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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.04.2001
Aktenzeichen: 1 UF 226/00
Rechtsgebiete: ZPO, KindUG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 653
ZPO § 653 Abs. 1 S. 3
ZPO § 653 Abs. 1 S. 1
ZPO § 302
ZPO § 599
ZPO § 643 a a.F.
ZPO § 654
ZPO § 97
KindUG § 2
BGB § 1615 f a.F.
BGB § 1612 a
BGB § 1612 b
BGB § 1612 c
BGB § 1615 b a.F.
BGB § 16151
BGB § 366 Abs. 2
Im Verfahren nach § 653 ZPO in der seit 01.07.1998 geltenden Fassung ist gegenüber der Klage des Kindes auf Unterhalt in Höhe der Regelbeträge nach der Regelbetrag-Verordnung der Einwand der Erfüllung nicht zulässig.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 UF 226/00

Verkündet am 24.04.2001

In der Familiensache

pp.

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. A, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. L-K und den Richter am Oberlandesgericht Dr. K

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 9.1.2001 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am 27.6.1997 geborene Kläger erstrebt mit der Klage die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten sowie die Zahlung von Kindesunterhalt.

In der gesetzlichen Empfängniszeit vom 29.8.1996 bis zum 28.12.1996 hatte die Mutter des Klägers, seine Streithelferin, Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten, mit dem sie vor der Geburt des Klägers zeitweilig zusammenlebte. Verheiratet war die Streithelferin mit Herrn P T.

Der Beklagte leistete vor und nach der Geburt des Kindes Zahlungen an die Streithelferin. Nach der Geburt erbrachte er regelmäßige Zahlungen von zunächst 500 DM wöchentlich, später zwischen (mindestens) 500 DM und (jedenfalls seit März 1998) 800 DM monatlich.

Im Jahre 1998 erhob der Ehemann der Streithelferin gegen den Kläger eine Ehelichkeitsanfechtungsklage (AG Erkelenz 6 C 73/98). Während jenes Verfahrens verstarb der Ehemann am 22.8.1998. Daraufhin focht der Kläger im Verfahren nach 1600e Abs.2 BGB die Vaterschaft des Verstorbenen an (AG Erkelenz 13 F 209/98). Das Amtsgericht holte ein Blutgruppengutachten ein, in das neben dem Kläger und der Streithelferin auch der Beklagte einbezogen wurde. Das Sachverständigen-Gutachten gelangte zu einer Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beklagten von >99,9999% (verbales Prädikat: "Vaterschaft praktisch erwiesen"). Durch Beschluss vom 7.9.1999 stellte das Amtsgericcht fest, dass der verstorben nicht der Vater des Klägers sei.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten und Zahlung des Regelunterhalts bzw. ab 1.7.1998 Unterhalt in Höhe des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung begehrt, wovon nach Feststellung der Vaterschaft durch das Amtsgericht lediglich die Verurteilung zum Unterhalt für die Vergangenheit Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.

Der Kläger hat dazu behauptet, die vom Beklagten erbrachten Zahlungen seien Unterhaltszahlungen für seine Mutter gewesen.

Der Kläger hat übereinstimmend mit der Streithelferin beantragt,

1. festzustellen, dass der Beklagte sein Vater ist,

2. den Beklagten zu verurteilen, ab dem 27.6.1997 an bis zum 30.6.1998 den Regelunterhalt und ab dem 1.7.1998 an den Regelbetrag nach der Regelbetrag-Verordnung unter Anrechnung des hälftigen Kindergelds mtl. im voraus zu zahlen, die rückständigen Beträge sofort.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat seine Vaterschaft in Abrede gestellt und sich gegen die Verwertung des Sachverständigen-Gutachtens aus dem vorausgegangenen Verfahren gewandt.

Zu den Zahlungen hat der Beklagte behauptet, er habe die Streithelferin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er Unterhalt lediglich für das Kind zahlen werde. Nach dem Tode des Ehemanns der Streithelferin habe er nur für das Kind gezahlt, weil die Streithelferin eine Rente bezogen habe.

Das Amtsgericht hat die Streithelferin zur Höhe und Anrechnung der Zahlungen als Partei vernommen. Die Streithelferin hat Zahlungen des Beklagten bestätigt. Es sei aber nie die Rede davon gewesen, dass es sich dabei um Kindesunterhalt handele. Zwei Quittungen mit dem jeweiligen Vermerk, dass die Zahlung "für S" gedacht sei, habe sie unterschrieben, wobei sie den Text krankheitsbedingt (sie könne nur verschwommen sehen und Buchstaben nicht erkennen) nicht habe lesen können.

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Vaterschaft des Beklagten zum Kläger festgestellt und den Beklagten zu rückständigem Unterhalt für die Zeit vom 27.6.(1997) bis 31.7.2000 in Höhe von insgesamt 8.120,00 DM sowie ab August 2000 in Höhe der Regelbeträge der Regelbetrag-Verordnung verurteilt.

Es hat die Feststellung der Vaterschaft im einzelnen begründet. Den Unterhaltsanspruch hat es lediglich bezüglich zweier quittierter Zahlungen für die Monate Juli und August 1998 in Höhe von jeweils 239 DM als erfüllt angesehen. Für die weiteren Zahlungen habe der Beklagte nicht den Beweis erbracht, dass diese als Kindesunterhalt bestimmt gewesen seien. Aus den beiden Quittungen lasse sich nicht der Schluss ziehen, dass auch die übrigen Zahlungen als Kindesunterhalt gedacht gewesen seien. Dem stehe entgegen, dass der Beklagte die Vaterschaft bestritten habe und er auch vor der Geburt des Klägers Zahlungen an die Streithelferin erbracht habe.

Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung rückständigen Unterhalts bis zum 31.7.2000.

Neben Einwendungen gegen die Verwertung des Sachverständigen-Gutachtens bringt der Beklagte vor, Ansprüche auf Kindesunterhalt seien durch Erfüllung erloschen. Er beruft sich für eine von der des Amtsgerichts abweichende Beweiswürdigung darauf, dass die Streithelferin gegenüber dem zuständigen Jugendamt im Hinblick auf Unterhaltsvorschussleistungen erklärt habe, dass Kindesunterhalt gezahlt würde, und ihren Antrag zurückgenommen habe. Es seien folgerichtig keine Vorschussleistungen für den Kläger erbracht worden.

Gegen den Beklagten ist ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil des Senats vom 9.1.2001 ergangen, gegen das er rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats vom 9.1.2001 aufzuheben und unter teilweiser Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils die Klage insoweit abzuweisen, soweit er zur Zahlung rückständigen Unterhalts für die Zeit vom 27.6.1997 bis zum 31.7.20.00 in Höhe von 8.120 DM verurteilt worden ist.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats aufrechtzuerhalten.

Er trägt vor, die nicht quittierten Zahlungen seien nicht als Kindesunterhalt bestimmt gewesen und stellten Zahlungen für die Streithelferin dar. Für Kindesunterhaltszahlungen hätte, wenn der Beklagte, wie er behaupte, nicht der Vater des Klägers sei, nicht der geringste Anlass bestanden.

Entscheidungsgründe:

Das die Berufung zurückweisende Versäumnisurteil des Senats vom 9.1.2001 ist aufrechtzuerhalten. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Der vom Beklagten erhobene Einwand der Erfüllung ist - worauf der Senat im abschließenden Verhandlungstermin hingewiesen hat - im vorliegenden Verfahren nach § 653 ZPO nicht zulässig.

1.

a) Auf das am 12.1.00 anhängig gewordene Verfahren findet das durch das Kindesunterhaltsgesetz mit Wirkung ab 1.7.1998 geänderte Verfahrensrecht Anwendung. Ein Ausnahmetatbestand des Art.5 § 2 KindUG liegt nicht vor. Der Umstand, dass auch Unterhalt für die Zeit vor dem 1.7.98 geltend gemacht wird, steht dem nicht entgegen. Die Zulässigkeit von Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch bestimmt sich somit nach § 653 ZPO in der seit dem 1.7.98 geltenden Fassung.

b) Zulässig ist auch die vom Amtsgericht vorgenommene bezifferte Unterhaltstenorierung für die Vergangenheit, zumal diese Beträge feststehen und keiner künftigen Dynamisierung mehr unterliegen. Dass damit auch für die Zeit vor dem 1.7.98 der Regelunterhalt betragsmäßig festgesetzt worden ist, ist wegen der sachlichen Übereinstimmung des Regelunterhalts nach § 1615f BGB a.F. (i.V.m. der außer Kraft getretenen Regelunterhalt-Verordnung) und dem Regelbetrag nach § 1612a BGB (i.V.m. der Regelbetrag-Verordnung) ebenfalls zulässig (s. Klinkhammer in: Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 2.Aufl., Rdnr.4094 m.w.N.).

2.

Der vom Beklagten erhobene Erfüllungseinwand ist aufgrund der in § 653 Abs.1 S.3 ZPO ausgesprochenen Beschränkung von Einwendungen nicht zuzulassen.

Nach § 653 Abs.1 S.1 ZPO hat das Gericht den Beklagten auf Antrag zugleich mit der Vaterschaftsfeststellung zur Zahlung des Regelbetrags, vermindert um nach §§ 1612b, 1612c BGB anzurechnende Leistungen, zu verurteilen. Zwar kann das Kind einen geringeren Unterhalt verlangen (§ 653 Abs.1 S.2 ZPO), im übrigen kann jedoch im Annexverfahren nach § 653 ZPO eine Erhöhung oder Herabsetzung nicht verlangt werden (§ 653 Abs.1 S.3 ZPO). Der Zweck der solcherart formalisierten Unterhaltsfestsetzung besteht (übereinstimmend mit § 643 ZPO a.F.) darin, dem nichtehelichen Kind möglichst schnell und auf einfachem Wege zu einem Unterhaltstitel zu verhelfen (vgl. BGH FamRZ 1981, 32 = NJW 1981, 393; Zöller/Philippi, ZPO, 22.Aufl., § 653 Rdnr.3).

Entsprechend dem Wortlaut des § 653 Abs.1 S.3 ZPO soll durch die Einschränkung der zulässigen Einwendungen vorwiegend der Einwand mangelnder Leistungsfähigkeit ausgeschlossen werden (a.A. für den Einwand dauernder Leistungsunfähigkeit OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1581). Ob auch andere Einwendungen ausgeschlossen sind, ist für die seit 1.7.98 geltende Rechtslage nicht geklärt. Der BGH hat für § 643 ZPO a.F. den Einwand des Forderungsübergangs nach § 1615b BGB a.F. zugelassen (BGH FamRZ 1981, 32 = NJW 1981, 393 m.w.N. zum damaligen Meinungsstand) und hat zwischen der Bemessung und Tilgung des Unterhaltsanspruchs einerseits und andererseits den Grund des Anspruchs betreffenden Einwendungen differenziert. Mit dem Vorbehaltsurteil nach §§ 302, 599 ZPO sei das Urteil im Annexverfahren nicht vergleichbar, weil ein etwa dem Urteil innewohnender Vorbehalt sich nur auf die gemäß § 643a ZPO a.F. ausdrücklich aufgeführten Abänderungsmöglichkeiten beziehe.

Ob diese Erwägungen indessen auch für die seit 1.7.98 geänderte Rechtslage Geltung haben, ist - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden worden. Von Teilen der Kommentarliteratur wird der Erfüllungseinwand im Verfahren nach § 653 ZPO zugelassen (Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 59.Aufl., § 653 Rdnr.3; für "offensichtliche Mängel in der Unterhaltsberechtigung" Coester-Waltjen in: Münchener Kommentar ZPO, 2.Aufl., § 653 Rdnr.9). Demgegenüber halten andere Stimmen Einwendungen generell für unzulässig, so dass diese in vollem Umfang dem Abänderungsverfahren nach § 654 ZPO vorbehalten sind (Zöller/Philippi, ZPO, 22.Aufl., § 653 Rdnr.4; für eine Teilerfüllung ebenfalls Thomas/Putzo, ZPO, 22.Aufl., § 653 Rdnr.6).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Zwar spricht der gegenüber § 643 ZPO a.F. insoweit unveränderte Wortlaut des § 653 Abs.1 S.3 ZPO ("Herabsetzung (...) des Unterhalts") dafür, dass der Gesetzgeber mit § 653 Abs.1 S. 3 ZPO eine Veränderung des früheren Rechtszustands insoweit nicht beabsichtigt hat, wofür auch ansonsten keine Anhaltspunkte bestehen. Dagegen erfasst die im engen Zusammenhang mit dem Annexverfahren stehende Abänderungsklage nach § 654 ZPO einen wesentlich weiteren Bereich als § 643a ZPO a.F. Im Abänderungsverfahren kann vom nichtehelichen Vater nicht lediglich Herabsetzung des Unterhalts unter den Regelbetrag, Erlass oder Stundung geltend gemacht werden. Vielmehr entspricht es einhelliger Auffassung, dass im Verfahren nach § 654 ZPO, das in gleicher Weise für einen Unterhaltstitel im Verfahren nach § 653 ZPO wie auch für Unterhaltsfestsetzungen im vereinfachten Verfahren (§ 649 ZPO) gilt, sämtliche Einwendungen zum Grund oder zur Höhe des Unterhaltsanspruchs erhoben werden können. Die der zitierten Entscheidung des BGH zugrunde liegende Abgrenzung zwischen dem mit der Unterhaltsklage verbundenen Statusverfahren (Annexverfahren) und dem auf die Rechtskraft des darin ergangenen Urteils folgenden Abänderungsverfahren kann also nicht beibehalten werden.

Aus Gründen der Rechtsklarheit wie auch der im Prozessrecht stets zu beachtenden Zweckmäßigkeit ist es jedoch notwendig zu vermeiden, dass dieselbe Einwendung sowohl zum Gegenstand des Annexverfahrens als auch des Abänderungsverfahrens gemacht werden kann. So könnte ein zugelassener Erfüllungseinwand im Falle seiner Zurückweisung im folgenden Abänderungsverfahren erneut erhoben werden. Die Höhe der Forderung stünde aufgrund des Urteils im Annexverfahren nicht mit Rechtskraftwirkung für das Abänderungsverfahren fest.

Eine Ausklammerung sämtlicher Einwendungen aus dem Annexverfahren wird dadurch unterstützt, dass eine sichere Trennung zwischen Grund und Höhe des Unterhaltsanspruchs (erst recht zwischen offensichtlichen und nicht offensichtlichen Mängeln der Unterhaltsberechtigung) nicht immer möglich ist. So zeigt etwa der vorliegende Fall, dass unter Umständen auch für die Frage der Erfüllung die genaue Höhe des Unterhaltsanspruchs ermittelt werden muss. Denn die vom Amtsgericht (mit teils anzuzweifelnder Beweiswürdigung) angenommene Nichterweislichkeit einer Tilgungsbestimmung auf den Kindesunterhalt führt nicht ohne weiteres zu einer Anrechnung auf den Unterhalt der Mutter nach § 16151 BGB, sondern im Zweifel nach § 366 Abs.2 BGB letztendlich zu einer anteiligen Anrechnung auf beide Ansprüche. Für eine anteilige Anrechnung müsste aber die konkrete Höhe beider Ansprüche festgestellt werden und könnte der Kindesunterhalt nicht auf den Regelbetrag beschränkt werden. Eine genaue Ermittlung der Höhe des Kindesunterhalts soll im Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung indessen nach dem Zweck des Gesetzes gerade vermieden werden.

Aus Gründen der Rechtsklarheit, insbesondere einer zuverlässigen Abgrenzbarkeit der Verfahren nach § 653 ZPO und § 654 ZPO, hält es der Senat für angezeigt, das Verfahren nach § 653 ZPO entsprechend dem Gesetzeszweck von Einwendungen freizuhalten. Der Beklagte ist demnach darauf zu verweisen, die von ihm geleisteten Zahlungen mit der Abänderungsklage nach § 654 ZPO geltend zu machen.

3.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 8.120 DM.

Ende der Entscheidung

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