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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.04.2001
Aktenzeichen: 22 U 161/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 847 |
Leitsätze:
5.000 DM Schmerzensgeld für eine vorsätzliche Körperverletzung nach einer Wirtshausstreitigkeit - der Beklagte schlug den Kopf des Klägers mehrfach auf die Eisenplatte eines Hydranten - , welche zu einer Platzwunde am Hinterkopf sowie zu einer seitlichen Hirnquetschung mit winzigen Kontusionsblutungen führte und eine dreiwöchige stationäre Behandlung erforderte, während als Folgeschäden lediglich zeitweise auftretende Kopfschmerzen und eine latente geringgradige Lähmung links verblieben, unter Berücksichtigung der Alkoholisierung der Beteiligten und ihrer eingeschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.4.2001 - 22 U 161/00 - rechtskräftig
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
22 U 161/00 6 O 38/99 LG Duisburg
Verkündet am 27.04.2001
Gehenzig, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 05. September 2000 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 5.000,00 DM zu zahlen. lm übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Beklagte 20 %, der Kläger 80 %, von den Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagte 13 % und der Kläger 87 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt: Der Kl begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht des Bekl aus einem Vorfall in der Nacht vom 23. zum 24.2.1996 vor der Gaststätte H in O. Nachdem der Bekl bereits in der Gaststätte eine verbale Auseinandersetzung mit einem anderen Gast hatte, ging er mit diesem nach draußen. Der Kl folgte ihnen. Der Bekl zog den Kl von der Eingangstreppe, so dass dieser zu Fall kam. Der Bekl beugte sich über ihn und schlug dessen Hinterkopf mehrfach auf die Eisenplatte eines Hydranten. Bei der Einlieferung ins Krankenhaus lautete die Diagnose auf Hirnkontusion, Platzwunde am Hinterkopf und Alkoholintoxikation. Der Kl behauptet, er leide nach dreiwöchiger stationärer Behandlung infolge der Gewalteinwirkung unter Taubheitsgefühl im rechten Arm, starken Kopfschmerzen, funktionslosem Geruchs- und Geschmacksvermögen sowie psychopatologischen Auffälligkeiten. Er hat ein Schmerzensgeld von 20.000 DM als angemessen bezeichnet.
Das LG hat dem Kl 15.000 DM Schmerzensgeld zugesprochen und die begehrte Feststellung getroffen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten hat, soweit er sie nicht zurückgenommen hat, auch in der Sache Erfolg.
Der Beklagte wendet sich gegen die Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes nur noch, soweit es den Betrag von 5.000,00 DM übersteigt, und gegen die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden.
In diesem Umfang ist die Berufung begründet.
Dem Kläger steht gemäß §§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1 S. 2, 847 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nur in der zuerkannten Höhe zu.
Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte den Kläger in der Nacht vom 23.02.1996 auf den 24.02.1996 dadurch verletzt hat, dass er den Kopf des Klägers mehrfach auf die auf dem Gehweg befindliche Eisenplatte eines Hydranten geschlagen und ihm dadurch eine Platzwunde am Hinterkopf mit Hirnquetschung vorn seitlich und winzigen Kontusionsblutungen und Blutauflagerungen unterhalb der Hirnhaut zugefügt hat.
Der Tathergang war in erster Instanz unstreitig.
Allerdings liegt kein Geständnis vor. Ein solches muß zwar nicht ausdrücklich abgegeben werden. Es muß aber eine Erklärung vorliegen, die eindeutig ein Zugestehen der gegnerischen Behauptung enthält. Allein der Umstand, dass der Beklagte der Behauptung des Klägers zum Tathergang nicht entgegengetreten ist, reicht für die Annahme eines Geständnisses nicht aus (vgl. BGH NJW 1991, 1683). Auch das Vorbringen des Beklagte im Schriftsatz vom 23.03.1999, in dem er ein Mitverschulden des Klägers geltend gemacht hat, ist nicht eindeutig genug, um darin ein Geständnis zu sehen.
Der Beklagte hat aber in der ersten Instanz den Tathergang nicht bestritten, sondern lediglich die vom Kläger behaupteten Verletzungsfolgen und geltend gemacht, der Zeuge P habe im Strafverfahren ausgesagt, er habe gesehen, dass der Kläger von selbst auf den Hinterkopf gefallen sei. Damit ist die Tathandlung des Beklagten, sowie sie der Kläger geschildert hat, unbestritten gewesen.
Erstmals in der Berufungsbegründung, behauptet der Beklagte, er habe den Kläger nur geschüttelt. Dieses Vorbringen ist verspätet und gemäß §§ 528 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO nicht zuzulassen.
Der Kläger hat den Hergang schon in der Klage und Antrag auf Prozesskostenhilfe vom 08.02.1999 wie oben dargestellt geschildert. Der Beklagte hat weder in der Klageerwiderung vom 02.03.1999, noch im Schriftsatz vom 09.03.1999 oder im Schriftsatz vom 23.03.1999, in dem er zum Vorfall selbst, dem Trunkenheitsgrad des Klägers und der behaupteten Provokation Stellung genommen hat, noch im Schriftsatz vom 14.04.1999, in dem er auf die Aussage des Zeugen P im Strafverfahren hingewiesen hat, oder im Schriftsatz vom 09.02.2000, in dem er zu dem Sachverständigengutachten über die Verletzungsfolgen Stellung genommen hat, noch in den mündlichen Verhandlungen seine Tathandlung bestritten. Die Berücksichtigung des neuen Vorbringens würde zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen. Es wären fünf Zeugen zu vernehmen, die Vernehmungen würden jeweils längere Zeit in Anspruch nehmen, weil die Zeugen eingehend eventuell mit Gegenüberstellungen, über den genauen Verlauf zu befragen wären. Dies konnte im Termin am 23.03.2001 nicht zusätzlich durchgeführt werden, sondern hätte einen weiteren Verhandlungstermin erforderlich gemacht.
Die Verspätung beruht auch auf grober Nachlässigkeit. Das ergibt sich aus dem geschilderten erstinstanzlichen Vortrag der Parteien. Dass das Gericht, wenn unstreitig blieb, dass der Beklagte den Kopf des Klägers mehrfach auf eine Eisenplatte geschlagen hat, daraus den Schluss auf die Ursächlichkeit dieser Handlungen für die festgestellten Verletzungen ziehen würde, war auch für den Beklagten offensichtlich. Das ergibt sich auch daraus, dass er sich in erster Instanz nur auf Mitverschulden berufen hat.
Bereits aus der Art der danach feststehenden Verletzungshandlung, dass der Beklagte den Kopf des Klägers mehrfach auf eine Eisenplatte geschlagen hat, ergibt sich auch, dass die festgestellten Verletzungen auf diese Verletzungshandlungen zurückzuführen sind. Dabei kann unterstellt werden, dass, wie es der Zeuge P im Ermittlungsverfahren geschildert hat, die Ehefrau des Klägers und ein Bekannter versucht haben, diesen aufzusetzen, und er aus sitzender Haltung plötzlich von allein nach hinten gekippt und auf den Hinterkopf gefallen ist. Die Art der Verletzung - Hirnquetschung vorn seitlich mit Platzwunde am Hinterkopf - setzt eine starke Erschütterung des Kopfes voraus.
Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass diese durch das heftige Aufschlagen des Kopfes und nicht durch den Fall aus sitzender Haltung, also geringer Höhe, verursacht worden ist.
Jedoch ist das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld auch unter Berücksichtigung des Tathergangs weit überhöht.
Dem Schmerzensgeld kommt in erster Linie die Funktion des Ausgleichs für erlittene immaterielle Beeinträchtigungen zu. Das Ausmaß der Beeinträchtigungen steht deshalb bei der Bemessung des Schmerzensgeldes im Vordergrund (vgl. BGH NJW 1995, 781). Die Verletzungsfolgen waren nicht sehr gravierend. Dies ergibt sich aus dem Bericht des Evangelischen Krankenhauses O , dem Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. Z für das Versorgungsamt Essen und dem überzeugenden schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. D , Dr. Ka und Kü , der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. D und Dr. Ka und dem mündlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. Ka . Danach erlitt der Kläger eine Hirnkontusion rechts fronto-parietal mit winzigen Kontusionsblutungen und subarachnoidalen Blutauflagerungen, eine Platzwunde occipital. Der Kläger war drei Wochen in stationärer Behandlung, die Beschwerden bestanden ausweislich des Krankenhausberichtes in Kopfschmerzen, die linksseitige leichtgradige Lähmung wurde schon damals nach dem Bericht subjektiv nicht bemerkt. Bis heute verblieben sind nach den Gutachten als Folgen der Verletzung, davon geht auch das Landgericht aus, intermittierende Kopfschmerzen und eine latente geringgradige linksseitige Lähmung, die sich in einer Reflexbetonung äußert, jedoch nicht die vom Kläger weiter behauptete Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmacksempfindens und Taubheitsgefühl im rechten Arm. Das Entstehen eines posttraumatischen Anfallsleidens schließen die Sachverständigen aus. Die Sachverständigen haben ihr Gutachten aufgrund sorgfältiger neurologischer Untersuchung der Nerven, Reflexe, Muskelkraft und -koordination und eines EEG erstattet und einleuchtend begründet, dass die vom Beklagten behaupteten Beeinträchtigungen des Geruchs- und Geschmacksempfindens und das Taubheitsgefühl nach der Art der Verletzung und dem objektiven Untersuchungsbefund nicht zu begründen sind. Es besteht kein Grund, an den Ergebnissen zu zweifeln.
Diese nicht geringfügige aber in ihren Folgen auch nicht sehr gravierende Verletzung rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine vorsätzliche Körperverletzung vorliegt, kein höheres Schmerzensgeld als 5.000,00 DM.
Auch wenn bei vorsätzlichen Körperverletzungen auch der Genugtuungsfunktion eigenständige Bedeutung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zukommt, so darf diesem kein Privatstrafencharakter zugemessen werden. Vielmehr ist allein die durch die Tat entstandene "besondere persönliche Beziehung" zwischen Täter und Opfer zu berücksichtigen (vgl. BGH, a.a.O., 781/782). Es war deshalb verfehlt, dass das Landgericht die kriminelle Energie und die Höhe der im Strafverfahren verhängten Strafe als maßgebende Faktoren für die Bemessung des Schmerzensgeldes herangezogen hat. Die Bemessung des zivilrechtlichen Schmerzensgeldes ist unabhängig vom staatlichen Strafverfolgungsanspruch und die Ankoppelung des Schmerzensgeldes an eine etwaige strafrechtliche Verfolgung verfehlt (vgl. BGH., a.a.O.).
Um beiden Funktionen des Schmerzensgeldes Rechnung zu tragen, erscheint im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Umstände der Tat, die Alkoholisierung aller an der Auseinandersetzung Beteiligten und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Schädiger und Geschädigtem ein Betrag von 5.000,00 DM unter Einschluß des vom Beklagten nicht angegriffenen Betrages von 1.000,00 DM angemessen, aber auch ausreichend.
Der Feststellungsantrag ist nicht begründet, da weitere Schäden als die fortbestehenden, zeitweise auftretenden Kopfschmerzen, die nach den eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen mit Kopfschmerzmedikamenten gut behandelt werden können, und die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes bereits berücksichtigt sind, ausgeschlossen werden können. Die Sachverständigen haben die Möglichkeit, dass sich noch ein posttraumatisches Anfallsleiden entwickelt, ausgeschlossen und dies überzeugend damit begründet, dass sich im EEG ein gut ausgeprägter Alpha- Grundrhythmus ohne Herdbefund und ohne epilepsietypische Potentiale dargestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 515 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß, § 546 Abs. 1 ZPO.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren
- bis zum 22.03.2001: 15.000 DM (14.000,00 DM + 1.000,00 DM), - ab dem 23.03.2001: 11.000,00 DM,
Beschwer des Klägers: 11.000,00 DM.
Ende der Entscheidung
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