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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 14 U 236/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 635
BGB § 328
BGB § 826
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 28. Juni 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Dengler, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schlurmann und den Richter am Landgericht Tischner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10. November 2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 24.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer im EU-Raum ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen einer nach seiner Behauptung unrichtigen Grundstücksbegutachtung.

Die Beklagten sind die Söhne und Erben des zwischenzeitlich verstorbenen vereidigten Bausachverständigen K.

Im Auftrag des seinerzeitigen Eigentümers des über 3000 qm großen Wohn- und Betriebsgrundstücks des Zeugen R, erstattete der Rechtsvorgänger der Beklagten unter dem 25. Mai 1992 ein Wertermittlungsgutachten zwecks Feststellung des Verkehrswertes. Der Verkehrswert wurde mit 2 Mio. DM angegeben (wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bl. 18-29 d.GA Bezug genommen).

Der Zeuge R verkaufte mit Vertrag vom 29.10.1996 das Grundstück an den Kläger zu einem Kaufpreis von 2 Mio. DM ohne Mehrwertsteuer. In dem Kaufpreis sollte der Preis für das Inventar der Gaststätte mit Veranstaltungshalle mit einem Betrage von 300.000 DM enthalten sein.

Der Kläger holte ein Gutachten des Sachverständigen N mit dem Auftrag einer Stellungnahme zu dem Gutachten des Sachverständigen K vom 29.05.1992 ein. Dieses Gutachten vom 20.07.1998 gelangte in zahlreichen Einzelpunkten dazu, dass die Feststellungen und Bewertungen des Sachverständigen K falsch seien (GA Bl. 30-43).

Der Zeuge R zahlte an den Kläger einen Kaufpreisteilbetrag von 95.000 DM zurück.

Der Kläger hat gestützt auf das Gutachten N behauptet, der Verkehrswert des Kaufgrundstücks habe 1992 lediglich 1.411.199 DM betragen. Das Gutachten K sei in weiten Teilen falsch gewesen. Der Sachverständige sei davon ausgegangen, dass der Kern der Gebäude aus dem Jahre 1978 stamme. Tatsächlich habe ein Teil der Gebäude bereits in den 50er Jahren an Ort und Stelle gestanden, ein weiterer Teil sei in den 60er Jahren gebaut worden. Außerdem spreche der Sachverständige K von einer fast ebenen Geländeoberfläche. Tatsächlich sei das gesamte Gelände abschüssig, zum Teil sogar so stark, dass eine Treppe mit Absperrgitter nötig gewesen sei. Die technischen Anlagen seien als neuwertig u.ä. beschrieben worden. Tatsache sei, dass die Anlagen größtenteils marode und veraltet seien und gewesen seien.

Herr K habe offensichtlich nur nachlässige Ermittlungen angestellt, d. h. das Gutachten leichtfertig erstellt.

Der Kläger verlangt, da er sich in Kenntnis der tatsächlichen Sachlage nicht zum Kauf des Grundstücks entschlossen hätte, Schadensersatz in Gestalt der Differenz zwischen Kaufpreis und tatsächlichem Wert, wobei er sich Beträge für die Kaufpreisrückzahlung seitens des Zeugen R sowie den Kaufpreis für das bewegliche Inventar in Höhe von 97.750 DM abziehen läßt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 396.051 DM zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren Schaden zu ersetzen, der diesem aufgrund des Kaufs des Anwesens B Straße 6 in R-H noch erwächst.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, das Gutachten sei ausschließlich für Beleihungszwecke erstellt worden. Es habe keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Klägers gehabt, da es 4 1/2 Jahre zuvor erstellt worden sei. Das Gutachten ihres Rechtsvorgängers sei richtig gewesen. Anlagen im Wert von 135.860 DM und Betriebseinrichtung im Wert von 200.000 DM seien bei der Veräußerung nicht mehr vorhanden gewesen, jedoch bei der Gutachtenerstellung.

Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen.

Vertragliche Ansprüche stünden dem Kläger, nicht zu, da dieser in den Schutzbereich des Vertrages zwischen dem Zeugen R und dem Erblasser nicht einbezogen gewesen sei; Es habe an der Erkennbarkeit der Drittbezogenheit der Leistung für den Sachverständigen gefehlt, da für diesen allenfalls nahegelegen hätte, dass Gewerbetreibende in näherer Zeit das Grundstück erwerben könnten.

Aus dem selben Grunde liege keine leichtfertige Gutachtenerstellung vor.

Schließlich fehle es auch an der zurechenbaren Kausalität zwischen der vermeintlich falschen Begutachtung und dem behaupteten Schadenseintritt, da nicht ersichtlich und nicht substantiiert vorgetragen sei, wieso der Kläger sich auf ein vier Jahre zurückliegendes Gutachten verlassen habe. Es sei offensichtlich, dass Einrichtungen und Anlagen innerhalb von vier Jahren an Wert verlieren konnten, so dass der Verkehrswert von 2 Mio. DM kaum im Jahre 1996 habe fortbestehen können.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

Er macht geltend, es könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger in den Schutzbereich des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte falle. Das Postulat des Bundesgerichtshofs, der Kreis der anspruchsberechtigten Personen dürfe nicht uferlos ausgeweitet werden, enthalte keine zeitliche Komponente.

Der Zeitablauf von etwa 4 1/2 Jahren sei auch kein Grund, die Ursächlichkeit der vom Gutachter getroffenen Feststellungen für den Kaufentschluss des Klägers zu verneinen. Zum Inhalt des Gutachtens gehöre auch die falsche Beschreibung von wesentlichen bautechnischen Einzelheiten, die mit einer Alterung in der Zeit zwischen 1992 und 1996 nichts zu tun haben könnten.

Der Kläger behauptet, in Kenntnis der Mängel des Gutachtens hätte er einen eigenen Sachverständigen beauftragt, der für Mai 1992 keinen höheren Verkehrswert festgestellt hätte, als der Gutachter N.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 396.051 DM nebst 4 % Zinsen davon seit dem 16. Mai 2000 zu zahlen;

2.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm durch den Kauf des Anwesens B Straße 6 in R-H noch erwächst.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen, den Beklagten die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß des Herrn Bruno K vorzubehalten.

Die Beklagten wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Bei Beauftragung des Erblassers habe der Zeuge R keinerlei Verkaufsabsicht gehabt.

Zur Darlegung der bestrittenen Kausalität des Gutachtens für den Kaufentschluss könne sich der Kläger nicht auf den Beweis des ersten Anscheins berufen, da es keinen Erfahrungssatz gebe, wonach ein Immobilienkäufer für seine Kaufentscheidung ein Gutachten heranziehe, welches älter als vier Jahre ist und einen entsprechenden Ermittlungsstichtag angibt.

Überdies seien bautechnische Einzelheiten entgegen den Behauptungen des Klägers in dem Gutachten nicht falsch sondern richtig beschrieben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Landgericht einen vertraglichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagten als Rechtsnachfolger ihres Vaters verneint.

Als Anspruchsgrundlage kommen § 635 BGB oder die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung in Verbindung mit entsprechender Anwendung des § 328 BGB in Betracht. Ein Gutachten, das Fehler aufweist, die der Gutachter zu vertreten hat, verpflichtet diesen zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Anspruchsberechtigt sind der Besteller des Gutachtens und jeder in den Schutzbereich des Gutachtenvertrags einbezogene geschädigte Dritte (BGH NJW 01, 514, 515).

Mit Recht hat das Landgericht erkannt, dass der Kläger unter den hier gegebenen Umständen nicht in den Schutzbereich des Vertrags zwischen dem Zeugen R und dem Erblasser einbezogen war.

Ob dies der Fall war, hängt vom Vertragswillen der bezeichneten Parteien ab, ist also eine Frage der Auslegung (BGH NJW 01, 514, 516; NJW 87, 1758, 1759; NJW 84, 355, 356).

Gegenläufige Interessen des Auftraggebers für das Gutachten und des Dritten, die im Verhältnis Verkäufer zu Käufer zueinander stehen, schliessen die Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages nicht aus (BGH NJW 95, 392; NJW 98, 1948, 1949).

Beim Erblasser, der sich in seinem am 25. Mai 1992 erstatteten Gutachten auf seinen geleisteten Eid bezieht, liegt auch die besondere vom Staat anerkannte Sachkunde vor, die dafür spricht, dass der Auftraggeber ein Gutachten wünschte, welches er gegenüber einem Dritten verwenden konnte.

Ebenso ist ohne Belang, dass dem Erblasser bei Erstellung des Gutachtens nicht bekannt war, dass dieses gerade dem Kläger vorgelegt werden sollte. Die Bejahung einer Schutzpflicht setzt nicht voraus, dass der Schutzpflichtige die Zahl oder den Namen der zu schützenden Personen kennt. Es würde vielmehr genügen, dass dem Erblasser - wie der Kläger behauptet - bekannt war, dass ein Wertgutachten für einen potentiellen Käufer bestimmt war (BGH NJW 95, 392).

Liegen sonach grundsätzlich die Voraussetzungen für die Annähme vor, dass nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Auftraggeber R und dem Erblasser auch Dritte, denen bestimmungsgemäß das Gutachten vorgelegt werden würde, in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen sein sollten, so gehörte doch der Kläger nicht zu diesem Personenkreis.

Voraussetzung für die Annahme einer vertraglich gewollten Schutzwirkung ist es, dass die zu schützende dritte Person oder Personengruppe objektiv abgrenzbar ist (z. B. BGH NJW 84, 355; vgl. auch Praxishandbuch Sachverständigenrecht Wessel, § 33 Rdz. 29).

Zu einem solcher Art definierten Personenkreis gehörte der Kläger aber nicht.

Dies würde einmal dann gelten, wenn das Gutachten entsprechend der zu widerlegenden Behauptung der Beklagten nach den Erklärungen des Zeugen R gegenüber dem Erblasser ausschließlich für Beleihungszwecke bestimmt war. Aber auch nach den Behauptungen des Klägers gilt nichts anderes.

Er stand weder zur Zeit der Gutachtenerstattung in Kaufverhandlungen mit dem Zeugen R noch wurden solche Verhandlungen im unmittelbaren Anschluss an die Gutachtenerstattung aufgenommen, jedenfalls macht der Kläger derartiges nicht geltend. Er beruft sich lediglich abstrakt darauf, Verhandlungen über einen Grundstücksverkauf könnten sich bei einem derartigen Objekt über mehrere Jahre hinziehen.

Der Gutachter musste aber insbesondere, selbst wenn der Zeuge R bei Auftragserteilung darauf hingewiesen hatte, er benötige das Gutachten auch für potentielle Kaufinteressenten, nicht damit rechnen, das Gutachten werde gegenüber einem Käufer, der erst ca. 4 1/2 Jahre später einen Kaufvertrag mit dem Zeugen R abschloss, in einer Weise verwandt werden, dass der Käufer es zur Grundlage seiner Entscheidung machte. Nichts anderes gilt im Ergebnis selbst dann, wenn der Zeuge R entsprechend dem im Anschluss an die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2001 im nachgelassenen Schriftsatz vom 25.05.01 modifizierten Vortrag des Klägers anläßlich der gemeinsamen Besichtigung des Objekts erklärt hätte, das Gutachten solle auch im Rahmen eines späteren Verkaufs des Grundstücks verwendet werden. Auch hiernach war der Schutz eines weder bestimmten noch bestimmbaren Kreises von Kaufinteressenten, die irgendwann einmal vielleicht in Kaufverhandlungen mit dem Kläger treten würden, nicht vertraglich gewollt. Von vornherein war anzunehmen, dass bei einem Verkauf ohne jeglichen Zusammenhang mit der Begutachtung und in einem mehrjährigen Abstand zum Bewertungsstichtag bei einem Objekt wie dem hier in Rede stehenden zahlreiche Grundlagen der Bewertung nicht mehr aktuell sein konnten. Dies gilt - wie bereits das Landgericht hervorgehoben hat - besonders für Anlagen und Einrichtungen, die bei einem Gastronomiebetrieb mit Veranstaltungsbetrieb einem nicht unerheblichen Verschleiss unterliegen können. Auch konnte z. B. die für diesen Betrieb nicht unwichtige Verkehrssituation innerhalb eines Zeitraums von über vier Jahren Veränderungen erfahren. Zwar gab es auch unveränderbare Bewertungsgrundlagen, wie z. B. die Baujahre der Gebäude oder deren Bauweise, wobei letztere jedenfalls in Verbindung mit einer Erklärung des Verkäufers, daß Veränderungen seit Gutachtenerstellung nicht stattgefunden haben, von einem Kaufinteressenten dem Gutachten entnommen werden mögen. Jedoch rechtfertigen es einzelne langfristig gültige Elemente der Bewertung nicht, davon auszugehen, dass der Erblasser mit einer zeitlich derartig ausgedehnten Verwendung des Gutachtens als wesentliche Entscheidungsgrundlage bei einem Kauf rechnen musste. Es mag sein, dass es Objekte gibt, bei denen sich Kaufverhandlungen über mehrere Jahre hinziehen können. Dies kann aber nicht als ein Regelfall betrachtet werden, mit dem der Sachverständige bei Gutachtenerstellung rechnen musste, so das davon ausgegangen werden könnte, eine solche Verwendung des Gutachtens sei stillschweigend zum Gegenstand des Vertrages gemacht worden.

Die zeitliche Dimension hat nicht nur eine Bedeutung als solche; sondern hat wie oben beispielhaft beschrieben, auch einen Einfluss auf die Tauglichkeit des Gutachtens als Entscheidungsgrundlage und damit auf die Vorstellung des Sachverständigen zur möglichen Verwendung. Eine unbegrenzte zeitliche Verwendung des Gutachtens würde auch die Zahl der potentiell drittgeschützten Personen ausufern lassen.

Schließlich können bei der Auslegung des Vertrags zwischen dem Zeugen R und dem Erblasser die Interessen des letzteren nicht unberücksichtigt bleiben. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Sachverständige nicht in unzumutbarer Weise mit Schadensersatzpflichten gegenüber Dritten belastet werden (NJW 84, 355, 356). Eine vertragliche Haftung des Erblassers aus einer Verwendung des Gutachtens lange nach dessen Erstattung würde seinen berechtigten Interessen widersprechen.

Abgesehen davon, dass durch eine jahrelange Verwendung die Zahl der potentiell geschützten Dritten unabsehbar anwachsen könnte, würden vor allem aber die Schwierigkeiten der Feststellung der Haftungsgrundlagen in unzumutbarer Weise erhöht. Zwar ist es Sache desjenigen, der behauptet, durch ein unrichtiges Gutachten geschädigt worden zu sein, die Unrichtigkeit des Gutachtens zu beweisen, auch können Probleme im Zusammenhang mit dem Zeitablauf gleichermaßen entstehen, wenn die Unrichtigkeit des Gutachtens erst verspätet entdeckt wird. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, den Erblasser von vornherein mit einer Verlagerung des Haftungstatbestandes in die ferne Zukunft zu belasten, zumal Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs auch denjenigen treffen können, der nicht beweisbelastet ist. Der Erblasser hatte hier ein besonderes Interesse daran, dass das Gutachten nicht in haftungsbegründender Weise stichtagsfern verwendet werden konnte, weil der Charakter des Objektes bzw. wesentlicher Teile davon veränderungsanfällig war. So streiten die Parteien unter anderem darum, welche Betriebseinrichtungen in welchem Zustand Gegenstand der Begutachtung des Erblassers einerseits und des Verkaufs bzw. der Nachbegutachtung andererseits waren. Ähnliches gilt für das Vorhandensein von Mängeln (Wassereintritt).

Dass - wie besonders die Berufung hervorhebt - tatsächlich auch solche Punkte als unrichtig begutachtet gerügt werden, bei denen eine nachteilige Veränderung zwischen dem zweiten Quartal 92 und Ende Oktober 1996 kaum in Betracht kommt, steht der Berücksichtigung des Interesses des Erblassers, nur für stichtagsnahe Ereignisse einstehen zu müssen, nicht entgegen.

Anders als es wohl die Berufung sehen möchte, geht es bei der Frage, ob der Kläger in den Kreis drittgeschützter Personen einbezogen ist, nicht darum, ob und wann eine drittschützende Wirkung eines Gutachtens außer Kraft tritt, sondern darum, welchen Personenkreis die Partner des Gutachtenvertrages - konkludent - in die Schutzwirkung des Vertrages einbeziehen wollen. Hierbei ist auf den Gesamtinhalt des Auftrags abzustellen. Es kann nicht angenommen werden, dass wegen einzelner Elemente der gutachterlichen Feststellungen, die wie z. B. das Baujahr "Ewigkeitswert" haben, der Gutachter für die Richtigkeit des Gutachtens auf immer gegenüber jedwedem Käufer einstehen will. Für einen Willen, auch gegenüber dem Kläger haften zu wollen, gibt auch das vom Kläger vorgetragene Gutachtenentgelt in Höhe von 2.000 DM keinen Anhalt.

Schließlich ist auch die Auffassung des Landgerichts zu teilen, dass der Kläger die Kausalität der behaupteten Gutachtenfehler für seinen Schaden nicht hinreichend dargelegt hat.

Zwar mag zugunsten des geschützten Dritten grundsätzlich eine Vermutung gelten, dass eine zu seinem Nachteil fehlerhafte Verkehrswertbeurteilung seine Kaufentscheidung beeinflusst hat und dass es ihm - wenn der Verkäufer das Gutachten vorgelegt hat - ohne die fehlerhafte Begutachtung gelungen wäre, einen dem richtigen Wert entsprechenden Kaufpreis durchzusetzen. Vorliegend gilt diese Vermutung jedoch nicht.

Da ohnehin bei einer Kaufentscheidung in größerem zeitlichen Abstand zum Bewertungsstichtag weder das Ergebnis der Begutachtung noch alle Grundlagen den gültigen Verhältnissen entsprechen müssen, besagt die Lebenserfahrung unter solchen Umständen nicht mehr, dass ein derartiges Gutachten ohne weiteres der Preisfindung zugrundegelegt wird.

Hinzu kommt, dass ein nicht unerheblicher Teil der gerügten Gutachtenmängel eine bestimmte Interpretation der gutachterlichen Aussage voraussetzt, die bei Kenntnis der örtlichen Verhältnisse kaum möglich ist, jedenfalls aber eine Unrichtigkeit des Gutachtens in diesen Punkten auch für den Laien erkennbar wäre. Dies gilt insbesondere für die Teilziffer 1,013 des Gutachtens/Bodenbeschaffenheit, wo die Oberfläche als "fast eben" beschrieben wird. Wenn in Wirklichkeit das Gelände hiervon abweichend ein Gefälle hat, welches die Bezeichnung als "fast" eben ausschließt, so müsste dies für jedermann vor Ort erkennbar sein. Auch die Konstruktion des Dachs der Gewerbehalle war erkennbar (Bl. 125 GA).

Andere, in der Berufungsbegründung im einzelnen aufgelistete Umstände, wie insbesondere das Alter der Gebäude mögen nach der Lebenserfahrung von einem Käufer, dem ein solches Gutachten vorgelegt wird, seiner Entscheidung zugrundegelegt werden. Es kann aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass solche Einzelaspekte einen Einfluss auf die Kaufentscheidung, insbesondere auch auf die Preisfindung gehabt haben.

Verstärkt werden die Bedenken gegen den Einfluss des Gutachtens, die die Vermutungswirkung entkräften, durch die mit Schriftsatz des Klägers vom 25.05.2001 vorgelegte "Kurzbeschreibung" des Objekts H. Dieses spiegelt jedenfalls wieder, mit welchen Angaben der Zeuge R das Interesse des Klägers wecken wollte. Das Gutachten des Erblassers spielt darin nur eine ganz untergeordnete Rolle. Der Kläger hätte daher die Kausalität der behaupteten Falschbegutachtung für seine Kaufentscheidung durch Darlegung der im einzelnen angestellten Überlegungen hierzu, insbesondere wie diese Eingang in die Preisfindung gefunden haben, darlegen müssen. Die bloße Kausalbehauptung unter Hinweis auf die Preisübereinstimmung (Bl. 66 d.A.) reicht nicht.

Ein Anspruch steht dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 826 BGB zu. Selbst wenn die behaupteten Mängel des Gutachtens des Erblassers vorliegen sollten, rechtfertigen diese noch nicht den Schluss darauf, dass der Sachverständige sein Gutachten in leichtfertiger Weise unsorgfältig erstellt hat.

Insbesondere gibt es keinen hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser entgegen seiner Angabe in dem Gutachten die Bauakte tatsächlich nicht eingesehen hat.

Es gibt auch keinen genügenden Anhalt dafür, dass der Erblasser eventuell bis Anfang 1992 nicht erfüllten Auflagen aus dem Bauschein vom 20. September 1991 bezüglich der Elektroinstallation einen meßbaren Einfluss auf den Objektwert beigemessen hat. Jedenfalls war bis dahin die Abnahme nicht wegen nicht erfüllter Auflagen verweigert worden. Aus der offenbar erstmals im April 1997 erfolgten Prüfung können keine hinreichend sicheren Schlüsse darauf gezogen werden, welche Auflagen aus dem Bauschein eventuell Anfang 1992 noch ausstanden und insbesondere, ob diese so kostenträchtig waren, dass der Sachverständige durch deren Nichterwähnung einen Schaden für den Benutzer des Gutachtens in Kauf nahm.

Im übrigen sind auch nach den Behauptungen des Klägers keine krassen Fehlbewertungen in größerer Zahl oder schwerwiegender Art erkennbar, die den Schluss darauf zulassen, der Sachverständige habe durch leichtfertige Feststellungen einen Schadenseintritt in Kauf genommen.

Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei den vom Kläger gerügten Fehlern zum Teil um Verständnisfragen. Im Ganzen ist das nach Formular erstellte Gutachten aber auch erkennbar grobmaschig und unterscheidet nicht in allen Rubriken zwischen den verschiedenen Gebäuden.

Zu Mängeln verhält sich die Rubrik 1.027 "baulicher Zustand". Die dortigen Eintragungen erwecken beim Leser nicht den Eindruck, der Sachverständige habe sämtliche technischen Anlagen und Einrichtungen einer eingehenden fachlichen Überprüfung unterzogen.

Es mag wohl als objektiv krass fehlerhaft bezeichnet werden können, eine elf Jahre alte Lüftungsanlage als "modernste" zu bezeichnen (1.024), Dies gibt aber noch keinen Hinweis auf die subjektive Einstellung des Sachverständigen, zumal die Lüftungsanlage wertmäßig nicht mit besonderem Gewicht eingestuft wurde (1.314) und der Sachverständige nicht damit rechnen konnte, dies sei für einen Käufer ein entscheidender Punkt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Wert der Berufung und Beschwer des Klägers: 396.051 DM.

Ende der Entscheidung

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