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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.08.2000
Aktenzeichen: 12 W 39/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 411 Abs. 4
ZPO § 406
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 411
ZPO § 412
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

12 W 39/00

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht am 24. August 2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Landgerichts Duisburg vom 15. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Beschwerdewert: 500.766,00 DM (Hauptsachestreitwert).

Gründe:

I.

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung von Honorar für erbrachte Ingenieurleistungen in Anspruch genommen; mit ihrer Widerklage verlangt die Beklagte Schadenersatz, weil der Beklagte seine gutachterlichen Pflichten verletzt haben soll.

Seine Klage hat der Kläger nach einer aussergerichtlichen Einigung mit der Beklagten durch Schriftsatz vom 12. Oktober 1998 zurückgenommen.

Durch Hinweis- und Beweisbeschluß vom 14. Oktober 1998 hat das Landgericht eine Beweiserhebung zum Grunde einer Haftung des Klägers durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Auf den Vorschlag der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer wurde der Diplom-Geologe im Einverständnis beider Parteien durch Beschluß vom 17. Dezember 1998 zum Sachverständigen ernannt. Das Gutachten gemäß Hinweis- und Beweisbeschluß vom 14. Oktober 1998 erstattete der Sachverständige unter dem 29. Oktober 1999.

Durch Beschluß vom 5. November 1999 wurde den Parteien das Gutachten übersandt, gleichzeitig wurde angeordnet, Anträge und Ergänzungsfragen gemäß § 411 Abs. 4 ZPO binnen drei Wochen ab Zugang mitzuteilen. Auf Antrag des Klägers wurde die Stellungnahmefrist durch Beschluß vom 3. Dezember 1994 für beide Parteien bis zum 28. Dezember 1999 verlängert. Eine weitere Fristverlängerung für den Kläger, erfolgte mündlich durch den Kammervorsitzenden bis zum 10. Januar 2000.

Durch einen beim Landgericht Duisburg am 7. Januar 2000 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger eine umfangreiche Stellungnahme zum Sachverständigengutachten eingereicht und gleichzeitig den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung des Befangenheitsgesuchs hat der Kläger geltend gemacht, die Ausführungen im schriftlichen Gutachten begründeten die Besorgnis der Befangenheit. Der Sachverständige habe Bewertungsmaßstäbe falsch gewichtet, unzulässige rechtliche Würdigungen vorgenommen, ein Schreiben des Klägers im falschen Zusammenhang zitiert, außerdem vorgelegte Unterlagen falsch bewertet.

In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 28. Januar 2000 führt der Sachverständige aus, er fühle sich nicht befangen. Das Ablehnungsgesuch setze sich ausschließlich mit fachlichen Aspekten des Gutachtens aus der Sicht eines Parteivortrages auseinander.

Durch den angefochtenen Beschluß vom 15. Juni 2000 hat das Landgericht das Gesuch des Klägers, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, als verspätet zurückgewiesen und gleichzeitig die schriftliche Ergänzung des Gutachtens auf der Grundlage der Einwendungen des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 7. Januar und 12. April 2000 angeordnet.

Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, das Ablehnungsgesuch sei verspätet, weil es nicht unverzüglich nach Kenntnis des Gutachteninhaltes innerhalb einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist eingereicht worden sei. Der Kläger habe die ihm eingeräumte Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO nicht ausschöpfen dürfen, diese Frist beziehe sich nur auf sachliche Äußerungen, nicht dagegen auf formelle Erklärungen zur Ablehnung, an die dem Wortlaut des § 406 ZPO nach strengere Anforderungen zu stellen seien.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er führt aus, gerade dann, wenn sich die Befangenheitsgründe erst in einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten zeigten, könne ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der Frist des § 411 ZPO eingereicht werde, nicht verfristet sein.

II.

Die Beschwerde des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1.

Das Befangenheitsgesuch des Klägers vom 7. Januar 2000 ist vom Landgericht allerdings zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden.

Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgeblich. Das Ablehnungsgesuch ist in diesem Falle nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern ohne schuldhaftes Zögern innerhalb einer den Umständen des Einzelfalles angepaßten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen. Die in diesem Sinne angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist beträgt regelmäßig einen Monat (OLG Köln, VersR 1989, 210; OLG Düsseldorf, OLGR 1995, 225; NJW-RR 1998, 933, 934).

Daß der Kläger diese Frist überschritten hat, führt nicht zur Unzulässigkeit seines Ablehnungsuchs, weil er berechtigt war, die Stellungnahmefrist des § 411 Abs. 4 ZPO, die zweimal verlängert wurde, auch zur Einreichung eines Ablehnungsgesuchs auszunutzen. Ein Befangenheitsantrag innerhalb dieser Frist ist zumindest dann nicht nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO verspätet, wenn die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ihre Grundlage in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten hat, weil die Frist des § 411 Abs. 4 ZPO gerade dazu dient, das Gutachten auf inhaltliche Mängel zu überprüfen. Der Senat folgt damit nicht der Ansicht, wonach der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit auch dann regelmäßig innerhalb eines Monats seit Zugang des Gutachtens einzureichen ist, wenn zu dieser Zeit die Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO noch nicht abgelaufen ist (so aber: OLG Koblenz, NJW-RR 1999, 72, 73; Leipold in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 406, Rdnr. 19; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. § 406, Rdnr. 7).

Durch die Fristsetzung nach § 411 Abs. 4 ZPO soll erreicht werden, daß die Prozeßparteien ihre Einwände gegen das Gutachten oder Ergänzungswünsche so frühzeitig dem Gericht mitteilen, daß eine erforderliche schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen rechtzeitig vor der letzten mündlichen Verhandlung angefordert oder der Sachverständige ggf. zur mündlichen Erläuterung geladen werden kann. Die am Rechtsstreit beteiligten Parteien müssen sich daher innerhalb der gesetzten Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und ggf. in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird.

Kommt eine Partei auf Grund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens zu dem Ergebnis, daß dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig sei, wird diese Einschätzung regelmäßig einen Ergänzungsantrag rechtfertigen. Führt die Partei aber darüber hinaus bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten darauf zurück, daß der Sachverständige ihr gegenüber voreingenommen sei, ist auch diese Besorgnis das Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Die Länge der Frist, binnen derer die Partei das Ergebnis ihrer Prüfung des Gutachtens in Antragsform anzubringen hat, kann nicht davon ahhängig sein, ob letztlich ein Ergänzungs- oder Befangenheitsantrag oder - wie hier - eine Kombination aus beiden Anträgen eingereicht wird.

Der Antragsteller kann daher nicht gezwungen sein, binnen kürzerer Frist eine Vorprüfung des Gutachtens mit dem Zweck der Feststellung vorzunehmen, ob das Gutachten Mängel enthält, die aus seiner Sicht nicht nur einen Ergänzungsantrag nötig machen, sondern sogar die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Setzt das Gericht eine Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO, läuft die Ablehnungsfrist daher gleichzeitig mit und nicht unabhängig von der Frist zur Stellungnahme ab (Damrau in: Münchener Kommentar ZPO, 2. Aufl., § 406, Rdnr. 7).

Die Anwendung einer gegenüber der Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO verkürzten Frist zur Einreichung des Befangenheitsantrags ist auch nicht geboten, um dadurch zu verhindern, daß Ablehnungsanträge aus prozeßtaktischen Gründen zurückgehalten werden (OLG Koblenz, a.a.O.). Zum einen ergibt sich die Möglichkeit des Antragstellers, binnen längerer Frist zulässigerweise einen Ablehnungsantrag stellen zu können, ohnehin nur in den Fällen, in denen die Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO länger ist als die angemessene Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Zum anderen kann das Gericht prozeßleitende Maßnahmen ohnehin erst dann treffen, wenn die Stellungnahmefrist des § 411 Abs. 4 ZPO abgelaufen ist.

Da der Kläger sein Befangenheitsgesuch am 7. Januar 2000 und damit rechtzeitig vor Ablauf der durch Verfügung vom 27. Dezember 1999 bis zum 10. Januar 2000 verlängerten Stellungnahmefrist eingereicht hat, ist sein Befangenheitsgesuch zulässig.

2.

Der Antrag des Klägers auf Ablehnung des Sachverständigen H wegen Besorgnis der Befangenheit ist aber unbegründet.

Der Kläger stützt seinen Ablehnungsantrag ausschließlich auf Umstände, die ihre Ursache in einer Auseinandersetzung mit dem sachlichen Inhalt des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen vom 29. Oktober 1999 haben. Die Behauptung, der Sachverständige habe bereits vorher in einer geschäftlichen oder persönlichen Beziehung mit der Beklagten als Eigentümerin des Grundstückes oder deren Rechtsvorgängerin gestanden, ist erkennbar spekulativ und durch glaubhaft gemachte Tatsachen nicht belegt.

Soweit der Kläger rügt, der Sachverständige habe aufgrund mangelnder fachlicher Kompetenz oder unzureichender Auswertung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen falsche Schlüsse gezogen, beinhaltet dieses Vorbringen den Vorwurf fehlender Sachkunde des Sachverständigen. Die Rüge fehlender Sachkunde begründet aber regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil die Fachkompetenz eines Sachverständigen nicht dessen Unparteilichkeit betrifft (Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl., Rdnr. 2649). Den hier vom Kläger erhobenen Rügen angeblich nicht ausreichender Sachkunde oder falscher Auswertung vorhandener Unterlagen sehen sich regelmäßig beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt. Das Verfahren auf Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit dient aber nicht dazu, mögliche inhaltliche Mängel des Gutachtens zu beheben. Zur Erreichung dieses Zwecks sind durch die §§ 411, 412 ZPO ausreichende Mittel gegeben, die dazu dienen, auf ein qualifiziertes Gutachten, das zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden kann, hinzuwirken.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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