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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 17.10.2006
Aktenzeichen: WVerg 15/06
Rechtsgebiete: VOL/A


Vorschriften:

VOL/A § 7 Nr. 4
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2a
1. Gemäß § 7 Nr. 4 VOL/A zulässigerweise geforderte, aber mit dem Angebot nicht abgegebene Nachweise zur Zuverlässigkeit eines Bieters führen dazu, dass dieses Angebot von der Wertung zwingend auszuschliessen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Auftraggeber sich insoweit ein Ausschlussermessen vorbehalten oder sich, gleich in welchem Stadium der Wertung, auf diesen Ausschlussgrund berufen hat.

2. Ein dem Auftraggeber nach dem Wortlaut von § 25 Nr. 1 Abs. 2a VOL/A zustehendes Ausschlussermessen wird jedenfalls dann regelmäßig auf Null reduziert sein, wenn Erklärungsdefizite eines Angebots für die Position eines Bieters im Wettbewerb von Belang sind.

3. Die Rechtskraft einer Vergabenachprüfungsentscheidung, die als Vorfrage das Angebot des damaligen Antragstellers als vollständig behandelt hat, steht der nachträglichen Feststellung der Unvollständigkeit dieses Angebots nicht entgegen.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: WVerg 15/06

Beschluss

des Vergabesenats

vom 17.10.2006

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

wegen Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richter am Oberlandesgericht Bokern

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde vom 04.10.2006 gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen vom 20.09.2006 - 1/SVK/85/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Nach dem Ergebnis der im Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung spricht nämlich alles dafür, dass die sofortige Beschwerde in der Hauptsache ebenfalls keinen Erfolg haben wird. Bei dieser Sachlage bedarf es der in § 118 Abs. 2 GWB ergänzend vorgesehenen Interessenabwägung nicht.

1. Der Antragsgegner hatte durch Bekanntmachung vom 07.02.2006 Dienstleistungen zum Sammeln, Transportieren und Verwerten bzw. Beseitigen von Abfall europaweit nach VOL/A ausgeschrieben und dabei insgesamt zehn sowohl nach Tätigkeitsfeldern als auch regional gegliederte Lose gebildet. Gegenstand des vorliegenden Nachprüfungsverfahrens ist das Los 1.3, bei dem es um Sammlung und Transport bestimmter Abfallsorten im Gebiet des W geht. Mit der Vergabebekanntmachung hatte die Vergabestelle unter Abschnitt III.2.1 Angaben zur persönlichen Lage des "Wirtschaftsteilnehmers" (Bieters) verlangt und u.a. unter der Überschrift "geforderte Nachweise" ein "polizeiliches Führungszeugnis der Betriebsinhaber/Geschäftsführer" aufgeführt. In den den Interessenten später zur Verfügung gestellten Verdingungsunterlagen heißt es dazu wörtlich: "Geben mehrere Unternehmen ein gemeinschaftliches Angebot ab, so müssen diese Nachweise von allen Mitgliedern der Bietergemeinschaft erbracht werden". Die Antragstellerin ist eine aus zwei Kapitalgesellschaften bestehende Bietergemeinschaft, bei der die Beteiligte zu 1 zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe über zwei Geschäftsführer verfügte; dem Angebot war jedoch lediglich das polizeiliche Führungszeugnis eines dieser Geschäftsführer beigefügt. Die Vergabekammer hat daraus im Ergebnis den Schluss gezogen, dass die Antragstellerin ein unvollständiges und deshalb zwingend von der Wertung auszuschließendes Angebot abgegeben habe, und mit dieser Begründung den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen.

2. Hiergegen wendet sich die in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Begehren aus dem ersten Rechtszug weiterverfolgt. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, die Vergabekammer sei an der beanstandeten Entscheidung schon durch ihren eigenen, unstreitig in Rechtskraft erwachsenen Beschluss im früheren Verfahren 1/SVK/59-06 gehindert gewesen. In diesem Verfahren hatte die Kammer in Unkenntnis des fehlenden Führungszeugnisses ein früheres Nachprüfungsbegehren der Antragstellerin zum selben Beschaffungsvorhaben als zulässig und begründet erachtet. In der Folge dieser Entscheidung war ein der Antragstellerin preislich vorgehender Mitbieter, ebenfalls wegen unvollständiger Angebotsunterlagen, von der Wertung ausgeschlossen worden; der Antragsgegner hatte daraufhin jedoch die Ausschreibung aufgehoben, weil aus seiner Sicht kein wirtschaftliches Angebot (mehr) vorgelegen habe, und unter Berufung auf § 3 a Nr. 2 a VOL/A ein Verhandlungsverfahren mit den bisherigen Bietern iniziiert, an dem sich zu beteiligen die Antragstellerin indes ablehnte. Sie hält sowohl die Aufhebungsentscheidung als auch die Einleitung des Verhandlungsverfahrens für vergaberechtswidrig und begehrt mit dem hier in Rede stehenden Nachprüfungsantrag eine Vergabeentscheidung auf der Basis der ursprünglichen Ausschreibung.

3. Zur Begründung stützt sie sich darauf, dass jedenfalls ihr eigenes Angebot zur aufgehobenen Ausschreibung - unbeschadet ihrer Ansicht, dass die Erwägungen des Antragsgegners zur Wirtschaftlichkeit aller Offerten anhand einer grundsätzlich untauglichen Sollkostenberechnung erfolgt seien - in formaler und inhaltlicher Hinsicht wertungsfähig gewesen sei und deshalb auch hätte gewertet werden müssen. Denn das Verlangen des Auftraggebers nach dem umstrittenen polizeilichen Führungszeugnis sei schon im Ansatz unzulässig gewesen. Abgesehen davon lasse der Text der Vergabebekanntmachung nicht eindeutig erkennen, dass ein solcher Nachweis für alle Geschäftsführer oder Inhaber eines Bieterunternehmens geführt werden müsse, und auf Bietergemeinschaften, die als solche weder über Geschäftsführer noch über Inhaber verfügten, lasse sich die Anforderung zumindest mit der gebotenen Klarheit überhaupt nicht beziehen. Spätere, d.h. nicht mehr in der Bekanntmachung selbst vorgenommene Klarstellungen dazu seien unstatthaft. Schließlich habe der Antragsgegner selbst sich auf den nunmehr von der Vergabekammer thematisierten Ausschlussgrund bis in das laufende (zweite) Vergabekontrollverfahren hinein nicht berufen; an diese - aus Sicht der Antragstellerin zulässige - Ermessensbetätigung sei er gebunden, was im Ergebnis auch dem angefochtenen Beschluss entgegenstehen müsse.

4. Diese Überlegungen verhelfen der Beschwerde nach derzeitigem Verfahrensstand nicht zum Erfolg; mithin kommt auch eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs über den 20.10.2006 hinaus (mit diesem Tag läuft das gesetzliche Zuschlagsverbot aus § 118 Abs. 1 S. 1 GWB aus) nicht in Betracht.

a) Zuzugeben ist der Beschwerdeführerin, dass das Verlangen des Antragsgegners nach einem polizeilichen Führungszeugnis sich wohl nicht auf § 7 a Nr. 2 VOL/A stützen ließe; denn dort ist davon die Rede, was von Unternehmen zum Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht (Abs. 1) bzw. in fachlicher und technischer Hinsicht (Abs. 2) gefordert werden kann. Ein polizeiliches Führungszeugnis wird aber nicht Eignungskriterien in diesem Sinne betreffen, sondern nur Schlussfolgerungen auf die Zuverlässigkeit des Bieters erlauben.

Daraus ergibt sich aber nicht, dass es deshalb überhaupt nicht verlangt werden dürfe. Das Gegenteil belegt schon der Wortlaut von § 7 Nr. 4 VOL/A, der auch für eine Ausschreibung der vorliegenden Art weiter maßgebend bleibt, solange § 7 a VOL/A keine dem entgegenstehende speziellere Regelung trifft. Allgemeine Vorgaben über Art und Zeitpunkt eines ggf. erforderlichen Zuverlässigkeitsnachweises finden sich dort aber nicht. Insbesondere spricht alles dafür, dass auch § 7 a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A die Verpflichtung des Auftraggebers, Nachweise bereits in der Bekanntmachung zu verlangen, lediglich auf Nachweise zur Leistungsfähigkeit bezieht (vgl. etwa ausdrücklich § 7 a Nr. 2 Abs. 3 S. 2 VOL/A), nicht aber auf Zuverlässigkeitsnachweise. Dann aber wäre der Antragsgegner hier im Ansatz nicht gehindert gewesen, seine aus der Vergabebekanntmachung ersichtlichen Nachweisanforderungen nach Maßgabe der Verdingungsunterlagen zu einem späteren Zeitpunkt zu präzisieren.

b) Zum gleichen Ergebnis eines statthaften Nachweisverlangens käme der Senat allerdings auch dann, wenn man eine solche (nachträgliche) Präzisierung für unstatthaft hielte. Denn im vorliegenden Fall bringt schon die Vergabebekanntmachung selbst mit hinreichender Klarheit zum Ausdruck, welche Zuverlässigkeitsnachweise ein Bieter mit dem Angebot - vergaberechtskonform - vorzulegen hatte. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Offerte der Beschwerdeführerin nicht gerecht.

Zunächst spricht der Wortlaut der Bekanntmachung in Ziff. III.2.1 ausdrücklich davon, dass ein "polizeiliches Führungszeugnis der Betriebsinhaber/Geschäftsführer" vorzulegen sei. Dies lässt - gerade durch die Verwendung des Plurals "der" - keine sinnvolle Auslegung dahingehend zu, dass es einem von mehreren Inhabern oder Geschäftsführern vertretenen Bieterunternehmen freistehe, nach seiner Wahl für einen von diesen ein Führungszeugnis einzureichen. Wollte man sich als Adresssat der Bekanntmachung nämlich ein Einzelunternehmen mit einem Inhaber/Geschäftsführer vorstellen, hätte es sprachlogisch ausgereicht, dessen Führungszeugnis (Singular) zu verlangen.

In der Sache entsprach es auch dem Gegenstand des Auftrags (vgl. § 7 Nr. 4 VOL/A), dass sich der Auftraggeber die Zuverlässigkeit eines Bieters in Person aller Inhaber/Geschäftsführer belegen lassen wollte. Die Vergabekammer hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die umfassende öffentlich-rechtliche Verantwortung des Auftraggebers für den weiteren Umgang mit "seinem" Abfall auch eine gesteigerte Verantwortung bei der Auswahl der in diesem Zusammenhang zu beauftragenden privaten Dienstleister mit sich bringt. Die Beschwerdeführerin hat die Nachweispflicht als solche im Übrigen nicht zum Anlass einer ordnungsgemäßen Rüge gem. § 107 Abs. 3 GWB genommen. Sie ist daher gehalten, die Nachweisanforderung nunmehr so hinzunehmen, wie sie sie unter Berücksichtigung ihrer Verständnismöglichkeiten und des objektiven Erklärungswertes der Bekanntmachung verstehen musste. Ergibt sich bei verständiger Herangehensweise dabei, wie hier, nur ein sinnvoller und deshalb eindeutiger Erklärungsinhalt, so wird die Bekanntmachung damit auch dem vergaberechtlichen Transparenzgebot und der daraus abgeleiteten Obliegenheit des Auftraggebers gerecht, die Anforderungen an vom Bieter zu erbringende Erklärungen und Nachweise zweifelsfrei zu gestalten und nur an die Verletzung solch klarer Pflichten durch den Bieter Konsequenzen für die Angebotswertung zu knüpfen.

c) In diesem Zusammenhang teilt der Senat schließlich nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, sie habe das hier in Rede stehende Nachweisverlangen im Ansatz nicht auf sich beziehen müssen, da sie als Bietergemeinschaft weder über Inhaber noch über Geschäftsführer verfüge. Gem. § 7 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A sind Arbeitsgemeinschaften und andere gemeinschaftliche Bieter Einzelbewerbern gleichzusetzen; Bietergemeinschaften dürfen mithin nicht aus sachfremden Gründen benachteiligt, aber auch nicht bevorzugt werden. Fordert der Auftraggeber Eignungsnachweise, so sind diese aber stets im Hinblick auf die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Einzelunternehmen zu erbringen, aus denen die Bietergemeinschaft besteht; denn diese stellt lediglich einen vorhabenbezogenen Zusammenschluss ansonsten unabhängig voneinander operierender Marktteilnehmer dar, so dass die Eignung der Gemeinschaft für den ausgeschriebenen Auftrag, auch soweit sie erst durch die mittels des Zusammenschlusses bewirkte Bündelung der Unternehmenskapazitäten entstanden sein mag, ohne Rückgriff auf die Eignung der jeweils beteiligten Firmen gar nicht beurteilt werden könnte. Verlangt die Vergabebekanntmachung daher, wie hier, von einem Bewerber die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses für (alle) seine Inhaber oder Geschäftsführer, so liegt darin für den Fall, dass der Bewerber eine Bietergemeinschaft ist, ohne weiteres, insbesondere ohne dass dies einer ausdrücklichen verbalen Klarstellung im Bekanntmachungstext bedarf, das Verlangen nach einem entsprechenden Nachweis für alle Inhaber bzw. Geschäftsführer aller an der Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen. Einen solchen Nachweis hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Angebot unstreitig nicht erbracht.

5. Infolgedessen war ihr Angebot von der Wertung im aufgehobenen Vergabeverfahren gem. § 25 VOL/A zwingend auszuschließen. Dabei kann der Senat offen lassen, ob der fehlende Nachweis der Zuverlässigkeit dazu führt, dass die Offerte unmittelbar nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A unberücksichtigt bleiben muss (so OLG Düsseldorf, VergR 2005, 222 und VergR 2006, 547), oder ob es sich um einen Fall fehlender Angaben und Erklärungen handelt, so dass sich der Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 a i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A bestimmen würde (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 22.06.2006, 1 Verg 5/06). Denn auch nach der zweiten Alternative - die dem Senat schon deshalb vorzugswürdig erschiene, weil § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zwar ein Angebot, aus dem sich die Zuverlässigkeit des Bieters nicht ergibt, im Ergebnis als nicht berücksichtigungsfähig ansieht, aber nichts dazu besagt, wodurch und mit welchem Zeitpunkt dieses Resultat irreversibel herbeigeführt wird - wäre die Ausschlussentscheidung der Vergabekammer (die selbst der vorgenannten Linie des OLG Düsseldorf gefolgt ist) richtig, weil das dem Auftraggeber nach dem Wortlaut des § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A grundsätzlich eröffnete Ermessen hier auf Null reduziert wäre.

Der Bundesgerichtshof hat nämlich das Gebot der Vollständigkeit von Bieterangaben in seinem Beschluss vom 18.02.2003 (VergR 2003, 313) vor dem Hintergrund der Erwägung, dass nur in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote eine sinnvolle Wertung im Bieterwettbewerb ermöglichen, unmittelbar aus § 97 GWB abgeleitet. Die Entscheidung betraf zwar ein Vergabeverfahren nach VOB/A, deren entsprechende Wertungsvorschrift (§ 25 Nr. 1 Abs. 1) auch in ihrem Wortlaut einen zwingenden Angebotsausschluss vorsieht. Die o. g. gesetzliche Wertungsvorgabe erstreckt sich aber auf alle ihr unterliegenden Vergabeverfahren, ohne zwischen den verschiedenen Verdingungsordnungen zu differenzieren. Sie erlaubt damit unterschiedliche Wertungsmaßstäbe zumindest insoweit nicht, als diese nicht in der Natur der jeweiligen Vergabeart begründet wären. Danach wird es im Rahmen von § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A pflichtgemäßem Ermessen im Regelfall nur gerecht, das Angebot eines Bieters jedenfalls dann von der Wertung auszuschließen, wenn seine Erklärungsdefizite für die Position des Bieters im Wettbewerb von Belang sind. Dies liegt um so näher, als die VOL/A (im Gegensatz zu § 21 VOB/A) die Vorlage der geforderten Bieterangaben mit dem Angebot unmissverständlich einfordert (§ 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A); nur die dann auf der Wertungsebene folgerichtige Ermessensreduzierung auf Null ist geeignet, den ansonsten unvermeidbaren, aber mit § 97 GWB nicht vereinbaren Wertungswiderspruch zu verhindern, den der unterschiedliche Wortlaut der Verdingungsordnungen im Ansatz eröffnet (vgl. Senatsbeschluss vom 06.04.2004, WVerg 1/04).

6. Fehlende Zuverlässigkeitsnachweise sind aber stets wettbewerbsrelevant, wie gerade die vom Oberlandesgericht Düsseldorf als Grundlage eines Wertungsausschlusses unmittelbar herangezogene Regelung in § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zeigt. Infolgedessen steht es der Auffassung des Senats weder entgegen, dass der Antragsgegner sich in den Verdingungsunterlagen angesichts fehlender Nachweise ein Ausschlussermessen - das ihm für Fälle der vorliegenden Art aus Rechtsgründen nicht zustand - vorbehalten haben mag, noch ist es für die Entscheidung von Belang, dass der Antragsgegner sich bis in das laufende Nachprüfungsverfahren hinein auf diesen Gesichtspunkt zu Lasten der Beschwerdeführerin tatsächlich zunächst nicht berufen hatte. Denn zwingende Wertungsvorgaben stehen nicht zu seiner Disposition; es nützt der Beschwerdeführerin daher auch nichts, dass der Antragsgegner die Wertungsstufe, auf der die Unvollständigkeit des Angebots der Beschwerdeführerin zu ihrem Ausschluss von der Wertung hätte führen müssen, (mehrfach) durchlaufen hatte, ohne die gebotene Konsequenz herbeizuführen.

7. An der sich daraus ergebenden Entscheidung zum Nachteil der Beschwerdeführerin ist der Senat durch den in Bestandskraft erwachsenen Beschluss der Vergabekammer zum vorangegangenen Verfahren 1/SVK/59-06 nicht gehindert. Denn Gegenstand des dabei beschiedenen Nachprüfungsbegehrens der Beschwerdeführerin war nicht deren eigenes Angebot, sondern die - dann letztlich ausgeschlossene - Offerte eines Mitbieters. Der hierzu ergangene Kammerbeschluss setzte zwar voraus, dass die Kammer nach damaligem Erkenntnisstand von einem wertungsfähigen Angebot der Antragstellerin ausgegangen ist; in Rechtskraft erwächst ein solches Vorverständnis, eben weil es nicht den eigentlichen Verfahrensgegenstand, sondern nur eine Vorfrage betrifft, indessen nicht (vgl. schon Senatsbeschluss vom 10.07.2003, WVerg 16/02); in Vergabenachprüfungsverfahren gilt insoweit nichts anderes als nach anderen Verfahrensordnungen. Die Beschwerdebegründung hat diesen Gesichtspunkt daher auch nicht weiter vertieft.

8. Nach alledem wird die Beschwerdeführerin die Aufhebung der ursprünglichen Ausschreibung durch den Antragsgegner nicht mit Aussicht auf Erfolg angreifen können, weil sie in ihren vergaberechtlichen Rechten dadurch nicht verletzt sein kann. Sie hätte danach eine Beteiligung an dem nachfolgend eingeleiteten Verhandlungsverfahren verlangen können, hat dies jedoch trotz entsprechender Angebote der Auftraggeberseite ausdrücklich abgelehnt. Sie hätte u. U. stattdessen auch - unterstellt, die Voraussetzungen eines Verhandlungsverfahrens nach § 3 a Nr. 2 a VOL/A hätten aus welchen Gründen auch immer nicht vorgelegen - eine neuerliche förmliche Ausschreibung im offenen Verfahren mit dem Ziel fordern können, dann ein neues Angebot abzugeben. Sie kann aber nicht, wie sie es tatsächlich ausschließlich tut, das Verhandlungsverfahren mit der Erwägung angreifen, jedenfalls ihr Angebot zur ursprünglichen Ausschreibung sei wirksam und wertungsfähig gewesen, so dass das vormalige Verfahren entgegen der Aufhebungsentscheidung des Antragsgegners fortzusetzen und letztlich auf ihr Angebot der Zuschlag zu erteilen wäre. Denn dieses Angebot wies einen wertungsfähigen Inhalt nicht auf (s. o.).

Vor diesem Hintergrund kommt eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde nicht in Betracht; eine Kostenentscheidung ist dabei nicht veranlasst, weil über die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zusammen mit den Kosten der Hauptsache befunden werden wird.

Die Beschwerdeführerin wird gebeten, nach Möglichkeit bis zum 30.10.2006 mitzuteilen, ob sie ihre Beschwerde aufrechterhält.

Ende der Entscheidung

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