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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.10.2001
Aktenzeichen: 1 U 73/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 101 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 73/01

Verkündet am 1. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. E und die Richter am Oberlandesgericht P und K

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 30. Januar 2001 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits sowie der Streithilfe.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

I.

Die Klägerin ist nicht berechtigt, wegen des Unfallschadens vom 3. Oktober 1996 an dem bei ihr kaskoversicherten Klein-LKW Fiat Ducato, welchen sie im Verhältnis zu ihrer Versicherungsnehmerin V-B V G mit 21.000,-- DM reguliert hat, Rückgriff bei dem Beklagten zu nehmen (§ 67 VVG, § 15 Abs. 2 AKB).

1.

Ein derartiger Rückgriff gegen den mitversicherten berechtigten Fahrer eines Unfallfahrzeugs - um einen solchen handelt es sich bei dem Beklagten, der zum Unfallzeitpunkt als Angestellter des Streithelfers das dem Streithelfer von der Versicherungsnehmerin für betriebliche Zwecke zur Verfügung gestellte Nutzfahrzeug führte - steht dem Versicherer nur offen, wenn der Fahrer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 15 Abs. 2 AKB).

2.

Grobe Fahrlässigkeit bedeutet dabei - wie stets -, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, dass schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte (ständige Rechtspechung, vgl. z. B. BGH in NJW-RR 1994, S. 1471). Den Handelnden muß dabei auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen (vgl. z.B. BGH in NJW-RR 1989, S. 340).

3.

Dass der Beklagte den Verkehrsunfall vom 3. Oktober 1996 gegen 5.15 Uhr auf der A 52, Fahrtrichtung Roermond, in Höhe der Abfahrt Mönchengladbach-Neuwerk, bei welchem er mit dem Fiat Ducato von der Fahrbahn abkam und gegen die Leitplanke prallte, in dem vorgenannten Sinne grob fahrlässig verursacht haben sollte, kann der Senat nicht feststellen.

Das gilt insbesondere unter Einbeziehung des Ergebnisses der eingehenden Befragung des Beklagten im Senatstermin.

a)

Ob es als grob fahrlässig anzusehen wäre, wenn der Beklagte in der letzten Phase vor dem Unfall auf dem Beifahrersitz nach seinem Telefon gesucht oder sein Telefon von dort aufgenommen haben sollte, bedarf keiner Erörterung, da der Beklagte bei seiner Anhörung glaubhaft angegeben hat, diese vorprozessual gegebene Erklärung für das Unfallgeschehen sei falsch gewesen, in Wahrheit sei er von der Fahrbahn abgekommen, weil er für einen Moment eingeschlafen gewesen sei.

b)

Dass dem Beklagten wegen dieses von ihm eingeräumten unfallursächlichen "Sekundenschlafs" der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen sein sollte, kann der Senat nicht erkennen.

Ein kurzzeitiges Einschlafen am Steuer eines Kraftfahrzeugs ist zwar stets verkehrswidrig, begründet aber nicht in allen Fällen zugleich den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.

Dieser ist nur berechtigt, wenn der Fahrer vor dem Einschlafen Ermüdungserscheinungen verspürt und mißachtet hatte oder wenn er aufgrund anderer Umstände mit einer Übermüdung und einem "Einnicken/Einschlafen am Steuer rechnen mußte.

Ob dies so war, läßt sich nur anhand der konkreten Umstände der Unfallfahrt beantworten.

Im Falle des Beklagten und seines Abkommens von der Fahrbahn am 3. Oktober 1996 kann der Senat ausreichende Umstände in dieser Hinsicht nicht feststellen, was im Ergebnis zu Lasten der für die grobe Fahrlässigkeit beweispflichtigen Klägerin geht.

Der Beklagte hat bei seiner Anhörung angegeben:

Sie hatten zu Dritt (der Beklagte, sein Arbeitskollege G und der Streihelfer) in Leipzig gearbeitet. Nach Feierabend hätten sie zunächst noch ihre Pension aufgesucht. Gegen 21.00 Uhr seien sie losgefahren. Er, der Beklagte, sei die erste Teilstrecke bis Eisenach gefahren. Dort hätten sie an einer Autobahnraststätte Pause gemacht. Danach sei sein Kollege bis Dortmund weitergefahren. Er, der Beklagte, habe während dieser Zeit geschlafen. In Dortmund hatten sie keine Pause mehr gemacht. Er, der Beklagte, habe das Steuer wieder übernommen und sei zunächst über die B 1 und zuletzt über die A 52 das letzte Stück gefahren. Zu dem Unfall sei es gekommen, weil ihm plötzlich für kurze Zeit die Augen zugefallen seien. Bis dahin habe er von Müdigkeit nichts gemerkt gehabt. Er habe sich nach dem Schlaf von Eisenach bis Dortmund einigermaßen frisch gefühlt, als er für das letzte Stück das Steuer übernommen habe. Anderenfalls hätte einer der beiden anderen fahren können. Wenn er beim Fahren müde werde, fahre er zur nächsten Raststätte, trinke dort einen Kaffee oder schlafe.

Unter Berücksichtigung dieser unwiderlegten Angaben des Beklagten kann eine grobe Fahrlässigkeit nicht festgestellt werden.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte während der mehreren Nachtstunden, in denen sein Kollege G von Eisenach nach Dortmund gefahren war, auf der Rückbank geschlafen hatte, und dass er sich danach, als er in Dortmund das Steuer wieder selbst übernahm, so weit ausgeruht fühlte, dass er sich sicher war, das nur noch recht kurze restliche Stück von Dortmund nach Mönchengladbach fahren zu können, ferner, dass er bis zu dem Zeitpunkt, an welchem er in Sekundenschlaf fiel und von der Fahrbahn abkam, noch keine Anzeichen von Übermüdung an sich wahrgenommen hatte.

Hatte der Beklagte, wie nach seinen Angaben nicht auszuschließen, nach dem ersten Teilstück in Eisenach zunächst eine Rast eingelegt und danach mehrere Stunden geschlafen, dann kann ferner nicht gesagt werden, dass er schon den gesamten Umständen nach selbst dann mit einer Übermüdung und einem Einschlafen am Steuer hätte rechnen müssen, wenn er keine konkreten Anzeichen für eine Übermüdung erkennen konnte.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 546 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 21,000,-- DM festgesetzt.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 21.000,-- DM.

Ende der Entscheidung

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