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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.05.2008
Aktenzeichen: 22 U 113/07
Rechtsgebiete: BGB, ZVB, BVB, ZPO, HGB, VOB/B, InsO
Vorschriften:
BGB § 126 Abs. 1 | |
BGB § 151 | |
BGB § 280 Abs. 1 | |
BGB § 281 Abs. 1 | |
BGB § 286 Abs. 1 S. 1 | |
BGB § 288 Abs. 1 | |
BGB § 288 Abs. 2 | |
BGB § 306 Abs. 1 | |
BGB § 306 Abs. 3 | |
BGB § 307 Abs. 1 | |
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1 | |
BGB § 631 | |
BGB § 641 | |
BGB § 765 | |
BGB § 766 S. 1 | |
BGB § 767 Abs. 1 S. 1 | |
BGB § 767 Abs. 1 S. 2 | |
BGB § 768 | |
BGB § 770 | |
BGB § 770 Abs. 2 | |
BGB § 771 | |
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. | |
ZVB § 17 | |
BVB § 9 | |
BVB § 9.1 | |
BVB § 9.2 | |
BVB § 9.3 | |
BVB § 9.4 | |
ZPO § 138 Abs. 3 | |
ZPO § 538 Abs. 2 | |
ZPO § 765 | |
ZPO § 767 | |
HGB § 350 Abs. 1 | |
VOB/B § 14 Nr. 4 | |
InsO § 103 Abs. 2 S. 1 |
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 18.04.2007 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 598.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.03.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird hinsichtlich der Frage, ob eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach gegeben ist, zugelassen.
Gründe:
A.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft in Anspruch.
Nach vorausgegangener Ausschreibung bestellte die Klägerin mit Schreiben vom 11.4.2002 bei der ARGE B. W., bestehend aus der Firma N. & H. GmbH & Co. sowie der Firma Stahlbau I. GmbH, die Lieferung und Montage der Haltestelle und Hofanlage V. für die W. Schwebebahn. Der Auftrag hatte ein Gesamtvolumen von 12.116.135,02 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Es war vereinbart, dass die ARGE auf die Vergütungsansprüche einen Nachlaß in Höhe von 1,25 % gewährt und weiter ein Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % erfolgt. Weiter war die Geltung der VOB/B in der zum Zeitpunkt des Zuschlags gültigen Fassung vereinbart. Der Vertrag sollte mit Vorliegen einer von der ARGE zu stellenden Vertragserfüllungsbürgschaft gültig werden.
Im Hinblick auf diese Bürgschaft war in § 9 Unterpunkt 9.1 der einbezogenen Besonderen Vertragsbedingungen (§ 9.1 BVB) Folgendes geregelt:
"Als Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz, sowie auf die Erstattung von Überzahlung einschließlich der Zinsen (Vertragserfüllung) hat der Auftragnehmer eine Bürgschaft gem. dem Muster (Anlage D zu den Besonderen Vertragsbedingungen) in Höhe von 5 von Hundert der Auftragssumme einschließlich der Nachträge zu stellen."
In dem beifügten und mit dem Zusatz "(Vertragserfüllungsbürgschaft)" gekennzeichneten Muster hieß es u.a.:
"Auf die Einreden der Anfechtung und der Aufrechnung sowie der Vorausklage gem. §§ 770, 771 BGB wird verzichtet."
In § 17 der ebenfalls einbezogenen zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) war eine Vertragsstrafe für Fristüberschreitung i.H.v. 0,3 % der Nettozwischenabrechnungssumme für den betreffenden Abschnitt für jeden Werkvertrag der Fristüberschreitung bestimmt. In Unterpunkt 6 hieß es weiter:
"Die Vertragsstrafe beträgt max. 10 % der Netto-Abrechnungssumme bei Zwischenterminen für die Netto-Abrechnungssumme für den betreffenden Bauabschnitt, bei Schlussfertigstellung maximal 10 % der Netto-Abrechnungssumme für das Gesamtvorhaben."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Auftrag und die zugehörigen Bedingungen sowie die Leistungsbeschreibung und das Leistungsverzeichnis (Anlagen K 8 und K 9, Bl. 635 Anlagenband und die Anlage K 13, zwei gesonderte Aktenordner), insbesondere auf § 17 der ZVB (Bl. 52 Anlagenband) und § 9 BVB (Bl. 69 Anlagenband) sowie das Bürgschaftsmuster (Bl. 84 Anlagenband) Bezug genommen.
Unter dem 19.6.2002 übernahm die Beklagte die geforderte Bürgschaft auf dem vorbeschriebenen Muster bis zu einem Betrag in Höhe von 598.300 € (Bl. 4 GA).
Neben dem streitgegenständlichen Auftrag fanden Baumaßnahmen auch bezüglich anderer Haltestellen der W. Schwebebahn statt bzw. waren solche geplant. Hinsichtlich der aus zwei separaten Bauabschnitten bestehenden Baumaßnahmen an der Haltestelle A. M. war der Auftrag für den ersten Abschnitt bereits am 1.12.2002 an die Firma R. GmbH erteilt worden war. Infolge der insoweit durchgeführten Arbeiten war es zwingend erforderlich, den Bahnsteig an neue Trassenhöhen anzugleichen. Mit Schreiben vom 13.5.2003 versandte die Klägerin die Bekanntmachung für das Bietverfahren hinsichtlich der insoweit durchzuführenden Arbeiten und mit Schreiben vom 17.6.2003 die Ausschreibungsunterlagen an die potentiellen Bieter. Nach dem Submissionstermin am 16.7.2003 hat die Klägerin am 11.9.2003 die Firma M. mit den Arbeiten zur Angleichung des Bahnsteigs an die neuen Trassenhöhen beauftragt. Bestandteil der Vertragsunterlagen war das gleiche Muster für eine Vertragserfüllungsbürgschaft, wie es bei dem streitgegenständlichen Auftrag an die ARGE verwandt worden ist. Die Mitarbeiter der Klägerin kannten bis zur Auftragserteilung ein zwischenzeitlich ergangenes Urteil des BGH vom 16.1.2003 (Az.: IX ZR 171/00) nicht. Nach einem Hinweis eines Auftragnehmers auf die geänderte Rechtsprechung nahmen die Mitarbeiter der Klägerin im Jahr 2004 eine Änderung des Musters in der Weise vor, dass der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nicht für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen des Hauptschuldners gelte (Bl. 316 Anlagenband). Abgesehen von dem im Jahr 2003 an die Firma M. erteilten Auftrag wurden in der Zeit von Januar 2003 bis zur Änderung des Bürgschaftsmusters keine Aufträge unter Verwendung des streitgegenständlichen Bürgschaftsmusters erteilt.
Nach Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der ARGE wurde über das Vermögen der Firma N. & H. GmbH & Co. das Insolvenzverfahren eröffnet, welches zum Ausschluss derselben aus der ARGE führte. Der Vertrag mit der Klägerin wurde durch die Firma Stahlbau I. GmbH alleine weitergeführt.
Die Klägerin zahlte auf Abschlagsrechnungen der Beklagten insgesamt 4.469.467,55 €.
Am 1.12.2003 wurde über das Vermögen der Firma Stahlbau I. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt T. aus D. zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser lehnte die Erfüllung des streitgegenständlichen Vertrages mit Schreiben vom 15.1.2004 ab.
Die Firma Stahlbau I. GmbH war Rechtsnachfolgerin der Firma L./I. Stahl/Montage/Industrie/Anlage GmbH i.G., welche alle Forderungen gegenüber Drittschuldnern mit den Anfangsbuchstaben A-Z im Rahmen einer Globalabtretung vom 21.4.1998 an die Firma V. D. Nord/West abgetreten hat. Die V. D. Nord/West trat die ihr (global) abgetretenen Forderungen am 7.10.2004 an die Beklagte ab.
Die Klägerin hat behauptet, die Firma I. habe Vertragsfristen nicht eingehalten. Sie hat die Auffassung vertreten, dass eine Vertragsstrafe i.H.v. 1.067.471 € verwirkt sei, wegen derer sie die Klägerin in Höhe der Bürgschaftssumme in Anspruch nehmen könne.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass ihr infolge der Nichterfüllung Mehrkosten (Differenzschäden) in Höhe von 419.123,80 € und Verzögerungsschäden in Höhe von 467.039,36 € entstanden seien, sowie zukünftig weitere Mehrkosten in Höhe von 2.065.652,22 € entstehen würden, hinsichtlich derer sie die Leistung von Vorschuß verlangen könne. Die von der Hauptschuldnerin erbrachten Leistungen hätten einen Wert von 4.392.593,20 €. Nach Abzug eines Nachlasses in Höhe von 54.907,42 € und eines Sicherheitseinbehalts in Höhe von 216.884,29 €, verblieben zu vergütende Ansprüche in Höhe von 4.120.801,49 €. Nach Abzug der Zahlungen, der Differenzschäden, Verzögerungsschäden und Vorschussansprüche ergebe sich eine Gesamtforderung in Höhe von 3.300.481,44 €. Hierauf hat die Klägerin die Inanspruchnahme der Beklagten hilfsweise gestützt.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass selbst in dem Fall, dass die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Ansprüche bestünden, im Hinblick auf die Bürgschaft darüber zu befinden sei, inwieweit die über den Bürgschaftsbetrag hinausgehenden klägerischen Ansprüche berechtigt seien.
Sie hat weiter vorgetragen, dass die Sicherungsabrede aus § 9.1 BVB nicht unwirksam sei. Die Unwirksamkeit im Hinblick auf den in der Bürgschaftsurkunde enthaltenen Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit betreffe lediglich diese Bestimmung und erfasse nicht die gesamte Sicherungsabrede. Im übrigen sei eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend vorzunehmen, dass eine "einfache" selbstschuldnerische Bürgschaft geschuldet sei. Die Klägerin habe durch die Verwendung des Bürgschaftsmusters bei dem späteren Auftrag der Firma M. nicht manifestiert, dass sie das Bürgschaftsmuster mit der Klausel zur Einrede der Aufrechenbarkeit "bewusst abschließend gewählt" habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 598.300 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.3.2004 zu zahlen,
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den über die Klageforderung hinausgehenden Schaden zu ersetzen, soweit die die Klageforderung begründenden Ansprüche aufgrund der Hilfsaufrechnung der Beklagten erloschen seien.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Sicherungsabrede sei infolge des unwirksamen Verzichts auf die Einrede der Aufrechenbarkeit insgesamt unwirksam. Der vorliegende Einredeverzicht sei vergleichbar mit dem Verzicht auf die Einreden nach § 768 BGB.
Auch die Vertragsstrafenvereinbarung sei unwirksam. Im Hinblick auf die seitens der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat sie geltend gemacht, dass die Klägerin diese nicht hinreichend dargelegt habe.
Die Firma Stahlbau Igler habe Restvergütungsansprüche gegen die Klägerin in Höhe von 461.738,43 € aus dem weiteren Bauvorhaben Haltestelle W.-W. und in Höhe von 1.546.367,53 € aus dem weiteren Bauvorhaben Haltestelle Z. €. Mit diesen Ansprüchen hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung erklärt. [Schriften vom 06.12.2004 (Bl. 56, 66 ff GA) und vom 02.08.05 (Bl. 178, 202 ff GA)]
Mit Urteil vom 18.4.2007 hat das Landgericht W. die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass ein Vertragsstrafenanspruch der Klägerin nicht bestehe, weil die diesbezügliche Vertragsklausel unwirksam sei und Vertrauensschutz aufgrund des Übersteigens einer Auftragssumme von 15.000.000 DM nicht in Betracht komme. Die Beklagte könne im übrigen der Bürgschaftsinanspruchnahme entgegenhalten, dass die Sicherungsvereinbarung nach § 9.1 BVB insgesamt unwirksam sei. Der Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit sei unwirksam. Dies führe zur Gesamtnichtigkeit der Sicherungsabrede. Ein Vertrauensschutz sei der Klägerin nicht zuzubilligen, weil sie das Bürgschaftsmuster noch bei der Auftragserteilung an die Firma M. im September 2003 verwandt habe. Hierdurch habe sie ihren Willen zur Verwendung dieses Bürgschaftsmusters manifestiert. Auf eine tatsächliche Unkenntnis der Mitarbeiter der Klägerin komme es nicht an.
Gegen dieses am 23.4.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 22.5.2007 eingegangener Schrift Berufung eingelegt, welche sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.7.2007 mit am 25.7.2007 eingegangener Schrift begründet hat.
Die Klägerin hat mit ihrer Berufung gerügt, dass das Urteil des Landgerichts Wuppertal an einem wesentlichen Mangel leide und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme über das Bestehen der Differenzschäden, Verzögerungsschäden und Vorschussansprüche notwendig sei. Über die Feststellung hinaus, dass die Nichtigkeit der Klausel betreffend den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsvereinbarung führe, fehle jegliche Begründung hierzu. Diese lasse auf eine verfahrenswidrige Nichtberücksichtigung ihres Vortrages in rechtlicher Hinsicht schließen.
In der Folge ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden, dass die Klägerin die Firma K.-F. nach Ausschreibung als günstigste Anbieterin mit der Fertigstellung der von der Firma I. nicht mehr erbrachten Leistungen beauftragt hat und der Klägerin hierdurch Mehrkosten in Höhe von 1.927.386,95 € entstanden sind.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung nicht dagegen, dass ihr kein Vertragsstrafenanspruch zustehe und die Klausel in dem verwendeten Bürgschaftsformular über den Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit unwirksam sei. Im übrigen wiederholt und vertieft sie unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen ihre Auffassung, dass die Sicherungsabrede nicht gesamtnichtig sei und die im Hinblick auf die unwirksame Bürgschaftsklausel entstehende Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung dahingehend zu schließen sei, dass eine "einfache" selbstschuldnerische Bürgschaft geschuldet sei. Sie stützt ihre Bürgschaftsforderung nunmehr primär auf Ansprüche wegen der entstandenen Mehrkosten. Zweitrangig stützt die Klägerin sich auf Differenzschäden in Höhe von 419.123,80 € sowie letztrangig auf Verzögerungsschäden in Höhe von 467.039,36 €.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Wuppertal aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen;
hilfsweise,
das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 18.4.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 598.300 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.3.2004 zu zahlen;
weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den über die Klageforderung hinausgehenden Schaden zu ersetzen, soweit die die Klageforderung begründenden Ansprüche aufgrund der Hilfsaufrechnung der Beklagten erloschen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte lässt ihre bislang hilfsweise erklärten Aufrechnungen mit Vergütungsansprüchen aus den weiteren Bauvorhaben W.-W. und Haltestelle Z. fallen. Im Übrigen nimmt sie ebenfalls Bezug auf ihr erstinstanzliches Verbringen. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen zum Vorliegen einer Gesamtnichtigkeit der Sicherungsvereinbarung und hält an ihrem Vorbringen hinsichtlich der Differenz- und Verzögerungsschäden fest.
B.
Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.
I.
Eine Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 ZPO ist nicht geboten. Die Voraussetzungen hierfür, welche auch ursprünglich nicht vorlagen, sind nicht gegeben, weil der Rechtsstreit ohne weitere Verhandlung entscheidungsreif ist.
II.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 598.300,00 € aus Bürgschaft gemäß §§ 765, 767 ZPO.
1.
Die Parteien haben einen Bürgschaftsvertrag geschlossen. Die Beklagte hatte mit Erklärung vom 19.6.2002 die selbstschuldnerische Bürgschaft zur Sicherung der Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag zwischen der Klägerin und der ARGE bis zu einer Gesamthöhe von 598.300 € übernommen. Einer ausdrücklichen Annahme dieses Antrages bedurfte es gem. § 151 BGB nicht, weil eine solche nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten war (vgl. Palandt/Heinrichs, Kommentar z. BGB, 65. Aufl., § 151 Rdnr. 4).
2.
Der Bürgschaftsvertrag ist wirksam.
a.
Die Schriftform gem. §§ 766 S. 1, 126 Abs. 1 BGB ist eingehalten. Im übrigen konnte die Beklagte die Bürgschaft gem. § 350 Abs. 1 HGB auch formfrei eingehen, weil sie Vollkaufmann ist und die Bürgschaft für sie ein Handelsgeschäft darstellte.
b.
Der Bürgschaftsvertrag ist nicht gem. § 306 Abs. 3 BGB nichtig.
Zwar handelt es sich im Hinblick auf die in der Bürgschaft enthaltene Bestimmung, nach deren Inhalt der Bürge auf die Einreden der Anfechtung und der Aufrechnung sowie der Vorausklage gem. § 770, 771 BGB verzichtet, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Ebenso ist der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs. 2 BGB nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil er mit dem wesentlichen Grundgedanken der Subsidarität der Bürgschaft nicht zu vereinbaren ist und den Bürgen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.2003, Az.: IX ZR 171/00).
Die Unwirksamkeit von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen führt gem. § 306 Abs. 1 BGB im Regelfall allerdings nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages. Ist eine einzelne AGB-Bestimmung oder Formularklausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll trennbar in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil, so ist der zulässige Teil aufrechtzuerhalten. Nur wenn der als wirksam anzusehende Rest im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll ist, insbesondere wenn der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, daß von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muß, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtregelung. (BGH, Urteil vom 16.01.1992, Az: IX ZR 113/91; vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Auflage, Vorb v § 307, R. 11 m.w.N.). Auch angesichts der formalen, sprachlichen Zusammenfassung liegen in diesen Fällen aus materieller, auf den selbständigen Regelungsinhalt abstellender Sicht mehrere Bestimmungen vor, die jeweils einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung zugänglich sind (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen: Kommentar z. AGB-Recht, 10. Aufl., § 306, Rdnr. 12). Die Regelung über den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit ist inhaltlich von den übrigen Formularbestimmungen des Bürgschaftsvertrages trennbar. Die im Zusammenhang stehenden weiteren Einredeverzichte verlieren weder ihren Sinn noch ist die unwirksame Bestimmung so wesentlich, daß sie nach einer Gesamtwürdigung ebenfalls als unwirksam anzusehen wären. Das Festhalten am Bürgschaftsvertrag auch ohne die betreffende Formulierung stellt keine unzumutbare Härte für eine der beiden Parteien gem. § 306 Abs. 3 BGB dar.
c.
Die zu sichernde Forderung konnte zumindest entstehen. Die Klägerin und die ARGE haben im April 2002 einen Werkvertrag über die Lieferung und Montage der Haltestelle und Hofanlage V. geschlossen, aus welcher die ARGE und die dieser angehörige Firma Stahl I. GmbH Vertragserfüllungspflichten mit einem Auftragswert von rund 12 Millionen Euro trafen.
3.
Der Sicherungsfall ist eingetreten, nachdem beide Firmen der ARGE insolvent geworden sind und der Insolvenzverwalter der Firma Stahlbau I. GmbH, welche den Auftrag nach der Insolvenz der Firma N. & H. GmbH & Co. zunächst fortgeführt hat, am 15.1.2004 die weitere Erfüllung des Vertrages abgelehnt hat. Zu diesem Zeitpunkt war nur ein Teil der geschuldeten Arbeiten erbracht.
4.
Die Beklagte kann der Inanspruchnahme durch die Klägerin nicht die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB entgegenhalten, weil die zwischen der Klägerin und der ARGE getroffene Sicherungsvereinbarung, § 9.1 BVB (Bl. 69 Anlagenband), welche der von der Beklagten übernommenen Bürgschaft zugrunde liegt, insgesamt unwirksam wäre.
Die Sicherungsabrede in § 9.1 BVB verweist auf ein anliegendes Muster Anlage D. Zwar ist das anliegende Muster nicht als Anlage D gekennzeichnet, sondern oben rechts mit dem Zusatz "(Vertragserfüllungsbürgschaft)". Allerdings ergibt sich aus dem Inhalt des § 9.1 BVB, dass sich dieser Passus auf eine Bürgschaft als Sicherung für die "(Vertragserfüllung)" bezieht. Zudem werden in § 9.2 BVB die Gewährleistungsbürgschaft entsprechend einer Anlage E, in § 9.3 BVB eine Bürgschaft für Abschlagszahlungen und in § 9.4 BVB eine Bürgschaft für Vorauszahlungen geregelt. Den Besonderen Vertragsbedingungen sind (zumindest) zwei weitere Muster beigefügt, von denen keine als Anlage E bezeichnet war, von denen eine aber mit dem Zusatz "(Gewährleistungsbürgschaft)" und die andere mit dem Zusatz"(Vorauszahlungsbürgschaft)" gekennzeichnet sind. Hiernach ist klar, dass das mit dem Zusatz "(Vertragserfüllungsbürgschaft)" gekennzeichnete Bürgschaftsformular die Anlage D nach § 9.1 darstellen sollte. Dies haben alle Beteiligten offensichtlich auch in richtiger Weise verstanden. Inhaltlich sind die Klauseln in einem bestimmten Vertragsmuster nicht anders zu behandeln, als wenn die Klauseln in der Sicherungsabrede selbst enthalten sind (vgl. Kniffka/ibr-Online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 4.1.2007, § 641 Rdnr. 119, m.d.Nw.).
Die in dem Bürgschaftsmuster enthaltene Bestätigung über den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach § 770 Abs. 2 BGB ist nach obigen Ausführungen unwirksam. Dies gilt auch im Rahmen der Sicherungsabrede zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer. Der Auftraggeber kann vom Auftragnehmer nicht verlangen, dass dieser ihm eine Bürgschaft mit einem unzulässigen Regelungsinhalt verschafft.
Die Unwirksamkeit betreffend die Bestimmung über den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit führt vorliegend lediglich zur Teilnichtigkeit dieser speziellen Bestimmung gem. § 306 Abs. 1 BGB und nicht zur Gesamtnichtigkeit der Sicherungsabrede in § 9.1 BVB nach § 306 Abs. 3 BGB.
Auch wenn nicht die Bürgschaft selbst, sondern die Sicherungsabrede zwischen den Parteien des Werkvertrages betroffen ist, stellt die Frage, ob im Rahmen der zu stellenden Bürgschaft ein Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs. 2 BGB zu erklären ist, einen von der Sicherungsvereinbarung im übrigen abtrennbaren Teil dar. Inhaltlich stellt die Bestimmung über den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit lediglich einen Einzelaspekt der im Rahmen der Sicherungsabrede zu stellenden Bürgschaft dar, die inhaltlich sowohl von den übrigen Bürgschaftsbestimmungen als auch von der Sicherungsabrede zu trennen ist. Die Bestimmung über die Sicherung durch eine Vertragserfüllungsbürgschaft wie auch die Bürgschaft selbst bleiben auch ohne einen Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit aus sich heraus verständlich und sinnvoll. (so auch LG München, Urt. v. 25.7.2006, Az. 11 O 22609/05, nicht rechtskräftig)
Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum Verzicht auf die Einreden aus § 768 BGB und zur Bürgschaft auf erstes Anfordern ist bei einer Gesamtwürdigung keine andere Betrachtung geboten. Beim Vorliegen des Verzichts auf die Einreden nach § 768 BGB und einer Bürgschaft auf erstes Anfordern wird regelmäßig von der Unwirksamkeit einer dahingehenden Bestimmung und - zumindest im Falle von Gewährleistungsbürgschaften - von der Gesamtnichtigkeit der zugrundeliegenden Sicherungsabrede ausgegangen (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2001, Az.: IX ZR 236/00; Urt. v. 22.11.2001, VII ZR 208/00; Urt. v. 9.12.2004, VII ZR 265/03; Urt. v. 14.4.2005, VII ZR 56/04; Urt. v. 20.10.2005, VII ZR 153/04; LG Hamburg, Urt. v. 3.3.2006, 420 O 75/04).
Allerdings ist der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach § 770 Abs. 2 BGB qualitativ nicht mit dem Verzicht auf die Einreden aus § 768 BGB, oder der Bürgschaft auf erstes Anfordern zu vergleichen. Während die Einrede aus § 770 Abs. 2 BGB (nur) Ausfluss des Subsidiaritätsgrundsatzes ist und das mit dem Verzicht verbundene Risiko überschaubar ist, weil nur eine spezielle, in der Praxis eher seltene Fallkonstellation betroffene ist, verändert der Verzicht auf die Einrede nach § 768 BGB das Wesen der Bürgschaft als akzessorische Sicherheit und belegt die Bürgschaft auf erstes Anfordern den Bürgen mit großen Risiken, weil sie das Liquiditäts- und Insolvenzrisiko einseitig zu Lasten des Bürgen verschiebt.
Darüber hinaus ist auch im Hinblick auf Sicherungsabreden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangen, zwischen dem Vorliegen einer Vertragserfüllungsbürgschaft und dem Vorliegen einer Gewährleistungsbürgschaft zu unterscheiden. Bei dem Verlangen einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern geht der BGH regelmäßig von einer Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede aus (vgl. BGH, aaO). Nachdem der BGH zunächst auch bei einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern von der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede ausgegangen ist (vgl. Urt. v. 18.4.2002, Az: VII ZR 192/01), hat er diese Rechtssprechung in der Folge teilweise aufgegeben. Er hat angenommen, dass bei der Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern die Möglichkeit besteht, eine dahingehende ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, dass die Stellung einer "einfachen" selbstschuldnerischen Bürgschaft vereinbart ist, wenn nicht die in der Klausel enthaltene Regelung bei objektiver Betrachtung als vom Verwender bewusst abschließend gewählt anzusehen ist und soweit nicht Verträge nach Bekanntwerden des Urteils des BGH v. 18.4.2002, VII ZR 192/01 betroffen sind. (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.2002, VII ZR 502/99; Beschl. v. 13.11.2003, VII ZR 371/01; Urt. v. 25.3.2004, VII ZR 453/02). Der Senat schließt sich dem an. Der Grund für diese Differenzierung folgt daraus, daß hinsichtlich der von der Gewährleistungsbürgschaft betroffenen Rechtslage ab Abnahme dispositives Gesetzesrecht existiert und dieses eine ergänzende Vertragsauslegung ausschließt. Nach § 641 BGB ist bei Abnahme des Werkes die volle Vergütung zu entrichten und in der Regel zu verzinsen. Hiernach ist die Abwicklung des Werkvertrages ab der Abnahme ohne Gewährleistungseinbehalt vorgesehen. (vgl. hierzu OLG Hamm, Urteil vom 27.4.2004, Az: 21 U 152/03, nicht rechtskräftig) Im Hinblick auf die Vertragserfüllungsbürgschaft existiert hingegen kein dispositives Recht (vgl. auch BGH, Urt. v. 4.7.2002, Az: VII ZR 502/99).
Vorliegend handelt es sich um die Sicherungsabrede bezüglich einer Vertragserfüllungsbürgschaft und ist kein Grund erkennbar, warum diese im Falle der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede anders zu behandeln sein sollte, als in den Fällen, in denen die Unwirksamkeit auf dem Verlangen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern beruht. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich auch nicht um das Verlangen nach einer gemischten Bürgschaft, weil in § 9.1 BVB von "Gewährleistung" die Rede ist. Eine Vertragserfüllungsbürgschaft sichert typischerweise Ansprüche des Auftraggebers auf vollständige, rechtzeitige und - zum Zeitpunkt der Abnahme - mangelfreie Erbringung der vertraglich geschuldeten Werkleistung, also insbesondere Schadensersatzansprüche des Auftraggebers, z.B. wegen Nichterfüllung des Vertrags aufgrund Insolvenz des Auftragnehmers, aber auch infolge einer aus anderen Rechtsgründen berechtigten Auftraggeberkündigung, weiter auch Ansprüche des Auftraggebers auf Zahlung von Verzugsschäden bzw. einer Vertragsstrafe und wegen der Kosten der von ihm unter den Voraussetzungen des § 14 Nr. 4 VOB/B vorgenommenen Schlussrechnungserstellung, sowie bei entsprechender Aufnahme auch Rückzahlungsansprüche wegen Überzahlung (vgl. Schmitz: Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, ibr-Reihe in ibr-online, Rdnr. 27 ff.; Werner/Pastor: Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdnr. 1252; vgl. auch BGH, Urteil vom 25.03.2004, Az: VII ZR 453/02, welche Entscheidung eine Sicherungsabrede mit gleichem Inhalt betraf). Das Bürgschaftsmuster, auf welches sich die Sicherungsabrede bezieht, hat keinen darüber hinausgehenden Inhalt. Darüber hinaus ist die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft betreffend die Ansprüche ab der Abnahme in § 9.2. BVB gesondert geregelt. Nach dem Inhalt der Bürgschaftsmuster und dem Regelungszusammenhang war klar, daß nach § 9.1 BVB keine Gewährleistungsbürgschaft hinsichtlich der nach der Abnahme gegebenen Gewährleistungsansprüche gestellt werden sollte.
Bei ergänzender Auslegung tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel die Gestaltung, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingungen bekannt gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1997, IX ZR 289/96). Hiernach ist davon auszugehen, dass die Parteien den Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nicht in das Bürgschaftsformular zur Sicherungsvereinbarung aufgenommen hätten, sie vielmehr eine "einfache" selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart hätten. Es kann hingegen nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien in dem Falle, dass ihnen die Unwirksamkeit bekannt gewesen wäre, den Verzicht auf die Einrede im Hinblick auf unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Forderungen beschränkt hätten. Dies liefe auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus.
Eine andere Betrachtung ist auch nicht geboten, weil Umstände gegeben wären, nach denen die in der Klausel enthaltene Regelung bei objektiver Betrachtung als vom Verwender bewusst abschließend gewählt anzusehen wäre. Zwar kann hiervon auszugehen sein, wenn der Auftraggeber nach Bekanntwerden der Entscheidung über die Unwirksamkeit zuvor als wirksam angesehener allgemeiner Geschäftsbedingungen in alsdann zu schließenden Bauverträgen an der Klausel festhält und sie damit weiterverwendet wird. In diesen Fällen ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Klauselverwender ausschließlich auf eine Vertragserfüllungsbürgschaft Wert mit dem betreffenden Inhalt legt und deshalb bei Unwirksamkeit der Klausel eine ergänzende Vertragsauslegung zur Wahrung seines Sicherungsinteresses nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2002, Az: VII ZR 502/99, betreffend eine Sicherungsvereinbarung über eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern). Der vorliegende Fall liegt indes anders. Zum einen ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Bauvertrag vom April 2002 stammt, während die Entscheidung des BGH, mit welcher dieser seine ständige Rechtsprechung hinsichtlich der Wirksamkeit des Verzichts auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. § 770 Abs. 2 BGB geändert hat, vom Januar 2003 stammt. Im Gegensatz zu den in den Ausführungen des BGH im Urteil vom 4.7.2002 zugrunde gelegten Konstellation stellt sich die Frage einer bewussten Regelung vorliegend nicht hinsichtlich eines nach Änderung der Rechtsprechung ("alsdann") geschlossenen Bauvertrages, sondern ist die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung hinsichtlich eines vor Änderung der Rechtsprechung geschlossenen Vertrages zu untersuchen. Zwar kann ein späteres Verhalten Rückschlüsse darauf zulassen, ob und welche Regelung diese bei Kenntnis der späteren Unwirksamkeit getroffen hätten. Auch hat die Klägerin vorliegend in einem weiteren Bauvertrag von September 2003 eine Sicherungsvereinbarung in Verbindung mit dem die unwirksame Klausel enthaltenden Muster weiter verwandt. Dennoch ist der Schluß auf eine bewusst abschließende Wahl dieser Sicherung nur regelmäßig, nicht aber zwingend zu ziehen und liegen Umstände vor, die auch bei objektiver Betrachtung gegen eine solche abschließende Wahl der Sicherung durch die Bürgschaft mitsamt der unwirksamen Abrede sprechen. Zunächst ist hervorzuheben, dass der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach § 770 Abs. 2 BGB sich qualitativ von der Bürgschaft auf erstes Anfordern deutlich unterscheidet. Darüber hinaus handelt es sich um einen einmaligen Vorgang und es ist unbestritten, dass die Mitarbeiter der Klägerin das Urteil des BGH vom 16.1.2003, IX ZR 171/00 nicht kannten. Nach Kenntniserlangung von diesem Urteil hat die Klägerin das Formular kurzfristig und noch vor der Entstehung von Streit über die Wirksamkeit der Sicherungsabreden in einer Weise angepasst, dass die geforderte Bürgschaft keine unwirksame Klausel hinsichtlich des Verzichts auf die Einrede der Aufrechenbarkeit enthält. Dies lässt den Schluss zu, dass die Klägerin die Bürgschaft mitsamt der unwirksamen Klausel nicht bewusst abschließend gewählt hat, sondern sie vielmehr lediglich auf der Grundlage der bis dahin geltenden ständigen Rechtsprechung handeln wollte und gehandelt hat.
5.
Der Klägerin sind von der Bürgschaft umfasste Schadensersatzansprüche in einer Höhe entstanden, welche die Bürgschaftssumme übersteigen.
Die Klägerin hat gegen die Firma I. einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 1.927.386,65 € gemäß §§ 281 Abs. 1, 280 Abs. 1, 631 BGB, nachdem der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma I. die Erfüllung des Vertrages gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 InsO abgelehnt hat. Der Schaden liegt in Mehrkosten in Höhe von 1.927.386,95 €, die der Klägerin aufgrund der erforderlichen Fertigstellung durch ein anderes Unternehmen als die Firma I. entstanden sind. Es ist unstreitig, dass die Klägerin nach vorangegangener Ausschreibung die Firma K.-F. als günstigste Anbieterin mit der Fertigstellung der Arbeiten beauftragt hat, welche die Firma I. nach dem ursprünglichen Vertrag noch schuldete und nicht mehr erbracht hat, sowie der Klägerin hierdurch Mehrkosten in Höhe von 1.927.386,95 € entstanden sind. Die Beklagte hat sich zu den diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin nicht erklärt, weshalb diese Tatsachen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten. Diese Schadensersatzforderung, auf welche die Klägerin sich primär stützt, ist gemäß §§ 765, 767 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB durch die Vertragserfüllungsbürgschaft der Beklagten abgesichert.
Der Schadensersatzanspruch ist nicht durch Aufrechnung der Beklagten mit Restvergütungsansprüchen der Firma I. aus anderen Bauvorhaben untergegangen. Die Beklagte hat die ursprünglich hilfsweise erklärte Aufrechnung mit dahingehenden Ansprüchen fallen gelassen.
III.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB.
Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz besteht hingegen nicht. Die Voraussetzungen des § 288 Abs. 2 BGB liegen nicht vor, weil es sich weder bei der Bürgschaftsforderung selbst noch bei dem zugrunde liegenden Schadensersatzanspruch um eine Entgeltforderung handelt.
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen hinsichtlich des Haftungsgrundes vor. Die Rechtssache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung, weil bislang nicht durch den Bundesgerichtshof entschieden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Sicherungsabrede über die Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft, die durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart wird und in welcher unter Verstoß gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nach § 770 Abs. 2 BGB verzichtet wird, gesamtnichtig ist. Außerdem erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts, weil der Bundesgerichtshof bislang nur über die Frage der Gesamtnichtigkeit von Sicherungsabreden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschieden hat, mit denen die Stellung von Bürgschaften unter Verzicht auf die Einreden aus § 768 BGB oder auf erstes Anfordern vereinbart wurde.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 598.300,00 €
Ende der Entscheidung
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