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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.11.2000
Aktenzeichen: 1 U 2/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 249 Satz 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 4
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 2/00 10 O 332/99 LG Möchengladbach

Verkündet am 27. November 2000

O. G., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

wegen Schadensersatzes aus Verkehrsunfall

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr., den Richter am Oberlandesgericht S und den Richter am Amtsgericht W auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. November 1999 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach teilweise abgeändert. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 10.797,66 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. März 1999 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Nach einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Beklagten unstreitig einstandspflichtig sind, verlangt der Kläger einen restlichen Ersatzbetrag für die Beschädigung seines Personenkraftwagens der Marke Daimler Benz, Typ 180 C, E, Baujahr.

Gegenstand des Streits ist allein die Frage, ob der Fahrzeug schaden anhand der gutachterlich geschätzten Reparaturkosten oder - wie die Beklagten meinen - auf der Grundlage der Ersatzbeschaffungskosten unter Berücksichtigung des Restwertes zu bemessen ist.

Nach dem Unfall vom 17. Februar 1999 schaltete der Kläger das Sachverständigenbüro J & P G ein, damit dieses den Fahrzeugschaden (Streifschaden rechte Seite) schätze. Aus dem Gutachten vom 19. Februar 1999 ergaben sich folgende Schätzwerte:

Reparaturkosten einschließlich MWSt 25.522,66 DM Wertminderung 1.500,00 DM Wiederbeschaffungswert einschließlich MWSt und Nebenkostenpauschale 27.950,00 DM Restwert 11.300,00 DM

Unter Hinweis darauf, daß sich im Falle einer Reparatur weitere unfallbedingte Schäden herausstellen könnten, die zu einer erheblichen Kostenerhöhung führten, empfahl der Sachverständige eine Abrechung auf der Basis eines wirtschaftlichen Totalschadens.

Dieser Empfehlung folgend verlangte der Anwalt des Klägers mit Schreiben vom 2. März 1999 als Ersatz für den Fahrzeugschaden die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert von 27.800. DM (ohne Nebenkosten in Höhe von 150,- DM) und dem Restwert von 11.300 DM. Mit Antwortschreiben vom 16. März 1999 stimmte der zweitbeklagte Haftpflichtversicherer einer Veräußerung des Fahrzeugs zu dem im überreichten Gutachten ausgewiesenen Restwert ausdrücklich zu und rechnete den Fahrzeugschaden auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Totalschadens mit 16.650 DM ab (27.950 DM abzüglich 11.300 DM).

Dieses Abrechnungsschreiben kreuzte sich mit einem weiteren Anwaltsschreiben des Klägers, mit welchem dieser - nach zwischenzeitlicher Eigenreparatur - unter Vorlage einer Reparaturbescheinigung des Sachverständigenbüros J & P G den Fahrzeugschaden nunmehr auf der Basis der geschätzten Reparaturkosten berechnete. Dabei brachte er auch die auf 1.500 DM geschätzte Wertminderung in Ansatz.

Die Zweitbeklagte ließ das Unfallfahrzeug daraufhin durch einen eigenen Sachverständigen besichtigen. Anschließend teilte sie dem Anwalt des Klägers mit, daß nach dem Ergebnis der Besichtigung eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht möglich sei. Es werde um Angabe der Reparaturwerkstatt gebeten, damit dort eine ordnungsgemäße Nachbesichtigung (mit Setzen des Fahrzeugs auf eine Hebebühne) stattfinden könne. Bereits mit Schreiben vom 16. März 1999 hatte der Anwalt des Klägers darauf hingewiesen, daß der Wagen nicht in einer Fremdwerkstatt, sondern in Eigenregie instandgesetzt worden sei.

Ohne konkreten Nachweis einer Reparatur nach Maßgabe des Schadensgutachtens lehnte die Zweitbeklagte eine Abrechnung "im Rahmen der 130 %-Regelung" weiterhin ab, was sie dem Anwalt des Klägers mit Schreiben vom 18. Mai 1999 mitteilte.

Im anschließenden Verfahren vor dem Landgericht hat der Kläger an seiner Abrechnungsweise festgehalten und dementsprechend - unter Einschluß einer Nutzungsentschädigung von 425 DM - beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 10.797,66 DM. nebst 4 % Zinsen seit dem 25. März 1999 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben eine Abrechnung des Fahrzeugschadens auf Reparaturkostenbasis weiterhin abgelehnt. Zur Begründung haben sie vorgebracht, der Kläger müsse von den beiden Möglichkeiten der Schadensbeseitigung die billigere wählen. Das sei hier eine Ersatzbeschaffung, nicht eine Reparatur. Anders wäre es, wenn der Kläger sein Fahrzeug im Rahmen des eingeholten Gutachtens fachgerecht hätte reparieren lassen. Davon könne jedoch entgegen der Darstellung des Klägers und trotz der von ihm überreichten Reparaturbescheinigung nicht ausgegangen werden. In Wirklichkeit liege ein Fall einer "Billigreparatur" vor.

Durch das angefochtene Urteil vom 25. November 1999 hat das Landgericht der Klage lediglich in Höhe von 425 DM (Nutzungsausfall) nebst Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Seiner Ansicht nach hat der beklagte Versicherer den Fahrzeugschaden korrekt nach den Ersatzbeschaffungskosten abgerechnet. Auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die eine Abrechnung des Fahrzeugschadens bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes zulasse, könne der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen. Es fehle dafür an einer wesentlichen Voraussetzung, nämlich an einer Reparatur, durch welche das Fahrzeug des Klägers in einen Zustand versetzt worden sei, der dem Zustand vor dem Unfall qualitativ und quantitativ gleichwertig sei. Ein wesentliches Reparaturdefizit ergebe sich bereits aus dem eigenen Vorbringen des Klägers. Das habe zur Folge, daß der Restwert, nicht anders als im Fall einer fiktiven Reparatur, in den erforderlichen Vergleich der Kosten einer Instandsetzung einerseits und einer Ersatzbeschaffung andererseits einzubeziehen sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen abgewiesenen Klageanspruch weiter. Er hält die Schadensbemessung des Landgerichts aus Rechtsgründen, aber auch in tatsächlicher Hinsicht für fehlerhaft. In einem Fall, bei dem die geschätzten Reparaturkosten, wie vorliegend, unter dem Wiederbeschaffungswert lägen, sei eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis problemlos zulässig. Der Kläger verlange nicht den sogenannten Integritätszuschlag von bis zu 30 % weshalb er nicht gehalten sei, sein Integritätsinteresse nachzuweisen. Aber selbst wenn man dies vom Kläger verlange, habe er diese Voraussetzung erfüllt. Denn er habe sein Fahrzeug tatsächlich fachgerecht reparieren lassen, wenn auch nicht in einer Kundendienstwerkstatt.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 25. November 1999 verkündeten Urteils des Landgerichts Mönchengladbach die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger insgesamt 10.797,66 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. März 1999 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

im Falle der Zulässigkeit der Revision, den berufungsbeklagten Parteien zu gestatten, die für die Durchführung oder Abwendung der Zwangsvollstreckung etwa notwendige Sicherheitsleistung auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaft zu erbringen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und treten den Erwägungen des Landgerichts zur Bemessung des Fahrzeugschadens bei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze einschließlich der zu den Akten gereichten Unterlagen ebenso Bezug genommen wie auf das angefochtene Urteil Bl. 85 ff. d.A..

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

I.

Die Beklagten sind verpflichtet, dem Kläger weiteren Schadensersatz zu leisten (§ 249 Satz 2 BGB). Mit dem gezahlten Betrag von 16.650 DM ist der Fahrzeugschaden nicht in vollem Umfang ausgeglichen. Der Senat folgt der Berechnungsweise des Klägers. Der Fahrzeugschaden bemißt sich entgegen der Auffassung des, Landgerichts nicht nach den Kosten einer Ersatzbeschaffung abzüglich Restwert, sondern nach den Instandsetzungskosten zuzüglich Wertminderung.

1. Wie in der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist, stehen einem Geschädigten bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges zumeist zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung, nämlich die Reparatur des Unfallfahrzeugs und die Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs. Bei einem gebrauchten Serienkraftfahrzeug, wie hier, ist auch die Ersatzanschaffung eine Möglichkeit, den früheren Zustand, zumindest wirtschaftlich betrachtet, wiederherzustellen.

2. Auf diese zweite Form der Schadensbeseitigung ist der Kläger nicht schon deshalb bei der Berechnung des Fahrzeugschadens zu verweisen, weil er ursprünglich selbst auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Totalschadens abgerechnet hat (Schreiben vom 2. März 1999, Bl. 58). Dadurch ist eine Bindung nicht eingetreten. Abgesehen davon, daß der Kläger seine erste Abrechnung ausdrücklich als vorläufig bezeichnet hat ("vorerst"), hat er seine Berechnungsweise bereits mit Schreiben vom 16. März 1999, vor Eingang des gleichfalls auf den 16. März 1999 datierten Versicherungsschreibens (Bl. 5 = Bl. 60), umgestellt. Bis dahin war ihm auch noch nicht der von der Zweitbeklagten überwiesene Betrag auf seinem Konto gutgeschrieben.

In der Folgezeit hat sich die Zweitbeklagte auf eine Abrechnung des Fahrzeugschadens auf Reparaturkostenbasis im Grundsatz eingelassen und nur darauf bestanden, die tatsächlichen Voraussetzungen, insbesondere die Frage der fachgerechten Reparatur, zu klären. Unter diesen Umständen ist es dem Kläger nicht schon vom Ansatz her verwehrt, als Ausgleich für seinen Fahrzeugschaden auf anderer Berechnungsgrundlage einen höheren Betrag als ursprünglich gefordert geltend zu machen. Das scheinen die Beklagten nicht anders zu sehen. Sie bekämpfen die Abrechnungsweise des Klägers mit anderweitigen Erwägungen.

Damit haben sie nach Ansicht des Senats keinen Erfolg.

3. Im Ausgangspunkt zutreffend weisen die Beklagten allerdings darauf hin, daß der Geschädigte von mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten grundsätzlich diejenige zu wählen hat, die den geringeren Aufwand verursacht. Denn nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im allgemeinen im Sinne von § 249 Satz 2 BGB zur Herstellung erforderlich.

a) Ein postengenauer Vergleich von Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung einerseits und Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert andererseits führt im Streitfall zwar zu dem Ergebnis, daß eine Ersatzbeschaffung mit 16.650 DM deutlich billiger ist als eine Reparatur nach den Vorgaben und Preisen des Sachverständigengutachtens (25.522,66 DM nach Abzug "neu für alt").

b) Für eine solche ausschließlich an den Kosten ausgerichtete Vergleichsrechnung ist vorliegend indessen kein Raum.

aa) Wie die Berufung mit Recht hervorhebt, handelt es sich hier nicht um eine Fallgestaltung mit geschätzten Reparaturkosten; die höher sind als der (ungekürzte) Wiederbeschaffungswert. Mit 25.522,66 DM zu 27.850,00 DM liegen sie, wenn auch recht knapp, darunter. Selbst bei Hinzunahme des merkantilen Minderwerts von 1.500 DM wird der Wiederbeschaffungswert nicht erreicht, geschweige denn überschritten. Ohne Berücksichtigung des Restwertes im Sinne einer wirtschaftlichen, nicht nur rechnerischen Größe ist der Reparaturweg damit für die Beklagten finanziell weniger belastend als eine Ersatzleistung in Höhe des Wiederbeschaffungswertes.

bb) Anerkanntermaßen und von den Beklagten unbestritten bleibt der Restwert bei der erforderlichen Vergleichsbetrachtung regelmäßig außer Ansatz, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug tatsächlich repariert hat (BGHZ 115, 364 = NJW 1992, 302), sei es in einer Fremdwerkstatt, sei es in seinem eigenen Betrieb (vgl. BGH a.a.O.), sei es in eigener Regie in einer Werkstatt eines Angehörigen, eines Bekannten oder des Arbeitgebers (zu Letzterem vgl. BGH NJW 1992, 1618). Begründet wird dies vom BGH damit, daß der erzielbare Verwertungserlös (Restwert) abhängig von den Reparaturkosten sei und deshalb durch diese bereits mitrepräsentiert werde. Je höher die Reparaturkosten seien, desto niedriger sei im Regelfall der Restwert des beschädigten Fahrzeugs und umgekehrt. Deshalb erscheine es aus Gründen der einfachen und praktikablen Handhabung vertretbar, auf der Seite der Ersatzbeschaffung den Restwert des Fahrzeugs außer Betracht zu lassen und allein auf den Wiederbeschaffungswert abzustellen (BGHZ 115, 364 = NJW 1992, 302). Dies gelte allerdings nur im Falle einer tatsächlich durchgeführten Reparatur. Bei bloß fiktiver Instandsetzung müsse es bei der postengenaueren Vergleichsrechnung verbleiben, wie der BGH sie in seinem Urteil vom 5. März 1985 (NJW 1985, 2469) angestellt habe. Hiernach sei auf der Seite der Ersatzbeschaffung der Restwert vom Wiederbeschaffungswert abzuziehen.

cc) Von welcher Qualität die Reparatur sein muß, um eine Ausklammerung des Restwertes zu rechtfertigen, hat der BGH offengelassen. Auch in der "Eigenreparatur"-Entscheidung vom 17. März 1992 (NJW 1992, 1618) ist er auf diese Frage nicht näher eingegangen. Allem Anschein nach stand die Fachgerechtigkeit der Instandsetzung durch den damaligen Kläger, eines Kfz-Mechanikers, außer Streit.

dd) Der erkennende Senat hat bisher in ständiger Rechtsprechung auf den Wiederbeschaffungsaufwand - Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert - als Obergrenze abgestellt, sofern der Geschädigte sein besonderes Integritätsinteresse nicht dadurch bewiesen hat, daß er sein Fahrzeug zum Zwecke der Weiterbenutzung fachgerecht instandgesetzt hat. Dabei hat er im Einklang mit der überwiegenden Meinung nicht danach unterschieden, ob die geschätzten Reparaturkosten einschließlich Minderwert über oder unter dem ungekürzten Wiederbeschaffungswert liegen (Senat, NZV 1995, 232; NZV 1996; 279). Der Toleranzbereich, innerhalb dessen der Geschädigte nicht mehr ohne weiteres auf Reparaturkostenbasis abrechnen kann, beginnt demnach bereits oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwands.

Auf dem Boden dieser heute vorherrschenden Entscheidungspraxis kommt es in der Tat darauf an, ob der Kläger den Nachweis einer fachgerechten Reparatur erbracht hat. Das Landgericht hat sich davon, wenn auch ohne Beweisaufnahme, nicht überzeugen können. Ob es an den Tatbestand der fachgerechten Reparatur zu strenge Anforderungen gestellt hat, wofür einiges spricht, kann im Ergebnis offenbleiben. Nach erneuter Prüfung der Rechtslage sieht der Senat, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, im vorliegenden Fall keine Veranlassung der Frage der Reparaturqualität nachzugehen. Zugunsten der Beklagten unterstellt er, daß die Eigenreparatur des Klägers in den angeführten Punkten hinter den Vorgaben des Sachverständigengutachtens zurückgeblieben ist, was zum Teil (Kotflügel hinten rechts nicht erneuert, nur ausgebeult) unbestritten ist.

cc) Nach jetziger Ansicht des Senats darf ein Geschädigter Reparaturkosten auf Gutachtenbasis (oder auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags) abrechnen, sofern diese einschließlich Minderwert unter dem Wiederbeschaffungswert liegen. Der Restwert bleibt auf der Seite der Ersatzbeschaffung schon dann außer Betracht, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug in verkehrssicherem Zustand weiterbenutzt, es also nicht unrepariert oder nach einer bloßen "Verkaufsreparatur" veräußert. Auf die Fachgerechtigkeit der Reparatur kommt es nur an, sofern der Geschädigte den Integritätszuschlag von bis zu 30 % des Wiederbeschaffungswertes geltend macht. Für die Frage der Restwertanrechnung ist dieser Gesichtspunkt kein taugliches Kriterium (ebenso OLG Hamm, 9. Zivilsenat, Urteil vom 15.12.1998, 9 U 100/98; siehe auch LG Wiesbaden, ZfS 2000, 250; weitergehend sogar bei Veräusserung, AG Limburg ZfS 1999,15 m. zust. Anm. Diehl; im Ergebnis wie hier Grunsky, VGT 1990, 187; ders. MüKo, 3. Aufl., § 249 Rn. 17 a; Gebhardt, AnwBl. 1985, 559).

Hielte man den Schädiger bzw. seinen Haftpflichtversicherer bei einer Sachlage wie hier gegeben, für berechtigt, den Geschädigten unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Restwertes auf eine Abrechnung nach den geringeren Ersatzbeschaffungskosten zu verweisen, wäre zwar dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 BGB in seiner Reinform Genüge getan. Rücksicht zu nehmen ist jedoch auch auf den Grundsatz der Totalentschädigung und auf die Dispositionsfreiheit des Geschädigten (grundlegend zu diesen Prinzipien Steffen, NJW 1995; 2057; NZV 1991, 1). Bei einer Fallgestaltung, wie sie hier zur Entscheidung steht, fällt die Abwägung dieser drei Grundsätze zu Lasten des Wirtschaftlichkeitspostulats aus. Ein richtig verstandener Begriff des wirtschaftlichen Totalschadens führt zum gleichen Ergebnis.

Das in § 249 Satz 2 BGB im Tatbestandsmerkmal "erforderlich" verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nicht grenzenlos. Nur im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage hat der Geschädigte grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen (ständige Rechtsprechung des BGH, zuletzt NJW 2000, 800 = NZV 2000, 162).

Wer dem Wirtschaftlichkeitsgebot bei einer Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, uneingeschränkt und absolut Geltung verschafft, verkürzt berechtigte Interessen des Geschädigten. Dies gilt namentlich für solche Ersatzberechtigte, die ihre Fahrzeuge - wie der Kläger - privat genutzt haben. Ein noch reparaturwürdiges Fahrzeug zu verkaufen und durch ein (gleichwertiges) Gebrauchtfahrzeug zu ersetzen, kann insbesondere von einem privaten Fahrzeugeigentümer, der sich, aus welchen Gründen auch immer, für eine Weiterbenutzung des ihm vertrauten Fahrzeugs und damit gegen einen mit Risiken und Mühen verbundenen Fahrzeugwechsel (Kauf und Verkauf) entschieden hat, nicht allein deshalb verlangt werden, weil die Ersatzanschaffung unter Verwertung des Unfallfahrzeugs erheblich billiger ist. Vielmehr hat der Schädiger bzw. sein Versicherer die Entschließung des Geschädigten, an seinem Fahrzeug festzuhalten und die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis zu liquidieren unter den hier gegebenen Umständen zu respektieren.

Nach Ansicht des Senats darf die Frage, ob der Geschädigte sein Integritätsinteresse wahrgenommen hat, nicht darauf verengt werden, ob er sein Fahrzeug fachgerecht repariert hat oder nicht. Das besondere Integritätsinteresse eines Fahrzeugeigentümers erschöpft sich nicht in dem Interesse an der Wiederherstellung der Sachsubstanz. Neben dem Sacherhaltungsinteresse (Substanzinteresse) ist das Nutzungs- und Funktionsinteresse zu beachten. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des von § 249 BGB vorrangig geschützten Integritätsinteresses (vgl. BGH NJW 1999, 500).

Wer, wie der Kläger, sein reparaturwürdiges Fahrzeug in Weiterbenutzungsabsicht technisch wieder so herrichtet, daß es im Straßenverkehr sicher eingesetzt werden kann, bekundet gleichfalls sein Integritätsinteresse. Das sieht der Senat nunmehr so wie der 9. Zivilsenat des OLG Hamm in seiner unveröffentlicht gebliebenen Entscheidung vom 15. Dezember 1998, 9 U 100/98. Noch deutlicher als in dem von der Berufung vorgelegten Urteil vom 10, Juni 1997 (9 U 56/97, veröffentlicht in NZV 1997 441 = Zfs 1997 371 = OLG Report Hamm 1997 242) hat der 9. Zivilsenat in diesem rechtskräftigen Urteil eine differenzierte Sicht zum Ausdruck gebracht. Mit Recht weist er darauf hin, daß es auf die Frage der Fachgerechtigkeit der Reparatur erst dann ankommt, wenn der Geschädigte bei Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert den Integritätszuschlag von bis zu 30 % begehrt. Um eine solche Fallgestaltung geht es hier nicht.

Soweit ersichtlich, hat der Bundesgerichtshof die Frage bisher nicht entschieden, wo die Abrechnungsgrenze verläuft, wenn der Geschädigte bei geschätzten Reparaturkosten einschließlich Minderwert unter dem Wiederbeschaffungswert sein Fahrzeug in Weiterbenutzungsabsicht in einer Weise repariert, die den Integritätszuschlag nicht zu rechtfertigen vermag. Bislang hat er sich auch nicht der Empfehlung des Verkehrsgerichtstages angeschlossen, die Vergleichsrechnung mit der Ersatzbeschaffung nur anzustellen, wenn die Reparaturkosten mindestens 70 % des Wiederbeschaffungswertes erreichen (vgl. NZV 1990, 103 - Empfehlungen des Arbeitskreises V, Ziffer 3).

Der Senat verkennt nicht, daß einige Formulierungen in Entscheidungen des BGH darauf hindeuten, daß der VI. Zivilsenat Geschädigten, die ihre Fahrzeuge nicht fachgerecht haben reparieren lassen, Ersatz nur in Höhe der niedrigeren Ersatzbeschaffungskosten unter Berücksichtigung des Restwertes zubilligen möchte, auch wenn sie sich von ihren Fahrzeugen nicht trennen. Andererseits sieht der Senat vor allem in älteren Entscheidungen des BGH deutliche Anzeichen dafür, daß er bei einer Fallgestaltung, wie sie hier gegeben ist, eine Schadensberechnung billigt, die den Schädiger mit den Reparaturkosten zuzüglich Minderwert belastet (vgl. VersR 1978, 235; VersR 1978, 182; StVE § 249 Nr. 18). Der Restwert ist seinerzeit selbst in Fällen mit Verkauf des Unfallwracks bzw. Inzahlunggabe außer Betracht geblieben (BGH, a.a.O.).

Der vom Senat nunmehr vertretenen differenzierenden Auffassung kann nicht entgegengehalten werden, der Geschädigte sei bei einer Ersatzleistung in Höhe der Reparaturkosten zuzüglich Minderwert ungerechtfertigt bereichert. Anders wäre es, wenn der Kläger sein Fahrzeug unrepariert oder nur teilrepariert veräußert hätte. Davon hat er abgesehen, so daß der Wert, den sein PKW im beschädigten Zustand hatte; von dem Schadensgutachter unangegriffen auf 11.300 DM geschätzt, in seinem Vermögen neutral geblieben ist. Bei bloß fiktiver Reparatur wäre der Restwert auf der Seite der Ersatzbeschaffung vom Wiederbeschaffungswert abzuziehen gewesen. Im Streitfall liegen die Dinge in tatsächlicher Hinsicht anders. Der Kläger hat sein Fahrzeug mit Hilfe eines Bekannten aus dem Kfz-Gewerbe instandgesetzt, wenn auch nicht in allen Details nach Maßgabe des Schadensgutachtens. Abgesehen davon, daß das Gutachten den Weg zu einer fachgerechten Reparatur nicht verbindlich festlegt, ist die Fachgerechtigkeit einer Instandsetzung kein relevantes Kriterium dafür, ob der Restwert bei der Ermittlung der Wiederbeschaffungskosten zu berücksichtigen ist oder nicht. Anderenfalls würde der Schädiger aus etwaigen Reparaturmängeln einen Vorteil ziehen, der ihm bei wertender Betrachtung nicht gebührt.

Schließlich haben den Senat auch Gründe der Praktikabilität bewogen, in Schadensfällen der vorliegenden Art eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis zuzulassen. Vermieden wird damit ein Streit um die Höhe des anzurechnenden Restwertes. Ferner bedarf es keiner - mitunter schwierigen und mit erheblichen Kosten verbundenen - Klärung, ob der Geschädigte sein Fahrzeug fachgerecht repariert hat. Wenn der Versicherer die Fachgerechtigkeit substantiiert bestreitet, dürfte die Vorlage einer Reparaturbescheinigung des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen als Nachweis kaum genügen, selbst dann nicht, wenn Lichtbilder von dem reparierten Fahrzeug vorgelegt werden.

4. Nach alledem ergibt sich im Streitfall folgende Abrechnung des Unfallschadens:

1. Fahrzeugschaden gemäß Gutachten 25.522,66 DM 2. Wertminderung 1.500,00 DM 3. Sachverständigenkosten 1.496,40 DM 4. Nutzungsausfallentschädigung 425,00 DM 5. Pauschale Nebenkosten 50,00 DM 28.994,06 DM.

Auf den Fahrzeugschaden hat die Zweitbeklagte 16.650,00 DM gezahlt. Anerkannt hat sie ferner die Auslagenpauschale von 50,00 DM und die Sachverständigenkosten. In zweiter Instanz nicht mehr im Streit ist die Position Nutzungsausfallentschädigung. Das Landgericht hat sie, wie vom Kläger beansprucht, mit 425,00 DM anerkannt. Diesem Betrag hinzuzurechnen ist die Differenz zwischen 27.022,66 DM und den bereits gezählten 16.650,00 DM. Das ergibt einen offenen Betrag von insgesamt 10.797,66 DM.

5. Einwendungen gegen die Höhe der Reparaturkosten, wie sie von dem Sachverständigenbüro J & P G geschätzt worden sind, haben die Beklagten nicht geltend gemacht. Gleiches gilt für den Minderwert, den der Sachverständige mit 1.500,00 DM veranschlagt hat.

6. Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 288 Abs. 1, 284 Abs. 1 BGB). Den Eintritt des Verzugs am 25. März 1999 haben die Beklagten nicht angezweifelt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat läßt die Revision gemäß § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.372,66 DM (10.797,66 DM abzüglich in erster Instanz zuerkannter 425,00 DM).

Beschwer für die Beklagten: 10.372,66 DM.

Ende der Entscheidung

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