Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.12.1999
Aktenzeichen: 20 U 52/99
Rechtsgebiete: UrhG, Künstlervertrag, ZPO


Vorschriften:

UrhG § 31 Abs. 4
UrhG § 97 Abs. 1
UrhG § 8 Abs. 2 S. 3
UrhG § 16
UrhG § 8 Abs. 2 S. 1
Künstlervertrag § 3 Abs. 1 S. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 52/99 12 O 443/98 LG Düsseldorf

Verkündet am 14. Dezember 1999

G, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht J sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. S und W

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 100.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war von 1972 bis 1976 Schlagzeuger und Mitinterpret in der Pop-Gruppe "A". Die Mitglieder der Gruppe schlossen im Jahre 1972 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen "Künstlervertrag" (Anlage K 6), mit dem sie dieser u.a. ihre "sämtlichen Leistungsschutzrechte" übertrugen, "soweit diese Rechte übertragbar" waren (§ 3 Abs. 1 des Künstlervertrages). Die Gruppe "A" erhielt bei Vertragsschluß eine auf die vertragliche Umsatzbeteiligung anrechenbare Vorauszahlung in Höhe von 80.000 DM, die bis heute nicht vollständig verdient ist. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten veröffentlichte in der Zeit von 1973 bis 1975 drei Schallplatten mit Aufnahmen der Gruppe "A", und zwar

- I G B (1973) - L (1975) - G O B (1975).

Später vergab die Beklagte die Rechte zur Verwertung der Aufnahmen auf CD an die Firma R R. Mit einem Schreiben vom 8. Oktober 1993 erkundigte sich der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten danach, wie die Lizenzen mit den Künstlern abgerechnet würden hinsichtlich der "CD-, MC- und LP-Neuauflage in Lizenz von A" (Anl. B 1).

Er erhielt u.a. die Antwort, daß die Vorauszahlung aus dem Jahre 1972 "bis heute nicht eingespielt" worden sei (Anl. B 2). Auf ein weiteres Schreiben vom 27. Juni 1996 (Anl. B 3) wurden ihm von der Beklagten die gewünschten Abrechnungen übersandt, die auch CD-Verkäufe enthielten (Anl. B 9).

In einer anwaltlichen Abmahnung vom 22. Juli 1998 vertrat der Kläger gegenüber der Beklagten den Standpunkt, daß die drei genannten Tonträger ohne seine Erlaubnis nicht für eine Veröffentlichung auf CD hätten lizenziert werden dürfen (Anl. K 9). Daraufhin erhob die Beklagte vor dem Landgericht H Klage auf Feststellung, daß sie zu dieser Vervielfältigung auf CD berechtigt sei. Mit Urteil vom 18. Dezember 1998 - 308 O 257/98 - gab das Landgericht H der Klage statt (Anl. B 7). Da der Kläger schon am 27. Oktober 1998 die vorliegende Unterlassungsklage beim Landgericht Düsseldorf eingereicht hatte, wurde die in H erhobene Feststellungsklage in zweiter Instanz von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Parteien streiten darüber, ob die Veröffentlichung der genannten Aufnahmen auf CD zur Zeit des Vertragsschlusses im Jahre 1972 eine "noch nicht bekannte Nutzungsart" i.S.v. § 31 Abs. 4 UrhG war.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wie folgt zu verurteilen:

Der Beklagten wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 2 Jahren verboten, die Tonaufnahmen

G O B C M M T M L M S F A W K T M G O C T C A T S I I C S T T C A M M F

auf der Compact Disc "A G O B"

und/oder die Titel

F O B S I G B W A L B R & R P N Y C M B M F G G T T C R M B L I T T D

auf der Compact Disc "A L"

und/oder die Titel

I G B D W D O G C I A F O T W S A S S

auf der Compact Disc "A I G B"

mit Einspielungen der Gruppe "A"

in der Bundesrepublik Deutschland als Compact Disc zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen, anzubieten und/oder anbieten zu lassen oder sonst in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen sowie Compact Discs mit dieser Schallaufnahme zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat u.a. die Ansicht vertreten, daß der Kläger mit dem Erhalt der Abrechnungen im Jahre 1996 der Veröffentlichung auf CD stillschweigend zugestimmt habe.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben, weil die Technologie der Compact Disc im Jahre 1972 eine noch nicht bekannte Nutzungsart gewesen sei.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihre Rechtsansicht, daß eine neue Nutzungsart i.S.v. § 31 Abs. 4 UrhG nicht vorgelegen habe, weil bloße Qualitätsverbesserungen dafür nicht ausreichten. Die Ablösung der V-LP durch die CD habe ebensowenig zu einer neuen Nutzungsart geführt wie etwa die Ablösung der Sch-Platte durch die V-LP im Jahre 1951.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, daß die Digitaltechnik in der CD und die damit verbundenen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten eine neue Nutzungsart im Sinne des Urheberrechts begründet hätten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Zutreffend hat das Landgericht dem Kläger einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gemäß §§ 97 Abs. 1, 8 Abs. 2 S. 3 UrhG zuerkannt, weil die Möglichkeit der Veröffentlichung von Tonaufnahmen auf CD im Jahre 1972 eine noch nicht bekannte Nutzungsart i.S.v. § 31 Abs. 4 UrhG war, Da die Parteien die in Hamburg erhobene Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, kann auch der Senat die Frage in gleicher Weise beurteilen, ohne in der Sache an ein rechtskräftiges Feststellungsurteil gebunden zu sein (vgl. Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 40, Rdnr. 123).

Schon § 3 Abs. 1 S. 1 des Künstlervertrages nimmt Rechte aus, die nicht übertragbar sind, also auch solche, deren Übertragung nach § 31 Abs. 4 UrhG "unwirksam" ist. Der Senat hält auch nach Überprüfung an seiner den Parteien bekannten Rechtsansicht (NJW-RR 96, 420) fest, daß die Veröffentlichung von Musikaufnahmen auf Compact Disc sowohl im Jahre 1971 als auch im Jahre 1972 eine noch nicht bekannte Nutzungsart im Sinne des Urheberrechts war (vgl. Fromm/Nordemann/Hertin, Urheberrecht, 8. Aufl., §§ 31/32, Rdnr. 18). Die Berufung trägt hierzu vor, selbst im Jahre 1982 sei noch keine einzige CD verkauft worden.

Der Senat ist bei der genannten früheren Entscheidung vom 10. Oktober 1995 von der Rechtsprechung des BGH ausgegangen, wonach eine Nutzungsart nur dann bekannt ist, wenn sie nicht nur mit ihren technischen Möglichkeiten, sondern auch als wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar bekannt ist. Technische Möglichkeiten und wirtschaftliche Verwertbarkeit müssen also beide bekannt sein, wenn eine Nutzungsart im Sinne des Gesetzes "bekannt" sein soll (vgl. BGH NJW 95, 1496, 1497 Videozweitauswertung III und NJW 86, 1244, 1246 - G Vermutung I). Für eine i. S. v. § 31 Abs. 4 UrhG "noch nicht bekannte Nutzungsart" genügt es also auch im vorliegenden Fall, wenn nur die technischen Möglichkeiten der CD bzw. der digitalen Tonaufnahme und -wiedergabe 1972 noch nicht bekannt waren. Diese Entscheidung des Senats hat im Schrifttum - soweit ersichtlich - jedenfalls keine Kritik gefunden (vgl. Fromm/Nordemann/Hertin a.a.O.; Rehbinder, Urheberrecht, 10. Aufl., Rdnr. 300; Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., §§ 31/32, Rdnr. 30). Die darin zugrunde gelegte Rechtsprechung des BGH ist durch seine nachträglich verkündete K-Entscheidung (NJW 97, 320) entgegen der Ansicht der Beklagten nicht berührt worden. Die in der neueren Entscheidung enthaltenen Formeln (vgl. a.a.O. 322 li.Sp.) sollen erkennbar mit den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung (vor allem G-Vermutung I und Videozweitauswertung III) ausgefüllt werden, vor allem aber mit dem Zweck des § 31 Abs. 4 UrhG, der verhindern soll, daß dem Urheber Mehrerträgnisse vorenthalten werden, die sich aus neuen technischen Entwicklungen ergeben (a.a.O.). In gleicher Weise ist zwar an der K-Entscheidung kritisiert worden, daß sie unzutreffend auf die Perspektive des Endverbrauchers (a.a.O.) abstelle (Schricker a.a.O.). Schon das Landgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, daß gerade aus der Sicht der Endverbraucher - und nicht nur aus der Sicht des Urhebers - die Compact Disc entscheidend veränderte Nutzungsmöglichkeiten eröffne.

Das gilt - wie im früheren Urteil ausgeführt - schon aufgrund der technischen Möglichkeiten der Tonaufnahme und -wiedergabe, die durch die Digitalisierung eröffnet werden. Dem wird der Prozeßvortrag der Beklagten nicht gerecht, wenn sie in der Compact Disc nur eine technische Verbesserung sieht, wie es etwa auch die V-LP im Verhältnis zur Sch-Platte gewesen sei. Es handelt sich nicht nur um eine quantitative Verbesserung, sondern eine qualitative Veränderung. Die Berufungserwiderung hat die grundlegende Bedeutung der Digitaltechnik für die gesamten modernen Medien überzeugend herausgestellt und daran die Folgerung geknüpft, daß schon die Digitalisierung einer Tonaufnahme, wie sie der Produktion einer Compact Disc notwendig vorausgeht, eine Vervielfältigung i.S.v. § 16 UrhG sei. Mag dies auch für den hier gestellten Antrag (gerichtet auf ein Verbot, die Tonaufnahmen "als CD" zu vervielfältigen, zu vertreiben usw.) unerheblich sein, so ist damit doch das für § 31 Abs. 4 UrhG entscheidende Merkmal der neuen (1983) Audio-Technik angesprochen.

Alle bis dahin bekannten Arten der Schallplatte und alle anderen "Schallkonserven" basierten auf der sogenannten Analog-Technik, die bis zur V-LP immer weiter verbessert wurde. Diese Technik hatte definitive physikalische Grenzen, die auch mit einer fortschreitenden Verfeinerung nicht zu überwinden waren. Bei der analogen Umwandlung wird der Schall durch eine Membran (Mikrofon) in eine "analoge" elektrische Schwingung verwandelt. Da die dabei erzeugte elektrische Spannung sehr gering ist, muß die Aufnahme vor ihrer "Konservierung" vieltausendfach verstärkt werden; eine solche Verstärkung ist auch erforderlich, wenn die gespeicherte elektrische Schwingung über eine Membran (Lautsprecher) in Schallwellen zurückverwandelt wird. Jedes der übertragenden und verstärkenden Systeme kann dabei das Signal geringfügig verändern und etwa sein Eigenrauschen mitübertragen. Das Rauschen herkömmlicher Tonbänder ist dafür ein Beispiel. Noch schlimmer ist allerdings das nach mehrmaligem Abspielen unvermeidliche Knistern und Kratzen herkömmlicher Schallplatten, das gerade bei hochwertigen Verstärkern und Lautsprechern noch störender hörbar wird. Bei Musikaufnahmen kommt noch hinzu, daß sie ein äußerst komplexes Signal ergeben, und das menschliche Ohr gegen Klangverfälschungen sehr empfindlich ist. Bekannt sind die Schwierigkeiten der Analog-Technik, hohe Tonfrequenzen unverzerrt und naturgetreu zu übertragen; hierfür sind in der Vergangenheit spezielle Rauschunterdrückungssysteme entwickelt worden.

Auch die raffinierteste Analog-Technik stößt jedoch an naturgemäß vorgegebene Grenzen. Hier setzt die Digitaltechnik an, die insbesondere für den "Endverbraucher" der Compact Disc den Vorteil der "Verlustlosigkeit" bei Aufnahme und Wiedergabe bietet. Anders als bei analogen Schallplatten kann es jetzt nicht mehr dazu kommen, daß eine hervorragende (und kostspielige) Verstärkeranlage nur die Unzulänglichkeit der Tonquelle um so schonungsloser hervortreten läßt. Dabei ist anfänglich (zum Teil auch heute noch) der Umfang der Digitalisierung auf der einzelnen CD kenntlich gemacht worden. So bedeutet der Code "D", daß ein digitales Tonbandgerät bei der Aufnahme, dem Schnitt und/oder der Abmischung und bei der Überspielung verwendet wurde, während etwa die Abkürzung "A" bedeutet, daß bei der Aufnahme noch ein analoges Tonbandgerät eingesetzt wurde.

Das "digitale Signal" kann im Gegensatz zum analogen durch die Übertragungsprozesse nicht verzerrt oder verfälscht werden. Es stellt nicht die Tonschwingung "an sich" dar, sondern enthält - vereinfacht ausgedrückt - eine Beschreibung dieses Signals, anhand dessen das Wiedergabegerät (CD-Player) das Tonsignal "rekonstruieren" kann (weshalb die Güte der Wiedergabegeräte von entscheidender Bedeutung ist). Das Digitalsignal ist auch nicht komplex wie sein analoges Gegenstück, sondern es kann von vornherein nur ganz bestimmte Werte annehmen. Diese sind durch eine Art "Alphabet" vorgegeben, das im einfachsten Fall, als sogenanntes binäres Alphabet, nur aus zwei Zeichen, nämlich "0" und "1" besteht. Das solcherart in digitale "Schritte" zerlegte Tonsignal kann in seiner Qualität durch den Herstellungsprozeß der "Schallkonserve" im Prinzip nicht beeinträchtigt werden. Solange die digitale Information überhaupt noch lesbar ist, muß ihre "Entschlüsselung" immer die ursprüngliche Qualität der Aufnahme ergeben.

Dieser "Verlustlosigkeit" bei der Schallaufnahme entspricht die Verlustlosigkeit des Abspielvorgangs, die für den Endnutzer der Compact Disc im Vordergrund steht. Jede Analog-Schallplatte verliert auch bei dem besten Plattenspieler mit jedem Abspielvorgang etwas von ihrer Qualität (weshalb LP-Fans ihre Platten auch schonen). Bei der CD hingegen ist auch die hundertste Wiedergabe und die hundertste Kopie so sauber wie die erste. Hinzu kommt, daß nicht schon das "Original" die bei der Analog-Technik unvermeidlichen Beeinträchtigungen der Wiedergabe aufweist. Von CDs werden daher weit mehr Kopien gemacht als früher von herkömmlichen Schallplatten (die meisten Cassettentonbandgeräte sind speziell dafür eingerichtet). Vor allem aber hat diese Verlustlosigkeit die früher bei konventionellen Schallplatten nur in geringem Umfang übliche Vermietung (vgl. §§ 17 Abs. 3, 27 UrhG) wirtschaftlich überhaupt erst interessant gemacht. Da der Abtastvorgang mit Hilfe der Laser-Technik "berührungslos" verläuft, kommt es zu keiner Abnutzung. Der größte Feind der herkömmlichen Schallplatte und anderer analoger Tonträger, der Staub, kann die Qualität der Übertragung von der CD grundsätzlich nicht beeinträchtigen. Hinzu kommt schließlich die Verwendbarkeit der CD in tragbaren Abspielgeräten und im Auto, die bei der herkömmlichen Schallplatte nicht gegeben war.

Dies alles sind schon unter technischen Gesichtspunkten entscheidende Unterschiede zur herkömmlichen Schallplatte, die es rechtfertigen, die Werkverwertung in dieser Form nur aufgrund einer neuen Entscheidung des Urhebers in Kenntnis der neuen Nutzungsmöglichkeiten zuzulassen, weil nur so dem Grundgedanken des Urheberrechts Rechnung getragen werden kann; den Urheber angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werks zu beteiligen (BGH NJW 97, 320, 322 - K). Das gilt sowohl aus der Sicht des Urhebers, erst recht aber aus der Sicht des Endverbrauchers.

Aus der Bejahung einer unbekannten Nutzungsart i.S.v. § 31 Abs. 4 UrhG folgt aber auch, daß die Beklagte mit ihrer Behauptung einer "stillschweigenden Zustimmung bzw. Bestätigung" des Klägers keinen Erfolg haben kann. Der Kläger hat nicht etwa dadurch schlüssig auf seinen Unterlassungsanspruch verzichtet, daß er im Jahre 1996 auch Abrechnungen der Beklagten über CD-Verkäufe widerspruchslos entgegennahm.

Schon nach allgemeinem bürgerlichen Recht erfordert ein Verzicht ein unzweideutiges Verhalten, das vom Erklärungsgegner als Aufgabe des Rechts verstanden werden kann. Ein Verzicht ist nie zu vermuten; das gilt insbesondere, wenn der angebliche Verzicht unbekannte Rechte erfassen soll (Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 397, Rdnr. 5). Vor allem aber würde die Annahme eines schlüssigen Verzichts ohne eindeutige Anhaltspunkte dem Zweck des § 31 Abs. 4 UrhG zuwiderlaufen. Diese Bestimmung will dem Urheber gerade unbekannte Rechte erhalten bzw. vorbehalten. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn vorschnell ein schlüssiger Verzicht auf solche unbekannten Rechte angenommen würde. Vorliegend hat die Beklagte nicht einmal behauptet, daß der Kläger schon 1996 überhaupt wußte, daß die CD-Rechte noch ihm selbst zustanden, und er deshalb mit einer Deutung seines Verhaltens als Verzicht überhaupt rechnen mußte (vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O.). Danach bedarf keiner Entscheidung mehr, ob der Kläger, wie das Landgericht angenommen hat, wegen § 8 Abs. 2 S. 1 UrhG allein einen Verzicht gar nicht erklären konnte.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10; 711 S. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert: 50.000 DM.

Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, liegt der in dieser Höhe auch vom Landgericht festgesetzte Streitwert angesichts der aktenkundigen Einkünfte aus dem Vertrieb der streitigen Tonträger an der oberen Grenze des Vertretbaren.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage des § 31 Abs. 4 UrhG bei der CD von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 546 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Frage wird kontrovers beurteilt, wie allein die zu dieser Akte gereichten Urteile ergeben. Die Entscheidung ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, weil immer mehr "Altaufnahmen" nachträglich auf CD veröffentlicht werden.

Ende der Entscheidung

Zurück