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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 04.07.2000
Aktenzeichen: 20 U 115/99
Rechtsgebiete: UWG, WZG, MarkenG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 16
WZG § 4 Abs. 3
WZG § 4 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG § 3 Abs. 1
MarkenG § 14 A Abs. 5
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG § 14 Abs. 1
MarkenG § 15 Abs. 4
MarkenG § 15 Abs. 2
MarkenG § 5
MarkenG § 5 Abs. 2 Satz 1
MarkenG § 156 Abs. 1
MarkenG § 152
MarkenG § 6 Abs. 4
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 115/99 4 O 432/98 LG Düsseldorf

Verkündet am 4. Juli 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des. Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Berneke und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Schmidt und Winterscheidt

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. September 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 DM abwenden, wenn die Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leitet. Die Sicherheiten können durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Am 12.4.1985 wurde die Klägerin, die sich ursprünglich mit der Vermittlung von Versicherungsverhältnissen befaßte, unter der Firma "GVP Versicherungs Vermittlungs Gesellschaft mit beschränkter Haftung" in das Handelsregister eingetragen. Im Juni 1989 änderte sie ihre Geschäftstätigkeit in die bundesweite Vermittlung von Versicherungen, Bausparverträgen, Kapitalanlagen, Investment und Finanzierungen. Im Jahre 1990 änderte sie ihre Firma in GVP Vermögensberatungs GmbH". Am 7. März 1995 meldete sie die nachfolgend wiedergegebene Marke 395 102 27 an, die am 1.2.1996 für die Dienstleistungen "Unternehmensberatung, Dienstleistungen auf dem Gebiet des Finanzwesens und Versicherungswesens, Dienstleistungen eines Immobilienkaufmannes und Immobilienmaklers" in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen wurde.

Die Beklagte befaßt sich mit der Konzeption, Einführung und dauerhaften Betreuung von Vertriebssystemen und Produkten des Finanzdienstleistungsbereichs (Anlage K 3). Sie wurde am 31.3.1994 unter der Firma "D Unternehmensverwaltungs-GmbH" in das Handelsregister eingetragen. Am 8.7.1994 wurde ihre Firma in "GVP Gesellschaft für Vertriebs- und Produktmanagement mbH" umgeschrieben. Im Juli 1995 erfolgte ihre Umwandlung in eine Aktiengesellschaft.

Die Klägerin will der Beklagten untersagen lassen, für den vorgenannten Unternehmensgegenstand die Firma "GVP Gesellschaft für Vertriebs- und Produktmanagement AG" zu verwenden. Ferner begehrt sie Auskunft und Schadensersatz zu dieser Handlung und die Löschung der im Handelsregister für die Beklagte eingetragenen Buchstabenfolge "GVP". Sie sieht in der Verwendung der Buchstabenfolge "GVP" eine Verletzung ihrer Marke, jedenfalls ihres Firmenbestandteils "GVP" und hat hierzu vorgetragen: Die Buchstabenzusammenstellung "GVP" besitze normale Kennzeichnungskraft und präge ihre Marke. Da sich in einem zu Abkürzungen neigenden Wirtschaftsverkehr der Bestandteil "GVP" als Unternehmenskürzel eigne, seien Verwechslungen zwischen ihrem und dem Firmenbestandteil "GVP" der Beklagten zu befürchten. Ein prioritätsälteres Recht stehe der Beklagten an der Buchstabenfolge "GVP" nicht zu. Nach der Rechtsprechung zu dem inzwischen aufgehobenen § 16 UWG seien aus sich heraus nicht aussprechbare Buchstabenfolgen von Haus aus nicht kennzeichnungskräftig. Daran sei festzuhalten. Daher habe die Beklagte auch nach Inkrafttreten des Markengesetzes am 1.1.1995 für die Buchstabenfolge "GVP" keinen Kennzeichenschutz erlangt. Selbst wenn man ihr Kennzeichenschutz zubilligen wolle, könne sich die Beklagte darauf nicht mit Erfolg berufen, weil dann die Buchstabenfolge "GVP" in ihrer, der Klägerin, Firma den besseren Rang habe.

Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit dem Marketing von Finanzdienstleistungen, insbesondere die Konzeption, Einführung und dauerhafte Betreuung von Vertriebssystemen und Produkten im Finanzdienstleistungsbereich die Firma GVP Gesellschaft für Vertriebs- und Produktmanagement AG zu verwenden,

2. gegenüber dem Amtsgericht Düsseldorf (Handelsregister) darin einzuwilligen, daß die Buchstabenfolge "GVP" in der unter HRB 35263 eingetragenen Firma gelöscht wird,

3. ihr, der Klägerin, Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, die zu I.1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar - aufgeschlüsselt nach Jahren - der Art und des Umfangs der Benutzung in Geschäftspapieren sowie der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

II. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Entscheidung des Rechtsstreits bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den von ihr gegen die Klagemarke gestellten Löschungsantrag auszusetzen.

Sie hat vorgetragen: Die Buchstabenfolge "GVP" sei in der Klagemarke nicht prägend, ihr komme für sich gesehen keine Kennzeichnungskraft zu; prägende Wirkung habe vielmehr das Bildelement. Jedenfalls habe sie, die Beklagte, an ihrer geschäftlichen Bezeichnung ein prioritätsälteres Recht, weil sie die Benutzung schon im Jahre 1999 aufgenommen habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die Klagemarke und die Geschäftsbezeichnung der Klägerin würden nicht verletzt.

Gegenüber den markenrechtlichen Ansprüchen könne sich die Beklagte auf ein prioritätsälteres Recht berufen, weil sie seit dem Inkrafttreten des Markengesetzes Kennzeichenschutz für die den Anfangsbestandteil ihrer Firma bildende Kurzbezeichnung "GVP" genieße. Schutzfähig seien Unternehmenskennzeichen, sofern sie Namensfunktion hätten und geeignet seien, die Person oder das von ihr geführte Unternehmen von anderen Unternehmen zu unterscheiden. Dies sei bei der Kurzbezeichnung "GVP" auch ohne Verkehrsdurchsetzung der Fall. Zwar habe der Bundesgerichtshof für aus sich heraus nicht verständliche Buchstabenfolgen, wenn sie kein aussprechbares Wort ergeben, eine namensmäßige Kennzeichnungskraft verneint und für die Erlangung des Firmenschutzes Verkehrsdurchsetzung gefordert.

Dies stehe einem kennzeichenrechtlichen Schutz der Kurzbezeichnung "GVP" jedoch nicht entgegen. Da die Klagemarke erst nach dem 1.1.1995 angemeldet worden sei, handele es sich um eine nach dem Inkrafttreten des Markengesetzes entstandene Kollisionslage. Jedenfalls in solchen Fällen könne den lautmäßig nicht aussprechbare Buchstabenfolgen nicht länger die Eignung abgesprochen werden, von Haus aus als Unternehmenskennzeichen zu wirken. Die gegenteilige Auffassung verkenne den Widerspruch zur Lebenswirklichkeit, wonach gerade bei den Unternehmenskennzeichen die Verwendung von nicht aussprechbaren Buchstabenfolgen allgemein üblich geworden sei. Ein konkretes Freihaltebedürfnis für die Buchstabenfolge "GVP" sei nicht feststellbar. An der bisherigen Rechtsprechung, die durch § 4 Absatz 3 WZG geprägt gewesen sei, könne nicht festgehalten werden, nachdem die Markenfähigkeit von Buchstaben in § 3 Absatz 1 MarkenG anerkannt worden sei. Die danach schutzfähige Kurzbezeichnung "GVP" habe gegenüber der Klagemarke den besseren Zeitrang. Die Beklagte habe ihre Firma bereits seit dem 8.7.1994 benutzt, also auch am 1.1.1995, so daß zu diesem Zeitpunkt ihr Kennzeichenrecht an der Kurzbezeichnung "GVP" entstanden sei. Für ihre Firma könne die Klägerin zwar ebenfalls in bezug auf den Bestandteil "GVP" Zeichenschutz beanspruchen, jedoch erst ab dem 1.1.1995 und damit nicht im Rang vor der Beklagten.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und trägt vor: An den für nicht aussprechbare Buchstabenfolgen von der Rechtsprechung unter Geltung des § 16 UWG entwickelten Grundsätzen sei nach Inkrafttreten des Markengesetzes festzuhalten. Das ergebe sich aus der Systematik des Markengesetzes und der amtlichen Gesetzesbegründung. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Grundsatz der Einheit des Kennzeichenrechts. Als Wort nicht aussprechbare Buchstabenzusammenstellungen seien weiterhin nur dann als Geschäftsbezeichnung schutzfähig, wenn sie sich als besondere Bezeichnung des Unternehmens im Verkehr durchgesetzt hätten

Die Klägerin beantragt,

I. das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14.9.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr mit dem Marketing von Finanzdienstleistungen, insbesondere die Konzeption, Einführung und dauerhafte Betreuung von Vertriebssystemen und Produkten im Finanzdienstleistungsbereich die Firma GVP Gesellschaft für Vertriebs- und Produktmanagement AG zu verwenden,

2. gegenüber dem zuständigen Amtsgericht Düsseldorf (Handelsregister) darin einzuwilligen, daß die Buchstabenfolge "GVP" in der unter HR B 35263 eingetragenen Firma gelöscht wird,

3. ihr, der Klägerin, Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, die vorstehend unter I,1 bezeichneten Handlungen seit dem 5.11.1996 begangen hat, und zwar - aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren - nach der Art und des Umfangs der Benutzung in Geschäftspapieren sowie der betriebenen Werbung, wobei die Angaben über die Werbung nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet aufzuschlüsseln sind,

II. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1 bezeichneten, seit dem 5.11.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 14.9.1999 zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe bereits im Jahre 1994 die Benutzung der Kennzeichnung "GVP" aufgenommen und seither fortlaufend benutzt. Auch das Oberlandesgericht Köln habe in einer neueren Entscheidung vom 5.11.1999 (6 y 43/99) den Kennzeichenschutz für nicht aussprechbare Buchstabenzusammenstellungen ohne Verkehrsgeltung anerkannt.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu, so daß auch die von ihr geltend gemachten Folgeansprüche keine Grundlage haben.

Gegenüber der geschäftlichen Kurzbezeichnung "GVP" der Beklagten kann die Klägerin weder Markenschutz nach § 14 Absatz 5, Absatz 2 Nr. 2, Absatz 1 MarkenG noch Schutz ihrer eigenen geschäftlichen Kurzbezeichnung "GVP" nach § 15 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 2 MarkenG beanspruchen, weil ihre Zeichen keine Priorität besitzen. Das Landgericht hat in seinem Urteil zutreffend ausgeführt, daß die Beklagte Kennzeichenschutz für die den Anfangsbestandteil ihrer Firma bildende Kurzbezeichnung "GVP" in Anspruch nehmen könne. Es hat die Schutzvoraussetzungen für Kurzbezeichnungen und die diesbezügliche Rechtsprechung unter Geltung des § 16 UWG aufgezeigt, wonach den nicht als Wort aussprechbaren Buchstabenzusammenstellungen nur mit Verkehrsdurchsetzung Kennzeichenschutz zukam, weil sie nicht ohne weiteres als Unternehmensname wirkten (vgl. BGH, GRUB 1985, 461, 462 Gefa/Gewa) und weil ein abstraktes Freihaltebedürfnis des Wirtschaftsverkehrs an Buchstaben bestand (vgl. BGH, GRUB 1979, 470, 471 - RBB/RBT). Außerdem hat es dargelegt, daß an dieser Rechtsprechung aufgrund der geänderten Lebensverhältnisse nicht festgehalten werden könne und daher auch die weiteren Erwägungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 26.6.1997 (GRUB 1998, 165 - RBB) dem Kennzeichenschutz des Unternehmenskürzels "GVP" nicht entgegenstünden. Diesen Ausführungen tritt der Senat, der bisher anderer Auffassung war, nunmehr zustimmend bei; auf die Seiten 13 - 19 des angefochtenen Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 543 Absatz 1 ZPO). Das Vorbringen der Klägerin in zweiter Instanz gibt lediglich Anlaß zu folgenden weiteren Bemerkungen:

Die Klägerin meint, der Gesetzgeber habe eine Änderung des Kennzeichenschutzes für nicht aussprechbare Buchstabenfolgen nicht gewollt. In dieser Annahme sieht sie sich durch die amtliche Begründung zu § 5 MarkenG (Bundestagsdrucksache 12/6581) bestätigt. Die zu § 16 UWG entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung für die Schutzfähigkeit von nicht aussprechbaren Buchstabenfolgen würden danach uneingeschränkt fortgelten. Dem kann indes in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zwar hat der Bundesgerichtshof wiederholt, teilweise unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die amtliche Gesetzesbegründung, bekräftigt, daß der Verwechslungsschutz der Unternehmenskennzeichen durch das Markengesetz nicht reformiert worden sei, sondern die bisherige Rechtslage weiterhin Gültigkeit habe (vgl. BGH NJW 1997, 2948, 2949 - L'Orange; NJW 1997, 1928, 1929 - NetCom; GRUR 1995, 825, 826 - Torres [dort unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 12/6581, S. 67 und 76]; NJW-RR 230 - Cotton line). Gemeint waren damit aber nur die von der Rechtsprechung erarbeiteten Rechtsgrundsätze, nicht auch die dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Im wesentlichen zu den Tatsachenfeststellungen gehört aber gerade die Frage, ob nicht aussprechbare Buchstabenfolgen generell (abstrakt) ursprüngliche Kennzeichenkraft als Unternehmensnamen besitzen; dementsprechend hat der Bundesgerichtshof mehrfach klargestellt, daß allein die jeweilige Verkehrsauffassung hierfür maßgebend sei (vgl. BGHZ 11, 214, 217 - KfA; GRUB 1985, 461, 462 - Gefa/Gewa). Auch in seiner Entscheidung vom 26.6.1997 (GRUB 1998, 165 - RBB) hat er sich in dieser Frage ersichtlich nicht an die frühere Beurteilung gebunden gefühlt und (nur) mit Blick auf die schon vor der Veröffentlichung der Markenrechtsrichtlinie entstandene Kollisionslage offen gelassen, ob eventuell schon aus dem in § 3 Absatz 1 MarkenG enthaltenen Grundsatz einer abstrakten markenrechtlichen Unterscheidungskraft von Buchstabenfolgen zu schließen sei, daß auch den nicht aussprechbaren Buchstabenfolgen als Unternehmenskennzeichen von Haus aus abstrakte Unterscheidungseignung zukomme.

Die originäre Unterscheidungskraft und Namensfunktion nicht aussprechbarer Buchstabenfolgen wurde von der Rechtsprechung unter der Geltung des § 16 UWG grundsätzlich verneint. Daran läßt sich aber, wie das Landgericht ausgeführt hat, aufgrund der gewandelten Lebensverhältnisse nicht festhalten. Schon in der Zeit vor Inkrafttreten des Markengesetzes am 1.1.1995 hatte sich der Verkehr an nicht aussprechbare Buchstabenkürzel zur namensmäßigen Unterscheidunggewöhnt, weil viele Unternehmen dazu übergegangen waren, sich mit solchen Buchstabenfolgen zu bezeichnen. Das Landgericht hat die Beispiele AEG, BASF, RAG und RWE angeführt. Diese und andere Kurzbezeichnungen (vgl. die weiteren Beispiele bei Goldmann/Rau, GRUB 1999, 216, 221) haben zwar (auch) besondere Verkehrsgeltung erlangt, damit aber erheblich dazu beigetragen, daß der Verkehr sich ganz allgemein daran gewöhnt hat, mit solchen Abkürzungen zum Zwecke der Unterscheidung umzugehen, was durch viele in den letzten Jahren hinzugekommene Unternehmenskennzeichen, insbesondere aus den Bereichen Technologie, Medien und Telekommmunikation (z. B. AOL; QXL, QSC, CMGI, LHS, MSH, GFT, GMX, CPU, CTS, SGL Usw.) Bestätigung gefunden hat. Dabei verzichtet der Verkehr teilweise sogar auf die Möglichkeit, Kurzbezeichnungen mit Vokalen als (Phantasie-) Wort zusammenhängend auszusprechen (z. B. SAP, MAN, VEW, VAG). Auch dies zeigt, daß die Aussprechbarkeit der Buchstabenfolge kein maßgebendes Kriterium für die Namensfunktion eines Unternehmenskennzeichens mehr ist.

Das vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.6.1997 - I ZR 19/95 (GRUB 1998, 165, 166 - RBB) zusätzlich geäußerte Bedenken, mit Blick auf die verbreitete Verwendung von Abkürzungen bestehe ein allgemeines Freihaltebedürfnis an nicht aussprechbaren Buchstabenfolgen, steht der Schutzfähigkeit der angegriffenen Kurzbezeichnung "GVP" nicht durchgreifend entgegen, wie schon das Landgericht dargelegt hat. Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber dem Freihaltebedürfnis an Buchstaben einen deutlich niedrigeren Stellenwert zugewiesen hat, indem er den Sondertatbestand des § 4 Abs. 2 Nr. 1 WZG, der die Eintragung von Buchstaben als Warenzeichen untersagte, ersatzlos gestrichen und nicht aussprechbare Buchstabenfolgen als eintragungsfähige Marken anerkannt hat (§ 3 Abs. 1 MarkenG; siehe dazu auch Goldmann/Rau, GRUR 1999, 216, 219). Zudem erscheint es nicht gerechtfertigt, das abstrakte Freihaltebedürfnis des Verkehrs gegenüber nicht aussprechbaren Buchstabenfolgen höher einzustufen als gegenüber aussprechbaren Kürzeln, wenn beide gleichermaßen als Unternehmensname geeignet sind. Ohnehin besteht für den Verkehr grundsätzlich kein Zwang, unaussprechbare Buchstabenkombinationen als Kennzeichnungsmittel zu verwenden, auch wenn dies im Einzelfall zweckmäßig oder bequem erscheinen mag (vgl. Goldmann/Rau a.a.O.). Ebensowenig besteht ein konkretes Freihaltebedürfnis für die Bezeichnung "GVP"; auch dies hat das Landgericht zutreffend ausgeführt (Seiten 16 - 18 des angefochtenen Urteils).

Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Klägerin, es sei nicht gerechtfertigt, einer - wie sie meint - von Haus aus nicht unterscheidungskräftigen Folge von Konsonanten nach § 5 Absatz 2 Satz 1 MarkenG allein durch Ingebrauchnahme ohne Verkehrsdurchsetzung Schutz zuzubilligen, den Marken eine vergleichbare Schutzbegründung jedoch zu versagen. Die unterschiedlichen Schutzanforderungen für Marken und Unternehmenskennzeichen gelten generell, so daß die vorliegende Fallgestaltung insoweit keine Besonderheit aufweist.

Der Klägerin ist zuzugeben, daß die Schutzvoraussetzungen bei den Marken und Unternehmensnamen nicht in allen Punkten gleich ausgestaltet sind; so bedürfen Unternehmenskennzeichen, die von Haus aus unterscheidungskräftig sind, zur Erlangung ihres Zeichenschutzes nicht der Verkehrsgeltung, während dies bei nicht eingetragenen (unterscheidungskräftigen) Marken erforderlich ist (§ 4 Nr. 2 MarkenG). Daraus folgt aber nicht, daß der Grundsatz der Einheit des Kennzeichenrechts namentlich in den Fragen der Unterscheidungskraft und der namensmäßigen Wirkung keine gleichmäßige Beurteilung rechtfertigte. Insbesondere leuchtet nicht ein, wieso eine nicht aussprechbare Buchstabenfolge geeignet sein soll, von Beginn an eine Ware oder Dienstleistung zu individualisieren und zu benennen, nicht aber ein unter derselben Bezeichnung handelndes Unternehmen. Außerdem kann ein unterschiedlicher Schutz zu unbilligen Ergebnissen führen, wenn eine seit geraumer Zeit als Unternehmenszeichen benutzte nicht aussprechbare Buchstabenfolge (ohne Verkehrsgeltung) allein mit Hinweis auf eine viel später eingetragene Marke untersagt werden könnte. Daran ändert nichts, daß sich der Inhaber des Unternehmenskennzeichens durch eine rechtzeitige Markeneintragung vor diesem Nachteil schützen könnte.

Nach alledem können nicht aussprechbare, unterscheidungskräftige Buchstabenkombinationen in Geschäftsbezeichnungen schon ab der Nutzungsaufnahme Zeichenschutz genießen. So verhält es sich auch mit dem Firmenbestandteil "GVP" der Beklagten. Die Firma der Beklagten wurde im Jahre 1999 in "GVP Gesellschaft für Vertriebs und Produktmanagement" geändert. In ihrer Berufungsbegründung hat die Klägerin zwar bestritten, daß die Beklagte ihr Unternehmenskürzel "GVP" am 1.1.1995 im Geschäftsverkehr benutzt habe. Nachdem die Beklagte daraufhin ihr Vorbringen ergänzt und durch verschiedene Schriftstücke (ROP 1, 2) belegt hat, daß sie in der Zeit von August 1999 bis Mai 1995 mit ihrer Kurzbezeichnung im Geschäftsverkehr aufgetreten ist, hat die Klägerin dies jedoch nicht mehr in Abrede gestellt, so daß von dem Vortrag der Beklagten auszugehen ist. Die Kennzeichnungskraft der angegriffenen Bezeichnung "GVP" kann im übrigen durch die mit der Anlage B 1 vorgelegten Beispiele von Unternehmen, deren Firmen drei Buchstaben voranstehen, von denen die ersten beiden "GV" lauten, allenfalls geschwächt, nicht aber beseitigt worden sein. Auch die Klägerin stützt sich hilfsweise - auf die in ihrer Firma enthaltene Buchstabenfolge "GVP".

Das Landgericht hat zu Recht einen besseren Zeitrang der angegriffenen Kurzbezeichnung, gegenüber der Marke der Klägerin angenommen. Die Bestimmung des § 4 Absatz 2 Nr. 1 WZG stellte für Buchstaben (und nicht aussprechbare Buchstabenfolgen) als Warenzeichen ein absolutes Eintragungshindernis dar, das erst durch das am 1.1.1995 in Kraft getretene Markengesetz weggefallen ist. Daraus hat der Bundesgerichtshof (BGH GRUB 1996, 202 - UHQ) gefolgert, daß Buchstaben als Marke frühestens mit Prioritätsrang des 1.1.1995 eingetragen werden können, auch wenn sie vorher angemeldet wurden, was überdies auch nach § 156 Absatz 1 MarkenG vorgesehen ist. Schon der Grundsatz der Einheit des Kennzeichenrechts, wonach Geschäftsbezeichnungen und Marken gleichwertige Schutzrechte sind, rechtfertigt es daher, auch nicht aussprechbaren Buchstabenfolgen, deren Benutzung als Unternehmenskennzeichen vor dem 1.1.1995 begonnen hat, erst mit dem Zeitrang des 1.1.1995 Zeichenschutz zu gewähren. Zudem war die Rechtsprechung zu § 16 UWG unter der Geltung des Warenzeichengesetzes maßgeblich von der in § 4 Absatz 2 Nr. 1 WZG enthaltenen Gesetzeswertung geprägt, daß ein generelles Freihaltebedürfnis für Buchstaben bestehe (abgesehen von den Ausnahmefällen der Verkehrsdurchsetzung nach § 4 Absatz 3 WZG und phantasievollen, den Charakter als Buchstaben zurückdrängenden Gestaltungen). Diese grundsätzliche Gesetzeswertung, die erst durch das Markengesetz eine Änderung erfahren hat (und auf die sich der Wirtschaftsverkehr eingestellt hatte), würde übergangen, wenn man den Buchstabenfolgen als Unternehmenskennzeichen rückwirkend eine Priorität vor dem 1.1.1995 zubilligen würde, die sie nach dem Warenzeichengesetz in Verbindung mit § 16 UWG nicht erlangt hätten.

Mit dem Landgericht ist ferner davon auszugehen, daß die Übergangsbestimmung des § 152 MarkenG dem Schutz der angegriffenen Kurzbezeichnung ab dem 1.1.1995 nicht entgegensteht. Da das Zeichen "GVP" nach dem Ausgeführten erst am 1.1.1995 seine Schutzfähigkeit erlangt hat, fällt es nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, weil § 152 MarkenG sich nur auf "Altrechte" bezieht. Der Bestimmung ist auch nicht zu entnehmen, daß vor dem 1.1.1995 nicht schutzfähige Unternehmenskennzeichen der Schutz nach dem Markengesetz generell zu versagen sei. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, einem Rechtsinhaber, der sich erst ab dem 1.1.1995 einer nicht aussprechbaren Buchstabenfolge als Unternehmenszeichens bedient, Kennzeichenschutz zu gewähren, nicht aber demjenigen, der die Benutzung schon vor dem 1.1.1995 aufgenommen hat. Weiterhin ist es nicht gerechtfertigt, dem Inhaber, der die Benutzung seiner Kurzbezeichnung nach dem 1.1.1995 aufgenommen hat, die Rechtsmacht zu geben, einem anderen, der die Benutzung einer gleichen Bezeichnung vor dem 1.1.1995 aufnahm, den Gebrauch seiner älteren Kennzeichnung zu verbieten. Ebensowenig ist es angebracht, dem Inhaber einer vor dem 1.1.1995 in Benutzung genommen Kurzbezeichnung deswegen zusätzliche aktive Schutzbemühungen (etwa in Form der Eintragung einer Marke) aufzuerlegen, wie die Klägerin meint. Vielmehr sind Unternehmenskennzeichen unabhängig davon, ob ihre Benutzung vor oder nach dem 1.1.1995 aufgenommen wurde, in bezug auf die zeichenrechtlichen Schutzanforderungen gleich zu behandeln. Da der Kennzeichenschutz für die Kurzbezeichnung der Beklagten mithin am 1.1.1995 begann, die Klagemarke aber erst am 7.3.1995 angemeldet wurde, ist das Zeichen der Beklagten prioritätsälter.

Aus dem Gesagten folgt ferner, daß der Bestandteil "GVP" aus der Firma der Klägerin, die sie seit dem Jahre 1990 führt, ebenfalls frühestens am 1.1.1995 Kennzeichenschutz erlangt hat. Auf einen früheren Eintritt der Schutzfähigkeit zum Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist der Markenrechtsrichtlinie am 31.12.1992 kann sich die Klägerin nicht berufen, weil die Markenrechtsrichtlinie nicht die Unternehmenskennzeichen betrifft (vgl. BGH GRUR 1995, 54, 57 - Nicoline), um die es hier aber geht. Nach § 6 Absatz 4 MarkenG kann die Klägerin daher, auch aus ihrem Unternehmenskennzeichen gegenüber der Kurzbezeichnung der Beklagten keine prioritätsälteren Schutzrechte herleiten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Klägerin: 200.000 DM.

Ende der Entscheidung

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