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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.07.2000
Aktenzeichen: 22 U 4/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 319
Leitsätze:

1.

Beruft sich der Bauherr gegenüber der Schlußrechnung des Bauunternehmers auf Mängel und einigen sich die Bauvertragspartner, daß die Arbeiten durch Sachverständige begutachtet und die Gutachtenkosten in dem Verhältnis gequotelt werden sollen, in dem der Minderungsbetrag zum Rechnungsbetrag steht, dann handelt es sich um eine Abrede, daß Sachverständige durch Schiedsgutachten die Mängel feststellen und Minderungsbeträge festlegen sollen.

2.

Die Parteien müssen ein Schiedsgutachten bis zur Grenze der offenbaren Unrichtigkeit hinnehmen; ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, ist nach dem Sach- und Streitstand zu entscheiden, den die Parteien dem Schiedsgutachter zur Beurteilung vorgelegt haben.

3.

Ein Fehler des Sachverständigen bei der Durchführung des Besichtigungstermins ist nicht geeignet, eine offenbare Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens darzutun.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 4/00 1 O 77/99 LG Wuppertal

Verkündet am 26. Juli 2000

Tellmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 2. November 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Die Kl führten im Auftrag der Bekl in deren Haus Innenausbauarbeiten aus. Die Bekl verweigerten die Bezahlung des von den Kl berechneten Werklohns wegen angeblicher Mängel. Die Parteien einigten sich darauf, daß zwei Sachverständige die Arbeiten begutachten sollen, und vereinbarten, die Kosten der Gutachten in dem Verhältnis zu quoteln, in dem der Minderungsbetrag zum Rechnungsbetrag steht. Nach Vorlage der Gutachten kürzten die Kl ihre Forderung um den von den Sachverständigen festgestellten Minderungsbetrag. Gegen die Klage auf Zahlung von 11.872,05 DM machen die Bekl geltend, die Gutachten seien offenbar unrichtig.

Das LG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Werklohnanspruch der Kläger ist nach Grund und Höhe unstreitig.

Den Beklagten steht weder eine aufrechenbare Gegenforderung wegen mangelhafter Leistungen der Kläger bei der Erstellung des Deckendurchbruchs zum Spitzboden noch ein Zurückbehaltungsrecht wegen mangelhafter Fliesenlege- und Trockenbauarbeiten zu.

Nachdem die Kläger am 23.1.1998 die Rechnung über ihre Arbeiten erstellt und die Beklagten Mängel beanstandet hatten, haben die Parteien sich unstreitig darauf geeinigt, dass die Arbeiten durch Sachverständige begutachtet werden sollten. Es handelte sich dabei, wie sich aus dem nicht bestrittenen Vortrag der Kläger, dass vereinbart worden sei, die Kosten der Gutachten in dem Verhältnis zu quoteln, in dem der Minderungsbetrag zum Rechnungsbetrag stehe, ergibt, um eine Schiedsgutachtenabrede dahingehend, dass die Gutachter die Mängel feststellen und Minderungsbeträge festlegen sollten. In dieser Vereinbarung lag gleichzeitig die Abnahme der Arbeiten, da diese danach akzeptiert und lediglich der Werklohn gemindert werden sollte.

Die Sachverständigen W (für Innenputz- und Ausbauarbeiten) und O (für Fliesen- und Plattenarbeiten) haben die Gutachten erstattet und die Kläger haben den von den Sachverständigen unstreitig errechneten Minderungsbetrag von ihrer Forderung abgezogen. Daran sind die Parteien gebunden, wie das Landgericht Wuppertal zutreffend ausgeführt hat.

Offenbare Unrichtigkeit, die gemäß § 319 BGB zur Unverbindlichkeit der Gutachten führen könnte, haben die Beklagten nicht dargetan. Bis zur Grenze der offenbaren Unrichtigkeit müssen die Parteien ein Schiedsgutachten hinnehmen.

Offenbar unrichtig ist ein Schiedsgutachten dann, wenn sich die Unrichtigkeit einem sachkundigen Betrachter sofort aufdrängt. Eine Partei, die sich auf die offenbare Unrichtigkeit der Leistungsbestimmung beruft, muss Tatsachen vortragen, aus denen sich dem Sachkundigen die Erkenntnis offenbarer Unrichtigkeit aufdrängt. Eine Beweiserhebung ist in diesem Zusammenhang nur geboten, wenn Tatsachen behauptet werden, die für das Gericht schlüssig auf einen Mangel der Leistungsbestimmung hindeuten (vgl. NJW-RR 1993, 1034, 1035 m.w.N.).

Der Vortrag der Beklagten in erster Instanz, über das Gutachten hinaus sei ein Mangel des Werkes der Kläger darin sehen, dass die Kläger den Zugang zum Spitzboden entgegen der Vereinbarung nicht so mittig geschaffen hätten, dass man eine einfache baumarktübliche Treppe hätte einbringen können, ist nicht geeignet, die Unrichtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen W zu begründen. Dem Sachverständigen ist, wie sich aus dem Schreiben vom 14.1.1998, welches offenbar Grundlage für die Gutachten war und auf dessen Fragen der Sachverständige Bezug nimmt, die Frage gestellt worden, ob das Treppenhaus zu klein sei, so dass eine Treppe hier überhaupt nicht eingebaut werden könne. Der Sachverständige hat festgestellt, dass tatsächlich eine Treppe eingebaut sei und dass eine Art Unterzug 20 cm tief in den angrenzenden Raum rage. Eine erhebliche Einbuße konnte der Sachverständige nicht feststellen. Dass dem Sachverständigen mitgeteilt worden wäre, dass eine bestimmte Art von Treppe und eine mittige Öffnung verlangt gewesen seien, tragen die Beklagten nicht vor. Allein darauf, welche Frage dem Sachverständigen gestellt worden ist und welche Situation ihm bei der Besichtigung gezeigt worden ist, kommt es aber an, denn für die Frage der offenbaren Unrichtigkeit ist von dem Sach- und Streitstand auszugehen, den die Parteien dem Schiedsgutachter zur Beurteilung vorgelegt haben. Neuer Sachvortrag ist nicht zu berücksichtigen, da es nur darauf ankommt, ob dem Schiedsgutachter bei der Beurteilung des ihm vorgelegten Materials ein Fehler unterlaufen ist (vgl. BGH NJW 1979, 1885, 1886).

Ein solcher Fehler liegt nicht vor. Er ergibt sich auch nicht daraus, dass der Sachverständige die Hinzuziehung eines Bauingenieurs für sinnvoll gehalten hätte. Die ihm allein vorgelegte Mängelrüge, der Einbau einer Treppe sei nicht möglich, hat der Sachverständige zutreffend verneint und aufgrund des vorhandenen Unterzuges keine eine Minderung rechtfertigende Beeinträchtigung festgestellt. Andere Rügen hinsichtlich der Art der Treppe und der Anordnung des Deckendurchbruchs können die Beklagten aufgrund der Bindung an das Schiedsgutachten jetzt nicht mehr nachschieben.

Der erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachte Einwand der Beklagten, der Sachverständige W habe die Anschlüsse der Gipskartonwände ans Mauerwerk nicht überprüft, dies stelle einen Mangel des Gutachtens dar, ist ebenfalls nicht geeignet, die offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens zu begründen. Wie ausgeführt, ist dabei der Sachverhalt zugrunde zu legen, der dem Gutachter von den Parteien unterbreitet worden ist. Dass der Sachverständige die Wandanschlüsse nicht überprüfen konnte, ist darauf zurückzuführen, dass die Wände tapeziert waren. Es hätte den Beklagten als Hauseigentümern oblegen, die Entfernung der Tapeten zu veranlassen. Dass sie gegenüber dem Sachverständigen, der die von den Beklagten befürchteten Risse an den Anschlüssen nicht festgestellt hat, erklärt hätten, sie wollten die Tapeten entfernen lassen, tragen sie nicht vor.

Im übrigen wäre dieser Vortrag, der schon in erster Instanz möglich gewesen wäre, auch verspätet. Würde ihm nachgegangen, wäre die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich, wodurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde. Eine Entschuldigung, warum der Vortrag erst in der Berufungsinstanz angeführt wird, geben die Beklagten nicht an.

Die Einwände gegen das Gutachten des Sachverständigen O greifen ebenfalls nicht durch.

Ein Fehler des Sachverständigen bei der Durchführung des Besichtigungstermins ist schon nicht geeignet, für sich die offenbare Unrichtigkeit darzutun, denn diese bestimmt sich allein nach dem Ergebnis, nicht nach der Art des Zustandekommens des Gutachtens (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 319 Rdn. 5 m.w.N.).

Im übrigen haben die Beklagten für ihre Behauptung, der Sachverständige sei zum vereinbarten Besichtigungstermin nicht erschienen und habe einen Tag später nach Hinweis, dass weder die Beklagten noch ihr Vertreter teilnehmen könnten, ohne Anwesenheit der Beklagten die Besichtigung durchgeführt, keinen Beweis angeboten. Dem Gutachten kann das entgegen der Darstellung der Beklagten nicht entnommen werden, vielmehr hat der Sachverständige dort festgehalten, nachdem er den zunächst vorgesehenen Termin am 22.9.1998 nicht habe wahrnehmen können, habe nach erneuter schriftlicher Ladung, die von den Klägern mit der Berufungserwiderung auch vorgelegt worden ist (Bl. 132 GA), der Termin am 28.9.1998 stattgefunden.

Soweit die Beklagten geltend machen, die Gutachter hätten die Wohnung im ersten Obergeschoss nicht besichtigt und deshalb hinsichtlich dieser Wohnung keine Feststellungen getroffen, in dieser Wohnung lägen dieselben Mängel vor, wie in der Erdgeschosswohnung, trifft dieser Vortrag teilweise nicht zu, ist im übrigen unsubstantiiert. Ausweislich seines Gutachtens hatte der Sachverständige O die "Fliesen- und Plattenarbeiten insbes. im Bad I. Obergesch." zu begutachten, zugegen waren bei der Besichtigung die Mieter "der gen. Wohnung", über die Fliesenflächen der "o. gen. Wohnung" verschaffte er sich dann einen Oberblick (Bl. 8, 9, 12 GA). Der Sachverständige O hat also offenbar die Wohnung im ersten Obergeschoss besichtigt.

Im übrigen geben die Beklagten nicht an, welche von welchem Gutachter in der Parterrewohnung festgestellten Mängel in der Wohnung im ersten Obergeschoss ebenfalls vorliegen und den weiteren Abzug von ca. 1.000,00 DM rechtfertigen sollen. Die Wiederholung sämtlicher vorprozessual erhobener Mängelrügen, die ganz überwiegend von den Gutachtern nicht bestätigt worden sind, in der Berufungsinstanz ist nicht geeignet, diesen Vortrag zu konkretisieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß, § 546 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Beklagten: 11.872,05 DM.

Ende der Entscheidung

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