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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.09.2000
Aktenzeichen: 22 U 68/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 831
Leitsätze:

1.

Wenn bei Baggerarbeiten ein Stromkabel zerrissen wird und hierdurch auf dem Nachbargrundstück Schäden entstehen, muß der geschädigte Nachbar, der den Bauunternehmer aus unerlaubter Handlung auf Schadenersatz in Anspruch nehmen will, Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, daß der Baggerführer Verrichtungsgehilfe des Bauunternehmers und nicht etwas dessen Subunternehmers ist.

2.

Ein als Subunternehmer beauftragter selbständiger Unternehmer ist regelmäßig nicht Verrichtungsgehilfe des Hauptunternehmers.


Oberlandesgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes Urteil

22 U 68/00 3 O 385/99 LG Krefeld

Verkündet am 22. September 2000

Tellmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 08. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 16. März 2000 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Die Bekl war von dem Eigentümer des Grundstücks K-Straße 136 in K mit Abbrucharbeiten auf diesem Grundstück beauftragt. Nach der Darstellung der Bekl hat sie ihrerseits diesen Auftrag an die niederländische J. L BV weitergegeben. Am 3.5.1999 zerriss ein Bagger bei den Abbrucharbeiten ein zu dem Nachbargrundstück K-Straße 140 führendes Stromkabel. Der Kl behauptet, dadurch sei an der von ihm auf dem Nachbargrundstück unterhaltenen Fischteich-Kläranlage ein Schaden entstanden. Er verlangt deshalb von der Bekl Schadenersatz in Höhe von 19.322,80 DM. Die Bekl meint nicht schadenersatzpflichtig zu sein, weil der Baggerführer Arbeitnehmer ihrer Subunternehmerin gewesen sei.

Das LG hat der Klage stattgegeben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Das gegen die Beklagte gerichtete Schadensersatzbegehren des Klägers ist weder gemäß § 831 BGB noch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.

Vertragliche Beziehungen, aus deren Verletzung der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte herleiten könnte, haben zwischen den Parteien nicht bestanden. Als Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Ersatz der Schäden, die ihm nach seiner Darstellung dadurch an der Steuerung einer Fischteich-Kläranlage entstanden sind, daß am 03.05.1999 bei Baggerarbeiten die Hauptstromzuführung zu dem Grundstück K Straße 140 in K zerrissen worden ist, kommt demgemäß § 831 BGB in Betracht. Diese Anspruchsgrundlage hat das Landgericht bejaht, doch fehlt es hierfür an der tatsächlichen Grundlage.

Führer des Baggers, bei dessen Einsatz das Stromkabel zerrissen worden ist, war unstreitig der Zeuge L. Dieser ist jedoch nicht als Verrichtungsgehilfe i. S. d. § 831 BGB für die Beklagte tätig geworden.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe die ihr von dem Eigentümer des Nachbargrundstücks K Straße 136 in Auftrag gegebenen Abbrucharbeiten der J. L BV in S/NL als Subunternehmerin übertragen, bei der ihrer weiteren Darstellung zufolge der Baggerführer L beschäftigt war. Das hat der Kläger zwar bestritten und insbesondere in Abrede gestellt, daß

- zwischen der Beklagten und der J. L BV in S/NL ein Subunternehmervertrag über die Abbrucharbeiten auf dem Grundstück K Straße 136 zustande gekommen sei,

- die J. M L BV in S/NL sämtliche Arbeiten in eigener Regie unter Einsatz eigenen Personals und eigener Maschinen durchgeführt habe,

- der Baggerführer L ausschließlich in Diensten der J. L BV in S/NL stehe und

- der von ihm geführte Bagger Eigentum der J. L BV in S/NL sei.

Damit sind die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB aber nicht ausreichend dargetan.

Im Rahmen der Haftung nach §§ 823, 831 BGB ist der Geschädigte - den allgemeinen Grundsätzen entsprechend - in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW 1953, 1180, 1182; OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 996, 998; 1520, 1522). Der Kläger konnte sich deshalb nicht damit begnügen, die Behauptung der Beklagten zu bestreiten, der Baggerführer L habe zur Zeit des Schadensfalles ausschließlich in Diensten der von ihr als Subunternehmerin beauftragten J. L BV in S/NL gestanden. Er hätte vielmehr die tatsächlichen Umstände, aus denen er das Tätigwerden des Baggerführers L als Verrichtungsgehilfe der Beklagten herleitet, in einer der Nachprüfung zugänglichen Weise darlegen müssen. Schon daran fehlt es.

Nunmehr im Berufungsrechtszug macht der Kläger zwar geltend, sowohl die J. L BV in S/NL als auch der Baggerführer L seien als Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB für die Beklagte tätig geworden (Bl. 161 GA). Die zur Begründung dieser Auffassung vorgetragenen tatsächlichen Umstände rechtfertigen diesen Schluß aber nicht.

Zutreffend geht der Kläger allerdings davon aus, daß Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB nur sein kann, wer von den Weisungen des in Anspruch genommenen Geschäftsherrn abhängig ist. Eine solche Abhängigkeit setzt kein Weisungsrecht voraus, das ins einzelne geht; es genügt vielmehr, daß der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann (vgl. BGHZ 45, 311, 313).

Ein - wenn auch als Subunternehmer beauftragtes - selbständiges Unternehmen kann demgemäß regelmäßig nicht als Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB angesehen werden, weil es an der dafür erforderlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit zu einem Geschäftsherrn fehlt (vgl. BGH NJW 1994, 2756, 2757 = BauR 1994, 780, 781).

Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit können auch nicht aus den Umständen hergeleitet werden, die der Kläger in seiner Berufungsbegründung angeführt hat (vgl. Bl. 161 GA unter l, 1). Daß die Beklagte im vorliegenden Fall "sich zur Ausführung der Abbrucharbeiten der Firma J. L BV bedient hat" und - wie der Kläger behauptet - regelmäßig bedient, reicht dafür nach dem Vorstehenden nicht aus. Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit der J. L BV gegenüber der Beklagten können entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus den Umständen der Auftragserteilung durch den Bauherrn oder der Weitergabe des Auftrages an die J. L BV als Subunternehmerin hergeleitet werden. Es entsprach der Natur der Sache, daß die Beklagte als Auftragnehmerin mit dem Bauherrn die Bedingungen aushandelte, unter denen sie sich zur Ausführung der Abbrucharbeiten verpflichtete, und in diesem Zusammenhang auch den zeitlichen Rahmen der Arbeiten festlegte. Ohne die Weitergabe der Art und des Umfangs der Arbeiten sowie der den Termin der Arbeitsausführung betreffenden, mit dem Bauherrn getroffenen Absprachen war die Beauftragung der J. L BV als Subunternehmerin gar nicht denkbar. Die Ausübung eines Weisungsrechts kann darin nicht erblickt werden, denn es stand grundsätzlich in der freien Entscheidung der J. L BV, ob sie den (Subunternehmer-)Auftrag zu diesen Bedingungen übernahm.

Es ist zwar nicht zu verkennen, daß die Beklagte und die J. L BV in S/NL zumindest über die für sie handelnden Personen miteinander verbunden sind. Zur Begründung der Annahme, zwischen den Gesellschaften bestehe ein Abhängigkeitsverhältnis, aufgrund dessen die Beklagte gegenüber der J. L BV in S/NL weisungsbefugt sei, reicht das jedoch nicht aus. Die gesamten Umstände sprechen vielmehr eher für ein - umgekehrtes - Mutter-Tochter-Verhältnis.

Da der Baggerführer nach der Darstellung der Beklagten, der der Kläger nicht, jedenfalls nicht mit substantiiertem Sachvortrag widersprochen hat, in einem Beschäftigungsverhältnis zu der von ihr beauftragten Subunternehmerin stand, unterlag auch er nicht einem Weisungsrecht der Beklagten. Die Beklagte war deshalb auch nicht sein Geschäftsherr im Sinne des § 831 BGB.

Ein Schadensersatzanspruch des Kläger gegen die Beklagte ist schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB begründet.

Für die ordnungsgemäße Durchführung der Abbrucharbeiten war in erster Linie die mit der Ausführung beauftragte Subunternehmerin verantwortlich. Ob und inwieweit der Beklagten als Hauptunternehmerin (Auftragnehmerin des Bauherrn) insoweit eine Überwachungspflicht oblag (vgl. dazu für das Verhältnis des Bauherrn zu dem von ihm beauftragten Unternehmer BGH NJW 1982, 21,87, 2188), braucht nicht entschieden zu werden. Der Kläger hat weder einen Verstoß der Beklagten gegen eine ihr obliegende Überwachungspflicht noch dessen Ursächlichkeit für das schadensverursachende Ereignis, das Durchtrennen des Stromzuleitungskabels, dargetan.

Auf die Berufung der Beklagten war demgemäß die Klage unter Abänderung des angefochtenen Grundurteils abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß (§ 546 Abs. 1 ZPO).

Streitwert und zugleich Beschwer des Klägers: 19.322,80 DM.

Ende der Entscheidung

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