Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.04.2001
Aktenzeichen: 22 U 164/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 366
1.

§ 366 BGB ist entsprechend anwendbar, wenn aufgrund teilweiser Titulierung ein Teil einer ursprünglich einheitlichen Werklohnforderung Selbständigkeit gegenüber dem nicht titulierten Teil erlangt.

2.

Wenn der Auftraggeber einen Teilvollstreckungsbescheid gegen sich ergehen läßt, wegen des darüber hinausgehenden Teils der Werklohnforderung jedoch deren Fälligkeit bestreitet, und der Werkunternehmer die Zwangsvollstreckung betreibt, erfolgen Zahlungen des Auftraggebers mit der konkludenten Tilgungsbestimmung, dass diese auf die titulierte Teilforderung angerechnet werden sollen.

3.

Eine Abweichung von der nach § 366 Abs. 2 BGB vorgesehenen Tilgungsreihenfolge ist aus Billigkeitsgesichtspunkten ausnahmsweise geboten, wenn der Schuldner irrtumsbedingt eine Tilgungsbestimmung nicht getroffen hat, die gesetzliche Tilgungsreihenfolge dem zu vermutenden vernünftigen Willen des Schuldners ganz offensichtlich widerspricht und dieser Wille für den Gläubiger von vornherein ohne weiteres erkennbar ist.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 27.04.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der dritten Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 24. August 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 145.000 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Krefeld. Streitig ist zwischen den Parteien, ob bestimmte unstreitige Zahlungen des Klägers auf die titulierte Forderung anzurechnen sind, so dass diese erloschen ist.

Am 19.07.1990 erwirkte die Beklagte wegen einer Werklohnforderung aus der Erstellung einer Erschließungsanlage gegen den Kläger einen Mahnbescheid über 239.749,85 DM. Die Forderung korrigierte die Beklagte später auf 223.768,32 DM. Gegen den Mahnbescheid legte der Kläger "Widerspruch in Höhe eines Teilbetrages von 73.735,55 DM ein mangels Fälligkeit" (Anl. B1). Am 29.08.1990 erließ daraufhin das Amtsgericht Krefeld auf den Antrag der Beklagten einen Teilvollstreckungsbescheid über 166.014,30 DM nebst 10 % Zinsen ab dem 25.04.1990. Am 18.09.1990 erwirkte die Beklagte einen ersten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, aufgrund dessen Mietzahlungen von Mietern des Klägers ab März 1991 bis Juli 1995 an sie gezahlt wurden (vgl. Anl. B7, B2 und B3). Außerdem erwirkte sie Pfändungen unter anderem von Büromöbeln und technischem Hilfsgerät.

Vor dem für den 01.03.1991 festgesetzten Termin zur Versteigerung der gepfändeten Gegenstände fand am 22.02.1991 ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem erstinstanzlichen Bevollmächtigten der Beklagten statt, über welches dieser einen Vermerk fertigte (Anl. B9). In diesem Gespräch bezifferte der Kläger die von ihm der Beklagten noch geschuldeten Beträge auf insgesamt 236.774,96 DM, von denen 90.974,99 DM noch nicht fällig seien.

Neben den Mietzahlungen aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses flossen der Beklagten Zahlungen des Klägers zu, unter anderem 20.000 DM am 22.04.1991, 15.000 DM am 24.02.1992, 5.000 DM am 27.05.1992, 5.000 DM am 02.07.1992, 5.000 DM am 02.08.1992, 5.000 DM am 21.09.1992, 5.000 DM am 16.11.1992 und 5.000 DM am 04.02.1993.

Am 24.03.1992 drohte die Beklagte dem Kläger an, die bereits ausgebrachten Pfändungen zu vollziehen, falls nicht die Tilgung der Restforderung bis zum 10.04.1992 erfolgt sei, und am 07.06.1993 forderte die Beklagte den Kläger auf, für März bis Mai 1993 rückständige Zahlungen von 15.000 DM bis zum 17.06.1993 zu zahlen und die weiteren Zahlungen pünktlich wie vereinbart zu leisten. Sie drohte an, nach fruchtlosem Ablauf der Frist die ruhende Pfändung wieder aufzunehmen (Bl. 33 GA). Der Kläger antwortete am 15.06.1993, er hoffe, ab Juli den Zahlungsaufforderungen wieder nachkommen zu können, er werde keinesfalls etwas schuldig bleiben (Anlage B11).

1996 beantragte die Beklagte erneut einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Restforderung von 10.318,87 DM, den das Amtsgericht Krefeld am 15.10.1996 erließ, obwohl der Antrag der Beklagten bereits am 24.09.1996 zurückgenommen worden war. Wegen dieser Rücknahme wurde der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am 25.11.1996 wieder aufgehoben.

Am 16.12.1996 schließlich erwirkte die Beklagte einen dritten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Restforderung von 90.544,47 DM. Bei der Berechnung dieser Forderung berücksichttigte die Beklage entgegen der Berechnung zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 15.10.1996 die vorstehend genannten Zahlungen zwischen dem 22.04.1991 und dem 04.02.1993 mit Ausnahme der Zahlung von 15.000 DM vom 24.02.1992 nicht. Der Kläger zahlte am 13.07.1999 5.000 DM, am 04.08.1999 weitere 5.000 DM und am 27.09.1999 5.080,30 DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe die durch den Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung vollständig erfüllt, und bestritten, dass der Beklagten die von ihr geltend gemachte Gesamtforderung zustehe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Teilvollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Krefeld vom 29.08.1990 - 2 B 3957/90 - unzulässig sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, im Zeitpunkt der Zahlungen sei auch die nicht titulierte Forderung unstreitig fällig gewesen. Mangels Tilgungsbestimmung seien die Zahlungen des Klägers deshalb zunächst auf die nicht titulierte Forderung zu verrechnen gewesen. Der Kläger habe am 22.02.1991 und mit Schreiben vom 15.06.1993 ihre Forderung anerkannt.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 24.08.2000 die Zwangsvollstreckung aus dem Teilvollstreckungsbescheid für unzulässig erklärt und ausgeführt, es liege keine ausdrückliche, aber eine konkludente Tilgungsbestimmung vor. Der Kläger habe Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt, weil der nicht titulierte Teil der Forderung seiner Ansicht nach nicht fällig gewesen sei. Somit seien die nachfolgenden Zahlungen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erfolgt, dies dokumentiere auch das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 07.06.1993. Die Beklagte habe die Zahlungen auch so verstanden, wie ihrem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen einer Restforderung von 10.318,87 DM zu entnehmen sei. Ein Anerkenntnis einer Forderung in bestimmter Höhe sei dem Schreiben des Klägers vom 15.06.1993 nicht zu entnehmen. Weitere Forderungen habe die Beklagte nicht dargelegt, auch nicht, dass diese fällig wären.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung sowie wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das ihr am 04.09.2000 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 26.09.2000 eingelegten Berufung, die sie nach entsprechender Fristverlängerung am 27.11.2000 begründet hat.

Die Beklagte trägt vor, der Werkvertrag über die Erschließungsleistungen sei unter Vereinbarung der VOB/B geschlossen worden, die Arbeiten seien am 14.06.1988 abgenommen und die Schlussrechnung am 08.02.1990 gestellt worden. Da der Kläger keine Einwendungen gegen die Schlussrechnung erhoben habe und die Gewährleistungsfrist am 14.06.1990 abgelaufen gewesen sei, sei die gesamte Werklohnforderung fällig gewesen. Der Kläger habe am 22.02.1991 anerkannt, noch einen Restbetrag von 236.774,96 DM zu schulden. Mit Schreiben vom 29.07.1996 habe ihr Prozessbevollmächtigter den Kläger über eine zu seinen Gunsten erfolgten Zahlung der Stadt Krefeld informiert und unter Beifügung einer Forderungsaufstellung um weitere Zahlungsvorschläge bis 12.08.1996 gebeten (Bl. 86-92 GA). Am 13.08.1996 habe der Kläger zunächst ihren Prozessbevollmächtigten angerufen und erklärt, die Abrechnung werde nicht beanstandet, wegen der Zahlungen werde er sich unmittelbar mit der Beklagten in Verbindung setzen. Dies sei noch am selben Tag geschehen, dabei habe der Kläger wiederum darum gebeten, den Ausgleich der Restsumme noch ein wenig zu stunden. Bei ihrer Tilgungsbestimmung im Oktober 1996 habe es sich um einen Irrtum gehandelt, deshalb habe sie den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch zurückgenommen.

Die Beklagte macht geltend, wenn die Zahlungen auf die titulierte Forderung zu verrechnen seien, stehe ihr noch eine nicht titulierte Werklohnforderung von 57.754,02 DM zu, und erhebt deswegen Hilfswiderklage. Sie ist der Auffassung, in der Erklärung vom 13.08.1996 sei ein Anerkenntnis zu sehen, weshalb die Verjährungsfrist für diese Forderung bis Ende 2000 laufe, jedenfalls sei der Kläger nach Treu und Glauben gehindert, sich auf Verjährung zu berufen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise widerklagend,

den Kläger zu verurteilen, an sie 57.754,02 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 24.07.1990 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er widerspricht der Zulassung der Widerklage. Er bestreitet die Vereinbarung einer zweijährigen Gewährleistungsfrist gemäß § 13 Nr. 4 VOB/B sowie die Abnahme am 14.06.1988. Er macht geltend, die vorgelegte Rechnung vom 08.02.1990 sei keine Schlussrechnung, deshalb hätte es auch keiner Einwendungen bedurft. Er habe die Forderung, die er nach Grund und Höhe bestreitet, niemals anerkannt und nicht am 13.08.1996 die von der Beklagten behauptete Erklärung abgegeben.

Gegenüber der Widerklageforderung beruft er sich auf Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird, auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 24.08.2000 hat in der Sache keinen Erfolg.

A. Vollstreckungsabwehrklage

Auf die Vollstreckungsabwehrklage des Klägers ist die Zwangsvollstreckung aus dem Teilvollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Krefeld vom 29.08.1990 - 2 B 3957/90 - vom Landgericht zu Recht für unzulässig erklärt worden, weil der titulierte Anspruch der Beklagten durch Erfüllung erloschen ist (§ 362 Abs. 1 BGB).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger an die Beklagte Zahlungen in Höhe der titulierten Forderung einschließlich Zinsen und Kosten erbracht hat. Die Zahlungen waren gemäß § 366 Abs. 1 BGB auf den titulierten Teil der Werklohnforderung zu verrechnen.

Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 366 BGB sind gegeben. Diese Vorschrift ist auch dann analog anwendbar, wenn aufgrund teilweiser Titulierung ein Teil einer ursprünglich einheitlichen Werklohnforderung Selbständigkeit gegenüber dem nicht titulierten Teil erlangt (vgl. BGH NJW-RR 1991, 169, 170).

1.

Davon, dass eine den titulierten Teil übersteigende Werklohnforderung bestand, ist auszugehen. Zwar hat der Kläger in der ersten Instanz bestritten, dass der Beklagten über den titulierten Anspruch hinaus eine weitere Forderung in Höhe von 73.735,55 DM zugestanden habe beziehungsweise zustehe, und weiter vorgetragen, er habe die Gesamtforderung der Beklagten nicht anerkannt, mangels Anerkenntnisses möge die Beklagte deshalb erst einmal darlegen, dass ihr die von ihr geltend gemachte Gesamtforderung zustehe, und in der Berufungsinstanz bestreitet der Kläger den von der Beklagten geltendgemachten nicht titulierten Forderungsteilbetrag von 57.754,02 DM nebst Zinsen nach Grund und Höhe. Dieser Vortrag ist jedoch angesichts der vorliegenden Unterlagen nicht ausreichend substantiiert als Bestreiten des Bestehens einer über den titulierten Betrag hinausgehenden Forderung überhaupt und nicht nur deren Höhe.

Der Kläger selbst hat auf dem Widerspruchsschreiben vermerkt "Widerspruch wegen eines Teilbetrages in Höhe von 73.735,55 DM mangels Fälligkeit" (Anlage B 1). Er hat nicht bestritten, bei einem Gespräch mit dem erstinstanzlichen Bevollmächtigten der Beklagten anlässlich der von dieser aufgrund des Teilvollstreckungsbescheides durchgeführten Pfändungsmaßnahmen am 22.02.1991 angegeben zu haben, die der Beklagten geschuldeten Beträge summierten sich auf noch 236.774,96 DM, von denen als zehnprozentige Sicherheit 90.974,99 DM noch nicht fällig seien (vgl. Aktenvermerk Anlage B 9). Im Hinblick darauf, dass der Kläger selbst damit außergerichtlich und gerichtlich geltend gemacht hat, 10 % der Werklohnforderung als Sicherheit einbehalten zur dürfen und einbehalten zu haben, ist davon auszugehen, dass jedenfalls eine über den titulierten Betrag hinausgehende Forderung der Beklagten besteht, deren Höhe allerdings streitig ist.

2.

Die Zahlungen des Klägers sind aufgrund konkludenter Tilgungsbestimmung gemäß § 366 Abs. 1 BGB auf die titulierte Forderung anzurechnen.

Das Recht, zu bestimmen, welche Forderung getilgt werden soll, steht in erster Linie dem Schuldner zu. Diese Bestimmung ist bei der Leistung auszuüben. Eine ausdrückliche Bestimmung hat der Kläger allerdings nicht behauptet.

Die Tilgungsbestimmung kann aber auch konkludent erfolgen (vgl. BGH a. a. O., m. w. N.). Von einer solchen sich aus den Umständen ergebenden Tilgungsbestimmung ist hier auszugehen, denn es ist festzustellen, dass der Kläger die Zahlungen zumindest zum Teil noch zu einer Zeit erbracht hat, als nach seiner Auffassung der nicht titulierte Teil der Forderung noch nicht fällig war. Im übrigen hat er die Leistungen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung wegen des titulierten Teils der Werklohnforderung erbracht, so dass sich aus der Interessenlage die konkludente Tilgungsbestimmung ergibt (vgl. OLG Köln MDR 1969,482).

Die Beklagte selbst legt den Aktenvermerk ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten über das Gespräch vom 22.02.1991 vor, in welchem der Kläger sich auf den seiner Meinung nach zu dieser Zeit noch berechtigten Sicherheitseinbehalt berufen hat. Weiter hat der Kläger in diesem Gespräch gerade die Pfändungsmaßnahmen der Beklagten angesprochen sowie die Gefahren, die ihm aus der für den 01.03.1991 angesetzten Versteigerung für sein Büro drohten, und er hat zur Abwendung dieser Versteigerung Zahlungen zugesagt. Auch wenn der Kläger nicht die in Aussicht gestellte Zahlung von 100.000 DM, von der er hoffte, sie bis zum Versteigerungstermin erbringen zu können, einhalten konnte, so konnte doch die Beklagte unter diesen Umständen die Zahlungen des Klägers, die in der Folgezeit erfolgten, nur so verstehen, dass sie der Abwendung der Zwangsvollstreckung dienen sollten, das bedeutet auf die titulierte Forderung angerechnet werden sollten. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die Beklagte am 24.03.1992 die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung androhte und den Kläger damit zu den weiteren Zahlungen veranlasste.

Für ihre Behauptung, im Zeitpunkt der Zahlungen sei auch die nicht titulierte Forderung unstreitig fällig gewesen, was der Kläger bestreitet, hat die Beklagte nichts konkretes vorgetragen und keinen Beweis angeboten.

Da es allein auf die Tilgungsbestimmung zum Zeitpunkt der Leistung ankommt, sind die später erstellten und im Verfahren vorgelegten Aufstellungen der Beklagten, in denen titulierter und nicht titulierter Teil der Werklohnforderung als einheitliche Forderung behandelt werden, irrelevant. Diese hätten allenfalls zur Auslegung des Verhaltens der Parteien herangezogen werden können, wenn nicht aufgrund der vorgenannten Umstände eine konkludente Tilgungsbestimmung hätte festgestellt werden können.

Der Vortrag der Beklagten, nach der Unterredung mit ihrem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten sei es immer wieder zu Gesprächen gekommen, anlässlich derer dem Kläger Forderungsaufstellungen überlassen worden seien, ist unsubstantiiert. Ihm lässt sich nicht entnehmen, dass dem Kläger im fraglichen Zeitraum zwischen dem 22.04.1991 und dem 03.02.1993 Aufstellungen, in denen die bis dahin erfolgten Zahlungen auf die Gesamtforderung verrechnet worden wären, vorgelegt worden sind. Die im Prozess vorgelegten Zahlungsaufstellungen beziehen sich auf die Daten 29.07.1996 (Bl. 87-92 GA), 10.10.1996 (Bl. 7-12 GA), 07.04.1997 (Anlage BA 8), 30.06.1999 (Anlage B 6) und 08.03.2000 (Anlage B 2), also viel spätere Zeitpunkte. Das Schreiben der Beklagten vom 24.03.1992 (Anlage B 10), in dem sie angibt, die Forderung belaufe sich ohne Kosten und Zinsen auf 143.546,41 DM, das bedeute auf eine Summe, die mit Kosten und Zinsen nicht weit unter 300.000 DM liegen dürfte, deutet eher darauf hin, dass zu dieser Zeit konkrete Forderungsaufstellungen noch nicht erstellt waren.

3.

Im übrigen wäre auch ohne konkrete Tilgungsbestimmung kein anderes Ergebnis gerechtfertigt und zwar auch dann nicht, wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass entsprechend der frühesten vorgelegten Abrechnung vom 29.07.1996 (Bl. 87-92 GA) beide Parteien von Anfang an von einer ungeteilten Forderung ausgegangen sein sollten, denn dann wäre aus Billigkeitsgesichtspunkten die titulierte Forderung als getilgt anzusehen.

Eine Abweichung von der durch § 366 Abs. 2 BGB vorgesehenen Tilgungsreihenfolge ist aus Billigkeitsgesichtspunkten ausnahmsweise dann geboten, wenn der Schuldner irrtumsbedingt eine Tilgungsbestimmung nicht getroffen hat, die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB dem zu vermutenden vernünftigen Willen des Schuldners ganz offensichtlich widerspricht und dieser Wille für den Gläubiger von vornherein ohne weiteres erkennbar ist (BGH MDR 1972, 35). Aus den oben dargelegten Gründen ist für den Fall, dass der Kläger von zwei selbständigen Forderungen ausgegangen ist, von einer konkludenten Tilgungsbestimmung dahingehend auszugehen, dass durch die Zahlungen die titulierte Forderung getilgt werden sollte, weil der Kläger die Zahlungen von 50.000 DM zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Teilvollstreckungsbescheid geleistet hat. Dies führt für den Fall, dass der Schuldner sich über die Selbständigkeit der beiden Forderungsteile nicht im klaren war, nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 366 BGB dazu, aus Billigkeitserwägungen eine dieser Rechtslage entsprechende Tilgungsreihenfolge anzunehmen (vgl. BGH. a.a.O.).

B. Hilfswiderklage

Die Widerklage ist als sachdienlich gemäß § 530 Abs. 1 ZPO zuzulassen, da der mit der Widerklage verfolgte Anspruch im wesentlichen auf demselben Prozessstoff beruht wie die bisherige Klage, diesen endgültig erledigt und dadurch einem neuen Prozess zwischen den Parteien vorbeugt. Die titulierte Forderung der Beklagten und die mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Forderung beruhen auf demselben Rechtsverhältnis, für beide Klagen ist unter anderem zu prüfen, inwieweit welcher der beiden Forderungsteile getilgt ist.

Die Widerklage ist jedoch nicht begründet, weil der Anspruch der Beklagten auf Werklohn, soweit er nicht tituliert ist verjährt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Leistung der Beklagten für einen Gewerbebetrieb des Klägers erbracht worden ist, denn auch die dann geltende vierjährige Verjährungsfrist des §§ 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB ist abgelaufen.

1.

Die Verjährungsfrist für die Widerklageforderung begann gemäß §§ 201, 198 S. 1 BGB spätestens Ende 1995 zu laufen.

Aus der Tatsache, dass der Kläger gegen den am 19.07.1990 erlassenen Mahnbescheid in Höhe eines Teilbetrages von 166.014,30 DM nicht Widerspruch eingelegt hat, und im übrigen nur "mangels Fälligkeit", ist zu folgern, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die Abnahme der Werkleistung der Beklagten stattgefunden hat und dem Kläger auch die Schlussrechnung über die Leistungen der Beklagten vorlag, so dass der Werklohnanspruch der Beklagten fällig war.

Wenn der Kläger zu einem Sicherheitseinbehalt in Höhe der Widerklageforderung gemäß § 17 VOB/B berechtigt gewesen sein sollte, war auch bei Geltung der fünfjährigen Gewährleistungsfrist gemäß § 638 Abs. 2 BGB. Ziff. 11.2 der besonderen Vertragsbedingungen (Blatt 115 GA) dieser Teil der Werklohnforderung spätestens im Jahre 1995 fällig, so dass auch insoweit die Verjährungsfrist spätestens Ende 1995 zu laufen begonnen hat und mit Ablauf des Jahres 1999 Verjährung eingetreten war. Bei Erhebung der Widerklage am 27.11.2000 war der nicht titulierte Teil der Werklohnforderung danach verjährt.

2.

Selbst wenn, wie die Beklagte behauptet, der Kläger auf ein Schreiben ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 13.08.1996 die Beklagte um Stundung des in der Forderungsaufstellung ausgewiesenen Schuldsaldos gebeten haben sollte und hierdurch die Verjährung nach § 208 BGB durch Anerkenntnis unterbrochen worden sein sollte, wäre im Zeitpunkt der Einreichung der Eventualwiderklage am 27.11.2000 die Forderung der Beklagten verjährt gewesen, denn nach Unterbrechung durch Anerkenntnis beginnt die Verjährung gemäß § 217 BGB sofort wieder zu laufen und nicht, wie die Beklagte meint, gemäß § 201 BGB erst mit dem Ende des Jahres, in dem das Anerkenntnis abgegeben wird (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 201 Rdn. 1 m.w.N.).

3.

Die Widerklageforderung kann auch nicht auf ein konstitutives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB gestützt werden, für das die dreißigjährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB gelten würde.

Weder in den Äußerungen des Klägers am 22.02.1991 noch im Schreiben des Klägers vom 15.06.1993 noch in der behaupteten Erklärung vom 13.08.1996 kann ein konstitutives Schuldanerkenntnis gesehen werden.

Aus beiden von der Beklagten vorgetragen Sachverhalten ergibt sich nicht, dass die Parteien eine von dem Werkvertrag losgelöste, selbständige Rechtsgrundlage hätten schaffen wollen. Der Wortlaut der Erklärungen des Klägers gibt dafür keine Anhaltspunkte. Auch bestand zur Abgabe eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses nach dem Vortrag der Beklagten, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt Einwendungen gegen die übermittelten Salden erhoben, keine Veranlassung. Nach diesem Vortrag könnte den Äußerungen des Klägers allenfalls eine schuldbestätigende Wirkung beigemessen werden, die gemäß § 208 BGB lediglich zu einer Unterbrechung der Verjährung, nicht jedoch zur Begründung einer neuen, selbständigen Verpflichtung führt (BGH NJW 1992, 2228,2229).

Konstitutive Schuldanerkenntnisse in den Gesprächen vom 22.02.1991 und 13.08.1996 wären zudem nach § 125 BGB formunwirksam, da nicht der in § 781 Satz 1 BGB vorgeschriebenen Schriftform genügt ist. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei Kaufmann im Sinne des § 1 HGB in der damals gültigen Fassung gewesen und habe das Schuldanerkenntnis daher gemäß §§ 350, 343 HGB formlos abgeben können, ist ins Blaue hinein aufgestellt und völlig unsubstantiiert. Ein Grundhandelsgewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB a.F. betreibt der Kläger nicht. Umstände, die dafür sprechen könnten, den Kläger als Sollkaufmann im Sinne von § 2 HGB a.F. anzusehen, sind seitens der Beklagten nicht vorgetragen.

Dem Schreiben des Klägers vom 15.06.1993 fehlt es an der für ein konstitutives Schuldanerkenntnis erforderlichen Bestimmtheit, denn dem Schreiben lässt sich eine bestimmte Schuldsumme nicht entnehmen.

4.

Die Berufung auf die Verjährung gemäß § 222 BGB widerspricht auch nicht Treu und Glauben. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn der Kläger auf die Beklagte dahingehend eingewirkt hätte, Maßnahmen zur Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung zu unterlassen. Das ist nicht der Fall. Die angebliche Zusicherung des Klägers, er werde den gesamten noch offenstehenden Rechnungsbetrag ausgleichen, wäre ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB. Damit sind die Wirkungen einer solchen Erklärung gesetzlich definiert und es würde dem System der gesetzlichen Regelungen widersprechen, ihr darüber hinausgehende Wirkungen beimessen zu wollen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gegenstandswert für die Berufung und Beschwer der Beklagten: 145.164,69 DM. Dieser Wert setzt sich zusammen aus 87.410,67 DM - das ist der Betrag der Hauptforderung, wegen der die Beklagte am 16.12.1996 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt hat (vgl. Anlagen B 7, 8); wenn unstreitig nur noch wegen eines Teilbetrages der titulierten Forderung die Zwangsvollstreckung betrieben wird, ist nur dieser Teilbetrag bei der Streitwertbemessung zugrunde zu legen (vgl. OLG Düsseldorf, 21. Zivilsenat, OLGR 1999,4 136 m. w. N.) - und 57.754,02 DM für die Hilfswiderklage.

Ende der Entscheidung

Zurück