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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.02.2000
Aktenzeichen: 22 U 166/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 249
BGB § 251
BGB §§ 823, 249, 251

Leitsatz:

Die Erneuerung eines Fußbodens aus Carrara-Marmor in einem Einfamilienhaus wegen leicht fahrlässig verursachter Flecken, die nur bei Gegen- oder Streiflicht zu erkennen sind und infolge der Wischpflege nach einigen Jahren fast völlig unsichtbar werden, ist mit unverhältnismäßigen Aufwendungen im Sinne des § 251 II 1 BGB verbunden; der Geschädigte ist mit der Zahlung von 15 % der Erneuerungskosten ausreichend entschädigt.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.2.2000 - 22 U 166/99 rechtskräftig

Sachverhalt:

Die Kl sind Eigentümer eines Einfamilienhauses, dessen Fußboden im Erdgeschoß auf 50 m2 aus 1993 verlegten polierten Bianco-CarraraMarmorplatten besteht. Am 24.10.1998 besuchte die Bekl mit ihrer zweijährigen Tochter die Kl. Sie trug in einer Leinentasche eine 1-Liter-Packung Apfelsaft, die bereits geöffnet und mit einem Plastikverschluß wieder verschlossen war. Als die Bekl in der Wohnung ihrer Tochter hinterherlief, um ihr die Jacke auszuziehen, löste sich der Verschluß und aus der Tasche tropfte Apfelsaft auf den Marmorboden. Obwohl er alsbald aufgewischt wurde, hinterließ der Apfelsaft matte Stellen, die allerdings nur bei bestimmten Lichtverhältnissen sichtbar sind. Die Kl nehmen die Bekl auf Schadenersatz in Anspruch. Sie haben die Kosten für eine Neuverlegung der Marmorplatten von 12.661,41 DM zuzüglich Aus- und Einräumkosten, insgesamt 16.661,41 DM verlangt. Der Haftpflichtversicherer der Bekl hat vorprozessual 15% von 12.661,41 DM = 1.899,21 DM gezahlt. Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung weiterer 14.762,19 DM abgewiesen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 166/99 6 O 31/99 (Landgericht Krefeld)

verkündet am 18.02.2000

Tellmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

hat der 22.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr.Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und den Richter am Landgericht Galle für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 26.07.1999 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens zu je 1/2.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Neuverlegung des gesamten Fußbodens (§§ 823 Abs.1, 249 S.2 BGB). Es kann dahinstehen, ob der Tatbestand der unerlaubten Handlung dem Grunde nach erfüllt ist. Jedenfalls sind die Kosten einer Neuverlegung unverhältnismäßig hoch, weshalb der. Schadensersatzanspruch auf die Befriedigung des Wertinteresses beschränkt ist (§ 251 Abs.2 BGB). Dieses entspricht dem von dem Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits gezahlten Betrag von 1.899,21 DM.

1) § 251 Abs.2 BGB ist Ausdruck eines im Rahmen von § 249 S.2 BGB geltenden allgemeinen Grundsatzes des Schadensrechts. Das Interesse des Geschädigten an der Restitution tritt nach Treu und Glauben hinter dem Schutz des Ersatzverpflichteten zurück, wenn der Herstellungsaufwand unverhältnismäßig hoch ist; in solchen Fällen muß sich der Geschädigte mit einer Kompensation durch einen Wertausgleich seines Schadens zufrieden geben. Die Zumutbarkeitsgrenze ist durch umfassende Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln (BGHZ 62, 388 (391) ; BGHZ 63, 295 ff.; BGH NJW 1988, 699 (700)).

a) Nach den unstreitigen Feststellungen des Sachverständigen L befinden sich im Wohnbereich mehrere, teils pfenniggroße, teils handtellergroße Tropfenflächen, die bei Gegen- oder Streiflicht zu erkennen sind, aber die Nutzbarkeit des Fußbodens nicht beeinträchtigen (S.3 des Gutachtens vom 07.01.1999 = Bl.7 GA). Eine manuelle Nacharbeit sei, so hat der Sachverständige weiter ausgeführt, wegen des unterschiedlich ausfallenden Endergebnisses nicht empfehlenswert (S.5 des Gutachtens vom 07.01.1999 = Bl.9 GA) ; die Flecken seien aber in 2 bis 4 Jahren infolge der Wischpflege "fast"' nicht mehr sichtbar; dieser Prozeß könne durch eine Intensivpflege der Schadstellen noch beschleunigt werden (S.1/2 des Ergänzungsgutachtens vom 26.02.1999 = Bl.26/27).

Mit dem Sachverständigen ist davon auszugehen, daß sich die optische Beeinträchtigung infolge der normalen Bodenpflege im Laufe der Zeit zumindest wesentlich vermindern wird. Für die Behauptung der Kläger, hierbei handele es sich um bloße Vermutungen, aufgrund der "besonderen Struktur" der Böden würden die Flecken nicht verblassen (S.5 Abs.2 der Berufungsbegründung = Bl.62 GA), gibt es keine Anhaltspunkte. Sie haben die Sachkunde des Sachverständigen nicht angezweifelt, sondern sich seine Feststellungen, soweit sie ihnen günstig sind, sogar zu eigen gemacht. Ihre Annahme, der Sachverständige habe seine Ausführungen im Gutachten vom 07.01.1999 auf Aufforderung des Haftpflichtversicherers "relativiert" (S.6 Abs.2 der Berufungsbegründung = Bl.63 GA), entbehrt jeder Tatsachengrundlage. Der Sachverständige hat nicht erst im Ergänzungsgutachten ausgeführt, daß die Kosten einer Neuverlegung Basis zur Berechnung einer "Abstandssumme" sein sollten. Das ergibt sich bereits unmißverständlich aus S.5 des Erstgutachtens (Bl.9 GA).

b) Die Abwägung der Interessenlagen ergibt, daß das Restitutionsinteresse der Kläger hinter dem Schutz der Beklagten vor unverhältnismäßig hohen Kosten zurückstehen muß. Der Kostenaufwand einer Neuverlegung von 16.661,41 DM überschreitet die Zumutbarkeitsgrenze. Die teilweise nur pfenniggroßen Flecken beeinträchtigen lediglich das makellose Erscheinungsbild des Fußbodens. Sie sind nicht ständig sichtbar, sondern nur unter bestimmten Lichtverhältnissen, wie sie etwa beim Eintritt in den Raum bestehen (S.2 des Gutachtens vom 07.01.1999 = Bl. 6 GA). Die optische Beeinträchtigung ist nicht bleibend, sondern verringert sich im Laufe der Zeit. Das im Rahmen der Abwägung ebenfalls zu berücksichtigende Verschulden der Beklagten (vgl. BGH NJW 1988, 699 (700)) ist gering. Zwar mußte die Beklagte wissen, daß der Plastikverschluß ungeeignet war, auch ein Auslaufen bei starken Bewegungen zu verhindern. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß sie das Behältnis nicht mutwillig geschüttelt, sondern die schadensverursachenden Bewegungen in dem verständlichen - Bemühen gemacht hat, ihre zweijährige Tochter einzufangen.

1) Die Höhe der geleisteten Geldentschädigung ist nicht zu beanstanden. Zu ersetzen ist die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert (BGH NJW 1985, 2413 (2415)). Da der Fußboden im verlegten Zustand keinen eigenen, vom Haus zu unterscheidenden Verkehrswert hat, ist der Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen (vgl. BGH NJW 1988, 2282 ff.-). Zutreffend hat der Sachverständige die Schätzung auf Grundlage der Kosten einer Neuverlegung vorgenommen; diese entsprechen dem Interesse der Kläger an einem fleckenlosen Boden. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß der Sachverständige als Geldentschädigung einen (von dem Haftpflichtversicherer später gezahlten) Maximalbetrag von 15 % der Kosten festgesetzt hat. Das erscheint angesichts der bereits erörterten Geringfügigkeit der optischen Beeinträchtigung ausreichend.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf. §§ 97 Abs.1, 100 Abs.1, 708 Nr.10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß (§ 546 Abs.1 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz und zugleich Beschwer der Kläger: 14.762,19 DM.

Ende der Entscheidung

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