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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.05.2000
Aktenzeichen: 22 U 214/99
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 5 Nr. 1
VOB/B § 5 Nr. 3
VOB/B § 6 Nr. 2
VOB/B § 6 Nr. 6
VOB/B §§ 5 Nr. 1 und 3, 6 Nr. 2 und 6

Leitsätze:

1. Wenn eine kalendermäßig bestimmte verbindliche Ausführungsfrist durch Zusatzaufträge verlängert wird, ist der Fertigstellungstermin nicht mehr nach dem Kalender bestimmt, so daß der Auftragnehmer erst durch Mahnung nach Fälligkeit in Verzug gerät.

2. Ein Schadenersatzanspruch wegen unzureichender Besetzung der Baustelle setzt Verzug des Auftragnehmers, jedenfalls aber ein hinreichend bestimmtes Abhilfeverlangen des Auftraggebers voraus.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.5.2000 - 22 U 214/99 rechtskräftig


Sachverhalt: Die Kl verlangt restlichen Werklohn für von ihr 1994 an einem Bauvorhaben der Bekl ausgeführte Rohbauarbeiten. Das LG hat die Bekl zur Zahlung von 14.539,62 DM verurteilt. Mit ihrer Berufung begehren sie Klageabweisung, soweit sie zu mehr als 4.981,69 DM verurteilt worden sind. Weil die Kl den auf den 8.7.1994 vereinbarten Fertigstellungstermin nicht eingehalten habe, der Rohbau vielmehr erst am 11.10.1994 fertig gewesen sei, seien ihnen steuerliche Nachteile in Höhe von 6.958,85 DM entstanden und 2.598,98 DM nutzlose Zinsen angefallen. Die Kl beruft sich dem gegenüber darauf, daß der Fertigstellungstermin durch Zusatzaufträge hinausgeschoben worden sei.

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 214/99 4 O 303/96 Krefeld

Verkündet am 30.05.2000

Papner, Justizobersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 05. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 02. November 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Den Beklagten stehen die von ihnen zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche aus § 5 Nrn. 1 und 4, § 6 Nr. 6 VOB/B wegen verzögerter Fertigstellung des Rohbaus nicht zu. Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 5 Nrn. 3 und 4, § 6 Nr. 6 VOB/B wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur angemessenen Förderung der Bauausführung besteht nicht.

I.

Ein gemäß §§ 387, 388 BGB aufrechenbarer Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Werkausführung gemäß § 5 Nrn. 1 und 4, § 6 Nr. 6 VOB/B ist nicht schlüssig dargetan. Denn die Klägerin befand sich mit der Erbringung der ihr übertragenen Arbeiten nicht in Verzug.

1.

Verzug ist nicht gemäß § 284 Abs. 2 BGB dadurch eingetreten, daß der 08.07.1994 verstrich und die Klägerin die ihr übertragenen Arbeiten zu diesem Zeitpunkt nicht fertiggestellt hatte. Denn die Leistung war nicht kalendermäßig in diesem Sinne bestimmt.

Zwar war der 08.07.1994 ursprünglich in dem von beiden Parteien unterzeichneten Auftragsschreiben als Fertigstellungstermin zwischen den Parteien vereinbart. Damit haben die Parteien zunächst eine verbindliche Ausführungsfrist im Sinne von § 5 Nr. 1 VOB/B vereinbart. Durch die erteilten Zusatzaufträge ist die Frist aber gemäß § 6 Nr. 2 Abs. 1 lit. a VOB/B verlängert worden. Dies Zusatzaufträge fielen in den Verantwortungsbereich der Beklagten als Auftraggeber. Der Termin des 08.07.1994 war damit nicht mehr maßgeblich.

a.

Der Klägerin würde zunächst am 13.04.1994 ein Zusatzauftrag zum Erdaushub von Hand und zu zusätzlichen Betonlieferungen erteilt. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren sich die Parteien darüber einig, daß sich das Bauvorhaben dadurch verzögern würde. Der dahingehende Vortrag der Klägerin wird von den Beklagten nicht bestritten. Die Beklagten räumen ein, daß sich die Pflicht der Klägerin zur Fertigstellung ihrer Arbeiten bis zum 08.07.1994 durch diesen Zusatzauftrag verschoben haben könne. Wenn die Verzögerung auch nach ihrer Meinung nur einen Tag betragen haben soll, so wurde damit jedefalls der fest bestimmte Termin des 08.07.1994 hinausgeschoben und eine kalendermäßige Bestimmbarkeit im Sinne von § 284 Abs. 2 BGB lag nicht mehr vor.

Unerheblich ist, daß die Klägerin diese Behinderung nach § 6 Nr. 1 VOB/B nicht schriftlich anzeigte. Denn die Parteien waren sich über die Verzögerung einig. Eine schriftliche Anzeige ist in solchen Fällen nicht erforderlich (Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 6 Rn. 13).

b.

Eine weitere Verzögerung ist durch die erst am 01.07.1994 in Auftrag gegebenen zusätzlichen Verblendarbeiten eingetreten. Auch diese waren offenkundig geeignet, die ursprüngliche Ablaufplanung zu behindern. Auch wenn diese Arbeiten, wie die Beklagten vortragen, "Hand in Hand" mit den übrigen Verblendarbeiten ausgeführt werden konnten, war für die zusätzlichen Arbeiten auch ein zusätzlicher Arbeitsaufwand erforderlich, der auch zusätzlichen Zeitaufwand bedeutete.

Auch der Umstand, daß diese Arbeiten erst im Juli aufgrund eines Angebots der Klägerin vom 01.07.1994 und damit wenige Tage vor dem ursprünglich vereinbarten Fertigstellungstermin in Auftrag gegeben wurden, zeigt, daß die Beklagten selbst von dem Termin des 08.07.1994 Abstand genommen hatten. Denn aufgrund dieser kurzen Zeit war klar, daß der Termin nicht mehr eingehalten werden konnte.

2.

Die Klägerin ist auch nicht gemäß § 284 Abs. 1 BGB in Verzug geraten. Da die Leistung wegen der Zusatzaufträge und der damit verbundenen Fristverlängerung nicht mehr kalendermäßig bestimmt war, war für die Herbeiführung des Verzuges gemäß § 284 Abs. 1 BGB nunmehr eine Mahnung durch die Beklagten nach Fälligkeit der Leistung erforderlich. Eine solche tragen die Beklagten nicht vor. Die in der Mahnung enthaltene Leistungsaufforderung muß bestimmt und eindeutig sein. Der pauschale Vortrag der Beklagten, die Beklagte zu 2) habe ständig bei der Klägerin reklamiert und von ihr gefordert, die Baustelle zu besetzen, legt nicht ausreichend dar, daß und wann eine bestimmte und eindeutige Leistungsaufforderung erfolgt sein soll.

II.

Den Beklagten steht auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 5 Nrn. 3 und 4, § 6 Nr. 6 VOB/B wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur angemessenen Förderung der Bauausführung zu, weil die Baustelle nur sporadisch besetzt gewesen sei und zwischenzeitlich für vier Wochen stillgelegen habe. Denn auch für einen solchen Schadensersatzanspruch ist Verzug erforderlich. Ein solcher hätte hier nur durch ein hinreichend bestimmtes Abhilfeverlangen der Beklagten herbeigeführt werden können. Ein solches Abhilfeverlangen ergibt sich auch insoweit aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Sie tragen nicht vor, welche Aufforderungen an wen als Vertreter der Klägerin wann ergangen sein sollen.

Soweit die Auffassung vertreten wird, für diesen Schadensersatzanspruch sei kein Verzug erforderlich (Ganten/ Jagenburg/Motzke, VOB/B § 5 Nr. 4 Rn. 39), wird jedenfalls das in § 5 Nr. 3 VOB/B bezeichnete Abhilfeverlangen gefordert, dessen Vorliegen nach den oben dargestellten Grundsätzen beurteilt wird und hier nicht dargetan ist.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß, § 546 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Beklagten: 9.557,93 DM

Ende der Entscheidung

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