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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.11.2001
Aktenzeichen: 10 U 98/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 571
BGB § 554 a
BGB § 566 Satz 2 (a.F.)
BGB § 566 Satz 1 a.F.
ZPO § 319
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
1. Die nachträgliche Vereinbarung einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages bei Stellung eines Nachmieters zählt nicht zu den Essentialia eines Mietvertrages, die dem Formzwang des § 566 Satz 1 BGB a.F. unterliegen. Gleiches gilt, wenn sich die mit einer (hier: nur geduldeten) unerlaubten Untervermietung verbundene Änderung der Nutzung der Mieträume nicht wesentlich von der bisherigen Nutzung des Hauptmieters unterscheidet.

2. Zur Bedeutung der Klausel, "Bei Übergabe des Mietgegenstandes an den Mieter wird die ...-Mietfläche gemäß DIN 277 Teil 1 gemeinsam aufgemessen. Abweichung bis zu +/-3 % von den Flächenangaben bleiben unberücksichtigt", für die Einhaltung der Schriftform, wenn keine Partei bei Übergabe der Mietsache auf das gemeinsame Aufmaß zurückkommt.

3. Zur treuwidrigen Berufung auf den Formmangel.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF ENTSCHEIDUNGEN DES 10. ZIVILSENATS URTEIL

10 U 98/00

verkündet am 15.11.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Mai 2000 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Der Tenor des vorgenannten Urteils wird wegen offenbarer Unrichtigkeit klarstellend wie folgt berichtigt:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien gemäß Mietvertrag vom 24.2./3.3.1992 bestehende Mietverhältnis über ein Ladenlokal im Erdgeschoß sowie Lagerraum im Untergeschoß des Hauses A... W... in D..., nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 9.6.1999 zum 31.12.1999 beendet worden ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 28.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorab in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichrechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Mit dem auf eine feste Laufzeit von 10 Jahren abgeschlossenen Mietvertrag vom 24.2./3.3.1992, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird (Anlage V001 zur Klageschrift), mietete die Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewerbliche Räume im Objekt "A-Wehrhahn... in D... Nachdem sich die Beklagte wiederholt vergeblich um eine vorzeitige Aufhebung bemüht hatte, kündigte sie das Mietverhältnisses mit Anwaltsschreiben vom 9.6.1999 zum 31.12.1999.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien gemäß Mietvertrag vom 24.2./3.2.1992 (richtig: 3.3.) bestehende Mietverhältnis über ein Ladenlokal im Erdgeschoß sowie Lagerraum im Untergeschoß des Hauses A... W..., D..., nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 9.6.1999 zum 31.12.1999 beendet worden sei, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestehe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei zur Kündigung berechtigt gewesen, weil der Mietvertrag nachträglich ohne Einhaltung der Form des § 566 Satz 1 BGB a.F. mehrfach geändert worden sei. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22.12.1999 (GA 15 ff.) verwiesen.

Das Landgericht hat der Feststellungsklage mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe im Einzelnen verwiesen wird (GA 57 - 62) stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Der Mietvertrag sei in der gesetzlichen Frist kündbar gewesen, weil die nachträglich getroffenen Vereinbarungen über die Aufhebung des Mietvertrages bei Stellung eines Nachmieters, über eine geänderte Nutzung des Objekts und über die Aufhebung der im Mietvertrag vorgesehenen Verpflichtung zu einer bei der Übergabe des Mietobjekts vorzunehmenden gemeinsamen und verbindlichen Festlegung der Größe des Mietobjekts ohne Einhaltung der Schriftform des § 566 Satz 1 BGB a.F. getroffen worden seien. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Berufungsschrift vom 13.7.2000 (GA 85 ff.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin bittet nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 11.6.2001, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird (GA 113 ff.) um Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien einschließlich der zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat sachlich keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass das auf zehn Jahre befristete Mietverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 9. Juni 1999 vorzeitig zum 31.12.1999 beendet worden ist. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine hiervon abweichende Feststellung.

I.

Der Senat hat den Tenor des angefochtenen Urteils von Amts wegen gemäß § 319 ZPO berichtigt, da die klägerische Angabe der vom Landgericht übernommenen Hausnummern des Gebäudes, in dem die streitgegenständlichen Geschäftsräume gelegen sind, nach dem Inhalt der Klageschrift und den Angaben des vorgelegten Mietvertrages auf einem offensichtlichen Schreibversehen beruht.

II.

Das nach den zutreffenden und nicht angegriffenen Erwägungen des Landgerichts zulässige Feststellungsbegehren ist sachlich begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 9.6.1999 konnte das Mietverhältnis nicht vorzeitig beenden, weil zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten durch den formwirksamen Mietvertrag vom 3.724.2.1992, in den die Klägerin auf Vermieterseite gemäß § 571 BGB eingetreten ist, ein auf zehn Jahre befristetes Mietverhältnis zustande gekommen ist.

Ein Kündigungsrecht der Beklagten folgt nicht gemäß § 566 Satz 2 BGB (a.F.) daraus, dass die Parteien den Mietvertrag ohne Wahrung der Schriftform nachträglich abgeändert haben. Die Beklagte leitet das Schriftformerfordernis insoweit erfolglos aus

(1) einer Vereinbarung über die Aufhebung des Mietvertrages bei Stellung eines Nachmieters,

(2) einer Vereinbarung über die geänderte Nutzung des Mietvertrages und

(3) aus der Nichtvornahme des vertraglich bei Übergabe des Mietobjektes vorgesehenen gemeinsamen Aufmaßes ab.

Zu (1):

Der Senat lässt offen, ob die Klägerin verbindlich zugesagt hat, die Beklagte bei Stellung eines geeigneten Nachmieters aus dem Mietvertrag zu entlassen, denn selbst wenn die Klägerin eine sie bindende Erklärung ohne Einhaltung der Schriftform abgegeben hat, führt dies nicht dazu, dass nunmehr der gesamte Mietvertrag gemäß § 566 Satz 2 BGB (a.F.) als auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen ist. Die nachträgliche Vereinbarung einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages bei Stellung eines Nachmieters zählt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu den Essentialia eines Mietvertrages, die dem Formzwang des § 566 Satz 1 BGB a.F. unterliegen. Der Senat stützt diese Auffassung auf die ein Urteil des Senats aufhebende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. Mai 1995 (NJW 1995, 2034). Nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der beklagte Mieter das befristete Mietverhältnis wegen Verweigerung der Untermieterlaubnis vorzeitig fristlos gekündigt. Nach Auffassung des Senats war das Sonderkündigungsrecht des Mieters formularvertraglich wirksam ausgeschlossen, so dass die Kündigung unbegründet war. Der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung nicht beigetreten, sondern hat die Sache u.a. zur Klärung der Frage, welche Partei Verwender der streitgegenständlichen AGB-Klausel war, zurückverwiesen. Der Mieter hatte darüber hinaus vorgetragen und unter Beweis gestellt, der Kläger habe sich zunächst mit einer vorzeitigen Vertragsauflösung bei Stellung eines akzeptablen Nachmieters einverstanden erklärt, sein Einverständnis aber später widerrufen. Der BGH hat hierzu lediglich ausgeführt, dass - sollte dieses Vorbringen erweislich sein - dieses Verhalten des Klägers unter dem Gesichtspunkt eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung (§ 554 a BGB) zu würdigen sei. Hätte die vorgetragene mündliche Nachmietervereinbarung zugleich die Rechtsfolgen des § 566 Satz 2 BGB (a.F.) ausgelöst, so war der Hinweis auf § 554 a BGB überflüssig, weil die Kündigung des Beklagten dann bereits aus diesem Grund wirksam geworden wäre. Aus dem Schweigen des BGH zu dieser Frage lässt sich daher entnehmen, dass der BGH in einer nur mündlichen Nachmietervereinbarung keinen, die Rechtsfolgen des § 566 Satz 2 BGB (a.F.) auslösenden Formmangel sieht. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen.

Unabhängig von vorstehenden Erwägungen ist die Beklagte jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich wegen der behaupteten Nachmietervereinbarung auf einen - etwa anzunehmenden - Formmangel zu berufen. Es ist unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit nicht hinzunehmen, dass die Beklagte eine allein zu ihren Gunsten getroffene formlose Vereinbarung zum Anlass nimmt, sich unter Berufung auf diesen Formmangel vorzeitig aus dem befristet abgeschlossenen Mietvertrag zu lösen (BGH, Urt. v. 7.7.1999, ZMR 1999, 810; BGHZ 65, 48, 55; Palandt-Weidenkaff, BGB, 60. Aufl., § 566 a.F., RdNr. 12).

Zu (2):

Dass die Klägerin einer Überlassung des Mietobjekts an die Fa. "D... D..." nicht ausdrücklich widersprochen hat, begründet entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls keinen Formmangel i.S. des § 566 Satz 2 BGB (a.F.). Es mag dahinstehen, ob es sich bei einer mehrjährigen bloßen Duldung einer (unerlaubten) Untervermietung um eine wesentliche Änderung oder Ergänzung des ursprünglichen Mietvertrages handelt, die nach § 566 Satz 1 BGB (a.F.) formbedürftig ist. Der Schriftform bedürfen jedenfalls weder solche Abreden, die für den Inhalt des Vertrages, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind, noch Bestimmungen, die nicht über das hinausgehen, was bereits im Vertragstext selbst seinen Niederschlag gefunden hat, oder die dessen Inhalt nicht modifizieren, sondern lediglich erläutern oder veranschaulichen sollen (BGH, Urt. v. 14.1.1997, NJW 1997, 2182; Urt. v. 30.6.1999, ZMR 1999, 691).

In diesem Sinn weicht die mit der Untervermietung verbundene Änderung der Nutzung der Mieträume (Einzelhandel mit Dekobedarf statt P...Einzelhandel mit dem für P...Filialen üblichen Sortiment) nicht von dem ab, was bereits in § 12 des schriftlichen Mietvertrages seinen Niederschlag gefunden hat. Nach § 12.1 Satz 1 des schriftlichen Mietvertrages durfte die Klägerin eine Zustimmung zu einer Untervermietung nur aus wichtigem Grund verweigern Die Klägerin verweist zurecht darauf, dass sich dieser Regelung eine Beschränkung des Untervermietungsrechts auf solche Unternehmen, die Produkte der Beklagten vertreiben, nicht entnehmen lässt, so dass die Änderung des Nutzungszwecks bei einer Zustimmungspflichtigen Untervermietung vertragsimmanent ist und keiner nochmaligen Beurkundung bedurfte. Dies gilt jedenfalls in einem Fall wie hier, in dem sich die geänderte Nutzung nicht wesentlich von der bisherigen Nutzung durch den Hauptmieter unterscheidet und die Mietsache hierdurch nicht in höherem Maße der Abnutzung unterliegt.

Schließlich gilt auch insoweit, dass sich die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf einen - etwa anzunehmenden - Formmangel nicht berufen kann. Unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit ist es nicht hinnehmbar, dass die Beklagte eine sie letztlich begünstigende, formlose Duldung der Untervermietung zum Anlass nimmt, sich unter Berufung auf diesen Formmangel vorzeitig aus dem befristet abgeschlossenen Mietvertrag zu lösen.

Zu (3):

Ein vorzeitiges Kündigungsrecht ergibt sich auch nicht daraus, dass die Vertragsabschlussparteien - wie die Beklagte zu Unrecht meint - eine formbedürftige Änderung der im Mietvertrag vereinbarten Methode zur Berechnung der Mietzinshöhe vorgenommen haben. Zwar enthält § 3.2 Satz 2 des schriftlichen Mietvertrags die Regelung, "Bei Übergabe des Mietgegenstandes an den Mieter wird die ...-Mietfläche gemäß DIN 277 Teil 1 gemeinsam aufgemessen. Abweichung bis zu +/- 3 % von den Flächenangaben bleiben unberücksichtigt." Der Umstand, dass keine Partei bei Übergabe der Mietsache auf dieses gemeinsame Aufmaß zurückgekommen ist, reicht aber für die Annahme einer konkludenten Änderung des vereinbarten Mietzinses nicht aus. Die Parteien haben in § 3.1 die Höhe der monatlichen Grundmiete fest vereinbart. Wie das Landgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, sind sie bei der Berechnung der Grundmiete von bestimmten Flächenmaßen ausgegangen, die sich aus den Zeichnungen ergaben und die im Einzelnen bezeichnet sind. Dass für die Berechnung des Mietzinses die Fertigung eines gemeinsamen Aufmaßes maßgeblich sein sollte, ist der in § 3. 2 getroffenen Regelung auch im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht zu entnehmen. Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass diese Bestimmung lediglich dass Recht einer jeden Partei dokumentiert, eine Änderung der in § 3.1 vereinbarten Miete zu verlangen, sofern ein gemeinsames Aufmaß bei Übergabe Abweichungen von plus/minus 3 % von den in § 1.2 des Mietvertrages angegebenen Flächen ergeben sollte. Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz liegt hierin nicht. Gegenteiliges ist der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH vom 29.9.1999 (NJW 2000, 354), die einen anders gelagerten Sachverhalt betrifft, nicht zu entnehmen. Die Entscheidung - soweit hier von Interesse - betrifft die andersgelagerte Frage, welche Rechtsfolgen es hat, wenn die Parteien von der Errichtung eines vereinbarten Inventarverzeichnisses absehen. Auf die hier streitige Frage, welche Rechtsfolge es hat, wenn die Parteien bei einem festgelegten und bezifferten Grundmietzins davon absehen, ein vereinbartes gemeinsames Aufmaß nicht vorzunehmen, ist sie nicht übertragbar.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert: 311.997 DM (12 x 25.999,81 DM, § 16 GKG)

Beschwer: über 60.000 DM

Ende der Entscheidung

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