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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.10.2001
Aktenzeichen: 15 U 57/01
Rechtsgebiete: GKG,


Vorschriften:

GKG § 8
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 U 57/01

Verkündet am 10. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hardt, die Richterin am Oberlandesgericht Spahn und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Weismann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das 23. Januar 2001 verkündete Grund- und Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf einschließlich des zugrundeliegenden Beweisaufnahmeverfahrens aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1) verlangt von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld aus Anlass einer tätlichen Auseinandersetzung, die sich am 17. April 1994 gegen 12.00 Uhr an der Kreuzung O Straße/W Straße in Düsseldorf ereignet hatte. Die Klägerin zu 2) nimmt den Beklagten als gesetzlicher Krankenversicherer der Klägerin zu 1) auf Ersatz des auf sie übergeleiteten Schadens in Anspruch.

Aus zwischen den Parteien streitigen Gründen gerieten sich die Klägerin zu 1) und die Ehefrau des Beklagten "in die Haare". Der seiner Ehefrau zur Hilfe eilende Beklagte versuchte die beiden miteinander raufenden Frauen zu trennen. Hierbei erlitt die Klägerin zu 1) eine vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes bei traumatischer Patellaluxation links. Während die Klägerinnen behaupten, der Beklagte habe die Klägerin zu 1) mit dem beschuhten Fuß gezielt in den Bereich ihres linkes Knies getreten und ihr hierbei die Knieverletzung zugefügt, bestreitet der Beklagte, die Klägerin zu 1) getreten zu haben und behauptet, die Klägerin habe sich die Verletzung beim Sturz auf ihr linkes Knie während des Raufens mit seiner Ehefrau zugezogen.

Durch Versäumnisurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 2000 wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin zu 1) 10.266,79 DM Schadensersatz und 30.000,00 DM Schmerzensgeld sowie 10.039,57 DM übergeleiteten Schadensersatz an die Klägerin zu 2) zu leisten. Ferner hat das Landgericht Düsseldorf in der vorgenannten Entscheidung festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1) sämtliche weiteren, dieser zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus der Auseinandersetzung vom 17. April 1994 unter Beachtung der auf einen Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche zu ersetzen sowie der Klägerin zu 2) im Rahmen des Rechtsübergangs die dieser zukünftig noch entstehenden Aufwendungen wegen der Verletzungen der Klägerin zu 1) aus dem streitgegenständlichen Vorfall zu erstatten.

Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Er hat beantragt,

die Klage der Klägerinnen zu 1) und 2) unter Aufhebung des Versäumnisurteils der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 2000 abzuweisen.

Die Klägerinnen zu 1) und 2) haben beantragt,

das vorgenannte Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.

Das Landgericht Düsseldorf ist aufgrund der im Strafverfahren gegen den Beklagten (128 Cs 903 Js 1282/94 AG Düsseldorf = 411 Js 1417/97 StA Düsseldorf ) verlesenen Aussagen der in diesem Verfahren im Wege der Rechtshilfe vernommenen Zeugen E und B S (Bl. 279 ff Strafakte) und der vor dem Strafrichter vernommenen Zeugen P L, M N, D S, V G und H A (Bl. 453 ff Strafakte), die das Landgericht allesamt im Wege des Urkundenbeweises im vorliegenden Verfahren verwertet hat, sowie der Aussage der im vorliegenden Rechtsstreit als Zeugin vernommenen vormaligen Beklagten zu 2) (Beweisaufnahmeprotokoll vom 5. Dezember 2000, Bl. 392 ff GA) zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte die Klägerin zu 1) mehrfach von der Seite und von hinten mit dem beschuhen Fuß gegen deren linkes Knie getreten und ihr hierbei die Knieverletzung zugefügt hat.

Durch Grund- und Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2001 wurden die bezifferten Klageanträge der Klägerinnen zu 1) und 2) unter Aufhebung des Versäumnisurteils dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und das Versäumnisurteil hinsichtlich der Feststellungsanträge aufrechterhalten.

Gegen dieses ihm am 9. Februar 2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 9. März 2001 Berufung eingelegt und dieses innerhalb der bis zum 9. Mai 2001 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Der Beklagte beanstandet das von Landgericht durchgeführte Beweisaufnahmeverfahren, insbesondere die unterlassene persönliche Anhörung der Zeugen N, L und G ungeachtet seines Anhörungsantrags als fehlerhaft und beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Beweisaufnahme an das Landgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zu Informationszwecken beigezogene Strafakte 128 Cs 903 Js 1282/94 AG Düsseldorf sowie auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Düsseldorf zur erneuten Entscheidung. Das erstinstanzliche Verfahren leidet an wesentlichen Verfahrensfehlern, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht (§ 539 ZPO).

Mit Recht beanstandet der Beklagte, dass das Landgericht die im Strafverfahren protokollierten Aussagen der Zeugen N, L und G nicht im Wege des Urkundenbeweises verwerten durfte. Zwar kann die Niederschrift der in einem Strafverfahren protokollierten Zeugenaussagen im Wege des Urkundenprozesses in den Zivilprozess eingeführt werden. Jedoch berührt die Möglichkeit des Urkundenbeweises nicht das Recht der Parteien, die unmittelbare Anhörung der Zeugen im anhängigen Rechtsstreit zu beantragen. Macht - wie hier - eine der Parteien von diesem Recht Gebrauch, so ist die Verwertung einer im Strafverfahren protokollierten Aussage im Wege des Urkundenbeweises anstelle der beantragten Anhörung der Zeugen unzulässig (BGH VersR 1971, 177, 178; NJW-RR 1988, 1527; MDR 1992, 803).

Im Streitfall hatte der Beklagte, nachdem das Landgericht im Termin vom 24. Oktober 2000 den Hinweis erteilt hatte, dass es die Ergebnisse des Strafverfahrens urkundlich zu verwerten beabsichtige (Bl. 378 GA) mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2000 ausdrücklich die persönliche Anhörung der Zeugen G, N, L und G durch das Landgericht beantragt (Bl. 383 GA in Verbindung mit Bl. 348 GA) und diesen Antrag mit Schriftsatz vom 2. Januar 2001 (Bl. 400 GA) wiederholt.

Die Verwertung der Aussagen der Zeugen N, L und G im Wege des Urkundenbeweises war deswegen unzulässig.

Eine andere Beurteilung der Rechtslage ist nicht deswegen geboten, weil durch Beschluss vom 9. Januar 1996 (Bl. 138 GA) der vorliegende Zivilrechtsstreit einvernehmlich bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Strafverfahrens gegen den Beklagten und dessen Ehefrau ausgesetzt wurde, um für das vorliegende Verfahren die Aussagen der im Strafprozess (insbesondere der im Wege der Rechtshilfe in der Schweiz) zu vernehmenden Zeugen verwerten zu können. Da die Aussetzung - wie das Landgericht richtig ausführt - nicht der Verschleppung dienen soll, hätte es im vorliegenden Verfahren möglicherweise nahegelegen, von der jahrelangen Aussetzung des Zivilprozesses bis zur Erledigung des Strafverfahrens Abstand zu nehmen. Wenn jedoch das Strafverfahren zu einem Ergebnis führt, welches dem Beklagten Veranlassung gibt, die seiner Verurteilung durch den Strafrichter zugrundeliegende Beweiswürdigung mit der Berufung anzugreifen (sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verteidiger des Beklagten hatten nach Durchführung der Hauptverhandlung Freispruch beantragt), kann es dem Beklagten nicht verwehrt sein, wenn er in dem wiederaufgenommenen Zivilrechtsstreit von seinem Recht Gebrauch macht, die persönliche Anhörung der Zeugen zu verlangen.

Zu beanstanden ist die Beweiswürdigung des Landgerichts auch deshalb, weil es die Richtigkeit der urkundlich verwerteten Aussagen der Zeugen N, L und G aus Gründen anzweifelt, die sich nicht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 22. September 1997 in dem Strafverfahren gegen den Beklagten (Bl. 453 ff Strafakte) und den verlesenen Zeugenaussagen der Zeugen S (Bl. 279 ff Strafakte) ergeben. Denn das Landgericht bewertet die Aussage der Zeugen N, L und G deswegen als unglaubhaft, weil diese Zeugen vom Beklagten nicht sofort sondern "merkwürdigerweise erst vor Beginn der Hauptverhandlung am 11. März 1997" benannt wurden und "von den anderen Zeugen nicht am Tatort bemerkt worden seien, obgleich sich die verlesenen Aussagen der Zeugen S und die protokollierten Aussagen der Zeugen S und A mit keinem Wort über die Anwesenheit oder Abwesenheit der Zeugen N, L und G am Tatort verhalten. Es ist wegen des Prozessrechtsgrundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) unzulässig, in dieser Weise die Glaubhaftigkeit von aus einem anderen Verfahren stammenden Zeugenaussagen zu beurteilen, ohne dass die Zeugen in dem anhängigen Rechtstreit selbst angehört wurden (BGH MDR 1992, 803).

Der Senat hat von einer Entscheidung in der Sache selbst abgesehen (§ 540 ZPO). Denn zunächst hat eine umfangreiche Beweisaufnahme zum Grund des Anspruchs stattzufinden, in deren Verlauf - soweit möglich - sämtliche von beiden Parteien benannten Zeugen vom Landgericht zu vernehmen sind. In diesem Zusammenhang wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass auch die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2000 die persönliche Vernehmung der von ihnen benannten Zeugen durch das Landgericht Düsseldorf beantragt haben. Da das Landgericht bereits zum Grund des Anspruchs Beweis erhoben hat und insoweit die Beweisgebühr entstanden ist, kommt eine Durchführung der Beweisaufnahme durch den Senat schon aus Kostengründen nicht in Betracht.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens sind nach § 8 GKG nicht zu erheben, weil diese bei zutreffender Sachbehandlung nicht entstanden wären. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht vorbehalten.

Gesamtstreitwert: 70.306,36 DM Beschwer und Streitwertanteil der Klägerin zu 1): 50.266,79 DM Beschwer und Streitwertanteil der Klägerin zu 2): 20.039,57 DM Beschwer des Beklagten: 0,00 DM.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Sicherheitsleistungen entfallen, weil das Senatsurteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Ende der Entscheidung

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