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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 15.01.2007
Aktenzeichen: Ss (OWi) 731/06
Rechtsgebiete: OWiG, StVO, StPO, GVG, StVG


Vorschriften:

OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 9
OWiG § 46 Abs. 1
OWiG § 51 Abs. 3 Satz 1
OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1
OWiG § 79 Abs. 6
OWiG § 111
StVO § 24
StVO § 26 Abs. 3
StPO § 137 Abs. 1
StPO § 275 Abs. 1 Satz 1
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
StPO § 473 Abs. 4
GVG § 121 Abs. 2
StVG § 25 Abs. 2 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden

Senat für Bußgeldsachen

- Der Einzelrichter -

Aktenzeichen: Ss (OWi) 731/06

Beschluss

vom 15. Januar 2007

in der Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 07. Juli 2006 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines am 22. August 2005 begangenen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100,00 EUR verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Betroffene die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 31 km/h überschritten.

Am 12. Oktober 2005 veranlasste die Bußgeldbehörde die Anhörung des Betroffenen. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2005 teilte Rechtsanwalt K S mit, dass Herr H M (der Betroffene) von ihm anwaltlich vertreten werde. Er machte die nach § 111 OWiG für notwendig erachteten Angaben zur Person und bestritt die seiner Mandantschaft vorgeworfene Ordnungswidrigkeit. Da vorerst zur Sache keine Angaben gemacht würden, werde nunmehr um Akteneinsicht gebeten.

Dem Schreiben war eine von dem Betroffenen unterzeichnete Vollmacht vom 18. Oktober 2005 beigefügt, die folgenden Wortlaut hat:

"außergerichtliche Vollmacht

Herrn Rechtsanwalt K S , G straße , (es folgen Telefon- und Fax-Nummer)

wird hiermit in Sachen H M

wegen OWi

Vollmacht erteilt

C , den 18.10.2005 (Unterschrift des Betroffenen)"

Die Vollmacht enthält kleingedruckt in der oberen linken Ecke weiter den Zusatz:

"der beauftragte Rechtsanwalt ist nicht zustellungsbevollmächtigt"

Am 08. November 2005 erließ die Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen, der der Rechtsanwaltskanzlei K & S unter der Geschäftsadresse in C am 14. November 2005 zugestellt wurde. Gegen den Bußgeldbescheid legte Rechtsanwalt S mit Schreiben vom 15. November 2005 namens und in Vollmacht des Betroffenen Einspruch ein und widersprach einer Entscheidung ohne Hauptverhandlung.

Die Akten gingen am 12. Januar 2006 beim Amtsgericht ein. Nach Aufforderung des Amtsgerichts legte Rechtsanwalt S eine von dem Betroffenen unterzeichnete Vollmacht vom 10. März 2006 vor, die sich von der ersten Vollmacht dadurch unterscheidet, dass sie den eine Zustellung ausschließenden Zusatz und das Wort "außergerichtliche" nicht enthält.

Auf die Terminsladung beantragte Rechtsanwalt S mit Schreiben vom 28. März 2006, den Termin aufzuheben und das Verfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung einzustellen. In seinem Schreiben vertritt er die Ansicht, die Verjährung sei nicht durch den Erlass des Bußgeldbescheides unterbrochen worden. Die Zustellung am 14. November 2005 sei nicht wirksam gewesen, weil die Rechtsanwälte K & S nicht bevollmächtigt gewesen seien. Bei der (ersten) zur Akte gereichten Vollmacht habe es sich ausdrücklich um eine außergerichtliche Vollmacht gehandelt, die ihn zur Entgegennahme von Zustellungen nicht ermächtigt habe. Er sieht sich in dieser Ansicht durch obergerichtliche Rechtsprechung bestärkt.

Das Amtsgericht hat diese Ansicht nicht geteilt. Rechtsanwalt S sei bereits im Bußgeldverfahren als Verteidiger aufgetreten, weshalb der Bußgeldbescheid gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG an ihn habe zugestellt werden können.

Gegen das Urteil wendet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Zur Frage der Verjährung wird nunmehr behauptet, die Rechtsanwälte K & S seien niemals bevollmächtigt gewesen; der Betroffene habe Rechtsanwalt S eine außergerichtliche Zivilvollmacht erteilt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat sich unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Rechtsansicht angeschlossen und beantragt, das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat im Wesentlichen keinen Erfolg; sie war mit der aus der Beschlussformel ersichtlichen Maßgabe zu verwerfen.

1. Es ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten.

Für die dem Betroffenen vorgeworfene Verkehrsordnungs- widrigkeit lief die Verjährungsfrist gemäß §§ 24, 26 Abs. 3 StVO am 21. November 2005 ab. Sie ist jedoch durch die am 12. Oktober 2005 veranlasste Anhörung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden und lief nunmehr am 11. Januar 2006 ab. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde und der Generalstaatsanwaltschaft ist die Verjährung am 14. November 2005 erneut gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden, weil die an die Rechtsanwälte K & S in C gerichtete Zustellung des Bußgeldbescheides wirksam war.

a) Es war zwar nur Rechtsanwalt S bevollmächtigt worden. Der Bußgeldbescheid wurde jedoch ausweislich der Zustellungsurkunde einem durch schriftliche Vollmacht ausgewiesenen rechtsgeschäftlichen Vertreter, der in der Urkunde namentlich benannt ist, ausgehändigt. Es ist deshalb zunächst davon auszugehen, dass diese Empfangsvollmacht sowohl gegenüber Rechtsanwalt K als auch gegenüber Rechtsanwalt S bestand. Da aber unter der Geschäftsadresse in C ausweislich des von der Rechtsanwaltskanzlei verwendeten Briefkopfes ausschließlich Rechtsanwalt S geschäftsansässig ist, bestehen keine Zweifel daran, dass die in der Zustellungsurkunde bezeichnete Vertreterin den Bußgeldbescheid für Rechtsanwalt S in Empfang genommen hat.

b) Der Bußgeldbescheid konnte Rechtsanwalt S gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG zugestellt werden, weil er bereits im Verwaltungsverfahren der gewählte Verteidiger des Betroffenen war und sich eine Vollmacht bei den Akten befand.

Die Bevollmächtigung bedarf keiner bestimmten Form. Es kann deshalb auch aus den äußeren Umständen auf ein Verteidigerverhältnis geschlossen werden (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 18; KK-Laufhütte, StPO, 5. Aufl., vor § 137 Rdnr. 3; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., vor § 137 Rdnr. 9 m.w.N.). Mit Mitteilung der nach § 111 OWiG für notwendig erachteten Angaben, dem Bestreiten des Vorwurfs, der Mitteilung, der Mandant werde sich darüber hinaus nicht einlassen und der beantragten Akteneinsicht hat sich Rechtsanwalt S als Verteidiger geriert. Dies lässt vermuten, dass ihm eine Verteidigervollmacht erteilt worden war. Dass Rechtsanwalt S - wie er erstmals in der Rechtsbeschwerdebegründung behauptet - gleichwohl lediglich über eine Zivilvollmacht verfügte, ist zur Überzeugung des Senats unzutreffend und augenscheinlich der Rechtsprechung vereinzelter Oberlandesgerichte geschuldet (OLG Hamm DAR 2004, 105; Brandenburgisches Oberlandesgericht ZfS 2005, 571 mit Besprechung Samimi ZfS 2006, 308; KG Berlin, Beschluss vom 09. Dezember 2005 - 2 Ss 281/05 -3 Ws [B] 637/05 -). Es erscheint dem Senat ausgeschlossen, dass ein Betroffener, dem aufgrund eines ihm vorgeworfenen Verkehrsverstoßes, bei dem Dritte nicht beteiligt sind und der mit der Verhängung eines Regelfahrverbotes rechnen muss, sich in dem Verfahren vor der Bußgeldbehörde eines Rechtsanwalts lediglich zur Klärung zivilrechtlicher Fragen und nicht als Beistand im Sinne des § 137 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG bedient. Vielmehr sollte die gewählte Form der Vollmachtsurkunde erkennbar dazu dienen, eine förmliche Zustellung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen zu vermeiden, um anschließend zu einem geeigneten Zeitpunkt die Stellung als Verteidiger zu bestreiten und sich auf eine vermeintlich eingetretene Verfolgungsverjährung zu berufen. Dafür spricht auch, dass Rechtsanwalt S in der Hauptverhandlung unbestritten als Verteidiger aufgetreten ist und dazu eine Vollmacht vorgelegt hatte, die sich von der ersten Vollmacht nur in dem unter Ziffer I. genannten Umfang unterscheidet.

Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG ist nicht veranlasst, weil sich die im vorliegenden Fall vorgelegte Vollmacht in ihrem Wortlaut von den in den zitierten Fällen vorgelegten Vollmachten deutlich unterscheidet.

c) Einer Bevollmächtigung von Rechtsanwalt S als Verteidiger zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheides steht im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass es sich um eine außergerichtliche Vollmacht handelte. Denn die Vollmacht wurde im Verwaltungsverfahren vorgelegt.

d) Die Wirksamkeit der Zustellung scheitert auch nicht daran, dass in der Vollmachtsurkunde der Zusatz enthalten ist, der beauftragte Rechtsanwalt sei nicht zustellungsbevollmächtigt. Diese Entziehung der Zustellungsvollmacht ist unwirksam, weil die durch § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG begründete gesetzliche Zustellungsvollmacht vom Willen des Betroffenen unabhängig ist und nicht entzogen werden kann (OLG Dresden NStZ-RR 2005, 244 m.w.N.).

2. Eine Überprüfung des Urteils auf die Rechtsbeschwerdebegründung hat - mit Ausnahme der aus der Beschlussformel ersichtlichen Maßgabe - keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufgedeckt.

a) Die Verfahrensrüge erweist sich bereits als unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, weil die den Mangel enthaltenden Tatsachen nicht bestimmt behauptet werden. Eine Verfahrensrüge ist unzulässig, wenn der Verfahrensverstoß nur als möglich bezeichnet wird (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 344 Rdnr. 25 m.w.N.). Im vorliegenden Fall meint der Betroffene lediglich, es sei davon auszugehen, dass die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht eingehalten worden sei, weil aus der Ermittlungsakte nicht hervorgehe, wann das Urteil zu den Akten gelangt sei.

Zudem ist der Vortrag des Betroffenen auch insoweit in diesem Punkt unzutreffend. Auf der Rückseite der ersten Seite der Urteilsurkunde ist der Vermerk der Geschäftsstelle angebracht, dass das Urteil dort am 02. August 2006 - und damit fristgemäß - eingegangen ist.

b) Auf die nicht näher begründete Sachrüge erweist sich der Rechtsfolgenausspruch insoweit als unvollständig, als das Amtsgericht die Privilegierung des § 25 Abs. 2 a StVG nicht gewährt hat. Dies hat der Senat im Wege eigener Sachentscheidung gemäß § 79 Abs. 6 OWiG nachgeholt.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG. Für eine Anwendung von § 473 Abs. 4 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG bestand kein Anlass. Der Betroffene hat das Urteil in vollem Umfang angegriffen und insbesondere die Ansicht vertreten, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten. Es ist deshalb anzunehmen, dass er die Rechtsbeschwerde auch dann eingelegt hätte, wenn schon das Urteil des Amtsgerichts die Privilegierung des § 25 Abs. 2 a StVG gewährt hätte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. § 473 Rdnr. 26 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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