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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.02.2001
Aktenzeichen: 22 U 114/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 366 Abs. 1
Leitsatz:

Die bei Zahlung eines Dritten (hier: des Haftpflichtversicherers) diesem nach § 366 Abs.1 BGB zustehende Tilgungsbestimmung kann auch konkludent erfolgen, z. B. durch die Zahlung des genauen Betrags eines Schadenspostens; eine spätere anderweitige Verrechnungsbestimmung ist unbeachtlich.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 114/00 4 O 224/99 LG Duisburg

Verkündet am 23. Februar 2001

Gehenzig, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Landgericht Fuhr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 29.5.2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.040,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14.1.1999 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten erster Instanz werden dem Kläger zu 93 % und dem Beklagten zu 7 % auferlegt. Die Kosten zweiter Instanz werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Der Bekl ist dem Kl unstreitig aufgrund einer am 14.7.1997 verursachten Körperverletzung schadenersatzpflichtig. Mit Anwaltsschreiben vom 26.9.1997 machte der Kl einen Verdienstausfall in Höhe von 3.449,23 DM sowie ein Schmerzensgeld und eine Unkostenpauschale geltend. Am 18.11.1997 zahlte der Haftpflichtversicherer des Bekl ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung an den Kl 3.449,23 DM. Mit Schreiben vom 23.1.1998 erklärte der Versicherer, daß der gezahlte Betrag in erster Linie auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 DM und auf die Unkostenpauschale von 40 DM zu verrechnen sei. Das LG hat die Klage auf Zahlung von 2.040 DM abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger kann aufgrund des Vorfalles vom 14.7.1997 vom Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 2.000,-- und 40,-- DM Kostenpauschale verlangen.

Diese - vom Beklagten grundsätzlich nicht in Zweifel gezogenen - Ansprüche sind nicht durch die vom Haftpflichtversicherer des Beklagten am 18.11.1997 an den Kläger geleistete Zahlung von 3.449,23 DM erfüllt worden. Vielmehr ist diese Leistung auf den vom Kläger seinerzeit geltend gemachten Verdienstausfallschaden zu verrechnen, was sich aus dem vorprozessualen Schriftverkehr zwischen dem anwaltlich vertretenen Kläger und dem Haftpflichtversicherer des Beklagten ergibt.

Nach § 366 Abs. 1 BGB steht das Leistungsbestimmungsrecht dem Schuldner zu. Leistet - wie hier - ein Dritter auf die Verbindlichkeiten des Schuldners, dann steht ihm das Recht zur Tilgungsbestimmung zu (Staudinger-Olzen, 13. Aufl., § 366 BGB Rdnr. 33 m.w.N.). Dabei ist § 366 BGB auch bei einer Mehrheit von Forderungen aus demselben Schuldverhältnis anwendbar (BGH, Urt. v. 23.9.1958, VersR 1958, 773 für Schmerzensgeld u. Vermögensschaden; Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., § 366 BGB Rdnr. 2; Jauernig-Stürmer, 9. Aufl., § 366 BGB Rdnr. 1; Soergel-Zeiss, 12. Aufl., § 366 BGB Rdnr. 1). Derartige Forderungen hat der Kläger vorliegend durch die anwaltlichen Schreiben vom 26.9.1997 und 2.10.1997 geltend gemacht, indem er seinen materiellen und immateriellen Schaden beziffert hat.

Ob der unstreitig bestehende Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 2.000,00 DM gemäß §§ 366 Abs. 1, 362 BGB erloschen ist, hängt davon ab, ob der Haftpflichtversicherer des Beklagten in bezug auf diese Forderung das ihm zustehende Leistungsbestimmungsrecht wirksam ausgeübt hat. Dies ist jedoch zu verneinen.

Der als Dritter leistende Versicherer hat bei der Überweisung des Betrages von 3.449,23 DM an den (erstinstanzlichen) Prozeßbevollmächtigten des Klägers weder ausdrücklich eine Verrechnungsbestimmung getroffen noch sich eine solche für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten. Indes kann eine Tilgungsbestimmung auch konkludent erfolgen, z.B. durch Zahlung des genauen Betrages einer Schuld (vgl. Staudinger-Olzen, 13. Aufl., § 366 BGB Rdnr. 29 m.w.N.). Eine solche konkludente Leistungsbestimmung ist hier durch den Haftpflichtversicherer des Beklagten erfolgt, allerdings nicht in bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen. Der Versicherer hat durch die Höhe des überwiesenen Betrages, der exakt die Summe des geltend gemachten Verdienstausfalls (2.849,23 DM + 600,00 DM) ergab, zum Ausdruck gebracht, diesen ersetzen zu wollen. Für ein anderes Verständnis ist schon deshalb kein Raum, weil sich die Summe nicht anders als durch Addition dieser Positionen von 2.849,23 DM und 600,00 DM erklären läßt. Diese Forderungen waren zum Zeitpunkt der Leistung des Versicherers auch durch entsprechende Bescheinigungen des Arbeitgebers des Klägers belegt, wohingegen die Ermittlungen in bezug auf den Schmerzensgeldanspruch noch nicht abgeschlossen waren.

Ob der Kläger tatsächlich Anspruch auf Verdienstausfall hat, was der Beklagte nunmehr in Zweifel zieht, kann offenbleiben. Denn wenn der Schuldner die Anrechnung seiner Leistung auf eine nicht bestehende Schuld bestimmt, während er tatsächlich nur aus einer anderen schuldet, darf er das Geleistete nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückfordern; die Leistung wird dann aber nicht auf die bestehende Verbindlichkeit verrechnet (Staudinger-Olzen, 13. Aufl., § 366 BGB Rdnr. 19). Dies bedeutet, daß der Haftpflichtversicherer des Beklagten möglicherweise einen Bereicherungsanspruch gegen den Kläger hat. Der Beklagte ist jedenfalls nicht von seiner Verbindlichkeit zur Zahlung des Schmerzensgeldes freigeworden, weil darauf nicht geleistet worden ist.

Dies gilt auch für die Forderung auf Ersatz pauschaler Kosten von 40,00 DM.

Soweit der Beklagte sich im übrigen auf die Verwendungsbestimmung im Schreiben seines Versicherers vom 23.1.1998 (Bl. 72 d.A.) beruft, ist diese schon deshalb unbeachtlich, weil sie nicht bei der Leistung (Staudinger-Olzen, 13. Aufl., § 366 BGB Rdnr. 31), sondern wesentlich später erfolgte, ohne daß der Haftpflichtversicherer insoweit einen Verrechnungsvorbehalt erklärt hatte.

Der Zinsanspruch des Klägers ist ab dem 14.1.1999 (geschätzter Zugang des Prozeßkostenhilfeantrages) begründet, §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 a. F. BGB. Ein vorheriger Verzugszeitpunkt kann nicht festgestellt werden. Das Schreiben an den Haftpflichtversicherer des Beklagten vom 26.9.1997 enthält lediglich eine vorläufige Schadensbezifferung, nicht jedoch das für eine Mahnung erforderliche bestimmte Verlangen nach Leistungsbewirkung (Staudinger-Löwisch, 13. Aufl., § 284 BGB Rdnr. 23). Das gilt auch für das Schreiben vom 2.10.1997. In der Formulierung, der Regulierung werde in Kürze entgegengesehen, ist kein nachdrückliches Leistungsverlangen zu sehen. Allerdings steht das das vorliegende Verfahren einleitende Prozeßkostenhilfegesuch vom 5. Januar 1999 einer Mahnung gleich (BGH, Urt. v. 15.11.1989, LM § 546 ZPO Nr. 12, Bl. 3), so dass der Kläger ab dessen Zugang Zinsen in der geltend gemachten (gesetzlichen) Höhe verlangen kann.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO; die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 i.V.m. 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 546 Abs. 1 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz und zugleich Beschwer des Beklagten: 2.040,-- DM.

Ende der Entscheidung

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