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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.08.2001
Aktenzeichen: 22 U 26/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 847
Der Besucher einer wegen einer Karnevalsveranstaltung überfüllten Gaststätte muss nicht damit rechnen, dass auf der zur Garderobe führenden Treppe sitzende Gäste ihre Gläser auf den Treppenstufen abstellen, wenn er mit dem Fuß gegen ein dort stehendes Glas stoßt, ist er deshalb nicht für den Schaden ersatzpflichtig, den ein Gast durch eine weggeschleuderte Glasscherbe erleidet.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 26/01

Verkündet am 17. August 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und die Richterin am Landgericht Schuh-Offermanns

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 21. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Am 14.2.1999 fand in der Gaststätte K in K eine Karnevalsveranstaltung statt. Die Gaststätte war überfüllt, weshalb auch auf der Treppe, die zu der im Kellergeschoss hegenden Garderobe führt, Gäste saßen Als der Bekl diese Treppe hinaufging, stieß er mit dem Fuß gegen ein Glas, welches dort abgestellt war Das Glas zerbrach und eine Scherbe traf die rechte Hand der in der Nähe der Treppe sitzenden Kl so, dass die Strecksehne ihres rechten Daumens durchtrennt wurde. Die Kl nimmt den Bekl auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 2.000 DM und auf Ersatz von 8 694,48 DM Verdienstausfall in Anspruch.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Kl bleibt erfolglos.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz ihres durch den Unfall vom 14. Februar 1999 entstandenen materiellen Schadens aus den §§ 847, 823 Abs.1 BGB zu.

Der Beklagte hat zwar unstreitig die von der Klägerin erlittene Verletzung ihres Daumens dadurch verursacht, dass er beim Begehen einer Treppe in der Gaststätte Kl in K mit dem Fuß gegen ein auf der Treppe befindliches Glas stieß, welches zerbrach und in Scherben gegen die rechte Hand der unterhalb der Treppe sitzenden Klägerin flog. Ein Verschulden an der Verletzung der Klägerin ist ihm aber nicht zur Last zu legen; insbesondere kann ihm kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lässt, § 276 Abs.1 Satz 2 BGB. Dabei geht das bürgerliche Recht von einem objektiven Sorgfaltsmaßstab aus (vgl. nur OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 535). Maßgeblich ist die Sorgfaltspflicht, die die konkrete Situation erforderlich macht. Erforderlich ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

Ein Gaststättenbesucher, der einen anderen Gast verletzt, handelt fahrlässig, wenn er die Sorgfalt außer acht lässt, die man von einem normal achtsamen Gaststättenbesucher in der konkreten Situation erwarten kann (vgl. für das Umstoßen eines vor einem anderen Gast stehenden Glases Tee aus Unachtsamkeit OLG Nürnberg VersR 1970, 1060). Sein Verhalten kann und muss er aber nur auf solche Gefahren einrichten, die für ihn in der konkreten Situation vorhersehbar sind.

Dass auf den Stufen der Treppe zur im Kellergeschoss befindlichen Garderobe leere Gläser standen, gegen die man beim Begehen der Treppe mit dem Fuß stoßen könnte, war für den Beklagten in der konkreten Situation nicht vorhersehbar. Weder konnte er das von ihm umgestoßene Glas erkennen, noch kann ihm vorgeworfen werden, an dieser Stelle nicht mit einem Glas gerechnet zu haben. Unstreitig fand an diesem Abend in der Gaststätte eine Karnevalsveranstaltung statt und die Gaststätte war - auch nach dem Vorbringen der Klägerin - überfüllt. Bei derart starkem Publikumsaufkommen liegt es auf der Hand, dass es den Besuchern, die über die Treppe zu der im Kellergeschoss gelegenen Garderobe und wieder zurück gelangen wollten, unabhängig von den Lichtverhältnissen nicht uneingeschränkt möglich war, die vor ihnen liegenden Treppenstufen zu beobachten, weil die Sicht sowohl durch vorangehende als auch sitzende Gäste blockiert war (vgl. zur Situation bei starkem Publikumsverkehr in Gaststätten oder bei Tanzveranstaltungen auch Entscheidung des Senates in OLGR Düsseldorf 1999, 78, 79 sowie OLG Köln OLGR 1993, 71).

Dass dennoch die Treppenstufen für den Beklagten überschaubar waren und er das auf der Treppenstufe befindliche Glas daher hätte erkennen können, hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargetan. Sie hat zwar behauptet, es habe zu keinem Zeitpunkt Gedränge auf der Treppe geherrscht (Bl. 59, 60 GA), die Treppe sei begehbar gewesen, ohne andere Personen zu berühren. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der auch von der Klägerin in Bezug genommenen schriftlichen Unfallschilderung der von der Klägerin als Zeugin für ihre Behauptung benannten A H, wonach "besonders an der Treppe, die sich im Eingangsbereich befand, teilweise sehr dichtes Gedränge war". Aber selbst wenn das Gedränge zum Unfallzeitpunkt nicht - wie der Beklagte geltend macht - so stark war, dass er die Treppe hochgeschoben worden ist, vielmehr kein Körperkontakt der Besucher bestand, bedeutet dies nicht, dass der Beklagte die Treppenstufen vor ihm sehen und dort abgestellte Gläser so rechtzeitig erkennen konnte, dass er sich noch darauf einrichten und ausweichen konnte.

Der Beklagte mußte sein Verhalten auch nicht darauf einstellen, dass ein anderer Gast sein Glas so auf den Treppenstufen abstellen würde, dass er, der Beklagte, beim Begehen der Treppe gegen das Glas stoßen könnte. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass ein Gaststättenbenutzer grundsätzlich nicht mit abgestellten Gläsern auf einer dem Publikumsverkehr zugänglichen Treppe rechnen muss. Umstände, die im vorliegenden Fall eine andere Beurteilung rechtfertigen konnten, sind nicht gegeben. Zwar ist durchaus in Rechnung zu stellen, dass der Besucher einer Karnevalsveranstaltung weiss, dass an solchen Tagen der Umgang der Gäste auch mit ihren Gläsern sorgloser ist und nicht in dem Maße mit einem umsichtigen Verhalten anderer gerechnet werden kann, wie dies üblicherweise der Fall sein mag. Doch kann aus diesem Umstand für den Beklagten gerade auf der Treppe keine erhöhte Aufmerksamkeitsverpflichtung hinsichtlich möglicherweise auf den Stufen befindlicher Gläser abgeleitet werden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass durch den starken Publikumsandrang eine erhebliche Ablenkung bestand und der Beklagte gerade auf der Treppe seine gesteigerte Aufmerksamkeit darauf verwenden musste, an den dort sitzenden sowie entgegenkommenden Gästen vorbei einen auch für ihn (stand) sicheren Weg auf den Stufen nach oben zu finden. Selbst wenn der Beklagte beim Hinuntergehen der Treppe die dort sitzenden Gäste gesehen, und zudem - wie auch die Zeugen R und M nach ihrer schriftlichen Unfall-Schilderung - gemerkt haben sollte, dass an diesem Abend, aufgrund des Andrangs leere Gläser längere Zeit stehen blieben, bedeutet dies noch nicht, dass er diese beiden Umstände gedanklich in Verbindung bringen und daraufhin darauf achten musste, ob die auf der Treppe sitzenden Gäste ihre leeren Gläser auch auf den Treppenstufen abstellen und dort stehen lassen würden, zumal er die Treppe zuvor auf seinem Weg nach unten passiert hatte, ohne auf Gläser zu treten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 546 Abs. 1 ZPO.

Streitwert und Beschwer der Klägerin: 10.694,48 DM.

Ende der Entscheidung

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