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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.11.2003
Aktenzeichen: 1 U 81/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 287
BGB § 847 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 81/02

Verkündet am 17. November 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. X sowie der Richter am Oberlandesgericht X und X auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. Februar 2002 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.700 € nebst 4 % Zinsen seit dem 25. August 1999 zu zahlen.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfall vom 12. April 1999 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

3.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 20 % dem Kläger und zu 80 % den Beklagten auferlegt.

5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur einen geringen Teilerfolg.

Das Rechtsmittel ist unbegründet, soweit die Beklagten sich gegen Grund und Höhe des dem Kläger zuerkannten Schmerzensgeldes wenden. Darüber hinaus trifft die Beklagten die Verpflichtung zum Ersatz der unfallbedingt eingetreten materiellen Schäden des Klägers, die Gegenstand seines zulässigen und begründeten Feststellungsbegehrens sind.

Die Berufung gibt in dem Umfang Anlass zu einer Abänderung, in welchem das Landgericht auch eine Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz bereits entstandener und künftig noch entstehender immaterieller Schäden des Klägers festgestellt hat. Seit dem Unfallereignis sind nunmehr 4 1/2 Jahre vergangen. Nach den durch das Landgericht und zusätzlich durch den Senat eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten ist in Verbindung mit den übrigen zu den Akten gelangten ärztlichen Stellungnahmen davon auszugehen, dass der Prozess der Abheilung der Unfallverletzung seit langem abgeschlossen ist und alle damit verbundenen immateriellen Beeinträchtigungen des Klägers bereits durch das Landgericht zutreffend erfasst und mit der Zuerkennung des Schmerzensgeldbetrages von 7.700 € angemessen berücksichtigt sind. Nach dem Ergebnis der in zwei Instanzen durchgeführten Beweisaufnahme besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass es künftig noch zu immateriellen Folgebeeinträchtigungen des Klägers kommen wird, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Kollisionsereignis vom 12. April 1999 stehen.

Im Einzelnen ist folgendes auszuführen:

I.

Die Beklagten rügen in ihrer Berufungsbegründung ohne Erfolg die Zulässigkeit der durch den Kläger erhobenen Feststellungsklage (Bl. 287, 293 d.A.). Die Statthaftigkeit des Feststellungsbegehrens hat das Landgericht mit zutreffender Begründung bejaht (Bl. 7, 8 UA; Bl. 256, 257 d.A.).

1)

Der Zeitpunkt der Klageerhebung fällt auf den 13. Januar 2000, dem Tag der Zustellung der Klageschrift vom 13. Dezember 1999 an beide Beklagte (Bl. 13, 14 d.A.; vgl. § 253 Abs. 1 ZPO). Anlässlich der Klageerhebung befand sich der anspruchsbegründende Sachverhalt noch in der Fortentwicklung, da dem Vorbringen des Klägers zufolge die Sensibilitätsstörungen der linken Hand jedenfalls bis zum Antritt der Rehabilitationsmaßnahme am 18. Januar 2000 fortdauerten. Ausweislich der im neurologischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 14. März 2003 zitierten abschließenden Beurteilung der orthopädischen Abteilung der Kliniken X in X ist der Kläger am 22. Februar 2000 in einem guten Allgemeinzustand als arbeitsfähig entlassen worden, wobei insbesondere die anfängliche Sensibilitätsstörung im Bereich der linken Hand nicht mehr vorhanden war. Nach dem Inhalt des durch den Sachverständigen Prof. Dr. X verfassten orthopädischen Teils des durch das Landgericht eingeholten interdisziplinären Gutachtens vom 15. Mai 2001 war der Kläger bis zum Ende des ersten Jahres nach dem Unfall, also bis Mitte April 2000, im Umfang von 10 % in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert (Bl. 172 d.A.). Damit ist auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen und dem Kläger deshalb seinerzeit eine abschließende Bezifferung seiner materiellen und immateriellen Schäden noch nicht möglich war. Ist der Schaden bei Klageerhebung noch in der Fortentwicklung, so ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch bereits teilweise beziffert werden könnte (Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl., § 256, Rdn. 7 a mit Hinweis auf BGH NJW 1984, 1552, 1554; BGH VersR 1991, 788).

2)

Zwar ist zwischenzeitlich nach dem Vorbringen des Klägers die Schadensentwicklung abgeschlossen und er könnte seinen Verdienstausfallschaden konkret beziffern und mit der Leistungsklage geltend machen. Der Kläger ist aber - jedenfalls nicht in zweiter Instanz - gezwungen, zu einer bezifferten Leistungsklage überzugehen, wenn diese nachträglich möglich wird (Zöller/Greger, a.a.O., Rdn. 7 c mit Hinweis auf BGHZ 70, 39).

II.

In tatsächlicher Hinsicht bleibt auch in der Berufungsinstanz streitig das Vorbringen des Klägers, er habe durch den Auffahrunfall vom 12. April 1999 eine Verletzung der Halswirbelsäule in Gestalt eines Schleudertraumas erlitten (Bl. 3, 303 d.A.). Die Behauptung des Klägers zu diesem Verletzungserfolg betrifft die haftungsbegründende Kausalität, so dass der Senat durch einen seitens des Klägers zu erbringenden Vollbeweis nach Maßgabe des § 286 ZPO die Überzeugung von der Richtigkeit des streitigen Klagevorbringens erlangen muss.

1)

Das Landgericht hat zu Recht den haftungsbegründenden Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der HWS-Verletzung festgestellt (Bl. 9, 10, UA; Bl. 258, 259 d.A.).

a)

Nach dem Ergebnis des interdisziplinären Gutachtens vom 15. Mai 2001, an welchem Diplom-Ingenieur St. X als technischer Sachverständiger und Prof. Dr. med. X als orthopädischer Sachverständiger mitgewirkt haben, ist allerdings noch nicht der Nachweis geführt, dass der Kläger infolge der Kollision eine Verletzung der Halswirbelsäule davongetragen hat. Denn der technische Sachverständige hat für das klägerische Fahrzeug eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsveränderung zwischen 8 km/h und 13 km/h ermittelt (Bl. 105 d.A.). Unter Zugrundelegung der unteren Belastungsgrenze von 8 km/h hat es der orthopädische Sachverständige mit an Sicherheit grenzender bzw. mit großer Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen erachtet, dass bei dem Kläger ein HWS-Schleudertrauma mit der Folge einer Taubheit des linken Arms eingetreten ist. Dies gilt nach der Darlegung des Sachverständigen selbst für den Fall, dass der Kläger bei dem Zusammenstoß eine verdrehte Kopfposition innegehabt haben sollte (Bl. 105 d.A.).

b)

Bei Berücksichtigung der oberen Belastungsgrenze einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsveränderung von 13 km/h hält es der orthopädische Sachverständige für möglich, dass ein HWS-Schleudertrauma im Sinne einer Distorsion aufgetreten ist. Ein morphologisches Korrelat für die Primärverletzung mit der Folgebeeinträchtigung der Taubheit des linken Arms ließ sich jedoch anhand der Aktenlage und der bildgebenden Diagnostik, - soweit dies der Sachverständige aus orthopädischer Sicht beurteilen konnte - nicht sicher objektivieren (Bl. 105 d.A.). Er hat insgesamt im Rahmen der röntgenologischen Bildgebung keine Hinweise auf eine unfallbedingte knöcherne Verletzung oder auf eine Weichteilverletzung gefunden (Bl. 170 Mitte d.A.).

c)

Bei dieser Sachlage sind die durch den Kläger behaupteten Verletzungsfolgen durch kein bildgebendes Verfahren (Röntgendiagnostik, Kernspintomographie oder Computertomographie) nachweisbar. Damit stellt sich die durch den orthopädischen Sachverständigen zu Recht aufgeworfene Frage, ob die behauptete Verletzung überhaupt zu objektivieren ist (Bl. 170 d.A.). Indiziell sind insoweit die durch den Kläger beklagten Beschwerden, nämlich Nackenschmerzen, Muskelhartspann, pathologische Muskelverspannung und eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, zu berücksichtigen. Diese Erscheinungen sind jedoch nach den Darlegungen des orthopädischen Sachverständigen unspezifisch, weil sie sowohl bei einem unfallabhängigen als auch bei einem unfallunabhängigen HWS-Leiden auftreten können und in der täglichen Praxis häufig auch ohne Unfallzusammenhang angetroffen werden (Bl. 168 d.A.)

2)

Gleichwohl hat das Landgericht zu Recht aufgrund der aufgeführten Indizien einen Ursachenzusammenhang zwischen der Auffahrkollision und einer bei dem Kläger aufgetretenen Verletzung der Halswirbelsäule angenommen (Bl. 9 UA; Bl. 258, 259 d.A.)

a)

Insoweit hat das Landgericht zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger bereits bei der polizeilichen Unfallaufnahme unter anderem über Nackenschmerzen geklagt und die Absicht geäußert hat, einen Arzt aufzusuchen (Bl. 1 BA). Nach dem ärztlichen Bericht über die Erstbehandlung des Klägers in der chirurgischen Abteilung des X Hospitals in Krefeld vom Unfalltag gab der Kläger bei der Kopfdrehung Schmerzgefühle an, es zeigten sich Kribbelgefühle in der linken Extremität (Arm, Finger, Hand) und er wies auf ein "Ziehen" im Oberarm hin (Bl. 231 d.A.).

b)

Unabhängig davon ist in dem durch den Kläger vorgelegten Schreiben des ihn behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. X, welches unfallnah unter dem Datum des 19. April 1999 erstellt worden ist (Bl. 211 d.A.), die Diagnose eines Schleudertraumas der Halswirbelsäule mit sensibler cervicaler Wurzelreizung C 6 bis C 8 gestellt. Auch in dem durch Dr. X abgefassten fachärztlichen Gesundheitszeugnis vom 7. September 1999 (Bl. 54 d.A.) ist diese Diagnose zur Darlegung der unfallbedingten Verletzungsfolge aufgeführt. Schließlich ist auch in dem Bericht des Klinikums K... vom 12. Juli 1999 die Rede davon, der Kläger habe infolge des Auffahrunfalles am 12. April 1999 ein HWS-Schleudertrauma erlitten (Bl. 213 d.A.).

3)

Diese Diagnose findet schließlich eine Bestätigung in der dem neurologischen Gutachten des durch den Senat bestellten Sachverständigen Prof. Dr. X vom 14. März 2003. Auch er gelangt zu dem Ergebnis, der Kläger habe infolge der Heckkollision am 12. April 1999 eine HWS-Distorsion ersten Grades erlitten (Bl. 337 d.A.).

a)

Wenn auch nicht verkannt werden darf, dass die oben angegebenen Diagnosefeststellungen auf hinsichtlich ihrer Authentizität nicht überprüfbaren subjektiven Schmerz- und Beschwerdeangaben des Klägers beruhen, hat der Senat ebenso wenig wie das Landgericht hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger hypochondrisch veranlagt ist oder Aggravations- oder Simulationstendenzen zeigt. Zu dieser Überzeugung ist auch der Sachverständige Prof. Dr. X gelangt, der den Kläger am 21. Februar 2003 einer ambulanten neurologischen Untersuchung mit neurophysiologischer Zusatzdiagnostik unterzogen hat. Er hat in seinem Gutachten im Einzelnen dargelegt, ungeachtet des fehlenden röntgenologischen Nachweises sei typisch für ein HWS-Distorsionstrauma die Zunahme der schmerzhaften HWS-Beweglichkeit mit Schmerzausstrahlung in die Schulterregion in den ersten Tagen und auch die mit Latenz sich entwickelnden Reizerscheinungen in Form von radikulär verteilten Gefühlsstörungen. Auch der weitere Prozess der sich allmählich zurückbildenden Cervicobrachialgien sei ein gewöhnlicher Verlauf nach einem HWS-Distorsionstrauma (Bl. 340, 341 d.A.).

b)

Ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils hat der Kläger zahlreiche ärztliche Behandlungsmaßnahmen und radiologische Untersuchungen über sich ergehen lassen. Er war bis zum 18. Januar 2000 krank geschrieben und hat sich danach bis zum 22. Februar 2000 in einer Klinik einer Rehabilitationsmaßnahme unterzogen (Bl. 253 d.A.). Ausweislich des fachärztlichen Gesundheitszeugnisses Dr. X vom 7. September 1999 ist aus der medizinischen Vorgeschichte des Klägers das Beschwerdebild, welches hinterher zu den vielfältigen ärztlichen und diagnostischen Bemühungen geführt hat, nicht bekannt. Ebenso wenig hat der Sachverständige Prof. Dr. X als Ergebnis der durchgeführten Röntgendiagnostik einschließlich Kernspintomographie der Halswirbelsäule eine relevante Vorerkrankung der Halswirbelsäule festzustellen vermocht.

Deshalb bestehen im Ergebnis keine ernsthaften Zweifel daran, dass der Klägerin infolge des Unfallereignisses vom 12. Oktober 1999 ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule davongetragen hat.

4 a)

Damit ist in tatsächlicher Hinsicht die Streitfrage zu entscheiden, welche Folgebeeinträchtigungen mit dieser Verletzung für den Kläger einhergingen. Insoweit behauptet er, die Beeinträchtigungen, die sich bei ihm infolge der Halswirbelsäulenverletzung eingestellt hätten, seien gravierend sowie langwierig gewesen und hätten zu seiner 100 %igen Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. Januar 2000 geführt (Bl. 3, 50, 303 d.A.). Seine linke Hand sei bis in den Januar 2000 hinein kraftlos gewesen und es habe sich eine Taubheit im gesamten linken Armbereich eingestellt. Die Feinmotorik, auf die er in seiner Eigenschaft als selbständiger Schreinermeister angewiesen sei, habe nicht funktioniert und es habe immer wieder sensible Ausfälle gegeben (Bl. 304 d.A.). Bereits alsbald nach dem Unfall hätten die ihn internistisch und neurologisch behandelnden Ärzte eine Hypästhesie (herabgesetzte Empfindung von Berührungsreizen) sowie eine Hypalgesie (verminderte Schmerzempfindlichkeit) festgestellt (Bl. 3 d.A.).

Diesem Tatsachenvortrag treten die Beklagten mit der Behauptung entgegen, bei dem Kläger habe sich unfallbedingt allenfalls eine leichte Verletzung ergeben und die behaupteten Beschwerden seien nicht auf den Unfall zurückzuführen, sondern hätten bereits vor dem Schadensereignis bestanden (Bl. 293, 349 d.A.).

Der Streit der Parteien betrifft somit die haftungsausfüllende Kausalität, weil er das Ausmaß der dem Kläger aufgrund der Halswirbelsäulenverletzung entstandenen materiellen und immateriellen Beeinträchtigungen zum Gegenstand hat. In diesem Zusammenhang greift zugunsten des Klägers die Beweiserleichterung des § 287 ZPO ein, denn ausreichend ist, dass der Senat die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens zum Beeinträchtigungsausmaß für hinreichend wahrscheinlich hält.

b)

Im Streit ist jedoch nur die Zeitspanne zwischen dem Unfalldatum (12. April 1999) und dem durch den Kläger vorgetragenen Ende seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit, welches er mit dem Datum des 18. Januar 2000 in Verbindung bringt (Bl. 303, 304 d.A.). Eine über diesen Stichtag hinaus fortdauernde körperliche Beeinträchtigung behauptet er nicht. Er trägt vielmehr vor, die Gefühlsempfindungsstörungen im Bereich der linken Hand hätten bis zum 18. Januar 2000 gedauert, die linke Hand sei bis dahin kraftlos gewesen und die Taubheit habe sich im gesamten linken Armbereich bemerkbar gemacht (Bl. 304 d.A.). Dem entspricht die Angabe, die der Kläger gegenüber dem orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. X gemacht hat. Danach habe sich nach der Rehabilitationsmaßnahme in X eine deutliche Besserung eingestellt. Zwar hat er dies dahingehend relativiert, er habe nach der Arbeitsaufnahme am 23. Februar 2000 noch Nackenschmerzen bei Überkopfarbeiten als Restbeschwerden. Diese hat aber der Sachverständige Prof. Dr. X als unfallunabhängig bewertet (Bl. 172 d.A.).

c)

Auch nach den Erkenntnissen des Sachverständigen Prof. Dr. X ist davon auszugehen, dass nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahmen der Genesungsprozess weitgehend abgeschlossen war. In diesem Zusammenhang verweist er auf den Abschlussbericht der Kliniken X in X. Darin ist u.a. ausgeführt, dass die anfängliche Sensibilitätsstörung im Bereich der linken Hand nicht mehr vorhanden gewesen sei, insbesondere die Kraft des Flexor digitorum longus wieder regelrecht gewesen sei. Auch habe sich die Funktion der Halswirbelsäule objektiv klinisch gebessert. Der Kläger sei in einem guten Allgemeinzustand als arbeitsfähig entlassen worden (Bl. 329 d.A.).

5)

Nach dem Ergebnis der in beiden Instanzen durchgeführten Beweisaufnahme hält es auch der Senat für hinreichend wahrscheinlich, dass die Arbeitsfähigkeit des Klägers in seiner beruflichen Eigenschaft als selbständiger Schreinermeister in diesem Zeitraum wegen unfallbedingter Sensibilitätsstörungen in der oberen linken Körperextremität erheblich beeinträchtigt war. Zwar hat seine Behauptung keine Bestätigung gefunden, seine 100 %ige Arbeitsfähigkeit habe bis zum 18. Januar 2000 gedauert. Gleichwohl steht fest, dass er als Folge der unfallbedingten HWS-Distorsion mit einer Nervenwurzelreizung, die zu sensiblen Störungen führte, in seiner Erwerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.

a)

Der Sachverständige Prof. Dr. X hat die Dauer der 100 %igen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf einen zweiwöchigen Zeitraum nach dem Unfall eingegrenzt. Für die Folgenzeit hat er Minderungsgrade von 70 % (für weitere vier Wochen), von 40 % (für weitere sechs Wochen) sowie von 20 % (bis zum Ende des ersten Halbjahres nach dem Unfall) in Ansatz gebracht. Für den weiteren Zeitablauf hat er den Minderungsgrad bis zum Ende des ersten Jahres nach dem Unfall, also bis zum 12. April 2000, mit 10 % beziffert. Über dieses Datum hinaus hat er eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen angegeben (Bl. 174 d.A.).

b)

Dieser Einstufung des orthopädischen Sachverständigen hat sich der neurologische Sachverständige Prof. Dr. X mit der Begründung angeschlossen, die im Vorgutachten angegebenen Zeiträume der verminderten Erwerbsfähigkeit seien angemessen und entsprächen dem Krankheitsverlauf (Bl. 342 d.A.). Soweit er in Abweichung von der Klassifizierung des Sachverständigen Prof. Dr. X ausgeführt hat, die Arbeitsfähigkeit des Klägers als selbständiger Schreinermeister sei schmerzbedingt und wegen der Sensibilitätsstörungen an der linken Gebrauchshand sei für eine Zeitspanne von zwei Monaten nach dem HWS-Distorsionstrauma nicht gegeben gewesen, handelt es sich - wie die Beklagen zu Recht geltend machen (Bl. 349 d.A.) - um einen offensichtlichen Schreibfehler. Denn nach der durch den neurologischen Sachverständigen nicht in Zweifel gezogenen Klassifizierung des orthopädischen Sachverständigen war die gänzliche Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf einen Zeitraum von zwei Wochen nach dem Unfallereignis begrenzt (Bl. 174, 341, 342 d.A.).

c)

Der Senat hat keinen Anlass, die Richtigkeit der gutachterlichen Ausführungen des orthopädischen und des neurologischen Sachverständigen, welche hinsichtlich der Bewertung der Unfallbedingtheit der körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers und der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im Wesentlichen übereinstimmen, in Zweifel zu ziehen. Aus den dargelegten Gründen dringen die Beklagten insbesondere wegen des Fehlens jeglicher Simulations- und Aggravationstendenz nicht mit dem Einwand durch, dessen Beschwerdeangaben seien nicht durch ein bildgebendes Verfahren zu verifizieren (Bl. 350 d.A.). Nach den einschlägigen Erfahrungen des Senats ist es ein bei Unfallopfern häufig anzutreffendes Phänomen, dass sie real an Schmerzzuständen leiden, die auf das Schadensereignis zurückzuführen sind, jedoch - aus welchen Gründen auch immer - ohne ein morphologisches Korrelat bleiben. Soweit nach den gutachterlichen Ausführungen des orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. X bezüglich der Unfallursächlichkeit der durch den Kläger vorgetragenen Sensibilitätsstörungen noch Zweifel blieben, sind diese nunmehr nach dem neurologischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X ausgeräumt.

6)

Fehl geht auch der Einwand der Beklagten, der Kläger habe vor dem Unfall solche Ausfallerscheinungen und Symptome beklagt, wie sie nunmehr dem Unfall zuzuordnen seien (Bl. 352 d.A.).

a)

Zwar trifft es zu, dass der Kläger ausweislich des Berichtes des Klinikums Krefeld vom 12. Juli 1999 im Zusammenhang mit seiner Aufnahme in die neurologische Abteilung angegeben hatte, er leide seit 12 Jahren an Migräne mit linksseitigen Kopfschmerzen und rechtsseitiger sensomotorischer Hemisymptomatik. Auch anlässlich der Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. Dr. X hatte der Kläger ausgeführt, er habe seit Jahren Kopfschmerzen, welchen typischerweise Sehstörungen sowie ein rechtsseitiges Taubheitsgefühl vorangingen (Bl. 332 d.A.). Diese körperlichen Beeinträchtigungen können jedoch nicht als Vorschäden mit den Störungen in Verbindung gebracht werden, die ihre Ursache in dem Unfallereignis vom 12. April 1999 haben. Dies folgt schon aus der Tatsache, dass der Kläger in der Vergangenheit nur für die rechte Körperseite neurologische Ausfallerscheinungen angegeben hat, während die durch ihn vorgetragenen und durch die Sachverständigengutachten bestätigten Sensibilitätsstörungen als Folge der Auffahrkollision die linke obere Körperextremität betreffen.

b)

Zu Recht machen die Beklagten indes geltend, dass die langjährigen Beeinträchtigungen des Klägers durch Migräneerscheinungen in keinen Zusammenhang mit dem Schadensereignis gebracht werden können. Insoweit handelt es sich um einen unfallunabhängigen Vorschaden, der folglich bei der Bemessung des dem Kläger zustehenden Schmerzensgeldes keine Berücksichtigung finden darf. Gleiches gilt hinsichtlich der durch den Sachverständigen Prof. Dr. X diagnostizierten leichtgradigen verminderten Empfindung im Bereich des rechten Ober- und Unterschenkels sowie der rechten Fußaußenseite (Bl. 340 d.A.). Wie bereits ausgeführt, betreffen die unfallbezogenen Sensibilitätsstörungen des Klägers ausschließlich seine linke obere Körperextremität, während neurologische oder sonstige Störungen der rechten Körperhälfte aller Wahrscheinlichkeit nach eine nicht den Beklagten zuzurechnende Fremdursache haben.

III.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehen unter Berücksichtigung der für die Schmerzensgeldzumessung nach § 847 Abs. 1 BGB maßgeblichen Frakturen keine Bedenken gegen die Höhe des dem Kläger durch das Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes von 7.700 €.

Unstreitig sind die Beklagten in vollem Umfang für die materiellen und immateriellen Schäden eintrittspflichtig, die der Kläger aus Anlass des Auffahrunfalls davon getragen hat.

1)

Abgesehen von den Kopf- und Nackenschmerzen sowie der eingeschränkten Motorik des linken Arms mit Sensibilitätsstörungen wirkte sich für den Kläger nach Lage der Dinge besonders belastend die Tatsache aus, dass er wochenlang sein erst im Jahre 1998 eröffnetes Küchenstudio, welches er als Einmannbetrieb führte, wochenlang geschlossen halten musste. Der Kläger befand sich über ein Jahr in regelmäßiger ärztlicher Behandlung, die von krankengymnastischen Behandlungsmaßnahmen begleitet war. Das Ergebnis dieser Bemühungen und durchgeführter Rehabilitationsmaßnahmen war ungewiss. Es ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass den familiengebundenen Kläger Existenzsorgen plagten.

2)

Andererseits steht fest, dass die Arbeitsfähigkeit des Klägers mit der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme in X weitgehend wiederhergestellt war. Soweit der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. X noch geringfügige unfallbedingte Folgebeeinträchtigungen angegeben hat, wie etwa ein vorübergehendes Taubheitsgefühl des linken kleinen Fingers, sind auch diese Verletzungsfolgen mit dem durch das Landgericht festgesetzten Schmerzengeldbetrag abgegolten.

IV.

Die Berufung der Beklagten hat nur insoweit einen geringen Teilerfolg, als nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Feststellungstenor der angefochtenen Entscheidung nicht auf eine Ersatzverpflichtung der Beklagten hinsichtlich bereits eingetretener und künftiger immaterieller Schäden des Klägers bezogen werden kann.

Nach den obigen Darlegungen sind alle körperlichen Beeinträchtigungen, die er infolge der Distorsionsschädigung der Halswirbelsäule bis zur erfolgreichen Beendigung der abschließenden Rehabilitationsmaßnahme in X am 22. Februar 2000 davongetragen hat, einschließlich eventuell noch verbleibender geringfügiger Sensibilitätsstörungen durch den erstinstanzlich zuerkannten Schmerzensgeldbetrag abgegolten. Den Ausführungen des orthopädischen Sachverständigen gemäß war der Heilungsprozess spätestens ein Jahr nach dem Auffahrunfall abgeschlossen. Zu dem gleichen Ergebnis ist der neurologische Sachverständige gelangt, der die Feststellung im Vorgutachten übernommen hat, bis zum Ende des ersten Jahres nach dem Unfall habe nur noch eine 10 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bestanden. Der Sachverständige Prof. Dr. X hat den Kläger fast vier Jahre nach dem Schadensereignis neurologisch untersucht und ihn in einem Zustand der abgeschlossenen körperlichen Wiederherstellung bei voller Arbeitsfähigkeit angetroffen. Wie bereits ausgeführt, können fortbestehende Beeinträchtigungen des Klägers durch Migräneerscheinungen und Sensibilitätsstörungen in der rechten Körperhälfte nicht - auch nicht im Sinne einer Mitursächlichkeit - mit dem Unfallereignis in Verbindung gebracht werden. Es entspricht den einschlägigen Erfahrungen des Senats, dass eine Distorsionsschädigung der Halswirbelsäule ersten Grades spätestens innerhalb eines nach Monaten zu bemessenden Zeitraumes vollständig ausheilt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht deshalb nicht zu erwarten, dass in Zukunft unfallbedingte Folgebeeinträchtigungen des Klägers in irgendeiner Weise wahrscheinlich oder auch nur möglich erscheinen. Nach Lage der Dinge ist deshalb kein Raum mehr für einen sich auf künftige immaterielle Schäden des Klägers beziehenden Feststellungstenor.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug wird auf insgesamt 19.700 € festgesetzt. Auf das Schmerzensgeldverlangen des Klägers entfällt ein Anteil von 7.700 € und auf seine Feststellungsbegehren ein solcher von 12.000 €. Von diesem Betrag sind 8.000 € für materielle Schäden und weitere 4.000 € für immaterielle Schäden in Ansatz zu bringen.

Dementsprechend ändert der Senat gemäß § 25 Abs. 2 S. 2 GKG die Festsetzung am Ende der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils dahingehend, dass der Streitwert für die erste Instanz auf insgesamt 19.700 € bestimmt wird.

Die Beschwer des Klägers stellt sich auf 4.000 € und diejenige der Beklagten auf 15.700 €.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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