.d. Verkäufergewährleistung zu behandeln.

a) Ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages liegt in der Formulierung des Schreibens der Beklagten vom 25.10.1999: "Wenn die vorgeschlagenen Nachbesserungen im Rahmen der Werksgarantie (Wechsel des Steuergerätes und des Motortemperatur-Fühlers) nachweislich nicht zur Beseitigung der Drehzahlspitze oberhalb 2000 U/min nach dem Anlassen des Motors führen, werden wir das Fahrzeug abermals dem Gebietsleiter Technik vorstellen und eine Wandlung befürworten. Aus rechtlicher Sicht steht dann auch einer Wandlung nichts mehr im Wege." Dem konnte die Klägerin entnehmen, die Fehlerhaftigkeit des Fahrzeugs werde bei nachweislichem Auftreten des Phänomens nicht in Frage gestellt werden. Der Rechtsbindungswille ergibt sich jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin insbesondere aus dem letzten Satz des Schreibens. Außerdem wollte die Beklagte mit dem Schreiben erreichen, dass die Klägerin, abgesehen von dem Reparaturversuch, im Hinblick auf den von ihr gerügten Mangel nichts unternahm, sondern die nächste Wärmeperiode abwartete, um zu überprüfen, ob der Mangel abgestellt wurde. Darauf konnte sich die Klägerin aus der vernünftigen Sicht beider Vertragspartner nur einlassen, wenn die Grundlage der beiderseitigen Vereinbarung, es handele sich um einen nachbesserungsbedürftigen und damit letztendlich zur Wandelung berechtigenden Fehler, rechtlich bindend festgeschrieben wurde.

Dieses Angebot nahm die Klägerin dadurch an, dass sie im November 1 999 die vorgeschlagenen Reparaturen vornehmen ließ.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten bezog sich das Schreiben vom 25.10.1999, wie auch das vorausgehende Schreiben vom 08.10.1999, nicht nur auf die sog. Werksgarantie, sondern auch auf die in den Verkaufsbedingungen geregelte Verkäufergewährleistung.

Allerdings ist nach dem Vortrag der Parteien in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass es neben der Gewährleistung des Verkäufers eine Garantie des Herstellers gibt, die eine Wandelung des Kaufvertrages nicht vorsieht, sondern lediglich eine kostenlose Instandsetzung des fehlerhaften Fahrzeugs. Auf diese Herstellergarantie konnte die Klägerin die Erklärungen der Beklagten aber bereits deswegen nicht beziehen, weil in diesen Erklärungen ausdrücklich die Wandlung des Kaufvertrages in Aussicht gestellt wurde. Das war nur dann sinnvoll, wenn die Erklärung der Beklagten auch auf die eigene, eine Wandlung umfassende Gewährleistung der Beklagten bezogen war. Auch die Verwendung des Wortes "Werksgarantie" lässt keine Beschränkung der Erklärung auf die Herstellergarantie zu. Denn auch die Gewährleistung des Verkäufers ist durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erkennbar so gestaltet, dass ein Bezug der Gewährleistung zum Hersteller besteht. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Nachbesserungsansprüche nicht nur beim Verkäufer selbst, sondern auch bei anderen, vom Hersteller für die Betreuung des Kaufgegenstandes anerkannten Betrieben geltend gemacht werden können (Nr. VII. 2. a der Allgemeinen Geschäftsbedingungen).

Schließlich hatte die Klägerin auch keinen Anlass zu der Annahme, die Beklagte werde eine Wandelung des Vertrages nur dann befürworten, wenn der Gebietsleiter Technik des Herstellers seinerseits dem zustimme. Zum einen kommt ein solcher Vorbehalt in der Erklärung der Beklagten nicht zum Ausdruck. Zum anderen wäre eine solche Zusage für die Klägerin letztlich wertlos gewesen, weil ihre Rechte zur Disposition eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten gestanden hätten. Die Klägerin hatte aus ihrer damaligen Sicht keinen Anlass, sich auf eine solche Vereinbarung einzulassen. Auch die Beklagte konnte nicht annehmen, die Klägerin werde in solcher Weise ihre behauptete Rechtsposition von der Beurteilung eines Dritten abhängig machen.

c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die von der Beklagten vorgenommene Reparatur den Fehler nicht beseitigt. Das Aufheulen des Motors ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls am 30.04., 02.05., 11.05. und 30.05.2001 wieder aufgetreten. Das ergibt sich aus den widerspruchsfreien und glaubhaften Bekundungen der Zeugen E, H und C. Die Zeugen haben das Phänomen gezielt beobachtet. Die Drehzahl war jeweils mit Hilfe des Drehzahlmessers objektiv wahrnehmbar. Es war bei der Beobachtung auch sichergestellt, dass die Drehzahlerhöhung nicht durch Betätigen des Gaspedals oder in sonstiger Weise durch eine Manipulation erfolgen konnte. Der Senat hat keinerlei Anlass, den Bekundungen der uneingeschränkt glaubwürdig wirkenden Zeugen keinen Glauben zu schenken. Auch das zumindest mittelbare wirtschaftliche Interesse des Zeugen E am Ausgang des Rechtsstreits rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Zeuge E als Ehemann der Klägerin hat keinerlei Tendenz gezeigt, den Mangel als häufiger oder schwerwiegender darzustellen, um auf diese Weise die Erfolgsaussichten der Klägerin zu steigern.

Er hat von sich aus erklärt, dass die erhöhte Drehzahl nach der (vergleichsweise kurzen) Zeit von 5-10 s von selbst wieder verschwindet. Schließlich wurden die glaubhaften Angaben des Zeugen auch von den weiteren Zeugen bestätigt.

Dem Auftreten des Fehlers steht auch nicht entgegen, dass der Fehler bei einer Untersuchung in der Werkstatt der Beklagten nicht beobachtet oder durch Messergebnisse unterlegt werden konnte, wie der Zeuge S, ebenfalls uneingeschränkt glaubhaft, ausgesagt hat. Denn auch nach der klägerischen Darstellung tritt der Fehler nicht regelmäßig auf.

2. Die Erklärung der Wandelung (§ 465 BGB) erfolgte jedenfalls mit der Zustellung der Klageschrift und der Berufungsbegründung. Gem. § 467 S. 1 i.V.m. § 346 BGB haben die Parteien die einander gewährten Leistungen zurückzugewähren. Über die Höhe des zurückzugewährenden Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung besteht zwischen den Parteien kein Streit.

3. Das Wandelungsrecht der Klägerin ist schließlich auch nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist bis zum 256.04.2001 vertraglich verlängert wurde. Dies ergibt sich aus denselben Erklärungen wie die Vereinbarung über die Behandlung des Aufheulens des Motors als Fehler i.S.d. Gewährleistungsrechte. Aus den in diesem Zusammenhang aufgeführten Gründen wurde auch nicht nur die Verjährungsfrist hinsichtlich der Garantie des Herstellers, sondern auch die Verjährungsfrist hinsichtlich der Verkäufergewährleistung verlängert.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 2 ZPO. Die Klägerin hat die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die sie ihr letztlich erfolgreiches Wandelungsbegehren stützen konnte, erst in zweiter Instanz vorgelegt, ohne dass ein Grund ersichtlich ist, warum dieses Vorbringen nicht bereits in erster Instanz erfolgen konnte. Die zweitinstanzlich angefallenen Kosten der Beweisaufnahme waren der Klägerin nicht aufzuerlegen, weil auch bei Vortrag in der ersten Instanz voraussichtlich eine Beweiserhebung hätte erfolgen müssen.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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