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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.11.1999
Aktenzeichen: 1 Ws 869/99
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 112 Abs. 3
§ 112 Abs. 3 StPO

Auch wenn nach § 112 Abs. 3 StPO in den dort genannten Fällen dem Gericht die Feststellung erlassen ist, daß bestimmte Tatsachen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr begründen, setzt der Erlaß eines Haftbefehls in den Fällen dieser Vorschrift doch voraus, daß festgestellt wird, daß eine wenn auch geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht oder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann.

OLG Düsseldorf Beschluß 03.11.1999 - 1 Ws 869/99 - 111 Js 218/95 StA Düsseldorf


wegen versuchten Totschlags

hat der 1. Strafsenat durch die Richter am Oberlandesgericht Heidemann, Schimmann und Stüttgen am 3. November 1999 auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß der XXVI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 1. Dezember 1997 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Durch Urteil vom 30. Mai 1996 hat das Amtsgericht - Schöffengericht - Düsseldorf den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat die XXVI. kleine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf durch Urteil vom 1. Dezember 1997 das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Schwurgericht des Landgerichts Düsseldorf verwiesen. Nach den von der Strafkammer nach Durchführung der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen "hat sich der Angeklagte am 11. Februar 1995 in der Zeit von kurz nach 01.00 Uhr bis etwa 01.30 Uhr zumindest eines versuchten Totschlags gemäß den §§ 212, 22 StGB schuldig gemacht, als er dem Zeugen W. T. zumindest drei Schläge mit einem hammerähnlichen Gegenstand mit zum Teil hohem Kraftaufwand gegen den Kopf versetzte und ihn hierdurch lebensgefährlich verletzte."

Die von dem Angeklagten dagegen eingelegte Revision hat der Senat durch Beschluß vom 14. Juli 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 3 StPO als unbegründet verworfen.

Termine zur Hauptverhandlung sind für die Zeit vom 19. Januar bis 3. Februar 2000 vorgesehen.

In der Hauptverhandlung vom 1. Dezember 1997 hat die XXVI. kleine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf den Antrag der Staatsanwaltschaft, Haftbefehl gemäß § 112 Abs. 3 StPO gegen den Angeklagten zu erlassen, abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 27. September 1999, mit der sie den Erlaß eines Haftbefehls gemäß § 112 Abs. 3 StPO weiterverfolgt.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

Zwar darf nach § 112 Abs. 3 StPO gegen den Angeklagten, der einer Straftat nach § 212 StGB dringend verdächtig ist, auch wenn es sich nur um einen Versuch handelt (BGHSt 28, 355), die Untersuchungshaft angeordnet werden, auch wenn ein Haftgrund nach Abs. 2 nicht besteht. Jedoch gilt das nach der verfassungskonformen Auslegung des Bundesverfassungsgerichts nur dann, wenn Umstände vorliegen, die die Gefahr begründen, daß ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte (BVerfG NJW 1966, 243, 244; NJW 1966, 772). Danach wird dem Gericht zwar die Feststellung erlassen, daß bestimmte Tatsachen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr begründen, jedoch ist die Feststellung erforderlich, daß eine verhältnismäßig geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht oder daß sie jedenfalls nicht auszuschließen ist.

Hier ist die Gefahr einer Flucht des Angeklagten aufgrund der gesamten Umstände auszuschließen. Insbesondere wird sie auch nicht durch die bevorstehende erneute Hauptverhandlung begründet. Der Angeklagte hat sich, nachdem er vor etwa 3 1/2 Jahren durch das Schöffengericht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war, zu keiner Zeit dem Verfahren entzogen und sich auch der Berufungshauptverhandlung gestellt, obwohl er mit der Verwerfung seines Rechtsmittels rechnen mußte. In derselben Situation befindet er sich nunmehr vor der erneuten Hauptverhandlung, in der er zwar mit der Verschärfung des Schuldspruchs rechnen muß, ihm aber, da die Staatsanwaltschaft keine Berufung eingelegt hat, eine Erhöhung der Freiheitsstrafe nicht droht.

Auch die Lebensumstände des Angeklagten lassen eine Flucht ausgeschlossen erscheinen. Er als Empfänger von Arbeitslosenhilfe und seine Ehefrau als Arbeiterin leben in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen, die ihm ein Leben auf der Flucht oder gar einen längeren Aufenthalt im Ausland nicht ermöglichen. Darüber hinaus ist der Angeklagte 59 Jahre alt, hat enge Bindungen zu seiner Ehefrau, ist in S. verwurzelt und hat - soweit bekannt - keine Kontakte im In- oder Ausland, die ihm eine Flucht ermöglichen oder erleichtern könnten.

Ende der Entscheidung

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