Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.05.2000
Aktenzeichen: 22 U 210/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 839
BGB §§ 823, 839

Leitsätze:

1. Der für die Wartung der Verkehrssicherungsmaßnahmen an einer innerstädtischen Straßenbaustelle verantwortliche Unternehmer genügt seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn er eine in der deutlich gekennzeichneten Baustelle betriebene und 30m vorher angekündigte Ampelanlage an einem Fußgängerüberweg alle zwei Tage während der Arbeitszeit auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft.

2. Der Straßenbaulastträger erfüllt seine Verkehrssicherungspflicht an einer solchen Baustelle durch unregelmäßige Kontrollen zweimal pro Woche.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.5.2000 - 22 U 210/99 rechtskräftig


Sachverhalt: Der Kl macht Schadenersatzansprüche in Höhe von 3.765,37 DM aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 29.6.1998 gegen 21.20 Uhr im Stadtgebiet von D innerhalb einer deutlich gekennzeichneten Straßenbaustelle vor einem mit einer Ampel versehenen Fußgängerüberweg ereignete. Die Ampel in Fahrtrichtung des Kl war nach dessen Behauptung vor drei Stunden ausgefallen. Als der vor dem Kl mit seinem VW Polo fahrende Zeuge D bemerkte, daß die Ampel für die Gegenrichtung rot zeigte, bremste er scharf. Der Kl fuhr mit seinem Motorroller auf den VW Polo auf. Er verletzte sich. Außerdem wurde der Motorroller beschädigt. Der Kl nimmt beide Bekl wegen angeblicher Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch, die Bekl zu 1 als den mit der Herrichtung und Wartung der Verkehrssicherungsmaßnahmen beauftragten Unternehmer, die Bekl zu 2 als den Straßenbaulastträger.

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 210/99 9 O 180/99 LG Duisburg

Verkündet am 12.05.2000

Kauertz, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und den Richter am Landgericht Fuchs

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 14. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht weder gegen die Beklagte zu 1) aus § 823 Abs. 1, 847 BGB noch gegen die Beklagte zu 2) aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, 847 BGB ein Schadensersatzanspruch zu.

Er ist schon nicht festzustellen, dass die Beklagte zu 2) der gemäß § 9a LStrG NRW ihr obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht oder die Beklagte zu 1) den sich aus dem Betrieb der Verkehrssignalanlage, durch die der Fußgängerüberweg an einer Baustelle gesichert wurde, ergebenden Verkehrssicherungspflichten nicht genügt hätten. Eine solche Verletzung der Verkehrssicherungspflichten könnte allenfalls darin liegen, dass die Signalanlage nicht ausreichend überwacht und gewartet worden wäre. Die Kontrolle einer solchen Anlage während ihres Betriebes ist erforderlich. Jedoch ist der Verkehrssicherungspflichtige nicht gehalten, sie ständig zu beobachten. Er hat sie lediglich regelmäßig zu überprüfen und zu warten. In welchen zeitlichen Abständen das zu geschehen hat, richtet sich nach den örtlichen Verkehrsverhältnissen, insbesondere der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges (vgl. Brandenburgisches OLG, OLGR Brandenburg/Dresden/Jena/Naumburg/Rostock 1998, 247 m.w.N.; BGH NJW 1979, 2043, 2044).

Allein aus der vom Kläger vorgetragenen Tatsache, dass zur Unfallzeit am 29.6.1998 abends um 21.20 Uhr eine Fehlfunktion der Ampel vorlag, ergibt sich die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht. Damit, dass eine Ampelanlage zu einer bestimmten Zeit nicht funktioniert, ist noch nichts darüber gesagt, wann sie vorher gewartet worden ist. Dazu trägt der Kläger nichts vor.

Die Beklagten haben zur Überwachung der Ampelanlage vorgetragen, dass die Beklagte zu 1), die die Herstellung und Wartung der Verkehrssicherungsmaßnahmen für die Baustelle übernommen hatte, die Funktionsfähigkeit der Anlage alle zwei Tage überprüft und die Beklagte zu 2) in unregelmäßigen Abständen etwa zweimal pro Woche dies kontrolliert habe. Dies war im konkreten Fall ausreichend. Die Straßenverhältnisse waren an der Unfallstelle dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine Baustelle handelte, 50 m vor der Lichtzeichenanlage durch ein Schild auf die Baustelle hingewiesen wurde und 30 m vor der Anlage auf die Ampel. Außerdem war, wie sich aus dem Plan Bl. 27 GA ergibt, die Straßenführung schon vor dem Fußgängerüberweg baustellenbedingt in der Weise geändert, dass die Fahrspur nach links schwenkte, was durch Baken und Fahrbahnmarkierungen bezeichnet wurde. Die Verkehrsteilnehmer waren also schon durch diese Maßnahmen zu besonderer Vorsicht angehalten und auf die Gefahrenstelle durch den mit der Lichtzeichenanlage gesicherten Fußgängerüberweg hingewiesen. Unter diesen Umständen sind die von den Beklagten vorgetragenen Maßnahmen der Überprüfung und Wartung der Ampelanlage als ausreichend zu betrachten, denn sowohl tagsüber als auch bei Dunkelheit war durch die sonstigen Umstände der Straßenführung die Geschwindigkeit der Auto- und Motorradfahrer herabgesetzt und diese waren auf die Gefahrenstelle in einer Weise aufmerksam gemacht worden, dass dadurch die für alle Verkehrsteilnehmer bestehenden Gefahren bereits vermindert waren. Der Kläger bestreitet zwar die Behauptung der Beklagten zu 1) zu den Wartungsabständen ohne aber konkret eine gegenteilige Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Damit hat er der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Pflichtverletzung der Beklagten nicht genügt. Es besteht insoweit kein Anscheinsbeweis. Der Anscheinsbeweis setzt einen Sachverhalt voraus, der nach der Lebenserfahrung auf einen typischen Geschehensablauf schließen lässt (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., Vorbem. § 249 Rdn. 163, 164). Einen Erfahrungssatz, dass eine zu einer bestimmten Zeit für einige Stunden nicht funktionierende Signalanlage nicht ausreichen gewartet worden ist, gibt es nicht.

Selbst wenn man eine tägliche Kontrolle für erforderlich halten würde - die Beklagte zu 2) hat in der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 5.6.1998 eine tägliche Kontrolle der Beschilderung, nicht der Lichtzeichenanlage, angeordnet (Bl. 39, 40 GA) -, wäre dadurch der Unfall nicht verhindert worden. Ein Anscheinsbeweis zugunsten des Klägers kommt daher auch deshalb nicht in Betracht, weil nach seinem eigenen Vortrag die Ursächlichkeit der nicht täglichen Wartung ausscheidet. Der Kläger trägt vor, dass die Ampel etwa drei Stunden vor dem Unfall, also ab ca. 18.00 Uhr nicht funktioniert habe. Da Kontrollen während üblicher Arbeitszeiten zu erwarten sind, hätte auch ein Kontrolle am selben Tag, die jedenfalls nicht nach 18 Uhr hätte durchgeführt werden müssen, nicht zu einer Entdeckung und Behebung der Fehlfunktion vor dem Unfall geführt.

Im übrigen legt das Landgericht zutreffend dar, dass den Kläger ein so erhebliches Mitverschulden trifft, dass dahinter auch ein eventuelles Verschulden der Beklagten wegen unwesentlich zu großer Wartungsabstände zurücktreten würde. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag in eklatanter Weise gegen §§ 3 und 4 StVO verstoßen, indem er seine Geschwindigkeit nicht den Straßenverhältnissen und den Eigenschaften seines Fahrzeuges angepasst und vom Vorausfahrenden einen zu geringen Abstand gehalten hat. Auf die zutreffenden Ausführungen auf Seiten 7 - 9 des angefochtenen Urteils kann insoweit verwiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß, § 546 Abs. 1 ZPO.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren und Beschwer des Klägers: 3.765,37 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück