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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: WVerg 5/09
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 99 Abs. 4
Dass für eine Dienstleistungskonzession charakteristische Betriebsrisiko trägt der Unternehmer auch dann, wenn die Risikolage bei einem Dienstleistungsauftrag nicht anders wäre, solange nur die Gegenleistung nicht maßgeblich vom öffentlichen Auftraggeber erbracht wird, sondern in dem Recht der Nutzung der Dienstleistung, gegebenenfalls zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.
Oberlandesgericht Dresden

WVerg 5/09

Verkündet am 8. Oktober 2009

Beschluss

des Vergabesenats

In dem Rechtsstreit

wegen Vergabe

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2009 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richterin am Oberlandesgericht Riechert

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen vom 13. August 2009 - 1 SVK 034-09 und 1 SVK 034-09G -wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Kosten der anwaltlichen Vertretung der Antragsgegnerin trägt der Antragsteller.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die Antragsgegnerin die Aufträge für die Essensversorgung an Kindertagesstätten und Schulen freihändig vergeben kann und ob es sich bei den Verträgen, die sie abzuschließen beabsichtigt, um öffentliche Dienstleistungskonzessionen handelt.

Der Antragsteller versorgte verschiedene von der Antragsgegnerin betriebene Kindertagesstätten und Schulen mit Essen. Nach Auslaufen der Verträge zum 31.07.2009 beabsichtigte die Antragsgegnerin, die Essensversorgung für die Einrichtungen Hort , Kita , Kita , Kita , Kita, Grundschule und Schulhort am , Kita und Grundschule neu und ohne Ausschreibung zu vergeben, wobei sie dem Antragsteller für vier der Einrichtungen mit "Vereinbarung" überschriebene Vertragsangebote unterbreitete (Bl. 66 ff dA). Nach einem Verhandlungsgespräch am 16.06.2009 rügte der Antragsteller mit Schreiben vom 22.06.2009 die ins Auge gefasste freihändige Vergabe. Die Antragsgegnerin antwortete ihm mit Schreiben vom 07.07.2009, bei den Aufträgen handele es sich um nicht ausschreibungspflichtige Dienstleistungskonzessionen (Bl. 72/73 dA). Diese Auffassung wiederholte sie mit Schreiben vom 22.07.2009 in Reaktion auf eine Beanstandung der nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 14.07.2009. Zu dieser Zeit waren an die Stelle des ursprünglichen Entwurfs eines Vertrags zur Essensversorgung ("Vereinbarung") zwei neue Entwürfe getreten, die mit "Dienstleistungs-/Konzessionsvertrag zur Essensversorgung" und "Dienstleistungs-/Konzessionsvertrag zur Essenslieferung" bezeichnet waren. In beide Entwürfe ist eine Regelung folgenden Inhalts aufgenommen:

"Für die Lieferung des Essens an die Leistungsempfänger ist ein privatrechtlicher Vertrag zwischen dem Auftragnehmer (Anbieter) und den Personensorgeberechtigten des jeweiligen Leistungsempfängers abzuschließen ..."

Mit Beschluss vom 13.08.2009 - auf den wegen weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes Bezug genommen wird - hat die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen den Antrag ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen, weil es sich bei den abzuschließenden Verträgen um öffentliche Dienstleistungskonzessionen handele.

Gegen den dem Antragsteller am 14.08.2009 zugestellten Beschluss hat er mit am 28.08.2009 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Antragsteller begehrt, die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen vom 13.08.2009 aufzuheben und nach seinen im Nachprüfungsverfahren gestellten Anträgen zu entscheiden. Hilfsweise beantragt er, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des EuGH einzuholen.

Mit seinem Nachprüfungsantrag vom 21.07.2009 hat der Antragsteller die Feststellung begehrt, dass die von der Antragsgegnerin zum 01.08.2009 oder später abgeschlossenen Verträge zur Essensversorgung der öffentlichen Einrichtungen, Schulen und Kindertagesstätten in ihrer Gemeinde unwirksam seien. Des Weiteren sollte die Antragsgegnerin verpflichtet werden, die Essensversorgung in ihren öffentlichen Einrichtungen, Schulen und Kindertagesstätten nach den gesetzlichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen europaweit auszuschreiben.

Zur Begründung trägt er vor, dass es sich bei den Verträgen zur Essensversorgung schon der Sache nach nicht um Dienstleistungskonzessionen handele. Es fehle an der vom EuGH vorausgesetzten wirtschaftlichen Freiheit des Unternehmers in der Nutzung seiner Leistung ebenso wie an der Übernahme eines weitgehenden wirtschaftlichen Nutzungsrisikos. Mit der von ihr beabsichtigten Vertragsgestaltung ziele die Antragsgegnerin nur darauf ab, das Vergaberecht zu umgehen. Durch die freihändige Vergabe solle er - der bislang umfassend mit der Essenslieferung beauftragt gewesen war - von dieser teilweise ausgeschlossen werden. Die Antragsgegnerin sei im Übrigen nach dem Sächsischen Kindertagesstättengesetz gehalten, die Essensversorgung in eigener Regie durchzuführen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer. Es fehle dem Antragsteller für den Teil der Einrichtungen, bezüglich deren er weiter mit der Essensversorgung beauftragt werden solle, auch schon an der Beschwerdebefugnis. Überdies habe der Antragsteller zunächst selbst erklärt, die Essensversorgung - zutreffend - für nicht ausschreibungspflichtig zu halten; dies mache sein ungeachtet dessen gestelltes Nachprüfungsbegehren nicht mit Treu und Glauben vereinbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die vom Senat beigezogenen Akten der Vergabekammer und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.009 Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig; sie ist inbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 116 Abs. 1, 117 GWB. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht auch, soweit die Antragsgegnerin beabsichtigt, mit dem Antragsteller Verträge zur Essensversorgung abzuschließen. Denn solange dies nicht rechtsverbindlich geschehen ist, hat der Antragsteller keine gesicherte Rechtsposition erlangt. Ebenso wenig verhält sich der Antragsteller treuwidrig. Eine Ankündigung des Inhalts, es läge kein ausschreibungspflichtiger Vorgang vor, würde ihm nicht die Möglichkeit nehmen, dies später anders zu sehen.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Zu Recht hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen. Bei den Verträgen, die die Antragsgegnerin abzuschließen beabsichtigt, handelt es sich um Dienstleistungskonzessionen. Weder das Sächsische Kindertagesstättengesetz noch sonstige Bestimmungen zwingen die Antragsgegnerin die Essenzubereitung in ihren öffentlichen Einrichtungen, Kindertagesstätten und Schulen durch Dienstleistungsverträge zu vergeben. Einer Vorlage an den EuGH bedarf es nicht.

1. Die von der Antragsgegnerin beabsichtigten Verträge beinhalten Dienstleistungskonzessionen. Dienstleistungskonzessionen sind der Nachprüfung nach Maßgabe der §§ 102 ff GWB entzogen (vgl. nur OLG Dresden, Beschluss vom 04.07.2009 - WVerg 3/08 -). Denn es handelt sich bei ihnen nicht um Dienstleistungsaufträge im Sinne der Richtlinie 2004/18EG und des § 99 Abs. 4 GWB.

Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG definiert Dienstleistungskonzessionen als Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen (nur) insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Für eine Dienstleistungskonzession ist danach eine Lage kennzeichnend, in der ein Auftraggeber ein Recht zur Nutzung einer bestimmten Dienstleistung an einen Konzessionär überträgt, wobei der Letztere im Rahmen des geschlossenen Vertrages über eine bestimmte wirtschaftliche Freiheit verfügt, um die Bedingungen zur Nutzung dieses Rechtes zu bestimmen und somit parallel dazu weitgehend den mit dieser Nutzung verbundenen Risiken ausgesetzt ist (Urteil des EuGH vom 1.06.2009 - C 300/07 -). Ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass die Gegenleistung von dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird (vgl. Urteil des EuGH vom 13.10.2005 - C-458/03 -; Urteil des EuGH vom 18.07.2007 C-382/05). Wird die Zahlung von einem Dritten erbracht, so bringt dies mit sich, dass der Dienstleistungserbringer das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistung übernimmt.

Bei Abschluss eines Vertrages entsprechend den Entwürfen in ihrer letzten Fassung erlangt der Dienstleister nur das Recht, die Essensversorgung für bestimmte Kindertagesstätten und Schulen zu übernehmen. Er hat gemäß § 5 Nr. 5 der Vertragsentwürfe mit den Sorgeberechtigten der Kinder privatrechtliche Verträge abzuschließen. Von den Sorgeberechtigten und nur von ihnen erhält er die Gegenleistung für die Zubereitung und Lieferung des Essens. Die Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin ist damit nicht Schuldnerin des Vergütungsanspruches.

Bei der hiernach gegebenen Sachlage sind alle Voraussetzungen erfüllt, die das Vertragsverhältnis als Dienstleistungskonzession erscheinen lassen. Dies gilt erkennbar nicht nur für den Umstand, dass die Leistungserbringer die Gegenleistung von dritter Seite erhalten. Vielmehr sind sie auch mit dem Betriebsrisiko behaftet.

Allerdings ist der Antragsteller auch bei der vormaligen Vertragsgestaltung, bei der er sein Entgelt von der Antragsgegnerin erhielt, dem Risiko des Absatzes der von ihm angebotenen Speisen ausgesetzt gewesen. Denn es blieb und bleibt den Sorgeberechtigten unbenommen, das (Essens-)Angebot des Antragstellers anzunehmen oder abzulehnen. Da der Umfang des ausgereichten Essens darüber entscheidet, in welcher Höhe der Leistungserbringer Umsätze macht, war auch sein Ertrag seit jeher eine variable Größe. Daran vermag weder die dem Leistungserbringer eingeräumte faktische Monopolstellung noch der Umstand etwas zu ändern, dass die Portionspreise fest vorgegeben sind. Aus der Monopolstellung folgt lediglich, dass es an der Konkurrenz anderer Anbieter fehlt, nicht aber, dass die Sorgeberechtigten das Speisenangebot auch tatsächlich annehmen. Die Festpreise verstärken das Ertragsrisiko sogar noch. Denn sie nehmen dem Leistungserbringer die Möglichkeit, auf einen als unzureichend empfundenen Umsatz durch Preisveränderungen flexibel zu reagieren und so etwa die Attraktivität seines Angebots für die Sorgeberechtigten zu erhöhen. Zugleich trägt er das Risiko von Preissteigerungen beim Einkauf seiner Waren und bei der Herstellung des Essens.

Zu dem vorbezeichneten Risiko ist als Folge der nunmehr beabsichtigten Vertragsgestaltung (nur) noch das Risiko hinzugekommen, die Forderung bei den Sorgeberechtigten als neuen Leistungsschuldnern nicht beitreiben zu können. Das hindert die Annahme einer Dienstleistungskonzession aber nicht. Denn für diese kommt es bei im Übrigen unveränderter Risikolage nur darauf an, von wem der Leistungserbringer seine Gegenleistung erhält. Sind dies Dritte und nicht der öffentliche Auftraggeber, so liegt eine Dienstleistungskonzession auch dann vor, wenn sich das Betriebsrisiko nicht oder nicht wesentlich verändert hat, solange nur der Betreiber der Gefahr einer gewinnbringenden Verwertung seiner Leistung ausgesetzt ist. So verhält es sich nach dem oben Gesagten hier. Der Leistungserbringer verfügt auch über das notwendige Maß an wirtschaftlicher Freiheit, um die Bedingungen zur Nutzung seiner Leistung zu bestimmen. Denn er kann durch ein gutes Speisenangebot und durch einen effizienten Einsatz der Mittel zur Essensherstellung durchaus maßgeblich Einfluss auf die Zahl seiner Kunden nehmen.

Der Senat vermag in der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Änderung der Vertragsgestaltung - weg vom Dienstleistungsauftrag und hin zur Dienstleistungskonzession - auch keine unzulässige Umgehung vergaberechtlicher Regelungen zu sehen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin lediglich von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, die Essensversorgung rechtlich anders zu gestalten. Sie verhält sich nicht anders als andere öffentliche Auftraggeber, die sich einer Dienstleistungskonzession bedienen. Denn es wird durchweg davon auszugehen sein, dass eine Dienstleistungskonzession nicht die alleinige rechtliche Möglichkeit darstellt, die Leistung zu erlangen. Es wird immer auch die Möglichkeit bestehen, stattdessen einen Dienstleistungsauftrag abzuschließen.

2. Weder das Sächsische Kindertagesstättengesetz noch andere Bestimmungen verpflichten die Antragsgegnerin Dienstleistungsaufträge zu erteilen. Es steht ihr auch danach vielmehr frei, die Essensversorgung durch eine Dienstleistungskonzession sicherzustellen. § 15 Abs. 6 SächsKitaG bestimmt lediglich, dass Erziehungsberechtigte neben dem Elternbeitrag einen Verpflegungskostenersatz zu entrichten haben, wenn die Kinder an der Essensversorgung teilnehmen. Diese Bestimmung verpflichtet die Antragsgegnerin allenfalls, für eine Essensversorgung als Teil der Betreuung der Kinder Sorge zu tragen. Der Vorschrift kann aber nicht entnommen werden, dass die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, mit dem Essenversorger selbst einen Vertrag abzuschließen, der sie zum Schuldner von dessen Forderung macht.

3. Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EGV ist nicht geboten. Der Europäische Gerichtshof hat zu dem Begriff der Dienstleistungskonzession mehrfach Stellung genommen und die maßgeblichen Kriterien in seinen Entscheidungen vom 13.10.2005 (C-458/03), vom 18.07.2007 (C-382/05) sowie zuletzt vom 11.06.2009 (C-300/07) bestimmt.

Der Sachverhalt, der dem Vorlagebeschluss des OLG München vom 02.07.2009 (Verg 5/09) zugrunde liegt, ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Dort sollte das Entgelt nicht von dem öffentlichen Auftraggeber an den Dienstleister gezahlt werden, sondern von einem anderen öffentlichen Auftraggeber (Sozialversicherungsträger) als ebenfalls solventem Schuldner mit dem Dienstleister ausgehandelt werden.

Auch der Sachverhalt, auf dem die Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichtes vom 08.05.2008 (9 Verg 2/08) fußt, ist ein anderer als der vorliegend zu entscheidende. Dort sollte zwar die Dienstleistung von einem privaten Dritten bezahlt werden, jedoch war das damit verbundene Betriebsrisiko wegen des bestehenden Anschluss- und Benutzungszwanges und der Preiskalkulation nach dem Kostendeckungsprinzip (Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste) erheblich eingeschränkt. Demgegenüber bewertet der Senat das Betriebsrisiko des Antragstellers - anders als von ihm angenommen - keineswegs als gering.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Gegenstandswert wird der Senat gesondert festsetzen.

Ende der Entscheidung

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