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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.03.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 1041/99
Rechtsgebiete: StPO, ZSEG
Vorschriften:
StPO § 141 | |
StPO § 464 a Abs. 2 | |
StPO § 467 Abs. 1 | |
ZSEG § 9 |
2. Die Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten, die durch notwendige Besuche des freigesprochenen Angeklagten bei seinem auswärtigen Pflichtverteidiger entstanden sind, richtet sich nach den Regeln des § 9 ZSEG, die für die Entschädigung von Zeugen gelten.
3. Die Regelung des § 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO (Entschädigung des freigesprochenen Angeklagten für eine notwendige Zeitversäumnis nach den für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften) stellt lediglich eine den Umfang und die Höhe der Entschädigung betreffende Rechtsfolgenverweisung dar.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
1 Ws 1041/99 9 Js 731/95 StA Krefeld
In der Strafsache
hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröter und die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Stüttgen am
2. März 2000
auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Krefeld gegen den Beschluß des Rechtspflegers des Landgerichts Krefeld vom 7. Oktober 1999
beschlossen:
Tenor:
Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses werden die dem früheren Angeklagten aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 2.592,65 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Mai 1999 festgesetzt.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der frühere Angeklagte, jedoch werden die Gebühr um drei Viertel ermäßigt und drei Viertel seiner notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Durch rechtskräftiges Urteil vom 10. Februar 1999 hat das Landgericht den früheren Angeklagten freigesprochen und seine notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.
In dem Verfahren ist der frühere Angeklagte von Rechtsanwalt N in Hamburg verteidigt worden, der ihm durch Beschluß des Strafkammervorsitzenden vom 9. Februar 1999 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist.
Der frühere Angeklagte hat beantragt, folgende Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen:
1. Gebühren und Kosten des Verteidigers 2.002,86 DM
2. Eigene Auslagen:
a) Fahrtkosten zur Vernehmung im Polizeipräsidium Krefeld am 19.06.96|20,-- DM|Zeitversäumnis 2 Stunden à 4,-- DM|8,-- DM|b) Fahrt zur Besprechung mit dem Verteidiger in Hamburg am 07.10.982 x 450 km x 0,40 DM|360,-- DM|c) Fahrt zur Besprechung mit dem Verteidiger in Hamburg am 01.02.99 2 x -450 km x 0,40 DM|360,-- DM|d) Zeitversäumnis für die unter b) und c) aufgeführten Fahrten 20 Stunden à 4,-- DM|80,-- DM|e) Zeitversäumnis für Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 10.02.99 8 Stunden à 4,-- DM|32,-- DM| |860,-- DM
Der Rechtspfleger hat durch den angefochtenen Beschluß die Kosten des Verteidigers mit 1.942,65 DM und die Auslagen des früheren Angeklagten antragsgemäß mit 860,-- DM, insgesamt 2.802,65 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Mai 1999 festgesetzt.
Mit seiner sofortigen Beschwerde beantragt der Bezirksrevisor, die erstattungsfähigen Auslagen des früheren Angeklagten auf 60,-- DM (Positionen a) und e)) zu ermäßigen.
II.
Die nach § 464 b StPO, § 104 Abs. 3 StPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
1.
Ob für den früheren Angeklagten aufgrund besonderer Fachkenntnisse des beauftragten Verteidigers, weil dieser mit dem Prozeßstoff bereits vertraut war, öder aus sonstigen Gründen die Beauftragung des in Hamburg ansässigen Verteidigers sachgerecht war oder ob es ihm zuzumuten gewesen wäre, einen am Prozeßort Krefeld oder an seinem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen, bedarf keiner Erörterung. Nachdem der Vorsitzende der Strafkammer Rechtsanwalt N in Hamburg gemäß § 141 StPO zum Verteidiger des früheren Angeklagten bestellt hat, ist dieser berechtigt, die Kosten der der Vorbereitung der Hauptverhandlung dienenden Besuche bei seinem Verteidiger als notwendige Auslagen geltend zu machen, auch wenn diese Besuche vor der Bestellung des Verteidigers stattfanden. Angesichts des dem früheren Angeklagten gemachten Vorwurfs des Betruges in 57 Fällen sind zwei Besuche nicht unangemessen, so daß deren Kosten zu erstatten sind.
Jedoch kann der frühere Angeklagte nicht die Kosten der Benutzung eines Pkw beanspruchen. § 464 a Abs. 2 StPO trifft keine abschließende Regelung über Art und Umfang der erstattungsfähigen eigenen Auslagen des Beschuldigten, sondern verweist nur hinsichtlich der Entschädigung für Zeitaufwand auf die Vorschriften für die Entschädigung von Zeugen.
Darüber hinaus ist es aber auch geboten, bezüglich der Fahrtkosten des früheren Angeklagten § 9 ZSEG entsprechend anzuwenden, denn es ist kein Grund ersichtlich, den Beschuldigten schlechter oder besser zu behandeln als Zeugen und Sachverständige (OLG Karlsruhe MDR 1986, 694).
Nach § 9 Abs. 1 ZSEG werden Kosten für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges nur bei einer Gesamtstrecke bis zu 200 km ersetzt. Da die Fahrstrecke einer Fahrt von Mönchengladbach nach Hamburg und zurück 900 km beträgt, sind nach § 9 Abs. 1 ZSEG die Kosten für die Benutzung des preisgünstigsten öffentlichen Beförderungsmittels und nach § 9 Abs. 2 S. 1 ZSEG der Fahrpreis der Deutschen Bahn bis zur ersten Wagenklasse zu ersetzen. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse und insbesondere Beruf, Alter und Gesundheitszustand des Erstattungsberechtigten zu berücksichtigen.
Da nach den Feststellungen des Urteils der frühere Angeklagte zur Zeit der Hauptverhandlung als Auslieferungsfahrer tätig war, entspricht die Erstattung der Kosten der 2. Wagenklasse seinen Lebensverhältnissen.
Zur Zeit der Fahrten des früheren Angeklagten kostete eine Hin- und Rückfahrt zwischen Mönchengladbach und Hamburg in der 2. Wagenklasse einschließlich Reservierungsentgelt und EC/IC Zuschlägen 254,-- DM, so daß für 2 Reisen 508,-- DM zu erstatten sind.
2.
Der von dem früheren Angeklagten für die durch die zwei Reisen zu seinem Verteidiger veranlaßte Zeitversäumnis geltend gemachte Betrag von 80,-- DM ist gerechtfertigt.
Nach § 464 a Abs. 2 Nr. 1 StPO gehört zu den notwendigen Auslagen auch die Entschädigung für eine notwendige Zeitversäumnis nach den Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZSEG ist, wenn - wie hier - ein Verdienstausfall nicht eingetreten ist; eine Entschädigung von 4,-- DM/Stunde zu zahlen, und zwar nach § 2 Abs. 5 ZSEG für höchstens zehn Stunden. Diese Zeit ist für eine Reise des - früheren - Angeklagten von Mönchengladbach nach Hamburg und zurück zur Besprechung mit dem Verteidiger notwendig.
Nach § 1 Abs. 1 ZSEG werden Zeugen nur entschädigt, wenn sie vom Gericht oder dem Staatsanwalt zu Beweiszwecken herangezogen werden. Das bedeutet jedoch nicht, daß der frühere Angeklagte nach § 464 a Abs. 2 Nr. 1 StPO eine Entschädigung auch nur für Zeitversäumnisse erhält, die durch gerichtliche oder staatsanwaltliche Termine entstanden sind. Bei der Regelung des § 464 a Abs. 2 Nr. 1 StPO handelt es sich nur um eine Rechtsfolgenverweisung, die den Umfang und die Höhe der Entschädigung betrifft (OLG Hamm NStZ 96, 356; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 464 a Rn. 6 m. w. N.). Eine Entschädigung ist deshalb auch für die Zeitversäumnis zu gewähren, die durch Verteidigerbesuche verursacht ist (OLG Zweibrücken MDR 1996, 318).
3.
Die dem früheren Angeklagten aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen berechnen sich demnach wie folgt:
1. Kosten des Verteidigers|1.942,65 DM|2. eigene Auslagen des früheren Angeklagten| |Pos. a)|30,-- DM|Pos. b)|254,-- DM|Pos. c)|254,-- DM|Pos. d)|80,-- DM|Pos. e)|32,-- DM| |2.592,65 DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Mai 1999.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
Ende der Entscheidung
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