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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.05.1999
Aktenzeichen: 22 U 219/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 319
Leitsätze:

1.

Das Schiedsgutachten über den Verkehrswert eines durch Ausschachtungsarbeiten am Nachbargrundstück zum Einsturz gebrachten Gebäudes ist offenbar unrichtig, wenn sich die Unrichtigkeit einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, möglicherweise auch erst nach gründlicher Prüfung, aufdrängt; dabei kommt es grundsätzlich allein auf das Ergebnis an.

2.

Wer sich auf offenbare Unrichtigkeit eines Schiedsgutachtens beruft, hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, welche die Unrichtigkeit begründen sollen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 219/98 3 O 300/96 LG Duisburg

Verkündet am 7.5.1999

Kauertz, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und den Richter am Amtsgericht Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 9. September 1999 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben zu 97 % der Beklagte und zu 3 % die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 305.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die gleichen Befugnisse können im Fall der Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 DM ausgeübt werden.

Tatbestand:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in der Innenstadt von D.

Aufgrund von Ausschachtungsarbeiten, die auf Veranlassung des Beklagten auf dem ihm gehörenden Grundstück D Straße 29 durchgeführt worden waren, stürzte das der Klägerin gehörende Haus D Straße 31 in der Nacht vom 10. auf den 11.7.1995 teilweise ein. Das teilweise unterkellerte Gebäude der Klägerin war im Bereich der Kelleraußenwand durch das Erdreich des Nachbargrundstücks gestützt worden. Durch die Ausschachtung war die Stütze weggefallen und die im Zuge der Bauarbeiten von seiten des Beklagten nur mangelhaft unterfangene Mauer gebrochen.

Am 6./7.11.1995 schlossen die Parteien einen (auf seiten der unter Betreuung stehenden Klägerin vormundschaftsgerichtlich genehmigten) Vergleich (Anlage K 2, Zusatzheft I), in dem sie die Einholung eines Schiedsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. W B zum Verkehrswert (ohne Bodenwert) des beschädigten Gebäudes vor dem Einsturz vereinbarten. Neben der Übernahme sämtlicher einsturzbedingter Kosten verpflichtete sich der Beklagte unter anderem, der Klägerin den vom Sachverständigen festgestellten gesamten Verkehrswert zuzüglich eines Aufschlags von 30 % als Schadensersatz zu zahlen.

Im Herbst 1995 wurde das Gebäude abgebrochen.

Der Sachverständige B ermittelte in seinem Schiedsgutachten vom 29.4.1996 (Zusatzheft I) einen Verkehrswert des Gebäudes von 250.000,00 DM.

Die Klägerin macht mit der Klage folgende Beträge geltend:

1. Um 30 % erhöhter Verkehrswert|325.000,00 DM|2. Pauschale Aufwandsentschädigung|1.500,00 DM|3. Kosten| |a) Abstützbalken|3.280,38 DM|b) Gerichtskosten Beweisverfahren|8.077,20 DM|c) Abbruchkosten|46.000,00 DM|d) weitere Abbruchkosten|2.759,20 DM|e) Bauzaunkosten|1.136,20 DM|f) Kosten Abbruchgenehmigung|585,00 DM|g) Abnahmekosten des Abbruchs|195,00 DM|h) Mietausfall| |7/95 anteilig|1.000,00 DM|8-12/95|7.500,00 DM|1-11/96|16.500,00 DM|Zwischensumme|413.532,98 DM|abzüglich Zahlungen:| |Vorschuß|- 50.000,00 DM|Scheck v. 16.5.96|- 125.000,00 DM|Klageforderung|238.532,98 DM

Die Parteien streiten über die Höhe des Verkehrswerts und die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens, das der Beklagte vor allem wegen unterbliebener Berücksichtigung einer mangelnden Standsicherheit und einer zu hoch angesetzten Lebensdauer des Gebäudes für offenbar unrichtig hält.

Die Klägerin hat vorgetragen, dem Sachverständigen sei in seiner Bewertung kein Fehler unterlaufen. Er habe sich insbesondere mit den Argumenten der ihm vom Beklagten vorgelegten Gutachten auseinandergesetzt (Bl.25 GA). Hinsichtlich der Statik habe das Haus den Anforderungen zur Zeit seiner Errichtung entsprochen. Es habe sogar den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges standgehalten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 238.532,98 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (28.8.1996) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, zum Zeitpunkt des Einsturzes hätte dem Gebäude jede Standsicherheit gefehlt. Es sei im Bereich der teilweisen Unterkellerung lediglich - insoweit unstreitig - durch den an der Giebelwand anliegenden Erdkörper gestützt worden, wofür er auf das Gutachten des - inzwischen verstorbenen - Sachverständigen K vom 28.11.95 (Anlage II zum Schriftsatz v. 17.9.96) Bezug nimmt. Ferner sei die Verankerung der erdgeschossigen und obergeschossigen Holzbalkendecken nicht mehr in ausreichendem Maße gegeben gewesen. Die - unstreitig zumindest teilweise angefaulten - Balkenköpfe hätten keine ausreichende Auflage mehr gehabt. Die Decken seien infolge dieses Zustandes akut einsturzgefährdet gewesen (Bl.16 GA; Gutachten des Sachverständigen K v. 15. u. 28.11.95 sowie Nachtragsgutachten des vom Beklagten eingeschalteten Privatgutachters E vom 15.5.96, Anlage II zum Schriftsatz v. 17.6.96). Der Schiedsgutachter B habe sich mit der fehlenden Standsicherheit nicht befaßt. Der Verkehrswert des Gebäudes sei in Wirklichkeit gleich Null gewesen. Das Bauordnungsamt hätte bei Kenntnis vom Zustand der Decken ein sofortiges Nutzungsverbot verhängt.

Das Landgericht hat den Sachverständigen B zu seinem Schiedsgutachten mündlich angehört (Bl.38-42 GA). Es hat ferner - nachdem die ursprünglich mit der Sache befaßte Einzelrichterin zu der Auffassung gelangt war, das Schiedsgutachten sei offenbar unrichtig - ein Gutachten des Sachverständigen V zum Verkehrswert des Gebäudes eingeholt. Hinsichtlich der vom Gutachter V in seinem Gutachten vom 23.3.98 (Zusatzheft II) ermittelten alternativen Werte wird auf S.19 des Sachverständigen-Gutachtens verwiesen.

Das Landgericht hat nach Wechsel des zuständigen Einzelrichters darauf hingewiesen, daß der nun mit der Sache befaßte Kammervorsitzende zur Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens eine andere Auffassung vertrete und sodann der Klage - gestützt auf den Vergleich in Verbindung mit dem Schiedsgutachten - stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, das Schiedsgutachten sei nicht offenbar unrichtig. Die Nichtberücksichtigung der mangelnden Standsicherheit sowie der teilweise abgefaulten Balkenköpfe sei nicht zu beanstanden. Denn es sei nicht dargelegt und bewiesen, daß diese Schadensanlagen innerhalb kurzer Zeit ohnehin zur Zerstörung des Gebäudes geführt hätten. Ohne die vom Beklagten verursachte Beschädigung seien die Schadensanlagen bei einer Veräußerung unerkannt geblieben, so daß die Klägerin bei einem Verkauf den vom Schiedsgutachter ermittelten Wert hätte realisieren können. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil vom 9.9.98 (Bl.143 ff. GA) verwiesen.

Mit der gegen das Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Er wiederholt seine Auffassung, daß das Schiedsgutachten offenbar unrichtig sei, weil der Sachverständige B gravierende bauliche Mängel und Bauschäden des Hauses D Straße 31 nicht berücksichtigt habe. Er verweist insbesondere auf die mangelnde Standsicherheit sowie die Schäden der Balkenköpfe der Holzdeckenkonstruktion (Bl.175 GA). Der Sachverständige B habe ferner keine Vergleichsmieten angegeben. Diese lägen in dem fraglichen Bereich bei 12,00 DM oder 14,00 DM pro Quadratmeter, die von ihm veranschlagte Miete von 21,00 DM wäre nicht erzielbar gewesen (Bl.181 GA). Offenbar unrichtig sei ferner die unterlassene Berechnung des Bodenwertes und die fehlende Berücksichtigung von Vergleichspreisen (Bl.183 GA), schließlich auch die Restnutzungsdauer von 26 Jahren (Bl.183 GA). In Wirklichkeit habe das Haus wegen der Kosten einer erforderlichen Sanierung von mindestens 250.000,00 DM keinen Verkehrswert gehabt.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin führt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht näher aus, aus welchen Gründen eine offenbare Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens ausscheide. Der Schiedsgutachter habe die angeblichen Mängel im Rahmen eines Verkehrswertgutachtens nicht berücksichtigen müssen. Auf die mangelnde Standsicherheit des Gebäudes könne der Beklagte sich nicht berufen, weil er seine Einstandspflicht dem Grunde nach durch den Vergleich in vollem Umfang anerkannt habe (Bl.207 GA). Der vom Schiedsgutachter ermittelte Ertragswert sei durch ein nach dem Schadensfall abgegebenes Kaufangebot des Beklagten sogar noch überboten worden.

Die Klägerin behauptet, die Deckenbalken seien nicht allein von den Hauswänden, sondern von einem innenliegenden Fachwerkständer getragen worden (Bl.208, 211 GA). Die beschädigten Balkenköpfe hätten im beschädigten Bereich keine tragende Funktion gehabt und seien im übrigen mit einem Aufwand von 5. 000,00 DM bis 10.000,00 DM zu sanieren gewesen.

Mit der von ihr erhobenen Anschlußberufung begehrt die Klägerin zusätzlich den Ersatz von durch das Abtrennen der Hausanschlüsse verursachten Kosten, worüber sie eine Rechnung der Stadtwerke D GmbH vom 28.8.96 (Bl.217/218 GA) nebst Gutschrift (Bl.219 GA) vorlegt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 7.328,47 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung ihres Anschlußberufungsschriftsatzes (31.3.99) zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Er bestreitet den Anfall der geltend gemachten Kosten und ist der Ansicht, daß diese nach dem Text des Vergleichs nicht zu ersetzen sind. Ferner erhebt er die Einrede der Verjährung.

Die Akten LG Duisburg 3 O 133/96 und 3 OH 30/95 sind beigezogen worden und waren Gegenstand der Berufungsverhandlung.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht aufgrund des von den Parteien geschlossenen Vergleichs vom 6./7.11.95 in Verbindung mit dem Schiedsgutachten des Sachverständigen B vom 29.4.96 in vollem Umfang stattgegeben.

Das Gutachten des von den Parteien als Schiedsgutachter ausgewählten Sachverständigen B vom 29.4.96 ist verbindlich. Eine Unverbindlichkeit des Gutachtens wegen offenbarer Unrichtigkeit entsprechend § 319 Abs.1 S.1 BGB läßt sich schon nach dem Beklagtenvorbringen nicht feststellen.

Die vom Beklagten erhobenen Einwände ergeben eine offenbare Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens nicht. Offenbar unrichtig ist ein Schiedsgutachten erst dann, wenn sich die Unrichtigkeit dem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch möglicherweise erst nach gründlicher Prüfung, aufdrängt (s. BGH NJW-RR 1993, 1034 m.w.N.), wobei es grundsätzlich allein auf das Ergebnis ankommt (Palandt/Heinrichs, BGB, 58.Aufl., § 319 Rdnr.5 m.w.N.). Da der Beklagte sich auf die offenbare Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens beruft, hat er die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die die Unrichtigkeit begründen sollen (s. Palandt/Heinrichs, BGB, 58.Aufl., § 319 Rdnr.7 m.w.N.). Dem genügt bei näherer Betrachtung bereits das Prozeßvorbringen des Beklagten nicht.

1. Mangende Standsicherheit des Mauerwerks

Der vom Beklagten vorgebrachte Einwand der mangelnden Standsicherheit des Mauerwerks ist unbegründet. Selbst wenn man von der grundsätzlichen Beachtlichkeit dieses Einwands ausgeht, weil es sich bei der mangelnden Standsicherheit um eine dem beschädigten Gebäude innewohnende Schadensanlage handelt, ist jedenfalls nicht dargetan, daß diese auch ohne die Grundstücksvertiefung in kurzer Zeit zu demselben Schaden geführt hätte (s. BGHZ 29, 207, 215).

Das Gebäude konnte vielmehr nur aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten einstürzen. Denn die Standsicherheit des Mauerwerks war vor dem Schadensereignis jedenfalls aufgrund des stützenden Erdreichs gegeben, was sich daran zeigt, daß das Haus zuvor immerhin 94 Jahre gestanden hatte, ohne einzustürzen. Daß das Gebäude der Klägerin auch ohne Entfernung des stützenden Erdreichs innerhalb der vom Schiedsgutachter angenommenen Restnutzungsdauer eingestürzt wäre, hat der Beklagte nicht begründet. Durch sein im Hinblick auf die gegenteilige Feststellung im landgerichtlichen Urteil erklärtes Bestreiten, daß das Gebäude heute noch stünde (Bl.180 GA), genügt er seiner Darlegungs- und Beweislast nicht. Der pauschale Vortrag, das Gebäude habe wegen mangelnder Standsicherheit keine ins Gewicht fallende Restnutzungsdauer mehr gehabt (Bl.184 GA), ist ungenügend. Denn zur Widerlegung des Schiedsgutachtens hat der Beklagten darzulegen, aus welchen konkreten Gründen und zu welchem Zeitpunkt die mangelnde Standsicherheit zum Einsturz des Gebäudes geführt hätte. Das hierzu angebotene Sachverständigen-Gutachten läuft auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.

Der Wegfall der Standsicherheit wäre nach dem Beklagtenvorbringen also nur beachtlich, wenn der Beklagte das stützende Erdreich in rechtmäßiger Weise hätte entfernen können. Daß er hingegen zu dieser Maßnahme nicht befugt war, steht zwischen den Parteien nach dem von ihnen geschlossenen Vergleich außer Streit. Denn die Parteien haben diese Frage im Vergleich vom 6./7.11.1995 verbindlich geregelt. Der Vergleich enthält zum Haftungsgrund und somit auch zur Kausalität eine abschließende Regelung. Da der Beklagte seine Schadensersatzpflicht anerkannt hat, kann er seine Schadensverursachung im nachhinein nicht mehr in Frage stellen und also auch eine Mitverursachung durch die Klägerin nicht geltend machen. Daß der Schiedsgutachter in dieser (Rechts-) Frage von der Ansicht des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten wie auch des Sachverständigen K bewußt abgewichen ist und die mangelnde Standsicherheit außer acht gelassen hat (Bl.11 des Schiedsgutachtens), war folglich richtig.

Bei der vom Beklagten gleichfalls angeführten mangelnden Verzahnung der Giebelwand mit der Wand an der Straßenseite sowie den ansonsten angeführten Mängeln des Mauerwerks verhält es sich ebenso. Hätte der Beklagte nicht das stützende Erdreich ausgraben lassen, so ist nicht ersichtlich, daß das Gebäude aufgrund der mangelhaften Verzahnung oder sonstiger Mängel eine kürzere Lebensdauer gehabt hätte als die vom Schiedsgutachter angenommene Zeitspanne von 26 Jahren.

2. Einsturzgefährdete Decke

Auch die unstreitig angefaulten Balkenköpfe des Deckengebälks sowie die angefaulte Pfette können eine offenbare Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens nicht begründen.

a) Allerdings wirken sich hier vorhandene Mängel - abweichend von den insoweit teilweise mißverständlichen Ausführungen im landgerichtlichen Urteil (S.8) - auf den Wert des Gebäudes aus. Daß sie möglicherweise ohne das Schadensereignis unerkannt geblieben wären, kann nicht ausschlaggebend sein. Auch wenn bei Erstellung eines Verkehrswertgutachtens über ein äußerlich intaktes Gebäude auf zerstörende (oder invasive) Untersuchungen regelmäßig verzichtet wird, lagen die Tatsachen im vorliegenden Fall jedenfalls offen zutage und waren daher auch zu berücksichtigen.

b) Es steht indessen nicht fest, daß sich die unterlassene nähere Untersuchung durch den Schiedsgutachter auf das von ihm gewonnene Ergebnis ausgewirkt hat. Denn auch nach dem Vorbringen des Beklagten ist nicht ersichtlich, daß durch vorhandene Mängel die vom Schiesgutachter angenommene Restnutzungsdauer von 26 Jahren wesentlich unterschritten worden wäre.

Zwar hat der Schiedsgutachter B den Zustand der Deckenbalken sowie die statischen Auswirkungen der angefaulten Balkenköpfe nicht untersucht. Es läßt sich aber jedenfalls nicht feststellen, daß diese Unterlassung seine Wertermittlung im Ergebnis wesentlich beeinflußt hat. Denn der Schiedsgutachter berücksichtigte den Erhaltungszustand des Gebäudes und führte wegen der Bausubstanz einen Abzug von (etwa) 10 % vom Ertragswert durch. Damit sind aber alters- und verschleißbedingte Abnutzungserscheinungen in die Wertermittlung eingeflossen, und es kann dem Schiedsgutachter also auch kein grundlegender methodischer Mangel vorgeworfen werden.

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Balkenköpfe gemessen an ihrem Alter überdurchschnittlich verschlissen gewesen wären. Dies läßt sich aber auch nach dem Vorbringen des Beklagten und den Äußerungen der von ihm angeführten Sachverständigen nicht annehmen. Zwar haben die Sachverständigen K und E (ebenso wie der Sachverständige F) die angefaulten Balkenköpfe festgestellt. Selbst die Gutachter K und E, auf deren Ermittlungen der Beklagte seine Einwände gegen das Schiedsgutachten maßgeblich stützt, sind jedoch hier von üblichen Verschleißerscheinungen ausgegangen. Der Sachverständige K hat in der mündlichen Anhörung des Landgerichts im Verfahren 3 O 133/96 (B./. H) angegeben, daß das Wegfaulen der Balkenköpfe üblich sei. Er hat unter anderem erklärt, diese Erscheinungen finde man nicht nur in dem eingestürzten Haus der Klägerin, sondern sie seien in Häusern dieser Art eigentlich üblich (Bl.69 BA LG Duisburg 3 O 133/96). Ebenfalls in diesem Sinne hat sich der vom Beklagten eingeschaltete Privatgutachter E geäußert, der insoweit von einer Verschleißerscheinung gesprochen hat (Bl.75 BA).

Das bedeutet aber, daß die angefaulten Balkenköpfe im Gutachten des Sachverständigen B als normale Verschleißerscheinung eines Gebäudes dieser Altersklasse mit erfaßt sind (zum Alter des Gebäudes s.u.3). Der Schiedsgutachter hat in seiner mündlichen Anhörung (Bl.39 GA) darauf hingewiesen, daß er wegen des Alters der baulichen Substanz einen Abschlag von 10 % berücksichtigt habe (s. Bl.24 des Schiedsgutachtens). Ob der Abschlag von (ca.) 10 % dem Zustand der Deckenbalken hinreichend Rechnung trägt oder nicht, kann offenbleiben. Denn der Beklagte hat nicht dargetan, daß die Decke innerhalb der vom Sachverständigen angenommenen Restnutzungsdauer von 26 Jahren in akute Einsturzgefahr geraten wäre. Der Privatgutachter E hat jedenfalls eine akute Einsturzgefahr zum Zeitpunkt des Schadensereignisses sogar ausgeschlossen (Bl.73 BA 3 O 133/96). Die Äußerung des Privatgutachters, die Bauaufsichtsbehörde habe bei Kenntnis der Sachlage vermutlich die Räumung und Sanierung des Objekts angeordnet (Bl.75 BA), genügt nicht. Zum Nachweis der offenbaren Unrichtigkeit muß die kürzere Restnutzungsdauer konkret feststehen, mit einer bloßen Vermutung genügt der Beklagte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht.

Da es sich somit bei den angefaulten Balkenköpfen um altersbedingte Verschleißerscheinungen des Gebäudes handelte, steht nicht fest, daß diese mit dem vom Sachverständigen durchgeführten Abzug nicht hinreichend berücksichtigt sind. Da die hypothetische Lebensdauer der Deckenbalken auch nach dem Vorbringen des Beklagten und den von ihm in Bezug genommenen gutachterlichen Stellungnahmen letztlich unklar bleibt, kann weder in der Methodik noch im erzielten Ergebnis von einer offenbaren Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens gesprochen werden. Denn eine kürzere als die vom Schiedsgutachter angenommene Restnutzungsdauer des Gebäudes drängt sich jedenfalls nicht auf. Daß sich eine etwaige Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens auch einem Sachverständigen nicht aufdrängt, zeigt schließlich das Wertermittlungs-Gutachten des Sachverständigen R vom 14.9.95 (Anlage). Der vom Beklagten mit einer dem Schiedsgutachten entsprechenden Fragestellung beauftragte Gutachter R, der im Rahmen des Beweisverfahrens 3 OH 30/95 bereits mit der Ursache des Einsturzes befaßt worden war (Gutachten v. 11.8.95, Zusatzheft II, LG Duisburg 3 OH 30/95) geht sogar von einer Restnutzungsdauer von 40 Jahren aus (Bl.8 des Gutachtens v. 14.9.95).

Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich um ein Fachwerkhaus handelte und das Fachwerk den Deckenbalken eine (zusätzliche) Auflage bot, braucht somit nicht geklärt zu werden. Auf die Kosten einer Sanierung, die sich allerdings wie die Klägerin in der Berufungserwiderung zu Recht hervorhebt - auf die Sanierung der Balkenköpfe beschränken könnte und schon von daher die Restnutzungsdauer des Gebäudes nicht ohne weiteres beeinträchtigt, kommt es schließlich ebenfalls nicht an.

3. Baujahr, Erhaltungszustand

Das Schiedsgutachten leidet auch im Hinblick auf das zugrunde gelegte Baujahr des beschädigten Gebäudes nicht unter einer offenbaren Unrichtigkeit. Der Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, daß das Gebäude vor dem Jahr 1902 erbaut wurde. Die von ihm angeführten gutachterlichen Stellungnahmen der Sachverständigen K und E gehen vielmehr selber von keinem früheren Baujahr aus. Daß das Kellergewölbe aus dem neunzehnten Jahrhundert stammt, möglicherweise sogar aus der Zeit um 1840, schränkt die Lebensdauer des darauf stehenden Gebäudes nicht ohne weiteres ein. Daß in der verbliebenen Restnutzungsdauer - abgesehen von der Ausschachtung auf dem Grundstück des Beklagten - die Standsicherheit des Mauerwerks gefährdet gewesen wäre, läßt sich - wie ausgeführt - nicht feststellen.

Hinsichtlich des Erhaltungszustandes ist das Schiedsgutachten ebenfalls nicht offenbar unrichtig. Die vom Schiedsgutachter berücksichtigten Rechnungen (Bl.6/7 des Schiedsgutachtens) dienen der Werterhaltung oder sogar -erhöhung (bspw. Fernwärmeanschluß). Ihre Berücksichtigung erscheint nicht unrichtig. Auch der Privatgutachter des Beklagten R geht in seiner Wertermittlung von nichts anderem aus. Nach seinem Wertgutachten war der Bau- und Unterhaltungszustand im allgemeinen gut (Bl.5 des Gutachtens v.14.9.95).

4. Wertermittlungsverfahren

Die vom Schiedsgutachter durchgeführte Ermittlung des Verkehrswertes ausgehend vom Ertragswert ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Anwendung des Ertragswertverfahrens war nach § 7 WertV zulässig

a) Die fehlende Angabe konkreter Vergleichsmieten macht das Gutachten nicht offenbar unrichtig.

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Schiedsgutachter im Rahmen einer Verkehrswertermittlung - ähnlich einem gerichtlich beauftragten Mietwertgutachter - gehalten ist, konkrete Vergleichsobjekte und deren Quadratmetermieten anzugeben (vgl. BGH WM 1998, 628, 631). Selbst wenn man aber wegen mangelnder Überprüfbarkeit in diesem Punkt von einer Unrichtigkeit des Gutachtens ausgehen will, weil der Schiedsgutachter sich lediglich allgemein auf das Mietniveau in der Stadt D für gewerblich genutzte Räume bezogen hat, so ist diese jedenfalls im Ergebnis unerheblich. Denn dem Beklagten geht es nicht um die mangelnde Überprüfbarkeit des Schiedsgutachtens, sondern er macht geltend, der Schiedsgutachter habe (niedrigere) Mieten von Vergleichsobjekten nicht berücksichtigt. Damit wendet er sich in sachlicher Hinsicht gegen das nach seiner Ansicht von einem zu hohen Mietwert ausgehende Gutachten. Sein Verweis auf Mietpreise anderer Objekte sowie die der Klägerin vom Mieter B gezahlte Miete begründet indessen eine Unrichtigkeit des vom Schiedsgutachter zugrunde gelegten Mietwertes noch nicht, was sich insbesondere an den Stellungnahmen weiterer Sachverständiger zum Mietpreis zeigt.

Der Sachverständige V ist für die Ladenflächen des Erdgeschosses mit 25,00 DM/m² sogar zu einem höheren Quadratmeterpreis gelangt. Der vom Beklagten beauftragte Sachverständige Einft geht in seinem Gutachten vom 14.10.95 (Anlage) von einem Quadratmeterpreis von 19,50 DM aus (Nr.5 der Erläuterungen, die Zahl ist in das Gutachten nicht richtig übertragen; S.11: 18,50 DM). Der ebenfalls vom Beklagten beauftragte Gutachter R kommt in seinem Gutachten vom 14.9.95 (Bl.9) zu einem Quadratmeterpreis von 23,00 DM. Unter diesen Umständen kann der vom Schiedsgutachter B ermittelte Wert von 21,00 DM/m² jedenfalls im Ergebnis nicht offenbar unrichtig sein.

Die unterschiedliche Höhe des vom Sachverständigen V ermittelten Ertragswertes beruht schließlich zum einen offenbar auf einer unterschiedlichen Flächenermittlung und zum anderen auf einer Aufsplittung der Mietpreise für das Erdgeschoß. Der Sachverständige V hat hierzu allerdings keine nähere Erläuterung gegeben. Das Schiedsgutachten orientiert sich hier an dem Wertermittlungsgutachten des vom Beklagten beauftragten Sachverständigen R vom 14.9.95.

b) Der Bodenwert ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht unberücksichtigt geblieben. Der Schiedsgutachter hat vielmehr mit 167.000,00 DM den gleichen (anteiligen) Bodenwert angenommen wie der Sachverständige R in seinem Gutachten vom 14.9.95. Daß der Gebäudeertragswert allein durch einen Abzug des Bodenwertes vom Grundstücksertragswert ermittelt werden kann (so der Sachverständige V), erscheint im übrigen nicht zwingend. Schließlich ist aber auch in diesem Punkt der Sachverständige R in seiner Wertermittlung zu einem mit dem Schiedsgutachten übereinstimmenden Verkehrswert des Gebäudes gelangt.

Vergleichbare Grundstückspreise brauchte der Schiedsgutachter bei dem von ihm zulässigerweise angewandten Ertragswertverfahren nicht zu ermitteln. Diese hätten nur bei dem Vergleichswertverfahren nach §§ 13, 14 WertV einer Feststellung bedurft.

5.

Das Schiedsgutachten ist somit weder im Ergebnis noch in seinen einzelnen Berechnungsfaktoren offenbar unrichtig.

II.

Die Anschlußberufung ist unbegründet. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin hinsichtlich der erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachten Aufwendungen für die Abtrennung der Hausanschlüsse ist jedenfalls verjährt.

Der geltend gemachte Anspruch resultiert aus einer unerlaubten Handlung nach § 823 Abs.1 BGB und verjährt daher nach § 852 Abs.1 BGB in drei Jahren, beginnend mit der Kenntnis des Schadens. Der Schaden trat in der Nacht zum 11.7.95 ein. Da die Klägerin (oder ihre Betreuerin) sogleich Kenntnis vom Schaden erlangten und diese sich auch auf die voraussehbaren Schadensfolgen bezieht (s. Palandt/Thomas, BGB, 58.Aufl., § 852 Rdnr.9), begann die Verjährung auch bezüglich der mit der Anschlußberufung geltend gemachten Kosten am 11.7.95. Selbst wenn die Verjährung durch den am 6./7.11.95 abgeschlossenen Vergleich nach § 208 BGB unterbrochen wurde, so wurde sie am 7.11.95 erneut in Gang gesetzt. Der Vergleich hat auf die Länge der Verjährungsfrist keine Auswirkung, da er keine schuldumschaffende Wirkung hat (s. Palandt/Thomas, BGB, 58.Aufl., § 779 Rdnr.11). Die Verjährungsfrist lief also spätestens mit dem 7.11.98 ab und konnte durch die am 29.3.99 eingereichte Anschlußberufung nicht mehr unterbrochen werden.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs.1, 92, 708 Nr.10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß (§ 546 Abs.1 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz: 245.861,45 DM

Beschwer:

des Beklagten: 238.532,98 DM

der Klägerin: 7.328,47 DM

Ende der Entscheidung

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