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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.06.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 110/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 14
StPO § 453
StPO § 462 a Abs. 2 Satz 1
StPO § 462 a Abs. 2 Satz 2
StPO § 462 a Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Amtsgericht Rheinberg ist für die nach § 453 StPO zu treffenden Entscheidungen zuständig.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Duisburg hat den Verurteilten am 20. Januar 2003 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Durch Beschluss vom selben Tag hat es die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt, den Verurteilten einem Bewährungshelfer unterstellt und den Verurteilten angewiesen, jeden Wohnungswechsel mitzuteilen.

Durch Beschluss vom 24. Februar 2003 hat das Amtsgericht Duisburg die infolge der Strafaussetzung nach § 453 StPO zu treffenden Entscheidungen dem Amtsgericht Kamp-Lintfort übertragen, da der Verurteilte dort wohnt. Durch Beschluss vom 21. März 2003 hat das für den Wohnsitz des Angeklagten zuständige Amtsgericht Rheinberg die Übernahme mit der Begründung abgelehnt, die Abgabe sei willkürlich erfolgt, da die Entfernung zwischen Kamp-Lintfort und den Amtsgerichten Duisburg und Rheinberg sich nicht wesentlich unterscheide und keine Auflagen oder Weisungen erteilt worden seien, die vom Amtsgericht Rheinberg zweckmäßiger als vom abgebenden Gericht zu überwachen seien. Das Amtsgericht Duisburg hat die Akten dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 14 StPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Duisburg als auch das Amtsgericht Rheinberg haben sich hinsichtlich der weiteren Bewährungsaufsicht für unzuständig erklärt.

Zuständig ist das Amtsgericht Rheinberg. Der Abgabebeschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 24. Februar 2003 ist bindend.

Ein Fall, in dem die Wirkung des § 462 a Abs. 2 Satz 2 StPO ausnahmsweise wegen Willkür der Abgabeentscheidung entfällt, liegt nicht vor. Die gesetzliche Bindungswirkung findet ihre Grenze im Willkürverbot als einem allgemein zu beachtenden Grundsatz des Verfassungsrechts. Ein Angeklagter oder Verurteilter darf nicht willkürlich seinem gesetzlichen Richter iSd Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entzogen werden. Von Willkür ist auszugehen, wenn die Abgabeentscheidung auf sachfremden, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruht und bei verständiger Würdigung unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar erscheint und deshalb offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 29, 45,49; BGHSt 29, 216, 219, OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, NStZ 1992, 206, 207; 3. Strafsenat, OLGSt Nr. 13 zu § 462 a StPO mwN). Dies ist bei einer Abgabeentscheidung iSd § 462 a Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz StPO nicht bereits dann der Fall, wenn besondere Gründe fehlen, die die Abgabe an das Gericht, in dessen Bezirk der Verurteilte wohnt, als zweckmäßig erscheinen lassen (vgl. BGH NStZ 1993, 200, 201; Beschlüsse vom 22.1.2003 [2 ARs 385/02, 12.4.2002 [2 ARs 96/02], 4.3.2002 [2 ARs 55/02], 5.12.2002 [2 ARs 321/02], 5.5.2000 [2 ARs 108/00], 23.12.1999 [2 ARs 494/99], 17.8.1994 [2 ARs 262/94]; OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, Beschluss vom 10.3. 2003 [III-1 Ws 60/03]; 3. Strafsenat, Beschluss vom 20.3.2003 [III-3 Ws 81/03]; OLG Hamm JMBl NW 1996, 237, 238).

An seiner gegenteiligen Auffassung (vgl. Beschluss vom 19. September 2002 = JMBl NW 2002, 258) hält der Senat angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht mehr fest.

Die in § 462 a Abs. 2 StPO eröffnete Abgabemöglichkeit bedeutet zwar nicht, dass die im Rahmen des § 453 StPO zu treffenden Entscheidungen grundsätzlich an das Gericht des Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes abzugeben sind. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber dem erkennenden Gericht nicht nur die Möglichkeit der Übertragung eingeräumt, sondern diese zwingend vorgeschrieben (vgl. BGH NJW 1958, 560 zu § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO a.F.). Die durch § 462 a Abs. 2 Satz 1 StPO getroffene Regelung weist auf die besondere Stellung des in erster Linie zuständigen Gerichts des ersten Rechtszuges hin (vgl. BGHSt 26, 204, 206).

Ihm obliegt es kraft der gesetzlichen Zuweisung, die Überwachung der Bewährung so zweckmäßig und wirkungsvoll wie möglich zu gestalten und die erforderlichen Maßnahmen und Entscheidungen zu treffen. Soweit der gemäß § 462 a Abs. 2 Satz 1 StPO grundsätzlich zuständige erkennende Richter von der Abgabemöglichkeit des § 462 a Abs. 2 Satz 2 StPO Gebrauch machen will, steht ihm ein Ermessen zu, das lediglich auf eklatante Fehler, die seine Entscheidung als willkürlich erscheinen lassen, überprüft werden kann. Allein schon der Umstand, dass der Verurteilte im Bezirk des Amtsgerichts Rheinberg wohnt, ist ein sachlicher Grund für die Abgabe an dieses Gericht und schließt in der Regel die Annahme von Willkür aus.

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