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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 04.06.2003
Aktenzeichen: 18 U 207/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 633 Abs. 3
BGB § 634 a
BGB § 634 a Abs. 1 Nr. 2
BGB § 634 Nr. 1
BGB § 634 Nr. 2
BGB § 635 a.F.
BGB § 638 a.F.
BGB § 638 Abs. 1 a.F.
BGB §§ 823 II
BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.06.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin gem. § 633 Abs. 3 BGB auf Erstattung der von ihr getragenen Fehlerfeststellungskosten ist verjährt. Anderweitige Ansprüche bestehen nicht.

1.

Das für die Verjährung maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen, weil ein etwaiger Anspruch der Klägerin nach § 638 BGB a.F. vor dem 01.01.2002 bereits verjährt war (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., EGBGB Art. 229 § 6 Rdnr. 3).

Die Gewährleistungsansprüche des Bestellers verjähren nach § 638 BGB a.F. bei beweglichen Sachen in 6 Monaten, bei Arbeiten an einem Grundstück in 1 Jahr und bei Bauwerken in 5 Jahren.

a)

Die Klägerin sieht das von der Beklagten erstellte Software-Programm (erst) am 17. November 1997 als abgenommen an (Blatt 253 GA). Zu diesem Zeitpunkt war das von der Beklagten entwickelte Steuerungsprogramm auch bezüglich des Kessels I etwa eineinhalb Jahre vor Ort im Einsatz; die bei dem Programm vorhandenen Fehler waren mittlerweile beseitigt; am 17. November 1997 fand die endgültige TÜV-Abnahme ohne Beanstandungen statt.

Auch wenn man zugunsten der Klägerin von einer Abnahme (erst) am 17. November 1997 ausgeht, so hätte die am 24. Juli 2000 bei Gericht eingereichte Klage die Verjährung des § 638 BGB a.F. nur rechtzeitig unterbrechen können, wenn die Werkleistung der Beklagten der fünfjährigen Verjährungsfrist unterfallen würde.

Für eine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung nach dem 17. November 1997 fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Insbesondere verhandelten die Parteien in der Folgezeit nicht in einer Art und Weise über den von der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 12. Juli 1998 erstmalig geltend gemachten Schadensersatzanspruch, dass die Klägerin darauf vertrauen durfte, die Beklagte sei mit der Zurückstellung der gerichtlichen Geltendmachung einverstanden und werde dem Anspruch nur sachliche Gründe entgegenhalten. Denn die Beklagte ließ sich zu keinem Zeitpunkt auf Verhandlungen mit der Klägerin ein; vielmehr lehnte sie den geltend gemachten Anspruch ohne vorherige Verhandlungen mit der Klägerin mit Schreiben vom 9. März 1999 ab.

b)

Unter "Arbeiten bei Bauwerken" i. S. des § 638 BGB a.F. sind nicht nur die Herstellung eines neuen Gebäudes, sondern auch die Arbeiten zu verstehen, die für die Erneuerung und den Bestand eines Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind, sofern die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden werden (BGH NJW 1984, 168; BGH NJW 1993, 3195). Danach kann allerdings nicht schon jede Reparatur an einem Gebäude, z. B. nicht schon die Ausbesserung einzelner Schäden, als "Arbeit bei Bauwerken" angesehen werden. Die erforderliche Abgrenzung kann nicht allgemein, sondern nur nach den Gegebenheiten des jeweiligen Falles entschieden werden. Instandsetzungs- und Umbauarbeiten sind dann als "Arbeiten bei Bauwerken" anzusehen, wenn entsprechende Leistungen bei Neuerrichtung "Arbeiten bei Bauwerken" wären und wenn sie nach Umfang und Bedeutung solchen Neubauarbeiten vergleichbar sind. Denn auf derartige Instandsetzungsarbeiten trifft der gesetzgeberische Grund für die längere Verjährungsfrist bei Bauwerksarbeiten nach der ähnlichen Interessenlage gleichermaßen zu. Auch bei solchen Instandsetzungsarbeiten besteht allgemein die Gefahr, dass Mängel erst nach Jahren erkannt werden (BGH NJW 1984, 168).

c)

Für die Werkleistung des Klägers - Erstellung eines Software-Programms zur Steuerung, Regelung und Überwachung von zwei Heizkesseln - gilt keine fünfjährige Verjährungsfrist, weil es sich nicht um "Arbeiten bei Bauwerken" i. S. des § 638 BGB a.F. handelt.

aa)

Geistige Leistungen, die der Errichtung eines Bauwerks dienen, sind der Errichtung des Bauwerks zuzuordnen. Auch für sie gilt die Verjährungsregelung des § 638 BGB a.F. für Bauwerke (BGH NJW 1993, 723, 724). Das ist bei den eigentlichen Bauarbeiten wie bei den zugehörigen geistigen Leistungen auch dann anzunehmen, wenn es um die grundlegende Erneuerung oder die Erweiterung eines Bauwerkes geht (BGH a.a.O.). Geistige Leistungen, die der Errichtung eines Bauwerks dienen, sind vor allem die Leistungen der Architekten, Statiker, Vermessungsingenieure und weiteren Ingenieure, die bestimmungsgemäß ihre Verkörperung im Bauwerk finden (vgl. BGH NJW 1999, 2434, OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 814, 815; OLG München, MDR 1974, 753; Soergel, in: MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 638 Rdnr. 24).

Die Beklagte erstellte weder Pläne zum Bau oder zur Erneuerung der Heizungsanlage noch zur Erneuerung der Steuerung, Regelung und Überwachung von zwei Kesseln noch zum Bau des Schaltschrankes (das einzige neu eingebaute Teil, welches möglicherweise als fest mit dem Bauwerk verbunden anzusehen ist). Ihre geistigen Leistungen waren nicht Grundlage dieser Arbeiten und dementsprechend auch nicht dazu bestimmt, ihre Verkörperung in Gestalt des Bauwerks, der Heizungsanlage bzw. des Schaltschranks zu finden; auf ihnen baute weder die Heizungsanlage noch der Schaltschrank auf. Die geistigen Leistungen der Beklagten beschränkten sich auf die - durchaus wichtige und sicherlich nicht einfach zu realisierende - Aufgabe, das Funktionieren der Heizungsanlage durch Erstellen eines die Anlage steuernden Programms zu ermöglichen. Diese geistige Leistung war aber nicht auf die körperliche Errichtung eines Bauwerks gerichtet noch schaffte sie eine der notwendigen Grundlagen hierfür noch wurde sie im Bauwerk verkörpert. So wäre es jederzeit möglich, die von der Beklagten programmierte Software - wie hinsichtlich der Zykluszeit geschehen - umzuprogrammieren oder aber gänzlich neu zu programmieren, neu in das System aufzuspielen und so zur Gänze zu ersetzen, ohne das Bauwerk körperlich im geringsten zu verändern. Geistige Leistungen unterfallen aber gem. der - ohnehin bereits sehr weitgehenden Auslegung der - Vorschrift des § 638 BGB a.F. nur dann der fünfjährigen Verjährungsfrist, wenn sie der Errichtung eines Bauwerks dienen und in ihm verkörpert werden bzw. wenn sie - wie die Leistungen beispielsweise des Vermessungsingenieurs - die für die körperliche Herstellung notwendigen Grundlagen schaffen. Hieran fehlt es vorliegend.

bb)

Diese Differenzierung zwischen geistigen Leistungen, die der Errichtung eines Bauwerks dienen, und solchen, die der Funktionsfähigkeit der - unabhängig von den geistigen Leistungen - errichteten baulichen Anlage dienen bzw. diese erst ermöglichen, rechtfertigt sich auch aus dem gesetzgeberischen Zweck des § 638 Abs. 1 BGB a.F. für eine fünfjährige Verjährungsfrist.

Der gesetzgeberische Zweck der Verjährungsfrist von fünf Jahren bei Arbeiten bei Bauwerken liegt im Baurisiko, weil Mängel von Bauwerken - insbesondere aus den Bereichen von Planung, Statik und Material, aus überdeckten Bauleistungen und aus Witterung und Nutzung - häufig erst spät erkennbar werden. Es geht dabei vor allem neben den schon vom Gesetzgeber ausdrücklich erwogenen Mängeln aus dem Bereich von Planung und Statik typischerweise um die späte Erkennbarkeit aus Gründen der Verdeckung durch aufeinanderfolgende Arbeiten einerseits sowie der Witterung und Nutzung andererseits (BGH NJW 1992, 1445). In den Fällen, in denen Mängel sich regelmäßig alsbald nach der Abnahme des Werkes herausstellen, wie bei der Herstellung einer beweglichen Sache oder Arbeiten an einem Grundstück, wird vom Gesetzgeber eine kurze Verjährungsfrist von einem halben bzw. einem Jahr als angemessen angesehen.

Unter Zugrundelegung dessen ist es nicht gerechtfertigt, die Programmierarbeiten der Beklagten einer fünfjährigen Verjährungsfrist zu unterwerfen.

Mängel der eine Heizungsanlage steuernden Software wie Mängel der in einem Schaltschrank eingebauten Steuerungseinrichtung einer Heizungsanlage bzw. der diese Steuerung regelnden Software werden typischerweise nicht erst spät nach Abnahme der Werkleistung entdeckt; das Problem der Verdeckung durch aufeinanderfolgende Arbeiten einerseits sowie der Witterung und Nutzung andererseits stellt sich hierbei regelmäßig nicht. Mängel der in einem Schaltschrank eingebauten Steuerungseinrichtung einer Heizungsanlage haben auch nichts damit zu tun, dass der Schaltschrank - hier zugunsten der Klägerin unterstellt - fest mit dem Boden bzw. der Wand eines Gebäudes verbunden ist. Auch für die Erkennbarkeit der Mängel war die Verbindung zwischen dem Schaltschrank und dem Boden und der Wand des Raumes, in welchem der Schaltschrank untergebracht und verkabelt ist, ohne jede Bedeutung. Dementsprechend zeigten sich vorliegend Mängel der Steuerungsanlage bereits kurze Zeit nach Beginn des Probelaufs der neuen Heizungssteuerung. Dass das Auffinden der Fehlerursache sodann geraume Zeit in Anspruch nahm, ändert nichts daran, dass die Fehlerhaftigkeit der Heizungssteuerung bereits lange Zeit vor Abnahme der Werkleistung der Beklagten bekannt war und nicht aufgrund von Witterung und Nutzung erst spät nach Abnahme der Werkleistung entdeckt wurde. Der lange Zeitraum, der zwischen der Abnahme der Werkleistungen und der Klageeinreichung im Juli 2000 verging, ist allein auf das lange Zuwarten der Klägerin mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten zurückzuführen, obgleich der Klägerin jedenfalls bei Abnahme der Werkleistungen die - zugunsten der Klägerin hier unterstellte - Mangelhaftigkeit der Werkleistung der Beklagten positiv bekannt war.

cc)

Der Senat sieht sich mit dieser Sichtweise durch die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu gefasste Vorschrift des § 634 a BGB bestätigt. Gem. § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB verjähren die Rechte des Bestellers bei Mängeln nach § 634 Nr.1 und 2 BGB "in fünf Jahren bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht". Hierunter fallen alle Leistungen, die der Planung des Bauwerks im weitesten Sinne bzw. der Überwachung seiner Erstellung dienen. Hierzu zählen die üblichen Architektenleistungen wie Planung und Objektüberwachung, ferner die für die Planung erforderlichen statischen Berechnungen wie Tragwerkplanung o.ä. (Palandt/Sprau, a.a.O., § 634 a Rdnr. 10). Die Erstellung von Software für die Steuerung einer Heizungsanlage fällt nicht hierunter.

2.

Die Verjährungsfrist beträgt auch nicht 30 Jahre. Die Beklagte hat Mängel nicht arglistig verschwiegen. Weder hatte die Beklagte die für ein arglistiges Verschweigen erforderliche (Soergel, in: MünchKomm, BGB, 3. Aufl., § 638 Rdnr. 32) sichere Kenntnis eines Mangels ihrer Werkleistung noch kann ihr vorgeworfen werden, bei arbeitsteiliger Ausführung eines Bauwerkes nicht bereits während der Bauausführung sichergestellt zu haben, dass deutlich sichtbare und wesentliche, sowie massiert auftretende Mängel, insbesondere, wenn sie nur über kurze Zeit sichtbar sind und dann durch weiterführende Arbeiten verdeckt werden, gesichert und dem für die Abnahme zuständigen Organ gemeldet werden.

3.

Ansprüche aus § 635 BGB a.F. wegen arglistigen Verschweigens von Mängeln sowie aus den §§ 823 II BGB i.V.m. strafrechtlichen Vorschriften und § 826 BGB bestehen nicht.

4.

Es liegt kein entfernter Mangelfolgeschaden vor, so dass kein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung wird festgesetzt auf 6.859,50 EUR.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Angesichts der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu gefassten Vorschrift des § 634 a BGB hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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