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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.02.2000
Aktenzeichen: 22 U 133/99
Rechtsgebiete: HOAI


Vorschriften:

HOAI § 15
HOAI § 64
HOAI §§ 15,64

Leitsätze:

1.

Der mit der Vor- und Entwurfsplanung betraute Architekt muß sich zunächst mit der Grundlagenermittlung befassen, sofern diese nicht ausnahmsweise anderweitig erbracht ist, und hat deshalb auch Anspruch auf Honorierung der Leistungsphase 1 des § 15 Abs.1 HOAI.

2.

Mit der Äußerung des Wunsches, der Architekt solle die "endgültige Planung" anfertigen, und der Unterzeichnung des Bauantrags erteilt der Bauherr den Auftrag zur Genehmigungsplanung.

3.

Den Auftrag des Bauherrn, die Bauplanung bis zur Genehmigungsreife zu betreiben, darf der Architekt zugleich als Beauftragung mit der Tragwerksplanung bis zur Leistungsphase 4 des § 64 Abs.3 HOAI verstehen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.2.2000 - 22 U 133/99

rechtskräftig

Sachverhalt:

Der Bekl hatte zur Sicherung der Honorarforderung aus seiner Tätigkeit für ein im Planungsstadium steckengebliebenes Bauvorhaben des KI die Eintragung einer Sicherungshypothek erwirkt. Auf die Klage hat das LG den Bekl verurteilt, in deren Löschung einzuwilligen. Mit der Widerklage macht der Bekl Honorar für seine Leistungen als Architekt und Tragwerksplaner geltend. Das LG hat den Kl antragsgemäß zur Zahlung von 36.159,25 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner Berufung begehrt der Kl Abweisung der Widerklage, soweit er verurteilt worden ist, mehr als 9.249,16 DM zu zahlen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 133/99 3 O 522/96 (Landgericht Krefeld)

verkündet am 11.02.2000

Tellmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr.Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und den Richter am Landgericht Galle für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Schlußurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 24.06.1999 teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Auf die Widerklage des Beklagten wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 25.598,48 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.04.1999 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte, jedoch mit Ausnahme der durch die Beweisaufnahme veranlaßten Kosten; diese tragen der Kläger zu 71 % und der Beklagte zu 29 %.

Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 61 und der Beklagte zu 39 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist teilweise begründet. Der Beklagte hat aus Architektenvertrag Anspruch auf Vergütung der Leistungsphasen 1 bis 4 aus §§ 15 Abs. 2 und 64 Abs. 3 HOAI. Honorar für die Leistungsphase 5 aus § 64 Abs.3 HOAI und pauschale Erstattung der Nebenkosten (§ 7 Abs.3 HOAI) kann er dagegen nicht verlangen.

1) Zwischen den Parteien ist ein Architektenvertrag über die Leistungsphasen aus § 15 Abs.2 Nr.1 bis 4 HOAI, sowie aus § 64 Abs.3 Nr. 1 bis 4 HOAI zustande gekommen. Im einzelnen:

a) Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung, § 15 Abs.2 Nr.1 bis 3 HOAI

Es ist nunmehr unstreitig, daß der Kläger den Beklagten mit der Vorplanung und Entwurfsplanung betraut hat. Sein Vortrag, die Grundlagenermittlung sei nicht Gegenstand der Erörterungen gewesen, er habe die Aufgabenstellung vielmehr vorgegeben (S.2/3 der Berufungsbegründung = Bl.228/229 GA), verkennt die Bedeutung der Leistungsphase 1. Da der Beklagte die Vorplanung und Entwurfsplanung erbracht hat, muß er sich auch mit der Grundlagenermittlung befaßt haben. Denn die Leistungsphasen 2 und 3 bauen in aller Regel auf die Leistungsphase 1 auf; letztere ist ein notwendiger Entwicklungsschritt, der den Leistungsphasen 2 und 3 vorausgehen muß, sofern die entsprechenden Vorarbeiten nicht ausnahmsweise bereits anderweitig erbracht waren (vgl. Senatsurteile vom 26.9.1997 OLGR 1998, 99 (100), und vom 28.05.1999, OLGR 1999, 457).

Der Kläger hat nicht dargelegt, daß der Beklagte auf Vorleistungen aufbauen konnte, die es ihm ermöglicht hätten, ohne, weitere Voraussetzungen in die Vorplanung einzutreten. Allein die konkrete Vorstellung des Klägers, kleinere Wohneinheiten für Studenten oder andere alleinstehende Personen zu schaffen (S.3 der Berufungsbegründung vom 5.10.1999 = Bl.229 GA), genügt insoweit nicht.

b) Genehmigungsplanung, § 15 Abs.2 Nr.4 HOAI

Aufgrund der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen H steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger den Beklagten auch mit der Genehmigungsplanung beauftragt hat. Der Zeuge hat bekundet, daß sich die Parteien in seinem Beisein darauf geeinigt hätten, die "endgültige Planung" herzustellen; er habe die notwendigen Pläne angefertigt; während einer weiteren Besprechung habe der Kläger die Pläne angeschaut und den Bauantrag unterzeichnet.

Aus dem Inhalt dieser Aussage ist herzuleiten, daß der Kläger dem Beklagten den Auftrag erteilt hat, die zur Genehmigung des Bauvorhabens erforderlichen Unterlagen anzufertigen bzw. zusammenzustellen. Der Kläger hat das durch den Wunsch nach Anfertigung einer "endgültigen Planung" und durch die Unterzeichnung des Bauantrags unmißverständlich zum Ausdruck gebracht.

Entgegen der vom Kläger offenbar vertretenen Auffassung (vgl. S.3/4 der Berufungsbegründung = Bl.229/230 GA) oblag es nicht dem Beklagten, die Echtheit der Unterschriften auf dem Bauantrag, dem Schreiben vom 31.01.1995 und dem Plan vom 31.01.1995, welche nur Indizien für die Auftragserteilung sind, zusätzlich durch Schriftvergleichung (§ 441 Abs.1 ZPO) zu beweisen. Die Schriftvergleichung ist nur eines neben allen anderen zulässigen Beweismitteln (Geimer in Zöller, ZPO, 21.Aufl., § 441 Nr. l ZPO). Da bereits die Aussage des Zeugen H überzeugungskräftig ist (Einwendungen gegen die Richtigkeit der Aussage sind weder vorgetragen, noch ersichtlich, stellt sich nur die Frage, ob das Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen F den Beweiswert der Aussage entkräftet. Das ist nicht der Fall:

Die psysikalisch-technische Voruntersuchung (S.2 des Gutachtens vom 21.03.1998 = Bl.130 GA) hat keine Hinweise auf eine Fälschung ergeben. Der Schriftvergleich ermöglicht nur die Feststellung, daß die Echtheit der Unterschriften "nicht auszuschließen" also "möglich" bzw. "in Betracht" zu ziehen ist (S.7 und 13 des Gutachtens vom 27.06.1998). Hiernach spricht mehr für die Echtheit der Unterschrift als für eine Fälschung.

Das Gutachten ist in sich schlüssig, detailreich und anhand der Markierungen auf den von den Unterschriften angefertigten Lichtbildern in jedem Punkt nachvollziehbar. Der Einwand des Klägers (S.3/4 der Berufungsbegründung = Bl. 229/230 GA), der Sachverständige habe bei den Initialen "B" und "R" der Unterschriften vom 31.01.1995 punktförmige Hemmungen in der Nähe der nach links gerichteten Unterlängen nicht berücksichtigt, ist unzutreffend. Einen Großbuchstaben "R" mit Unterlänge und punktförmiger Hemmung weist nur die Unterschrift des Beklagten auf. Der beschriebene Farbauftrag beim Buchstaben "B" der klägerischen Unterschrift ist auch bei der Vergleichsunterschrift V19 zu erkennen.

c) Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung, § 64 Abs.3 Nr.1 bis 4 HOAI

Der Beklagte war auch beauftragt, die Tragwerksplanung - soweit für den Bauantrag erforderlich - anzufertigen. Die Aufgabenstellung, die Bauplanung bis zur Genehmigungsreife zu betreiben, durfte der Beklagte als Auftrag zur Durchführung der Leistungen gemäß § 64 Abs.3 Nr.1 bis 4 HOAI verstehen. Wie sich aus § 69 Abs.1 LBauO NW i.V.m. § 6 Abs.1 BauPrüfVO NW ergibt, wäre die Baugenehmigung ohne einen Standsicherheitsnachweis nicht erteilt worden. Die Erarbeitung des Standsicherheitsnachweises ist der wesentliche Inhalt der Tragwerksplanung (Hesse Korbion-Mantscheff-Vygen, HOAI, 5. Aufl., Vorb. § 62, RNr.13/14).

Die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe die Tragwerksplanung nachträglich angefertigt (S.5 der Berufungsbegründung = Bl.231 GA), ist unsubstantiiert. Der Umstand, daß die Erklärung zum Standsicherheitsnachweis auf den 02.03.1995 datiert und nicht unterzeichnet ist, läßt keinen Rückschluß auf den Zeitpunkt der Anfertigung zu. Zudem hat der Kläger das Datum, wann er den Architektenvertrag gekündigt hat, nicht mitgeteilt (vgl. S.5 Abs.5 des Schriftsatzes vom 03.07.1997 = Bl.28 GA).

d) Ausführungsplanung, § 64 Abs.3 Nr.5 HOAI

Der Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, daß der Kläger auch den Auftrag zur Ausführungsplanung erteilt hat. Er hat in der Berufungserwiderung (S.1 = Bl.239 GA) selbst vorgetragen, daß er die für die Baugenehmigung erforderliche Statik erstellen sollte. Ein weitergehender Auftragsinhalt ergibt sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen H. Die Vorlage der Ausführungsplanung, die z.B. die Anfertigung von Schal-, Bewehrungs-, Stahlbau-, Holzkonstruktionspläne zum Gegenstand hat (Heisse-KorbionMantscheff-Vygen, a.a.O. § 64, RNr. 31), ist nach § 6 Abs.1 BauPrüfVO NW keine Genehmigungsvoraussetzung.

2) Der Kläger hat die Höhe der anrechenbaren Kosten (§§ 10, 62 HOAI) von 450.000 DM (Gebäude) und 200.000 DM (Tragwerksplanung) sowie die Richtigkeit der Honorarzone III (§§ 11 Abs.1 Nr.3, 63 Abs.1 Nr.3 HOAI), nicht bzw. nicht erheblich bestritten. Er selbst ist für die von ihm akzeptierten Leistungsphasen aus § 15 Abs.2 Nr.2 und 3 HOAI von anrechenbaren Kosten in Höhe von 450.000 DM und der Honorarzone III ausgegangen. Zutreffend hat der Beklagte gemäß § 4 Abs.4 HOAI die Mindestsätze aus den Honorartafeln zu § 16 Abs.1 HOAI und § 65 Abs.1 HOAI (in der Fassung von 1991) zugrunde gelegt.

3) Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung von Nebenkosten in Höhe von 5 % des Nettohonorars. Gemäß § 7 Abs.3 S.2 2. HS. HOAI bedarf die pauschale Abrechnung von Nebenkosten einer schriftlichen Honorarvereinbarung, die unstreitig nicht getroffen wurde.

4) Nach alledem errechnet sich der Honoraranspruch des Beklagten wie folgt:

I. Architektenleistungen Grundhonorar bei anrechenbaren Kosten von 450.000 DM und Zone III:|45.165,00 DM|Leistungsphasen 1 bis 4 = 27 % des Grundhonorars:|12.194,55 DM|II. Ingenieurleistungen Grundhonorar bei anrechenbaren Kosten von 200.000 DM und Zone III:|18.300,00 DM|Leistungsphasen 1 bis 4 = 55 % des Grundhonorars:|10.065,00 DM|Summe netto:|22.259,55 DM|15 % MwSt:|3.338,93 DM|Summe brutto:|25.598,48 DM

5) Der Vortrag des Klägers, die Planungsleistungen seien unbrauchbar, weil der Beklagte die Grenzen der Genehmigungsfähigkeit ignoriert habe, ist unsubstantiiert:

"Winzige Erdgeschoßräume" (die Erdgeschoßräume der Apartments 1 bis 4 weisen nach der Wohnflächenberechnung vom 31.01.1995 eine Größe von 10,93 m² auf - und nicht, wie von dem Kläger behauptet, 9.05 m²) sind zulässig; das Bauordnungsrecht schreibt keine Mindestgröße für Aufenthaltsräume vor (vgl. § 48 LBauO; Thiel/Rößler/Schumacher, Landesbaurecht in NRW, 89. Erg.Lfg.; § 44 Ziff.l).

Aus § 48 Abs.5 LBauO NW ergibt sich, daß Wohnräume auch in Kellergeschossen zulässig sind, wenn diese über eine in der Wohnung liegende Treppe zu erreichen sind (Satz 2) oder für ausreichendes Tageslicht gesorgt ist und das Gelände max. 80 cm über dem Fußboden liegt (Satz 3). Daß die Planung des Beklagten gegen diese Bestimmung verstößt, ist nicht dargetan. Der Kläger trägt selbst vor, daß die Erdgeschoßräume über eine Wendeltreppe mit den Kellergeschoßräumen verbunden sind.

Auch gegen eine Planung von Aufenthaltsräumen unter einer Dachschräge bestehen keine Bedenken, wenn für eine ausreichende lichte Höhe gesorgt ist (§ 48 Abs.1 LBauO NW); daß der Beklagte die Deckenhöhen zu niedrig geplant hat, ist nicht vorgetragen.

Unschlüssig ist schließlich die Behauptung, die Erteilung einer Baugenehmigung sei auch wegen der Überschreitung der Baugrenze "wenig wahrscheinlich". Aus § 23 Abs.3 S.2 BauNVO ergibt sich, daß ein Vortreten von Gebäudeteilen zugelassen werden kann. Der Kläger hatte daher vorzutragen, ob und welche Festsetzungen zur Bauweise in einem Bebauungsplan enthalten sind (§ 9 Abs.1 Nr.2 BauNVO), insbesondere ob dieser Ausnahmen von einer festgesetzten Baugrenze vorsieht (vgl. § 23 Abs.3 S.3 BauGB), bejahendenfalls, weshalb die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nicht erfüllt sind, oder - falls keine Ausnahmen zugelassen sind weshalb keine Befreiung nach § 31 Abs.2 BauGB in Betracht kommt.

6) Der Zinsanspruch ist nur in Höhe von 4 % begründet, §§ 284 Abs.1, 288 Abs.1 BGB. Der Kläger hat in der Berufungsbegründung den Vortrag des Beklagten, er nehme Bankkredit in Höhe der Klageforderung in Anspruch und müsse hierfür Zinsen von 8 % entrichten, bestritten (S.5/6 der Berufungsbegründung = B1.231/232 GA); eine Zinsbescheinigung hat der Beklagte nicht nachgereicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.1, 708 Nr.10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß (§ 546 Abs.1 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz: 26.810,09 (36.159,25 DM - 9.349,16 DM).

Beschwer der Parteien: nicht über 60.000 DM.

Ende der Entscheidung

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