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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.05.2001
Aktenzeichen: 1 W 16/01
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, PflVG


Vorschriften:

ZPO § 104 ff.
StVG § 7
PflVG § 3
Zu der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines privaten Schadensgutachtens durch die beklagte Haftpflichtversicherung im Kostenfestsetzungsverfahren, wenn der Verdacht bestand, daß es sich bei dem klagegegenständlichen Verkehrsunfall um ein manipuliertes Schadensereignis handelte.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

In der Kostenfestsetzungssache

pp.

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. E, des Richters am Oberlandesgericht K sowie des Richters am Landgericht M

am 18. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) wird der Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 2000 aufgehoben.

Die Rechtspflegerin wird angewiesen, einen neuen Kostenfestsetzungsbeschluß nach Maßgabe der nachstehenden Ausführungen zu erlassen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Gründe:

Das gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel der Beklagten zu 2.) führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die Rechtspflegerin hat in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht davon abgesehen, die durch die Beklagte zu 2) zur Ausgleichung angemeldeten Kosten in Höhe von 569,56 DM für die nach Rechtshängigkeit erfolgte Einholung eines Privatgutachtens festzusetzen. Diese Aufwendungen gehören zu den notwendigen Kosten zweckentsprechender Rechtsverteidigung der Beklagten zu 2) im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

1. Die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens ist grundsätzlich kritisch zu prüfen (OLG Düsseldorf - 10. Zivilsenat, Kostensenat - Beschluß vom 14. - April 1994, Az.: 10 W 48/94, abgedruckt in Rpfleger 1995, 39 und OLGR-Düsseldorf 1994, 251). Aus § 91 I S. 1 ZPO ergibt sich nämlich, daß der unterlegene Gegner die Kosten eines von der Gegenseite eingeholten Privatgutachtens nur zu tragen hat, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind im Kostenfestsetzungsverfahren - unbeschadet etwaiger Erstattungsansprüche aus materiellem Schadensersatzrecht - solche Kosten nur ausnahmsweise berücksichtigungsfähig (vgl. die Übersicht bei Stein/Jonas/Bork, 21. Aufl., § 91, V Stichwort "Privatgutachten" und bei Baumbach/Hartmann, 55. Aufl., § 91, Anm. 102 Stichwort "Gutachten"). Insbesondere dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Stellungnahme des Privatgutachters während des Rechtsstreits eingeholt wird, sind an die Notwendigkeit dieser Rechtsverfolgungsmaßnahme strenge Anforderungen zu stellen (Baumbach/Hartmann, a.a.O.; Zöller/Herget, 22. Aufl., § 91 Rdnr. 13, Stichwort "Privatgutachten"). Wahrend des Prozesses findet eine Beweisaufnahme nämlich grundsätzlich nur im Rahmen der gerichtlichen Beweisanordnungen statt. Die Klärung umstrittener Tatsachenfragen ist nicht Sache der Parteien, sondern des Gerichts in dem nach der ZPO hierfür vorgesehenen Beweisaufnahmeverfahren. Deshalb wird die Notwendigkeit der Einholung eines Privatgutachtens, dessen Beweiswert ohnehin vielfach geringer ist als das des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, nur in besonderen Ausnahmefällen bejaht werden können (OLG Düsseldorf, a.a.O. mit Hinweis auf OLG Düsseldorf VersR 62, 624; OLG München, NJW 72, 2273).

2. Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch gegeben. Die Beklagte zu 2) war nach Rechtshängigkeit der gegen sie erhobenen Schadensersatzklage auf sachverständige Hilfe angewiesen:

a) Sie hatte eine Entscheidung darüber zu treffen, ob sie sich gegen die Zahlungsklage in Höhe von 10.168/71 DM verteidigen sollte. Zwar sprach der äußere Anschein für die Annahme, dass der Beklagte zu 1) - ihr Versicherungsnehmer - den Auffahrunfall infolge Unachtsamkeit allein verschuldet hatte. Jedoch hatte die Beklagte zu 2) aufgrund mehrerer Verdachtsmomente Anlaß zu der Annahme, dass es sich bei der Auffahrkollision um ein zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) abgesprochenes Schadensereignis handelte. Die Richtigkeit dieses Anfangsverdachtes ergibt sich daraus, dass das Landgericht durch Urteil vom 16. Juni 2000 die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, der Kläger habe in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt; die streitgegenständliche Kollision sei entweder zwischen den Unfallbeteiligten abgesprochen öder das Schadensereignis sei über eine dritte Person vermittelt worden. Ein wesentliches Indiz für diese Feststellung folgte nach den Entscheidungsgründen aus der durch die Beklagte zu 2) bereits in ihrer Klageerwiderung vom 11. August 1998 geltend gemachten Tatsache, dass Vorschäden aus einem vorangegangenen Unfall vom 18. November 1997 unrepariert in den streitgegenständlichen Zusammenstoß vom 28. März 1998 "verschleppt" worden waren (Bl. 10 UA; Bl. 225f. d.A.).

Indes war dieser manipulative Zusammenhang auch für die Beklagte zu 2) als Versicherungsunternehmen nicht offenkundig. Sie bedurfte der sachverständigen Hilfe des durch sie beauftragten Privatgutachters H, um sich Gewißheit darüber zu verschaffen, dass die lichtbildlich gesicherten Schäden, die durch die frühere Kollision vom 18. November 1997 verursacht worden waren, sich auf den Fotos wiederfanden, welche von dem Fahrzeug des Klägers nach dem Zusammenstoß vom 28. März 1998 gemacht worden waren. Mit Hilfe der umfangreichen Fotodokumentation des Privatgutachters H, welche die Beklagte zu 2) mit der Klageerwiderung zu den Akten gereicht hat, war es ihr möglich, anschaulich die Teilidentität der Schadensbilder darzulegen.

b) Wegen dieses erheblichen Verteidigungsvorbringens der Beklagten zu 2) sah sich das Landgericht veranlaßt, die Lichtbilder aus dem die beiden Kollisionen betreffenden Schadensgutachten durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen mikroskopisch untersuchen zu lassen. Als Ergebnis dieser Begutachtung stellte sich die Identität einer Vielzahl von Schadenfeinstrukturen heraus. Aufgrund dieses Ergebnisses der Beweisaufnahme ist das Landgericht zu der Schlußfolgerung gelangt, der Schaden vom 18. November 1997 sei unrepariert in die Kollision vom 28. März 1998 übernommen worden.

3 a) Entgegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung kann der Beklagten zu 2) nicht angelastet werden, sie habe vorschnell ein Privatgutachten erstellen lassen. Für sie ging es zunächst um die Klärung der Frage, ob ihr Anfangsverdacht einer Unfallmanipulation begründet war. Sie macht nachvollziehbar geltend, dass wenn der Privatgutachter ihre diesbezüglichen Bedenken zerstreut hätte, sie sich nicht gegen die Klage verteidigt hätte und ein überflüssiger Prozeß vermieden worden wäre. Denn gegen den Beklagten zu 1) sprach der Anschein einer schuldhaften Alleinverursachung des Auffahrunfalles.

b) Die Beklagte zu 2) konnte entgegen der Begründung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, zunächst die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht abzuwarten, um dann eventuell nachträglich ein privates Gegengutachten in Auftrag zu geben. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Kosten eines prozeßbegleitenden Privatgutachtens erstattungsfähig sind, wenn die Partei auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen zwingend angewiesen ist, um ihrer Darlegungs- und Beweispflicht zu genügen, Beweisangriffe abwehren zu können oder Beweisen des Gegners entgegentreten zu können (OLG Düsseldorf, 22. Zivilsenat, OLGR-Düsseldorf 1994, 155; OLG Koblenz JurBüro 1996, 90). Nachdem der Kläger zusammen mit seiner Klageschrift ein Privatgutachten vom 31. März 1998 überreicht hatte, aus dem sich nach seiner Behauptung die ersatzfähigen Fahrzeugschäden ergeben sollten, war es für die Beklagte zu 2) eine notwendige Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung, der Richtigkeit dieser gutachterlichen Stellungnahme durch ein eigenes Privatgutachten entgegenzutreten.

In diesem Zusammenhang darf insbesondere nicht außer acht gelassen werden, dass nach einem gestellten Unfallereignis für die verklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung sich der Nachweis eines betrügerischen Zusammenwirkens der Beteiligten oft sehr schwierig gestaltet. Kommen - wie im vorliegenden Fall - mehrere Verdachtsmomente zusammen, die sich nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme dann auch als begründet herausstellen, darf eine Haftpflichtversicherung auch unter Berücksichtigung ihrer Verpflichtung zu einer kostensparenden Prozeßführung keinen kostenrechtlichen Nachteil dadurch erleiden, dass sie sich schon in einem frühen Stadium des Prozesses sachverständiger Hilfe zum Nachweis der Richtigkeit ihrer Behauptung bedient hat, bei dem klagegegenständlichen Schadensereignis handele es sich in Wahrheit um einen gestellten Unfall.

4) Streitig ist, ob die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für das Privatgutachten davon abhängt, dass es im Rechtsstreit konkret Verwendung gefunden oder zumindest auf diesen Einfluß genommen hat (so OLG Düsseldorf, 22. Zivilsenat sowie OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat Rpfleger 1995, 39 = OLGR-Düsseldorf 1994, 251 gegen OLG Koblenz a.a.O.). Im vorliegenden Fall bedarf aber diese Streitfrage keiner vertiefenden Erörterung. Denn die mit der Klageerwiderung vorgelegte Fotodokumentation des Privatgutachters H hat - wie der Prozeßablauf erkennen läßt - dem Landgericht Veranlassung gegeben, das Lichtbildmaterial, welches die Schäden an dem Fahrzeug des Klägers aus dem Kollisionsereignissen vom 18. November 1997 sowie vom 28. März 1998 betraf, durch einen Sachverständigen mikroskopisch untersuchen zu lassen. Damit steht außer Zweifel, dass die Tätigkeit des durch die Beklagte zu 2) beauftragten Privatgutachters konkret auf den Verlauf des Erkenntnisverfahrens Einfluß genommen hat.

5) Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 569,56 DM.

Ende der Entscheidung

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