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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.06.2001
Aktenzeichen: 22 U 5/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 254
1.

Ein Bauherr, der weiß, dass in dem Baugrund ein Stromkabel verlegt ist, darf sich nicht darauf verlassen, dass die ihm mitgeteilte Lage genau zutrifft, muss vielmehr mit einem erheblich abweichenden tatsächlichen Verlauf des Kabels rechnen und dessen genaue Lage durch Suchgräben ermitteln.

2.

Daraus, dass die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur Sicherung des Rechts, auf dem belasteten Grundstück eine Kabeltrasse zu verlegen und zu betreiben, fehlt, kann kein Mitverschulden des Eigentümers des Kabels an dessen Beschädigung hergeleitet werden.


Oberlandesgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 29. Juni 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 01. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 2 und die Anschlußberufung der Klägerin gegen das Teilgrund- und Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 23. November 2000 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin die Hälfte der Gerichtskosten und ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 ganz, die Beklagte zu 2 die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten ganz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Der Bekl zu 1 verhandelte mit der Stadt D über den Erwerb des dieser gehörenden Flurstücks 303, das er zur Erweiterung des auf einem angrenzenden Grundstück bestehenden Gewerbebetriebs der Bekl zu 2 verwenden wollte. Im Jahre 1995 hatte die Kl aufgrund eines mit der Stadt D geschlossenen Gestattungsvertrags auf dem Flurstück 303 eine aus 10 Kabeln und 5 Leerrohren bestehende Kabeltrasse verlegt. Nachdem 1996 Einvernehmen über die Veräußerungsbedingungen erzielt war, gestattete die Stadt D der Bekl zu 2, schon vor dem Eigentumserwerb mit Erdarbeiten auf der Erweiterungsfläche zu beginnen. Am 16.7.1997 wurde ein Kabel der Trasse durch eine Eisenstange beschädigt, die Mitarbeiter der Bekl zu 2 bei Einschalungsarbeiten in die Erde trieben. Der Bekl zu 1 wurde am 2.6.1998 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Zugleich erfolgte die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit - Recht zur Verlegung von Kabeln - für die Kl.

Die Kl behauptet, dem Bekl zu 1 sei vor Beginn der Bauarbeiten die Lage der Kabeltrasse bekannt gewesen. Sie verlangt von beiden Bekl Ersatz der Aufwendungen für die Behebung des Kabelschadens in Höhe von 12.417,88 DM. Die Bekl behaupten, ihnen sei lediglich mitgeteilt worden, dass sich 1m hinter der Grenze ein Elektrokabel befinde.

Das LG hat die Klage gegen den Bekl zu 1 abgewiesen und sie gegen die Bekl zu 2 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Bekl zu 2 und die Anschussberufung der Kl haben keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten zu 2 und die unselbständige Anschlußberufung der Klägerin sind zulässig. Beide Rechtsmittel sind jedoch nicht begründet.

I. Berufung der Beklagten zu 2

1. Haftungsgrund

Das Landgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht festgestellt, daß die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Diese haftet der Klägerin gemäß § 823 Abs. 1 BGB für den Schaden, der am 16.07.1997 bei den von ihr auf dem Grundstück Flur 27, Flurstück 303, in D ausgeführten Bauarbeiten an der dort verlegten 10 kV-Leitung entstanden ist. Dabei kann es dahinstehen, ob der Beklagten oder den für diese handelnden Personen der genaue Verlauf der Kabeltrasse bekannt war oder nicht. In beiden Fällen fällt der Beklagten zu 2 eine schuldhafte Verletzung der ihr obliegenden Sorgfaltspflicht zur Last.

War dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2 aufgrund der von der Klägerin behaupteten, durch den Zeugen Heim Verlauf der Verhandlungen über den Grundstückskauf mündlich erteilten Hinweise oder aufgrund des mit dem Telefax vom 22.05.1997 (Anlage K8 im Zusatzheft) übersandten Auszuges aus dem Lageplan der Verlauf der Kabeltrasse bekannt, haftet die Beklagte zu 2, weil sie ersichtlich keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, durch die eine Beschädigung der Erdkabel vermieden wurde.

Der Beklagten zu 2 fällt aber auch dann eine schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflicht zur Last, wenn sie weder die Größenordnung noch den genauen Verlauf der Kabeltrasse kannte.

Zwar trifft es zu, daß ein Bauherr nicht schon deshalb damit rechnen muß, daß auf einem Grundstück Leitungen verlegt sind, weil er dieses von einer Gebietskörperschaft erworben hat. Im vorliegenden Fall war der Beklagten zu 2, die sich insoweit die Kenntnis ihres damaligen Geschäftsführers zurechnen lassen muß, aber nach eigenen Angaben mitgeteilt worden, daß auf dem neu erworbenen Grundstück "in einem Abstand von 1 m hinter dem Grenzmauerwerk K/städtischer Bauhof" zumindest ein Stromkabel in der Erde verlegt war, das nicht überbaut werden durfte (vgl. Bl. 44 und 123 GA). Sie durfte sich nicht darauf verlassen, daß die ihr mitgeteilte Lage der Elektroleitung genau zutraf und der Abstand zum Grenzmauerwerk von 1 m überall exakt eingehalten war. Sie mußte vielmehr damit rechnen, daß der tatsächliche Verlauf des Stromkabels nicht unerheblich von dem ihr mitgeteilten abwich, und hätte deshalb durch Anlegen eines oder erforderlichenfalls mehrerer Suchgräben die genaue Lage des Kabels ermitteln müssen, bevor sie mit den Arbeiten zur Errichtung der neuen Grenzmauer begann. Hätte sie dieser Sorgfaltspflicht genügt, wäre ihr nicht verborgen geblieben, daß nicht nur ein Kabel, sondern eine breite Kabeltrasse über das Flurstück verlief, das sie damals von der Stadt Duisburg zu erwerben beabsichtigte und inzwischen erworben hat.

2. Mitverschulden der Klägerin

Ein Mitverschulden der Klägerin bei der Beschädigung des Erdkabels läßt sich nicht feststellen.

a) Zu geringe Überdeckung der Kabeltrasse

Es kann schon nicht festgestellt werden, daß die Kabeltrasse dort, wo sie bei den Bauarbeiten der Beklagten zu 2 am 19.07.1997 beschädigt worden ist, weniger als 60 cm tief unter der Geländeoberfläche verlegt war. Die Lichtbilder, die die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 18.10.2000 als Anlage K9 vorgelegt hat, lassen vielmehr erkennen, daß eine Überdeckung von 60 cm durchgehend vorhanden ist.

Im übrigen ist die von der Beklagten herangezogene DIN 1998, aus deren Abschnitt 4.1 sie die nach ihrer Auffassung erforderliche Mindestüberdeckung von 60 cm herleitet, für die hier in Rede stehende Kabeltrasse gar nicht maßgebend. Nach Abschnitt 2 "Anwendungsbereich" der vorbezeichneten DIN-Norm dient diese dazu, die Unterbringung von Leitungen in öffentlichen Flächen zu regeln. Damit sind, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, öffentliche Verkehrsflächen, nicht aber solche Flächen gemeint, die - wie hier - einer Stadt oder Gemeinde gehören, aber nicht ihrer Widmung entsprechend dem öffentlichen Verkehr dienen.

b) Fehlende Eintragung der Dienstbarkeit im Grundbuch

Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2 kann eine Mitschuld der Klägerin an der Beschädigung des Kabels auch nicht daraus hergeleitet werden, daß sie die Kabelrechte vor der Veräußerung der Parzelle 303 durch die Stadt D nicht durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch hat sichern lassen.

Die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur Sicherung des Rechtes, auf dem belasteten Grundstück eine Kabeltrasse zu verlegen und zu betreiben, dient der Sicherung des rechtlichen Bestandes und nicht dem Schutz der aufgrund des Rechtes erstellten Anlagen vor Sachbeschädigung. Von einer durch die unterlassene Eintragung des dinglichen Rechts begangenen Obliegenheitsverletzung der Klägerin kann deshalb in diesem Zusammenhang keine Rede sein.

Selbst wenn im übrigen in der unterlassenen Eintragung eine Pflichtverletzung der Klägerin läge, wäre diese nicht für den Schaden ursächlich geworden. Sie könnte es allenfalls geworden sein, wenn die Beklagte zu 2 in das Grundbuch Einsicht genommen hätte, bevor Sie mit den Bauarbeiten begann. Daß sie dies getan habe und wann und in welcher Weise dies geschehen ist, trägt die Beklagte zu 2 aber nicht vor.

3. Verjährung

Aus zutreffenden Gründen hat das Landgericht die von der Beklagten zu 2 eingeredete Verjährung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin verneint. Das wird von der Beklagten zu 2 mit der Berufung auch nicht angegriffen.

II. Anschlußberufung der Klägerin

Zu Recht hat das Landgericht eine Haftung des Beklagten zu 1 für den Schaden verneint, der bei den Arbeiten zur Errichtung einer Grenzeinrichtung auf der Parzelle 303 an der dort verlegten Kabeltrasse der Klägerin entstanden ist. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin mit der Anschlußberufung gegen die Feststellung des Landgerichts, die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 831 BGB seien nicht dargetan.

Die Klägerin behauptet zwar, der Beklagte zu 1 sei als Miteigentümer des Grundstücks, auf dem die schadensstiftenden Arbeiten von Mitarbeitern der Beklagten zu 2 ausgeführt worden seien, (auch) Auftraggeber der Arbeiten gewesen, und meint, ihm sei deshalb das schadensverursachende Handeln der Mitarbeiter der Beklagten zu 2 gemäß § 831 BGB als das von Verrichtungsgehilfen zuzurechnen. Der Umstand allein, daß der Beklagte zu 1 Grundstückseigentümer war [richtig: werden sollte], zwingt keineswegs zu der Annahme, daß er auch Auftraggeber der schadensstiftenden Arbeiten war. Es ist vielmehr durchaus denkbar und unter den gegebenen Umständen sogar naheliegend, daß die Beklagte zu 2 das Grundstück - wie die Beklagten es darstellen - als künftige Benutzerin im eigenen Namen mit ihren Leuten für die betriebliche Nutzung herrichtete. In diesem Fall verrichteten die Mitarbeiter der Beklagten zu 2 aber ausschließlich ein Geschäft der Beklagten zu 2 und nicht (auch) des Beklagten zu 1. Tatsächliche Umstände, die eine andere Beurteilung nahe legen und die bei den schadenstiftenden Arbeiten eingesetzten Mitarbeiter der Beklagten zu 2 als Verrichtungsgehilfen des Beklagten zu 1 im Sinne des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB erscheinen ließen, sind nicht dargetan.

Sowohl der Berufung der Beklagten zu 2 als auch der Anschlußberufung der Klägerin mußte hiernach der Erfolg versagt bleiben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß (§ 546 Abs. 1 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz: 12.417,88 DM.

Beschwer des Klägers: 12.417,88 DM, der Beklagten zu 2: 12.417,88 DM.

Ende der Entscheidung

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