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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.03.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 189/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1
StGB § 68 f Abs. 2
Die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung und die dieser Entscheidung zugrunde liegende günstige Sozialprognose für die künftige Lebensführung des Verurteilten im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB haben nicht zwangsläufig zur Folge, dass bei der - in anderer Sache - nach § 68f Abs. 2 StGB zu treffenden Entscheidung, ob die kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht entfällt, gleichfalls eine günstige Prognose für den Verurteilten zu stellen ist; denn die nach § 68f Abs. 2 StGB zu stellende Prognose ist an strengere Voraussetzungen geknüpft als die im Falle des § 57 Abs. 1 StGB.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

1 Ws 189/00 214 VRs 6904/95 StA Düsseldorf

In der Strafvollstreckungssache

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröter und die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Stüttgen am

8. März 2000

auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Krefeld vom 25. Januar 2000 - 33 StVK 593/99 - nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Verurteilte hat die durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Mai 1995 (214 VRs 6904/95 StA Düsseldorf) wegen Geldfälschung und Betruges in 38 Fällen gegen sie verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten nach Unterbrechung bis zum 9. Juli 1999 vollständig verbüßt. Im Anschluß daran ist ein Rest von 254 Tagen aus einer durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Januar 1993 (214 VRs 4019/93 StA Düsseldorf) wegen Betruges erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat vollstreckt worden; das Strafende war auf den 19. März 2000 notiert. Durch Beschluß vom 22. November 1999 - 1 Ws 915/99 - hat der Senat die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe mit Ablauf des 26. November 1999 auf die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt.

Durch den angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, daß die Verurteilte nach Vollverbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Mai 1995 kraft Gesetzes unter Führungsaufsicht steht. Sie hat entschieden, daß die Führungsaufsicht nicht entfällt. Sie hat die gesetzliche Höchstdauer der Führungsaufsicht auf drei Jahre abgekürzt.

Hiergegen wendet sich die Verurteilte mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie die Anordnung erstrebt, daß die Führungsaufsicht entfällt.

II.

Die nach §§ 463 Abs. 2 Satz 1, 454 Abs. 3 StPO statthafte, frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und auch (vorläufig) begründet.

1.

Die Voraussetzungen des § 68f Abs. 1 StGB für den Eintritt der Führungsaufsicht kraft Gesetzes sind erfüllt, denn die Verurteilte hat eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren, bei der es sich auch um eine Gesamtfreiheitsstrafe handeln kann (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 68f Rn. 2a m.w.N.), wegen einer vorsätzlichen Straftat voll verbüßt.

Nach § 68f Abs. 2 StGB ist jedoch anzuordnen, daß die Maßregel entfällt, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird.

Daß der Senat der Verurteilten in seinem Beschluß vom 22. November 1999 in der Sache 214 VRs 4019/93 StA Düsseldorf gemäß § 57 Abs. 1 StGB eine günstige Sozialprognose gestellt und die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat, bedeutet noch nicht, daß auch eine günstige Prognose im Sinne des § 68f Abs. 2 StGB zu stellen ist. Während für eine vorzeitige Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB ausreicht, daß diese unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, erfordert das Entfallen der Führungsaufsicht die Erwartung, daß der Verurteilte auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Da die Anordnung nach § 68f Abs. 2 StGB Ausnahmecharakter hat (OLG Düsseldorf - 3. Strafsenat - MDR 1990, 180; KG JR 1993; 302) gehen Zweifel zu Lasten des Verurteilten (OLG Karlsruhe MDR 1987, 784). § 68f Abs. 2 StGB stellt demnach an die Sozialprognose strengere Voraussetzungen als § 57 Abs. 1 StGB (OLG Düsseldorf aaO; KG JR 88, 295). Allerdings ist die begründete Erwartung ausreichend, daß die Verurteilte infolge nachträglich bekannt gewordener oder hervorgetretener Umstände künftig ein straffreies leben führen wird (Senat StV 1995, 539; OLG Düsseldorf - 3. Strafsenat aaO).

Die Strafvollstreckungskammer hätte sich im Rahmen der nach § 68f Abs. 2 StGB gebotenen Prüfung jedoch damit auseinandersetzen müssen, daß die Verurteilte sich erstmals über fünf Jahre in Haft befunden und sich sowohl während des geschlossenen Vollzuges als auch als Freigängerin beanstandungsfrei geführt und ihr gewährte Vollzugslockerungen nicht mißbraucht hat. Ferner wäre zu berücksichtigen gewesen, daß sie in geordnete häusliche Verhältnisse zurückkehrt und einer Beschäftigung nachgeht. Stattdessen hat die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung unter formelhafter Wiedergabe des Gesetzeswortlautes allein auf die Vorstrafen der Verurteilten und ihr Bewährungsversagen gestützt. Diesen Umständen aber kommt bei der zu treffenden Prognoseentscheidung nach mehr als fünfjährigem Strafvollzug gegenüber dem Verhalten im Vollzug und den gegenwärtigen Lebensverhältnissen nur noch eine eingeschränkte Aussagekraft zu (vgl. BVerfG NJW 2000, 502). Auch die Erklärung der Verurteilten bei ihrer Anhörung und die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt sind zumindest in ihrem Kerngehalt in der Entscheidungsbegründung darzustellen und zu werten (Senat aaO).

Diesen Erfordernissen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

2.

Der aufgezeigte Verfahrensmangel läßt es dem Senat geboten erscheinen, nicht gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst zu entscheiden, sondern diese ausnahmsweise zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. Eine solche, vom Wortlaut des § 309 Abs. 2 StPO abweichende Ausnahmeentscheidung des Beschwerdegerichts ist u.a. dann zulässig, wenn eine den Sachverhalt ausschöpfende Entscheidung gänzlich fehlt (Senat aaO).

Ende der Entscheidung

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