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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.06.2001
Aktenzeichen: 22 U 221/00
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 339
VOB/B § 1 Nr. 4
VOB/B § 16 Nr. 5 Abs. 3
1.

Der Anspruch auf eine Vertragsstrafe von 0,2% der Bruttoschlussrechnungssumme pro Kalendertag scheitert nicht an der fehlenden Schlussrechnung, wenn ein Pauschalfestpreis vereinbart ist und damit die Bruttoschlussrechnungssumme von vornherein feststeht.

2.

Enthalten die Ausführungspläne des zu errichtenden Gebäudes eine nach Ansicht des Auftragnehmers nicht vereinbarte Leistung (hier: Rampe zu der im Keller gelegenen Garage) und beginnt der Auftragnehmer gleichwohl ohne Protest, nach den ihm überlassenen Plänen zu arbeiten, so liegt darin eine stillschweigende Zustimmung gemäß § 1 Nr.4 S.2 VOB/B.

3.

Auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen nicht vollständiger Abschlagszahlungen kann der Auftragnehmer sich erst berufen, wenn er die Voraussetzungen des § 16 Nr.5 Abs.3 VOB/B erfüllt hat.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 29.06.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und die Richterin am Landgericht Schuh-Offermanns

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 16. November 2000 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.494,71 DM nebst 5 % Zinsen von 11.382,80 DM seit dem 01. Juni 1999 und von 3.111,91 DM seit dem 16. Februar 2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die in erster Instanz entstandenen Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte 90 und der Kläger 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Der Kl beauftragte die Bekl mit den Rohbauarbeiten zweier Doppelhaushälften in K zu einem Pauschalfestpreis von 200.000 DM. In dem Bauvertrag vereinbarten die Parteien eine Vertragsstrafe von 0,2% der Bruttoschlussrechnungssumme je Kalendertag, "jedoch höchstens 10% der nach der Schlussrechnung maßgeblichen Bruttovergütungssumme". Nach den der Bekl ausgehändigten Ausführungsplänen sollte je eine Rampe zu den in den Kellern der Doppelhaushälften liegenden Garagen führen. Die Bekl hielt den vereinbarten Fertigstellungstermin - Ablauf der 24. Kalenderwoche - nicht ein. Der Kl macht deshalb die Vertragsstrafe geltend. Demgegenüber beruft sich die Bekl vor allem darauf, der Bau der Rampen sei nicht vereinbart gewesen und ihr habe wegen nicht vollständig geleisteter Abschlagszahlungen ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl hatte überwiegend Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Dem Kläger steht ein Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 14.494,71 DM zu.

1.

Die Erhöhung der Klageforderung in der Berufungsinstanz ist zulässig, da keine Klageänderung vorliegt, weil der Klageantrag ohne Änderung des Klagegrundes erweitert wird, §§ 523, 264 Nr. 2 ZPO.

2.

Die Beklagte erhebt keine Einwände gegen die Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung in § 4 des Bauvertrages. Es ergeben sich auch keine Bedenken dagegen aus §§ 339 BGB, 138 BGB oder AGBG, da die Vertragsstrafenabrede an die verschuldete Fristüberschreitung anknüpft, die Höhe von 0,2 % der Bruttoschlussrechnungssumme pro Kalendertag in Verbindung mit der Begrenzung auf insgesamt 10 % nicht unangemessen ist und eine Beziehung zum Verzugsschaden dadurch hergestellt wird, dass die Strafe für Zwischenfristen bei Einhaltung des Fertigstellungstermin entfallen sollte (vgl. BGH BauR 1983, 80, BauR 1999, 645).

3.

Der Anspruch auf die Vertragsstrafe scheitert nicht an der fehlenden Schlussrechnung. Der Kläger hat die von der Beklagten nunmehr erstellte Schlussrechnung vorgelegt.

Im übrigen ist die Erteilung der Schlussrechnung nicht Voraussetzung für den Anspruch auf die Vertragsstrafe wegen verzögerter Bauausführung. Auch für die Bemessung der Vertragsstrafe war im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Landgerichts die Vorlage der Schlussrechnung nicht erforderlich, da ein Pauschalfestpreis von 200.000,00 DM brutto vereinbart war, die Bruttoschlussrechnungssumme also von vornherein feststand.

4.

Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Vertragsstrafe sind gegeben.

a)

Für die Fertigstellung war die Zeit nach dem Kalender bestimmt, nämlich der Ablauf der 24. Kalenderwoche, das war der 12.06.1998. Auf die Nichteinhaltung dieser Frist stützt der Kläger seine Forderung.

Es ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich, dass diese Frist geändert worden wäre. Die vorliegenden Schreiben enthielten Mängelrügen und Mahnungen, aber keine Änderungen der Fertigstellungsfristen. Die Schreiben vom 16.07.1998 (Bl. 27, 28 GA), 10.08.1998 (Bl. 30 GA), 11.08.1998 (Bl. 31 GA) und 18.09.1998 (Bl. 33 GA), in denen der Kläger Fristen für die Beseitigung von während der Fertigstellung bereits aufgetretenen Mängeln, sowie für die Fertigstellung der Arbeiten gesetzt hat, wobei einzelne Arbeiten (Treppenanlage im Hauseingangsbereich) ausgenommen wurden, nahmen ausdrücklich auf § 5 Ziff. 4 VOB/B Bezug. Es handelte sich also um die nach der zwischen den Parteien vereinbarten VOB/B als Voraussetzung der Auftragsentziehung notwendigen Nachfristsetzungen nach Verzugseintritt nicht um Änderungen der Fertigstellungsfristen.

Dass diese Frist (12.06.1998) überschritten wurde, ergibt sich aus den vorgenannten Schreiben, mit denen zunächst am 16.07.1998 die Beseitigung von während der Ausführung aufgetretenen Mängeln gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B, am 11.08.1998 die Verfügung der Verblendfassade und der Einbau der Außenfensterbänke und am 18.09.1998 insbesondere die Herstellung der Rampe angemahnt wurden. Dagegen erhebt die Beklagte nur insoweit Einwände, als sie geltend macht, die Erstellung der Rampe nicht geschuldet zu haben. Es ist damit unstreitig, dass jedenfalls bis zum 11.08.1998 auch andere Arbeiten nicht fertiggestellt waren. Die Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 20.0000,00 DM, das sind 10 % des Pauschalfestpreises war damit verwirkt.

Auch wenn die Fertigstellung der Treppenanlage im Eingangsbereich aus dem Leistungsumfang herausgenommen oder zurückgestellt wurde, wie sich aus den Schreiben vom 11.08.1998 (Bl. 31 GA) und 18.09.1998 (Bl. 33 GA) ergibt, steht das der verschuldeten Überschreitung der Fertigstellungsfrist im übrigen nicht entgegen.

b)

Der Anspruch auf die Vertragsstrafe ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte die Verzögerung nicht zu vertreten hätte. Die Beklagte beruft sich insoweit nur darauf, dass sie die Erstellung der Rampenanlage nicht schulde, sowie darauf, dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, weil der Kläger die dritte Abschlagsrechnung nicht vollständig und die vierte Abschlagsrechnung nicht bezahlt habe.

aa)

Unter a) wurde bereits ausgeführt, dass die Beklagte auch andere Arbeiten als die Rampe nicht innerhalb der vereinbarten Frist fertiggestellt hatte.

Darüber hinaus schuldete sie aber auch die Erstellung der Rampe. Die Beklagte bestreitet nicht, dass aus den Plänen, sowohl denjenigen im Maßstab 1:100 als auch den Ausführungsplänen im Maßstab 1:50 die Rampe ersichtlich war. Sie hat den Bauvertrag unterschrieben, in dem es heißt, dass die Planunterlagen dem Auftragnehmer vor Angebotsabgabe vorgelegt worden seien. Diese Urkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich, der Gegenbeweis, den die Beklagte durch Zeugnis der Ehefrau ihres Geschäftsführers antritt, ist ihr allerdings nicht abgeschnitten. Darauf kommt es jedoch für die Entscheidung nicht an. Denn selbst dann, wenn der Beklagten die Pläne, welche die Rampe auswiesen, bei der Angebotsabgabe nicht vorgelegen hätten, wäre sie gehindert, sich darauf zu berufen, dass die Erstellung der Rampe nicht zum Auftragsumfang gehörte. Denn sie trägt selbst vor, dass ihr jedenfalls zu Beginn der Arbeiten, am 01.04.1998, die Ausführungspläne übersandt wurden (Bl. 128 GA), in denen unstreitig die Rampe vorgesehen war. Die Beklagte tträgt nicht vor, dass sie sich innerhalb der Ausführungsfrist und insbesondere auf das Schreiben des Klägers vom 24.04.1998, in dem Mängel der Dehnungsfuge und der Bewehrung im Bereich der Rampe gerügt werden (Bl. 29 GA), dagegen verwahrt habe, dass die Rampe zum Auftragsumfang gerechnet werde. Selbst wenn es sich nicht um eine vereinbarte Leistung gehandelt haben und die Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen sein sollte, sie als erforderliche Leistung gemäß § 1 Nr. 4 S. 1 VOB/B zu erbringen, so musste der Kläger das Verhalten der Beklagten, die ohne Protest begann, nach den ihr überlassenen Plänen zu arbeiten, als stillschweigende Zustimmung gemäß § 1 Nr. 4 S. 2 VOB/B verstehen. Mangels anderer Vereinbarung änderten sich die Ausführungsfristen dadurch nicht.

Die erstmals auf die Weigerung des Klägers, die vierte Abschlagsrechnung zu bezahlen, am 23.09.1998 (Bl. 73 GA) geltend gemachte Ansicht, die Rampenanlage werde als gesonderte Leistung angesehen, vermochte den eingetretenen Verzug nicht mehr zu beseitigen.

bb)

Die Beklagte kann sich auch nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen nicht vollständiger Abschlagszahlungen berufen. Das Recht, deshalb die Arbeiten einzustellen, scheitert schon daran, dass die Beklagte dem Kläger keine Nachfrist gesetzt hat, und damit die Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B nicht erfüllt hat.

4.

Das Vorbringen der Beklagten, der Kläger habe keinen Schadensersatzanspruch bzw. dieser sei verjährt, ist irrelevant, da der Kläger keinen Schadensersatz geltend macht, sondern im Gegenteil den Betrag von der Forderung abzieht, um den die Summe der an die Beklagte geleisteten Abschlagszahlungen und des Preises für die Fertigstellung der Arbeiten durch Drittunternehmer unter dem mit der Beklagten vereinbarten Pauschalpreis lag.

5.

Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit einem Werklohnanspruch aus dem Vertrag, aus dem der Kläger seinen Vertragsstrafenanspruch geltend macht, aufrechnen, da sie einen restlichen Werklohnanspruch nicht schlüssig dargetan hat.

Aus dem vorangehend zur Fertigstellung der Arbeiten Ausgeführten ergibt sich, dass der Kläger berechtigt war, den Vertrag gemäß §§ 8 Nr. 3, 5 Nr. 4 VOB/B zu kündigen. Die Kündigungsvoraussetzungen gemäß §§ 5 Nr. 4, 8 Nr. 3 VOB/B, Fristsetzung und Kündigungsandrohung nach Verzugseintritt, lagen vor. Die Kündigung ist am 30.09.1998 erfolgt.

Der Beklagten steht nach der Kündigung nur ein Anspruch auf Vergütung der von ihr ausgeführten Leistungen zu, die gemäß § 8 Nr. 6 VOB/B prüfbar abzurechnen sind. Eine solche Abrechnung hat die Beklagte nicht vorgelegt. Sie behauptet lediglich völlig unsubstantiiert, sie habe bis zur Kündigung Werkleistungen erbracht, die einen Werklohnanspruch in Höhe von 173.913,04 DM rechtfertigten, das ist der der Pauschalpreisvereinbarung zugrunde gelegte Nettobetrag, ohne darzutun, welche Leistungen sie erbracht hat und welche nicht und wie sie die Vergütung für die erbrachten Leistungen bemisst. Der Kläger hat diese Forderung in der Berufungsbegründung nicht anerkannt, sondern diesen Betrag lediglich als nach der Pauschalfestpreisvereinbarung zu zahlenden Nettobetrag seiner Berechnung zugrunde gelegt. Für den in der Berufungserwiderung erbetenen Hinweis besteht kein Anlass, da der Beklagten ihre Darlegungslast offenbar bekannt ist, jedenfalls die Treppenanlage im Hauseingangsbereich nicht fertiggestellt worden war - dagegen wendet sich die Beklagte nicht - und die Beklagte auch keine Fertigstellungsanzeige an den Kläger gesandt hat.

Selbst wenn die Beklagte davon ausgeht, dass sie gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B die vereinbarte Vergütung verlangen könnte, müsste sie sich das anrechnen lassen, was sie an Aufwendungen erspart hat. Auch dazu fehlt jeder Vortrag.

6.

Begründet ist allerdings die Aufrechnung mit der Werklohnforderung aus einem weiteren Bauvertrag. Der Kläger hat in der Klageschrift noch selbst eine Restwerklohnforderung aus dem weiteren Bauvorhaben H von 3.470,63 DM abgezogen. Dass dies der Nettobetrag ist und brutto noch eine Forderung von 4.025,93 DM besteht, hat der Kläger nicht bestritten. Für den entsprechenden Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung spricht, dass der Kläger insgesamt seinen Berechnungen Nettobeträge zugrunde legt.

7.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 352, 353 HGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß, § 546 Abs. 1 ZPO.

Streitwert der 1. Instanz: 13.929,37 DM;

Gegenstandswert für die Berufung: 41.067,21 DM (18.520,64 DM + 18.520,64 DM + 4.025,93 DM);

Beschwer der Beklagten: 37.041,28 DM;

Beschwer des Klägers: 4.025,93 DM.

Ende der Entscheidung

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