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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 31.10.2000
Aktenzeichen: 20 U 126/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 929 Abs. 2
ZPO § 936
ZPO § 187
ZPO § 207 Abs. 1
ZPO § 270 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUß

20 U 126/00 4 O 70/00 Q LG Düsseldorf

Verkündet am 31. Oktober 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Berneke und die Richter am Oberlandesgericht Schüttpelz und Winterscheidt

beschlossen:

Tenor:

I. Von den erstinstanzlichen Kosten haben die Antragsgegnerin 3/4 und die Antragstellerinnen 1/4 zu tragen. Die Kosten der Berufung fallen der Antragsgegnerin zur Last.

II. Der Streitwert für die Berufung beträgt bis zur Abgabe der Erledigungserklärung 187.500 DM, danach bis 30.000 DM.

Gründe:

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a ZPO nach billigem Ermessen nur noch über die Kosten zu entscheiden. Dabei ist dem Grundsatz Rechnung zu tragen, wonach die unterliegende Partei mit den Kosten des Rechtsstreits belastet wird. Dies führt zu der aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Kostenverteilung.

Über die Frage, ob das Landgericht den Antragstellerinnen die Verfügungsansprüche zu Recht zugebilligt hat, streiten die Parteien - zu Recht - nicht mehr. Vielmehr hat die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung nur noch geltend gemacht, die Antragstellerinnen hätten in bezug auf die angefochtene Urteilsverfügung die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO versäumt. Indes wäre die einstweilige Urteilsverfügung nicht deshalb aufzuheben gewesen, weil die Antragstellerinnen sie nicht innerhalb eines Monats vollzogen haben (§ 929 Abs. 2, 936 ZPO).

Gemäß § 929 Abs. 2, 936 ZPO ist die Vollziehung einer Urteilsverfügung unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem das Urteil verkündet wird, ein Monat verstrichen ist. Die nicht mehr vollziehbare einstweilige Verfügung ist wirkungslos,, ihr wird die Wirkung von Anfang an abgesprochen. Der Vollziehung bedürfen auch einstweilige Verfügungen auf Unterlassung, an die sich der Schuldner - jedenfalls zunächst - hält. Eine Vollziehung ist bei einer Urteilsverfügung nicht deswegen entbehrlich, weil ihre Zustellung von Amts wegen erfolgt (so OLG Stuttgart NJW-RR 1998, 622, 623, OLG Oldenburg WRP 1992, 412, OLG Celle, NJW-RR 1990, 1088) oder der Wille des Gläubigers, von dem Titel Gebrauch zu machen, schon durch das Erstreiten des Unterlassungsurteils zum Ausdruck kommt (vgl. OLG Stuttgart NJWE-WettbR 1997, 43). Wesentlich für die vom Gesetz allerdings nicht näher bestimmte Vollziehung i. S. d. § 929 Abs. 2 ZPO ist nach richtiger Ansicht ein eigenes Tätigwerden des Gläubigers. Denn § 929 Abs. 2 ZPO soll den Gläubiger zu der Entschließung anhalten, ob er von der einstweiligen Verfügung Gebrauch machen will oder nicht (vgl. OLG Hamburg, NJWE-WettbR 1997, 92, 93). Eine solche Entscheidung des Gläubigers fehlt bei einer amtswegigen Zustellung der Urteilsverfügung oder deren Verkündung (vgl. BGH GRUR 1993, 415, 416; SChlHOLG, OLGR 1997, 28, 29; ebenso OLG Düsseldorf WRP 1991, 214, 216; Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 89 Rdn. 8), weshalb auch im vorliegenden Fall die Zustellung der Urteilsverfügung durch das Landgericht am 7.6.2000 nicht ausreichte. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O. S. 416) dem Vollziehungserfordernis Genüge getan sein, wenn die Urteilsverfügung dem Schuldner innerhalb der Vollziehungsfrist nicht im Parteibetrieb zugestellt wurde, sondern die Vollziehung auf andere Weise erfolgte. Es muß sich dann aber um ähnlich formalisierte oder urkundlich belegte, jedenfalls leicht feststellbare Maßnahmen handeln, woran es hier fehlt.

Die Vollziehungsfrist läuft mit dem Tage des nächsten Monats ab, der nach seiner Zahl dem des Fristbeginns entspricht. Fällt das Fristende auf einen Sonntag, allgemeinen Feiertag oder Samstag, so endet die Frist erst mit dem nächsten Werktag. Vorliegend ist die Urteilsverfügung am 18.5.2000 verkündet worden. An sich endete damit die Vollziehungsfrist mit Ablauf des 18.6.2000. Da dieser Tag aber ein Sonntag war, wurde das Fristende auf den Ablauf des 19.6.2000 hinausgeschoben (§ 222 Abs. 2 ZPO). Die Parteizustellung als Vollziehungsakt mußte daher spätestens am 19.6.2000 bewirkt werden. Ausweislich der Ablichtung der Zustellungsurkunde (Anlage 3) erfolgte die Zustellung erst am 20.6.2000, nachdem die Antragstellerinnen das Zustellungsgesuch am 19.6.2000 bei dem zuständigen Gerichtsvollzieher eingereicht hatten. Dies wirft die Frage auf, ob es für die Wahrung der Vollziehungsfrist genügt, wenn der Gläubiger den Antrag auf Zustellung der einstweiligen Verfügung rechtzeitig an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle einreicht, oder ob der Akt der Zustellung, der dem Schuldner von dem Vollziehungswillen Kenntnis gibt, innerhalb der Monatsfrist erfolgen muß. Für das letztere Erfordernis wird angeführt, daß die Frage der Heilung von Zustellungsmängeln nach § 187 ZPO anderenfalls "letztlich nie" eine Rolle spielen würde, da diese Mängel immer nach dem Antrag lägen - allerdings betrifft die Problematik in Wirklichkeit nicht sämtliche Falle späteren Zugangs, sondern nur "demnächstige Zugänge" -) nur ausnahmsweise sei daher auf den fristgerechten Zustellungsversuch abzustellen, wenn der Schuldner die fristgerechte Zustellung bewußt vereitelt habe (vgl. Schuschke/Walker, Arrest und Einstweilige Verfügung, 2. Aufl., § 929 Rdn. 31; Pastor, Die Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO, 3. Aufl. S. 16) oder die einstweilige Verfügung im Ausland zugestellt werden müsse (vgl. Wedemeyer in Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kapitel 61 Rdn. 22). Dafür spricht allerdings, daß Verzögerungen im auf Beschleunigung angelegten Verfügungsverfahren grundsätzlich entgegenzuwirken ist. Außerdem dient die Vollziehungsfrist dem Schuldnerschutz als Ausgleich dafür, daß dem Gläubiger durch das Eilverfahren die scharfe Waffe eines verkürzten Erkenntnisverfahrens in die Hand gegeben worden ist. Die Vollziehungsfrist soll dem Schuldner alsbald Klarheit verschaffen, ob mit einer Vollstreckung noch zu rechnen ist. Der Gläubiger soll nicht in die Lage versetzt werden, sich Verfügungen auf Vorrat zu beschaffen; Verzögerungen gehen daher regelmäßig zu seinen Lasten (vgl. OLG Hamm, GRUR 1991, 944).

Dessenungeachtet verdient im Ergebnis die Gegenansicht den Vorzug, wonach es - nicht nur in den bezeichneten Ausnahmefällen - für die Einhaltung der Vollziehungsfrist genügt, wenn der Antrag auf Zustellung im Parteibetrieb innerhalb der Monatsfrist bei der Gerichtsvollzieherverteilerstelle eingereicht worden ist und die Zustellung demnächst erfolgt (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1236; OLG Celle, InVo 1997, 23 = OLG-Report 1996, 226 [LS]; siehe auch OLG Hamm, FamRZ 1994, 1540 und Knieper in WRP 1997, 815, 816). Dafür streitet vor allem die in den § 207 Abs. 1, § 270 Abs. 3 ZPO zum Ausdruck gekommene zivilprozessuale Regel, wonach, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die Zustellungswirkung bereits mit der Einreichung des Antrags eintritt, sofern die Zustellung demnächst erfolgt. Normzweck ist hier der Schutz vor Verzögerungen bei Behörden, auf deren Geschäftsbetrieb der Zustellende keinen Einfluß hat. Im Streitfall geht es um eine Parteizustellung im Inland (§§ 166 ff ZPO), für die § 207 Abs. 1 ZPO gilt. Die Vorschrift umfaßt auch die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, § 207 Rdn. 1), und es gibt keinen durchgreifenden Grund, von ihrer Anwendung hier abzusehen, mag eine möglichst einheitliche Regelung der Vollziehungsfrist namentlich im gewerblichen Rechtsschutz auch den Bedürfnissen der Praxis entsprechen. Wenn die Rechtsprechung den Gläubiger einer Urteilsverfügung auf Unterlassung zur Einhaltung der Vollziehungsfrist auf den formellen Akt der - mit Hilfe des Gerichtsvollziehers durchzuführenden - Parteizustellung verweist, so wäre es inkonsequent, ihm die ansonsten bei Behördenzustellungen geltenden und ihn vor Einflüssen außerhalb seines Wirkungskreises schützenden gesetzlichen Vergünstigungen des § 207 Abs. 1 ZPO zu versagen. Etwas anderes läßt sich auch nicht mit dem Interesse des Schuldners an einer alsbaldigen Gewißheit über die Vollziehung rechtfertigen, zumal er nach der Verkündung der Urteilsverfügung jederzeit mit der Zustellung rechnen muß und ihn deshalb jedenfalls eine demnächstige Zustellung nicht völlig unvorbereitet trifft. Überdies hat die tatsächliche Kenntnisnahme des Schuldners von dem Vollziehungswillen des Gläubigers nach der Rechtsprechung keinen so übetragenden Stellenwert, daß deshalb unter allen Umständen daran festzuhalten wäre. Ist der Vollziehungsakt eine Vollstreckungsmaßnahme, so ist die Vollziehung rechtzeitig, wenn die betreffende Vollstreckungsmaßnahme innerhalb der Monatsfrist bei der zuständigen Stelle nur beantragt wird (BGH NJW 1991, 996; OLG Hamm NJW-RR 1993, 959 m.w.N.). Außerdem gibt es die bereits erwähnte Ausnahme der Auslandszustellung. In all diesen Fällen wird zu Lasten des Schuldners hingenommen, daß er tatsächlich nicht innerhalb der Monatsfrist Bescheid weiß, inwieweit der Antragsteller bereits die Verfügung vollzogen hat und es diesem ernst ist. Gegenteiliges läßt sich auch nicht den von der Antragsgegnerin angezogenen Rechtsprechungsnachweisen entnehmen. Eine Gegenüberstellung von Urteils- und Beschlußverfügung bestätigt im übrigen das hier gefundene Ergebnis. Da eine Beschlußverfügung nicht verkündet wird, bedarf es für ihre Wirksamkeit der Parteizustellung, wobei die Zustellung auch erst die Vollstreckungsvoraussetzung schaffen und zugleich die nach § 929 Abs. 2 ZPO gebotene Vollziehung bewirkt (vgl. KG NJW-RR 1999, 71 m.w.N.); eine zweite Zustellung ist also nicht erforderlich. Die Schaffung der Vollstreckungsvoraussetzungen muß aber den allgemeinen zivilprozessualen Regeln entsprechen und unterliegt damit auch § 207 Abs. 1, § 270 Nr. 3 ZPO. Bei der Urteilsverfügung ist hingegen neben der Verkündung als Wirksamkeitserfordernis die Parteizustellung als zweiter (Vollziehungs-) Akt zu veranlassen. Dann ist es jedoch nicht gerechtfertigt, von dem Gläubiger entgegen den Wertungen der Zivilprozeßordnung (§ 207 Abs. 1, § 270 Abs. 3 ZPO) auch noch zu fordern, daß die Zustellung außerhalb eines Tätigwerdens in eigenen Wirkungskreis innerhalb der Monatsfrist zu erfolgen hat. Mithin genügte es hier, daß das Zustellungsgesuch der Antragstellerin am 19.6.2000 bei dem Gerichtsvollzieher Moratschke innerhalb der Vollziehungsfrist einging und am 20.6.2000 (demnächst) zugestellt wurde.

Das Landgericht hat den Antragstellerinnen 1/4 der erstinstanzlichen Kosten aufgegeben, weil sie ihren Verfügungsantrag teilweise zurückgenommen haben. Dabei verbleibt es. Im übrigen hat die Antragsgegnerin die Kosten zu tragen, weil sie nach dem Gesagten voraussichtlich unterlegen gewesen wäre.

Ende der Entscheidung

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