Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.06.2002
Aktenzeichen: 19 U 37/01
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B, ZPO


Vorschriften:

BGB § 371
VOB/B § 17 Nr. 8
ZPO § 91 a
ZPO § 416
ZPO § 713 a.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 37/01

Verkündet laut Protokoll am 19.06.2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22.05.2002 durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts P........., den Richter am Oberlandesgericht K...... und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. L..........

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 07.08.2001 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde.

Die Klägerin führte 1986 für die Beklagte bei dem Bauvorhaben T.......... Straße 17 in D........... die Rohbauarbeiten durch. Zur Sicherung der Erfüllung etwaiger Gewährleistungsansprüche stellte die Klägerin der Beklagten am 03.03.1988 eine "Gewährleistungs-Einbehalts-Bürgschaft" der Bank für G................ D........... über 42.000,-- DM. 1993 nahm die Beklagte die Klägerin wegen eines Mangels am Swimmingpool klageweise in Anspruch. Das Verfahren endete am 21.03.1995 mit einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht (23 U 176/94), wonach die Parteien das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten und sich über die Kosten verständigten.

Mit Schreiben vom 15.01.1996 und 13.06.2000 forderte die Klägerin die Beklagte zur Rückgabe der Bürgschaftsurkunde auf. Die Klägerin verweigerte die Herausgabe zunächst mit Hinweis auf noch bestehende Mängel. Nach Zustellung der Klageschrift teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 27.09.2000 mit, dass sie die Bürgschaftsurkunde nach Ablauf der Gewährleistungsfrist von 5 Jahren bereits 1994 vernichtet habe. Gegenüber der Bank für Gemeinwirtschaft erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 13.11.2000, sie werde aus der Bürgschaftserklärung vom 03.03.1988 keine Rechte mehr geltend machen. Die Bank für Gemeinwirtschaft löschte daraufhin die Bürgschaftsverpflichtung in ihren Büchern.

Die Klägerin hat sodann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung jedoch nicht angeschlossen, sondern beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass weder die Ausbuchung der Bürgschaft noch die Erklärung der Beklagten, aus der Bürgschaftserklärung keine Rechte mehr geltend machen zu wollen, als erledigendes Ereignis im Sinne des § 91 a ZPO zu werten seien. Überdies habe nie ein Herausgabeanspruch der Klägerin bestanden, weil diese lediglich Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an die bürgende Bank habe verlangen können. Dies habe sie aber nicht beantragt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es liege kein Fall der Erledigung vor, weil die Klage von vornherein unbegründet gewesen sei. Der Klägerin habe sowohl aus § 371 BGB als auch aus § 17 Nr. 8 VOB/B lediglich ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an die Bank zugestanden. Weitere Anspruchsgrundlagen seien nicht ersichtlich.

Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie macht geltend: Das Landgericht habe die Wirkungen des § 17 Nr. 8 VOB/B verkannt. Die Bürgin habe sich im vorliegenden Fall die Herausgabe nur für den Fall der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft ausbedungen. Im Übrigen sei ihr das Schicksal der Bürgschaftsurkunde gleichgültig gewesen. Ihr dagegen stehe ein Herausgabeanspruch aus der Sicherungsabrede zu, denn die Folgen des Erlöschens der Hauptschuld beträfen allein sie, da sie ihr Verhältnis zur bürgenden Bank zu klären habe.

Sie beantragt,

das erstinstanzlich die Klage abweisende Urteil abzuändern und festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend: Die Klägerin trenne nicht zwischen Herausgabe der Bürgschaftsurkunde und der Bürgschaft. Mit dem Entfallen des Sicherungszwecks könne der Schuldner die Rückgabe der Bürgschaft , und wenn deren Bestand davon abhängig gemacht sei, die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde nur an den Bürgen verlangen. Nur dieser habe ein berechtigtes Interesse an der Herausgabe der Urkunde, damit diese nicht mehr als Beweismittel gegen ihn verwandt werden könne. Sie hält daran fest, dass schon deshalb keine Erledigung eingetreten sei, weil es an einem erledigenden Ereignis fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zutreffend und mit folgerichtiger Begründung die Klage abgewiesen, weil der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht erledigt ist. Letzteres setzt voraus, dass die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war (Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 91 a Rn. 44). Die vorliegende Klage war jedoch schon vor Eintritt des erledigenden Ereignisses - Erklärung der Beklagten gegenüber der Bank am 13.11.2000 - unbegründet. Unabhängig von der Frage, ob diese Erklärung der Beklagten überhaupt als erledigendes Ereignis im Sinne einer Erfüllungshandlung zu werten ist, hat die Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an sich, sondern konnte allenfalls die Herausgabe an die Bürgin verlangen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde aus § 371 BGB. Danach kann der Schuldner die Rückgabe eines Schuldscheins verlangen. Einem Schuldschein steht die Bürgschaftsurkunde gleich (Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001, § 371 Rn. 1). Parteien des Bürgschaftsvertrages sind der Gläubiger der Hauptschuld und der Bürge, nicht jedoch der Hauptschuldner. Die Bürgschaftsurkunde verkörpert den Bürgschaftsvertrag und damit die Verpflichtung des Bürgen zur Leistung im Falle der Inanspruchnahme. § 371 BGB verdeutlicht damit den auch im Bereicherungsrecht geltenden Grundsatz, dass grundsätzlich im Rahmen des jeweiligen Vertragsverhältnisses rückabzuwickeln ist.

Das Landgericht hat auf Grund zutreffender Erwägungen auch einen Anspruch der Klägerin aus § 17 Nr. 8 VOB/B verneint. Nach dieser Vorschrift hat der Auftraggeber eine nicht verwertete Sicherheit zum vereinbarten Zeitpunkt, spätestens nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Gewährleistung zurückzugeben. Rückgabe der Sicherheit kann vom Sinn und Zweck der Vorschrift im Fall einer Gewährleistungsbürgschaft nicht bedeuten, dass der Auftraggeber die Bürgschaftsurkunde an den Auftragnehmer zurückzugeben hat. § 17 Nr.8 VOB/B will sicherstellen, dass der Auftraggeber nicht mehr auf Sicherheiten zurückgreifen kann, für die materiell-rechtlich keine Grundlage mehr besteht. Die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an den Hauptschuldner beseitigt diese Gefahr indessen nicht. Unabhängig von der Rückgabe der Urkunde kann der Hauptgläubiger den Bürgen nach wie vor aus dem bestehenden Bürgschaftsvertrag in Anspruch nehmen. Nur die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an den Bürgen verhindert die Inanspruchnahme. Zwar hat die Bürgschaftsurkunde in der Regel keinen Einfluss auf den Bestand des Bürgschaftsvertrages, aber sie dient dem Bürgen als Urkunde im Sinne des § 416 ZPO und erleichtert ihm den Beweis, dass die Schuld bereits gelöscht ist (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 371 Rn. 2). Dieser Erfolg tritt nicht ein, wenn sich die Urkunde in Händen des Hauptschuldners befindet.

Eine abweichende Vereinbarung ergibt sich auch nicht aus der Bürgschaftsvereinbarung zwischen der Beklagten und der Bank für Gemeinwirtschaft vom 03.03.1988. Die Bank hat sich die Rückgabe der Bürgschaftserklärung Zug-um-Zug gegen Zahlung ausbedungen. Dies macht deutlich, dass ihr daran lag, dem Risiko der Inanspruchnahme nach Erlöschen der akzessorischen Hauptschuld zu entgehen. Dass die Bank die Rückgabe ausdrücklich nur für den Fall der Zahlung in den Bürgschaftsvertrag aufgenommen hat, bedeutet nicht, dass in allen anderen Fällen, also auch bei Wegfall der Gewährleistungspflichten nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, die Herausgabe an die Hauptschuldnerin zu erfolgen habe. Die Klägerin übersieht bei ihrer Argumentation in der Berufungsbegründung, dass die Bürgschaftserklärung auch eine Regelung enthält, wonach die Bürgschaft mit der Rückgabe dieser Bürgschaftsurkunde durch die Beklagte erlischt. Dies macht deutlich, dass die Bank zwar lediglich im Fall der Zahlung eine Verknüpfung Zug-um-Zug mit der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde beabsichtigte, ihr die übrigen Fälle aber gleichwohl nicht gleichgültig waren. Vielmehr ging die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde mit dem Erlöschen der Bürgschaft einher.

Die Auffassung der Klägerin, die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde habe an sie zu erfolgen, wird auch durch die von ihr angeführte Entscheidungen nicht gestützt. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 02.02.1989 (NJW 1989, 1482, 1483) ausgeführt, dem Schuldner stehe ein Anspruch auf Herausgabe an den Bürgen zu. In der von der Klägerin angeführten Entscheidung (NJW 1997, 2958) nimmt der BGH nicht Stellung dazu, an wen ggf. Bürgschaftsurkunden herauszugeben sind.

Letztlich vermag auch der Rückgriff auf die Interessenlage einen Herausgabeanspruch der Klägerin nicht zu begründen. Sie meint, die Sicherungsabrede betreffe sie allein als Sicherungsgeberin und nicht die bürgende Bank, da nur sie von der Aufrechterhaltung des Avalvertrages betroffen sei. Sie verkennt hierbei jedoch, dass der Avalvertrag nicht mit der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an die Klägerin endet, sondern ausweislich der Bürgschaftsvereinbarung vom 03.03.1988 erst mit der Rückgabe an die Bank. Es ist nicht ersichtlich, welches Interesse die Klägerin an der Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an sich selbst hat, mit Ausnahme desjenigen, die Urkunde an die bürgende Bank weiterzuleiten. Dieses Ziel kann sie aber gerade dadurch auch dadurch erreichen, dass sie auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an die Bank für Gemeinwirtschaft klagt.

Aufgrund der akzessorischen Ausgestaltung der Bürgschaft kann die Klägerin von diesem Sicherungsmittel anders als z.B. von einer Grundschuld auch nicht anderweitig Gebrauch machen. Letztlich entfällt ein Interesse des Hauptschuldners an der Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an sich selbst in all den Fällen völlig, in denen etwa wie bei der bürgenden Ehefrau kein Avalvertrag geschlossen wird. Hier hat ohnehin einzig und allein der Bürge ein Interesse daran, die Bürgschaftsurkunde nach Erfüllung in Händen zu halten, um sich gegen weitere unberechtigte Inanspruchnahmen zur Wehr zu setzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO a.F.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO a.F.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Streitwert: bis 7.500 €

Ende der Entscheidung

Zurück