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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.05.2000
Aktenzeichen: 22 U 204/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 826
Leitsätze:

Der Geschäftsführer einer Optionsgeschäfte vermittelnden GmbH, der solche Geschäfte ohne die gebotene Aufklärung des Anlegers abschließt, den Abschluß veranlaßt oder bewußt nicht verhindert, haftet einem Anleger gemäß § 826 BGB auch wegen des Verlustes der Geldbeträge, welche erst nach seiner Abberufung als Geschäftsführer eingezahlt worden sind, wenn er zunächst weiterhin 90% der Geschäftsanteile hält und zusätzliche Umstände dafür sprechen, daß er nach wie vor eine beherrschende Stellung in der Gesellschaft hat.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 204/99 9 O 156/99 LG Duisburg

Verkündet am 5. Mai 2000

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 07. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. W, den Richter am Oberlandesgericht M und den Richter am Landgericht F für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten zu 1 gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 30. September 1999 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen

- der Kläger 8% der Gerichtskosten und seiner eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 16% der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1;

- der Beklagte zu 1 als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2 von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers 84°%o sowie 84% seiner eigenen außergerichtlichen Kosten;

- der Beklagte zu 2 von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers 92%, davon 84% als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1, sowie seine eigenen außergerichtlichen Kosten ganz.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte zu 1.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte zu 1 kann die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaften erbracht werden.

Tatbestand:

Der Beklagte zu 1 war vom 11.11.1994 bis zum 23.11.1995, der Beklagte zu 2 vom 23.11.1995 bis zu seiner Abberufung am 18.09.1996 zum Geschäftsführer der S S und Partner GmbH in D bestellt. Diese betrieb die Vermittlung von Terminoptionsgeschäften. Durch Gesellschafterbeschluß vom 08.07.1996 wurde der Sitz der S S und Partner GmbH unter Änderung der Firma in "M u. Partner GmbH" nach F verlegt (Anl. 4 zur Klageschrift). Zugleich wurde der Beklagte zu 2 als Geschäftsführer abberufen und an seiner Stelle ein Helmut M zum Geschäftsführer bestellt.

Zu Beginn des Jahres 1995 wurde der Kläger von dem Beklagten zu 2, der damals Telefonverkäufer der S S und Partner GmbH war, und anderen Telefonverkäufern für eine Geldanlage geworben. Der Kläger leistete in der Folgezeit an die S & Partner GmbH folgende Zahlungen (vgl. Anl. 7-12 zur Klageschrift):

27.03.1995 per Verrechnungsscheck 16.000,00 DM 11.04.1995 per Verrechnungsscheck 78.800,00 DM 02.05.1995 per Verrechnungsscheck 48.800,00 DM 13.06.1995 per Verrechnungsscheck 137.600,00 DM 04.08.1995 per Verrechnungsscheck 76.800,00 DM 21.03.1996 per Verrechnungsscheck 52.000,00 DM 410.000,00 DM

Am 20.06.1995 erhielt der Kläger 284.070,00 DM ausbezahlt (Bl. 19 GA).

Im Laufe des Jahres 1996 übernahm die L & Partner GmbH in D, die bis zum 08.07.1996 "S, L & Partner GmbH" firmiert hatte, hinsichtlich eines Großteils der Kunden der S S und Partner GmbH, die weitere "Betreuung". Der kleinere Teil der Kunden, zu denen auch der Kläger zählte, wurde von der Marketing- und Vermittlungsagentur der DTM, D & T M Ltd. in O übernommen (vgl. Bl. 17 GA, Anl. 18 zur Klageschrift).

Mit Telefax-Schreiben vom 22.01.1997 (Anl. 16 zur Klageschrift) bat der Kläger um Auflösung seines Kontos und Auszahlung des Guthabens. Ein dem Kläger unter dem 31.03.1997 auf einem Briefbogen der DCI Ltd. in N/B erteilter Kontoauszug weist für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. März 1997 ein Guthaben von 166.331,30 USD aus (Anl. 19 zur Klageschrift). Eine Auszahlung des Guthabens ist nicht erfolgt.

Der Kläger hat behauptet:

Der Beklagte zu 2 habe ihm vor und nach der Einzahlung der ersten Geldeinlage erklärt, es seien weiterhin absolute Spitzengewinne zu erwarten und dies völlig ohne Risiko (Bl. 14/15 GA). Beide Beklagte hätten zudem gesagt, die schriftlichen Risikohinweise über Warentermingeschäfte seien völliger Unsinn und vom Gesetzgeber lediglich auf Druck der Banken eingeführt, um der Konkurrenz der Vermittlungsgesellschaften zu schaden (Bl. 15 GA).

Mit der Klage verlangt der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz in Höhe von 125.930,00 DM (410.000,00 DM - 284.070,00 DM).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 125.930,00 DM nebst 9,5% Zinsen seit dem 30.07.1997 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1 hat behauptet:

In der Zeit seiner Geschäftsführung sei peinlichst genau auf eine korrekte Kundenbetreuung geachtet worden. Er habe die Verkaufsleiter und (Telefon-]Verkäufer immer wieder aufgefordert, darauf zu achten, in jedem Verkaufgespräch mit Kunden das Risiko. bis hin zum Totalverlust der Einlage klar und eindeutig offenzulegen (Bl. 68 GA). Von der S & P S und Partner GmbH seien in dieser Zeit für die Kunden ganz überwiegend Gewinne erwirtschaftet worden, die auf Wunsch auch zur Auszahlung gekommen seien (Bl. 68 GA). Alle Kundengelder seien ordnungsgemäß plaziert worden. Bereits ab Herbst des Jahres 1995 (Bl. 69, 71 GA) habe der Beklagte zu 2 die Firma faktisch geleitet, ehe er förmlich zum Geschäftsführer bestellt worden sei.

Er sei zwar aus formalen Gründen bis Juli 1996 mit 1 % der Geschäftsanteile an der S, L und Partner GmbH beteiligt gewesen (Bl. 73 GA). Seit seiner Abberufung als Geschäftsführer am 04.12.1995 habe er aber keine Position mehr in dem Unternehmen inne gehabt (Bl. 76, 87 GA). Mit der Gründung der Nachfolgeunternehmen habe er nichts zu tun gehabt (Bl. 76 GA). Am 02.02.1996 habe er - dies ergibt sich im übrigen aus der notariellen Urkunde Anl. B2 zum Schriftsatz des Beklagten zu 1 vom 11.08.1999 - seine Geschäftsanteile an der S S und Partner GmbH in Höhe von 45.000 DM bis auf einen Geschäftsanteil von 1.000 DM an eine C PLC in M auf den Seychellen abgetreten (Bl. 71/72, 147 GA). Am 08.07.1996 habe er den restlichen Anteil von 1.000 DM an den Geschäftsführer Helmut M der M & Partner GmbH abgetreten.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil der gegen beide Beklagte gerichteten Klage - abgesehen von einem Teil des Zinsanspruchs - stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt:

Die Beklagten seien dem Kläger gemäß § 826 BGB wegen einer von ihnen vorsätzlich begangenen sittenwidrigen Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet.

Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Börsentermingeschäfte vermittele, füge den Kunden der Gesellschaft in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zu, wenn er veranlasse oder bewußt nicht verhindere, daß eine ordnungsgemäße Aufklärung der mit den Einzelheiten des Devisentermingeschäfts nicht vertrauten Kundschaft über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken der Geldanlage unterbleibe. Gewerbliche Vermittler von Terminoptionen hätten unerfahrene Kunden unmißverständlich ohne Beschönigung; schriftlich und in auffälliger Form die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang des ihnen aufgebürdeten Verlustrisikos und die durch die Höhe der Vermittlungsprämie eingetretene Verringerung ihrer Gewinnchancen zutreffend einzuschätzen. Dazu gehöre nicht nur die Bekanntgabe der Optionsprämie, sondern auch die Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Optionsgeschäfts und die Bedeutung der Prämie sowie ihr Einfluß auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko. Weiter müsse dargelegt werden, ob und in welcher Höhe ein Aufschlag genommen werde, sowie weiter, daß jeder Aufschlag auf die Börsenoptionsprämie die Gewinnerwartung verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene erforderlich sei, um in die Gewinnzone zu kommen. Die Darstellung müsse zutreffend, vollständig und gedanklich geordnet sein. Wichtige Informationen, wie etwa der Hinweis auf geschäftsspezifische Risiken, dürften drucktechnisch oder durch ihre Plazierung. nicht in den Hintergrund treten. Der Umfang des ihm aufgebürdeten Verlustrisiko sowie eine Verringerung der Gewinnchancen durch die unübliche Höhe oder die Anzahl von Provisionen sei vielmehr auch dem flüchtigen Leser in unmißverständlicher Weise und in auffälliger Form ohne jede Beschönigung darzulegen. Es reiche auch nicht aus, dem unerfahrenen Kunden Broschüren, Geschäftsbedingungen, Informationen und Risikohinweise ohne besondere Anleitung zu übersenden und es dem Kunden zu überlassen, die darin verstreut enthaltenen Informationen und Risikohinweise, die für das von ihm in Betracht gezogene Geschäft wichtig sind, zusammenzusuchen. Eine diesen Anforderungen genügende schriftliche Aufklärung sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die für den Anleger bestehenden Risiken seien weder nachvollziehbar dargelegt worden, noch werde der Zusammenhang und die Bedeutung zwischen der Provision und der Kursentwicklung aufgezeigt. Auch eine zusätzliche (fern-)mündliche Aufklärung hätten die Beklagten nicht hinreichend dargetan. Die von dem Beklagten zu 2 vorgelegte Risikoerklärung" (vgl. Bl. 60 d. A.) sei nichtssagend. Die an sie anschließend formulierten "Gesichtspunkte" seien zu allgemein und in einem Maße abstrakt abgefaßt, daß sich daraus die konkreten Risiken des Warentermingeschäfts für den Anleger auch nicht ansatzweise erkennen ließen. In den sich wiederholenden, als "Risikoerklärung" bezeichneten Hinweisen werde monoton wiederholt, daß der Anleger mit einem Totalverlust möglicherweise rechnen müsse, ohne daß der potentielle Anleger in der Lage wäre, aus diesen Schriften konkrete Fakten zu entnehmen, die ihn instand setzten, sein Risiko auch nur einigermaßen realistisch abzuschätzen.

Das Vorgesagte gelte auch für die in dem Parallelverfahren 9 O 92/99 vorgelegte Aufklärungsbroschüre (Bl. 109 - 116 d. A 9 O 92/99) entsprechend. Diese Broschüre, von der nicht einmal festgestellt werden könne, daß sie dem Kläger zugegangen sei, suggeriere auf der ersten Seite durch die drucktechnische Hervorhebung "ein Geschäft, nicht nur für versierte Leute", daß sich auch ohne Erfahrung und mit laienhaften Kenntnissen Gewinne erzielen ließen. Auf der dritten Seite dieser Broschüre (Bl. 111 d. A.) seien Die meist geringen Optionsprämien" drucktechnisch hervorgehoben. Tatsächlich verzehrten die Optionsprämien mit den anderen Abzügen jedoch den größten Teil der Anlagesumme, im Falle des Klägers unstreitig 68 %. Ein hinreichend deutlicher Hinweis auf diesen Umstand fehle. In keiner Weise werde darauf hingewiesen, daß es bei der Vielzahl von Transaktionen immer unwahrscheinlicher werde, Gewinne zu erzielen. Der erhebliche Einfluß der Kosten/Provisionen auf die Gewinnerwartung werde nirgendwo auch nur ansatzweise konkret oder korrekt dargestellt.

Nichts spreche dafür - und dies sei auch von den Beklagten nicht substantiiert vorgetragen -, daß dem Kläger die relevanten Tatsachen bekannt gewesen seien und er insbesondere die Risiken und Gewinnchancen zutreffend habe einschätzen können. Daß der Kläger "in Börsengeschäften" erfahren sei, werde von den Beklagten zwar behauptet, aber nicht konkret dargelegt.

Da der Kläger vor dem ersten Optionsgeschäft nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei, wirke dieser Aufklärungsmangel grundsätzlich auch für die Folgegeschäfte fort. Der Beklagte zu 1 könne sich zu seiner Entlastung nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe Verluste erst erlitten, als er, der Beklagte zu 1, nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei. Werde der Kunde vor dem ersten Optionsgeschäft nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, wirke dieser Aufklärungsmangel grundsätzlich auch für die Folgegeschäfte fort.

Die mangelhafte Aufklärung über das gesteigerte Verlustrisiko durch den Aufschlag von Provisionen/Kosten stelle eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Kunden dar. Vorsatz sei zu bejahen, wenn ein Geschäftsführer Einfluß auf die Gestaltung der unzureichenden Aufklärungsbroschüre habe. Ein etwaiger Irrtum des Geschäftsführers über die Reichweite der Aufklärungspflicht schließe vorsätzliches Handeln nicht ohne weiteres aus.

Die Kammer habe nicht übersehen, daß der Schadensersatz begehrende Anleger sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB darzulegen und notfalls zu beweisen habe. Im Falle der deliktischen Haftung wegen Aufklärungspflichtverletzung sei es aber Sache des Aufklärungspflichtigen, zunächst einmal im einzelnen vorzutragen, was er unternommen habe, um eine gehörige Aufklärung des Kunden durch die Verkäufer sicherzustellen. Dieser Verpflichtung seien die Beklagten nicht nachgekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung sowie wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte zu 1 den Klageabweisungsantrag weiter.

Der Beklagte zu 1 behauptet:

Er habe als Geschäftsführer der S S und Partner GmbH stets darauf geachtet, daß die Telefonverkäufer eine umfassende Schulung über die erforderliche Risikobelehrung erhielten und während ihrer Tätigkeit überwacht wurden, daß die potentielle Anleger entsprechend aufgeklärt wurden. Die Aufklärungspflicht der Telefonverkäufer habe sich sowohl auf die negativen Folgen der sog. Hebelwirkung der Optionsprämie im Falle von Kursverlusten als auch darauf bezogen, daß selbst im Falle eines Kursanstiegs nicht nur die Optionsprämie, sondern auch das Disagio in Höhe von 15% der Einlage und die für den Erwerb der Option anfallenden Gebühren erwirtschaftet werden müßten, ehe ein Gewinn eintrete.

Da der Kläger, der bis zu diesem Zeitpunkt nur 281.200,00 DM eingezahlt habe, am 20.06.1995 unstreitig 284.070,00 DM ausgezahlt erhalten habe, könne ihm allenfalls aus der am 04.08.1995 vorgenommenen Einzahlung von 76.800 DM und der am 21.03.1996 getätigten weiteren Einzahlung von 52.000,00 DM ein Schaden entstanden sein. Die Zahlung am 21.03.1996 könne aber - so meint der Beklagte zu 1 - seine Haftung schon deshalb nicht begründen, weil er zum damaligen Zeitpunkt bereits nicht mehr Geschäftsführer der S S und Partner GmbH gewesen sei. Im übrigen - behauptet der Beklagte zu 1 - habe der Kläger folgende weitere Auszahlungen erhalten:

am 24.10.1995 einen Betrag von 50.000,00 US am 17.09.1996 per Scheck 25.670,00 DM

Im übrigen wiederholt und ergänzt der Beklagte zu 1 seinen erstinstanzlichen Vortrag nach Maßgabe seiner Berufungsbegründung vom 07.01.2000 (Bl. 199-207 GA) und seines Schriftsatzes vom 28.03.2000 (Bl. 234 - 239 GA).

Der Beklagte zu 1 beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er behauptet, der Beklagte zu 1 habe auch über seine Abberufung als förmlich bestellter Geschäftsführer hinaus das Unternehmen faktisch beherrscht.

Im übrigen wiederholt und ergänzt der Kläger seinen erstinstanzlichen Sachvortrag nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 01.03.2000 (Bl. 219-232 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1 ist nicht begründet.

I.

Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte zu 1 gegen die in dem angefochtenen Urteil getroffene Feststellung, daß die von der S S und Partner GmbH vermittelte Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken von Geldanlagen in Warentermin- und Optionsgeschäften nicht geeignet war, einem mit derartigen Geschäften nicht vertrauten Leser, wie dem Kläger, einen realistischen Eindruck von den Eigenarten und spezifischen Risiken solcher Geschäfte zu vermitteln. Die vom Erstgericht angeführten Grundsätze entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BGH in Fällen gewerblicher Vermittlung von Terminoptionen (vgl. BGHZ 124, 151, 154 ff = NJW 1994, 512 f m. w. N.), der sich auch der erkennende Senat angeschlossen hat. Sowohl in der vom Beklagten zu 2 vorgelegten Verkaufsbroschüre der DCI als auch in dem als Muster vorgelegten "Geschäftsbesorgungsvertrag" mit den in Bezug genommenen Geschäftsbedingungen der DCI und Risikoerklärungen fehlt vor allem ein eindeutiger und unmißverständlicher Hinweis darauf, daß

a) Gewinne erst dann erzielt werden können, wenn der erhoffte Kursanstieg die Optionsprämie übersteigt, deren Höhe bereits den weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht, und

b) daß die Aussicht auf einen Gewinn darüber hinaus durch Aufschläge auf die Prämie, hohe Gebühren für die einzelnen Transaktionen (commissions) und das von der Geldanlage einbehaltene Disagio von 15% so stark herabgesetzt wird, daß ein Gewinn letztlich kaum erwartet werden kann (vgl. BGHZ 124, 151, 154/155 = NJW 1994, 512).

Daß die Telefonverkäufer der S S und Partner GmbH, wie der Beklagte zu 1 in der Berufungsbegründung behauptet, angewiesen waren, die Anleger nicht nur über die Wirkungsweise von Kaufoptionen aufzuklären, sondern auch ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß nicht nur im Falle eines Sinkens des Börsenkurses, sondern bereits bei einem Stagnieren die Einlage vollständig verloren sei und auch im Falle eines Kursanstiegs nicht nur die Optionsprämie, sondern auch das von der Einlage einbehaltene Disagio sowie die Gebühren für die Transaktionen erwirtschaftet werden mußten, ehe ein Gewinn erzielt werde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Das gilt auch dann, wenn die Telefonverkäufer, wie der Beklagte zu 1 weiter vorträgt, während ihrer Tätigkeit von einem Gruppenleiter überwacht wurden, der im Falle der Erteilung unzutreffender Informationen einschritt. Selbst wenn für die Telefonverkäufer derartige Richtlinien bestanden, deren Einhaltung - was allerdings kaum nachvollziehbar ist - in der behaupteten Weise überwacht wurde, genügte die S S und Partner GmbH auch damit nicht der ihr gegenüber in Optionsgeschäften unerfahrenen Kunden obliegenden Aufklärungspflicht. Die schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhänge lassen sich am Telefon nicht ausreichend zuverlässig vermitteln. Die gebotene Aufklärung kann deshalb grundsätzlich nur schriftlich erfolgen (vgl. BGH a. a. O., BGH WM 1994, 1746, 1747).

II.

Der Beklagte zu 1 ist für den Schaden in Höhe von 125.930,00 DM haftbar, der dem Kläger infolge der unzulänglichen Aufklärung über die Risiken von Geldanlagen in Terminoptionen entstanden ist.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß der Beklagte zu 1 als für das Geschäftsgebaren der S S und Partner GmbH verantwortlicher Geschäftsführer dafür Sorge zu tragen hatte, daß die Gesellschaft ihrer Aufklärungspflicht nachkam. Ein Geschäftsführer, der Optionsgeschäfte ohne eine ausreichende Aufklärung über die Risiken abschließt, den Abschluß veranlaßt oder bewußt nicht verhindert, mißbraucht seine geschäftliche Überlegenheit auf grob anstößige Weise und handelt sittenwidrig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet der Geschäftsführer einer Optionsvermittlungs-GmbH deshalb gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn er Optionsgeschäfte ohne die gebotene Aufklärung des Anlegers abschließt, den Abschluß veranlaßt oder bewußt nicht verhindert (vgl. BGHZ 105,108,109 f.; 124, 151, 162). Auch der erkennende Senat vertritt diese Auffassung inständiger Rechtsprechung (vgl. das Senatsurteil vom 19.04.1996 - 22 U 9/96 - m. w. N.).

Die Haftung des Beklagten zu 1 ist im vorliegenden Fall nicht deshalb zum Teil ausgeschlossen, weil er von seinem Amt als Geschäftsführer der S abberufen worden war, bevor der Kläger am 21.03.1996 seine letzte Geldeinlage von 52.000 DM tätigte.

Ausweislich der Urkunde des Notars P in D vom 23.11.1995 (UR Nr. 650/95 - Anl. B3a zum Schriftsatz des Beklagten zu 1 vom 11.08.1999) hat die Gesellschafterversammlung der S S und Partner GmbH allerdings den Beklagten zu 1 an diesem Tage als Geschäftsführer abberufen und an seiner Stelle den Beklagten zu 2 zum neuen Geschäftsführer bestellt. Diese Änderung der Geschäftsführung ist am 04.12.1995 in das Handelsregister eingetragen worden (Anl. K1 zur Klageschrift). Die Maßnahme diente aber ebenso wie die vorausgegangenen und nachfolgenden Firmenänderungen, Veräußerungen von Geschäftsanteilen und Geschäftsführerwechsel lediglich dem Zweck, die für das Unternehmen Handelnden und ihre Verantwortlichkeit zu verschleiern und die Verfolgung von Ersatzansprüchen geschädigter Kunden zu erschweren. Denn es erscheint wenig glaubhaft, daß der Beklagte zu 1, der seinerzeit 90% der Geschäftsanteile hielt, so, wie er es in diesem Verfahren darstellt, von dem Beklagten zu 2, der erst mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer einen 10%-igen Geschäftsanteil erwarb, aus der Geschäftsführung gedrängt worden ist und er in der Folgezeit trotz seiner hohen Beteiligung am Stammkapital keinen Einfluß mehr auf die Geschäftsführung der Gesellschaft gehabt hat. Nicht zuletzt die Tatsache, daß der Beklagte zu 1 "in der Aufbauphase" der S L & Partner GmbH in D, eines Unternehmens, das zu einem nicht näher dargelegten Zeitpunkt im Laufe des Jahres 1996 die Betreuung des überwiegenden Teils der Kunden der S S und Partner GmbH übernommen hat, seinen eigenen Angaben zufolge eine Bürgschaft für die Anschaffung (Leasing) von Büroeinrichtungsgegenständen übernommen hat, obwohl er an dieser Gesellschaft gemessen an ihrem Stammkapital nur mit einem marginalen Geschäftsanteil (1000 DM) beteiligt war, spricht dafür, daß er nach wie vor maßgeblich auch an deren Geschäften beteiligt war. Auch die Angabe am unteren Rand des Geschäftsbogens der S, L & Partner GmbH Anl. K7: "Mitglied der Unternehmensgruppe S" weist in diese Richtung. Dem Umfang der unterschiedlichen Beteiligungen an den verschiedenen Gesellschaften und den zeitweiligen Tätigkeiten als deren Geschäftsführer kann deshalb für die Beurteilung der tatsächlichen Beteiligungs- und Machtverhältnisse in dem mit wechselnden Firmenbezeichnungen betriebenen Unternehmen keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Das gilt auch im Hinblick auf die in der Urkunde des Notars P vom 02.02.1996 (UR-Nr. 63/96) wiedergegebene Abtretung von Geschäftsanteilen des Beklagten zu 1 an der S S & Partner GmbH im Betrage von 24.000 DM und 20.000 DM an die durch einen auf der Insel Guernsey residierenden Anwalt vertretene, wenige Tage zuvor auf Mahé, der Hauptinsel der Seychellen, gegründete C Plc, hinter der nach der Mutmaßung des Beklagten zu 1 der an der S L & Partner GmbH beteiligte Dr. T gestanden haben soll. Die ohne jede Sicherheit für die Zahlung der vereinbarten Gegenleistung von 500.000 DM vollzogene Abtretung der Geschäftsanteile in Höhe von 88% des Stammkapitals der S S & Partner GmbH an die gerade gegründete, auf einer Karibikinsel ansässige Gesellschaft kann jedenfalls nicht als Beleg dafür dienen, daß der Beklagte zu 1 mit der Abberufung von der Geschäftsführung aus der S S & Partner GmbH ausgeschieden ist und seither keinen Einfluß mehr auf die Geschäftsführung genommen hat.

Bei dieser Sachlage ist der Senat davon überzeugt, daß die am 23.11.1995 beschlossene Abberufung des Beklagten zu 1 als Geschäftsführer der S S & Partner GmbH lediglich eine weitere Maßnahme darstellte, durch die die Verantwortlichkeit der hinter der Gesellschaft stehenden Personen verschleiert und vertuscht werden sollte, während der Beklagte zu 1 auch danach seine schon wegen des Umfangs seiner Geschäftsanteile naheliegende beherrschende Stellung in der Gesellschaft behielt. Er haftet den Kunden der S S & Partner GmbH deshalb auch für den Verlust nach dem 23.11.1995 eingezahlter Geldanlage wie ein Geschäftsführer.

Der Schaden des Klägers errechnet sich als Differenz der geleisteten Geldanlagen von insgesamt 410.000,00 DM und den am 20.06.1995 ausgezahlten 284.070,00 DM.

Der Beklagte zu 1 hat nicht den ihm obliegenden Beweis dafür erbracht, daß der Kläger weitere Rückzahlungen erhalten hat, nämlich am 17.09.1996 einen Scheck über weitere 25.670 DM und am 24.10.1995 per Telexüberweisung weitere 50.000 USD.

Die Kontoauszüge der DCI vom 30.09.1995 (Anl. 122 zur Klageschrift) und 31.10.1995 (Anl. 80 zur Klageschrift) sind nicht geeignet, zu beweisen, daß die Zahlungen tatsächlich erfolgt sind, und zwar auch dann nicht, wenn der Kläger ihnen entgegen der jeweils am Ende eingefügten Aufforderung nicht widersprochen hat. Aus den in englischer Sprache verfaßten Kontoauszügen ist schon nicht klar und eindeutig erkennbar, daß es sich bei den als "TT TO DACHAU" und CURRENCY TRANSFER 1.5100" bezeichneten Buchungsposten um Zahlungen an den Kläger handelte. Darüber hinaus ist es auch zweifelhaft, ob die Kontoauszüge überhaupt, den Geschäftsverlauf zutreffend wiedergeben. Bei dieser Sachlage kann entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1 (vgl. Bl. 201 f GA) darin, daß der Kläger die Auszahlung des durch den Kontoauszug Anlage 16 zur Klageschrift ausgewiesenen Restguthabens von 12.581,30 USD verlangt hat, eine Bestätigung der Richtigkeit der in den Kontoauszügen wiedergegebenen Vorgänge durch den Kläger, insbesondere ein Anerkenntnis der vom Beklagten zu 1 behaupteten weiteren Rückzahlungen, nicht gesehen werden.

III.

Der Berufung des Beklagten zu 1 mußte hiernach der Erfolg versagt bleiben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 284 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 S. 1 BGB, 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Kläger ist im ersten Rechtszug im Verhältnis zu dem Beklagten zu 1 mit einem erheblichen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs unterlegen. Demgemäß war ihm unter Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung ein Teil der in diesem Rechtszug entstandenen Gerichtskosten sowie seiner eigenen außergerichtlichen Kästen und der des Beklagten zu 1 aufzuerlegen.

Streitwert für die Berufungsinstanz und zugleich Beschwer des Beklagten zu 1: 125.930,00 DM.

Ende der Entscheidung

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