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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.01.2001
Aktenzeichen: 22 W 2/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 485 Abs. 2
Leitsatz:

An die Darlegung des nach § 485 Abs.2 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesses des Antragstellers an der Beweissicherung sind keine besonderen Anforderungen zu stellen; dieses Interesse ist auch gegenüber dem Haftpflichtversicherer der nach § 823 Abs.2 BGB, § 27 Abs.1 NachbG NW in Anspruch genommenen Nachbarn zu bejahen, sofern es nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, daß die Ansprüche nach Pfändung und Überweisung des Befreiungsanspruchs der Nachbarn gegen den Versicherer unmittelbar gegen diesen geltend gemacht werden können.


Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluß

22 W 2/01 4 OH 29/00 LG Krefeld

In Sachen

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter am 16. Januar 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 6. November 2000 dahingehend abgeändert, daß der Beweis auch auf den gegen die Antragsgegnerin zu 3 gerichteten Antrag zu erheben ist.

Die Antragsgegnerin zu 3 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 15.000,00 DM.

Gründe:

Der Antragsteller und die Antragsgegner zu 1 und 2 sind Grundstücksnachbarn; ihre Grundstücke sind mit Reihenhäusern bebaut. Die Antragsgegnerin zu 3 ist Privathaftpflichtversicherer der Antragsgegner zu 1 und 2.

Am 01.09.1999 hat der Antragsgegner zu 1 in seinem Hause vorsätzlich eine Gasexplosion herbeigeführt, durch die sowohl das eigene Gebäude als auch das Gebäude des Antragstellers erheblich beschädigt worden ist. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, daß am Hause der Antragsgegner zu 1 und 2 entstandene Öffnungen insbesondere an der Front- und Rückseite des Gebäudes sowie am Dach lediglich notdürftig mit Plastikplanen und Sperrholz verschlossen worden seien und infolgedessen Feuchtigkeit in den Keller seines Hauses eingetreten sei.

Die Antragsgegnerin hat einen Ausgleich der Schäden am Hause des Antragstellers abgelehnt mit der Begründung, es handele sich um unmittelbare Folgeschäden der vom Antragsgegner zu 1 vorsätzlich herbeigeführten Explosion, für die sie gemäß § 152 VVG nicht hafte.

Der Antragsteller vertritt dagegen die Auffassung, die Antragsgegner zu 1 und 2 hätten die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt, indem sie die Schäden am eigenen Gebäude nur notdürftig hätten beheben lassen. Der Vorsatz des Antragsgegners zu 1 habe die Beschädigung seines Hauses durch in ihr Gebäude eindringendes Wasser, das sodann auf das Nachbargebäude übergreife, nicht umfaßt.

Mit dem gegen die Antragsgegner zu 1-3 gerichteten Antrag begehrt der Antragsteller, im Wege der Beweissicherung das schriftliche Gutachten eines Bau-Sachverständigen über folgende Fragen einzuholen:

1. Befinden sich im Keller des Hauses der Antragsteller, W str. 26, W an der an das Nachbarhaus, W str. 28, W, angrenzenden Wand Feuchtigkeitsschäden ?

2. Sind diese Schäden dadurch entstanden, daß aufgrund des verwahrlosten Zustandes des Nachbarhauses, W str. 28, von diesem Feuchtigkeit in die angrenzende Wand des Hauses der Antragsteller, W str. 26, W eindringt ?

3. Welcher Kosten bedarf es zur Beseitigung der Schäden ?

4. Sind zur Vermeidung weiterer Schäden Sicherungsmaßnahmen erforderlich, welcher Art müßten diese Sicherungsmaßnahmen sein und welche Kosten würden sie verursachen ?

Das Landgericht hat dem Antrag durch den angefochtenen Beschluß stattgegeben, soweit er gegen die Antragsgegner zu 1 und 2 gerichtet ist, und den gegen die Antragsgegnerin zu 3 gerichteten Beweisantrag abgewiesen mit der Begründung, zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 3 bestehe keine Rechtsbeziehung.

Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Zurückweisung des gegen die Antragsgegnerin zu 3 gerichteten Antrages. Er meint, es treffe zwar zu, daß [bisher] keine Rechtsbeziehungen zwischen ihm und der Antragsgegnerin zu 3 bestünden. Das stehe der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens gegen die Antragsgegnerin zu 3 aber nicht entgegen, denn er könne sich den Deckungsanspruch des Antragsgegners zu 1 gegen die Antragsgegnerin zu 3 [aus der Haftpflichtversicherung] nach Erwirken eines entsprechenden Titels pfänden und überweisen lassen. Der Deckungsanspruch drohe ihm aber als Befriedigungsobjekt verloren zu gehen, wenn er nicht innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 12 Abs. 3 VVG Feststellungsklage gegen die Antragsgegnerin zu 3 erhebe. Zur Vorbereitung der Feststellungsklage sei es im Hinblick auf § 493 ZPO erforderlich, das Beweisverfahren auch gegen die Antragsgegnerin zu 3 zu durchzuführen.

Die gemäß § 567 Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Das nach § 485 Abs. 2 ZPO erforderliche rechtliche Interesse des Antragstellers daran, daß auch im Verhältnis zu der Antragsgegnerin zu 3 als Antragsgegnerin zur Beweissicherung die Einholung eines schriftlichen Gutachtens über die vorstehend aufgeführten Beweisfragen angeordnet wird, kann nicht mit der Begründung verneint werden, zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 3 bestünden keine Rechtsbeziehungen.

An die Darlegung des rechtlichen Interesses sind keine besonderen Anforderungen zu stellen, sofern nur ein Rechtsverhältnis und ein möglicher Prozeßgegner ersichtlich sind (vgl. OLG Frankfurt/Main MDR 1991, 989; KG MDR 1992, 179,180 = NJW-RR 1992, 574). Es ist im allgemeinen zu bejahen, wenn die durch die beantragte Beweiserhebung zu treffenden Feststellungen Grundlage für Ansprüche des Antragstellers sein können, und nur zu verneinen, wenn feststeht, daß das Ergebnis des Beweisverfahrens in einem etwa anschließenden Prozeß keine Bedeutung haben wird oder weder ein Rechtsverhältnis noch ein möglicher Prozeßgegner noch ein Anspruch ersichtlich ist (vgl. OLG Karlsruhe MDR 1999, 496). Dabei ist die Erfolgsaussicht einer möglichen Prozeßführung ebensowenig zu prüfen wie die Erheblichkeit der Beweisfragen für den späteren Hauptprozeß. Nur dann, wenn klar auf der Hand liegt, daß der Anspruch, dessen der Antragsteller sich berühmt, nicht bestehen kann, läßt sich das rechtliche Interesse verneinen (OLG Karlsruhe MDR 1999, 497, 498 m. w. N.).

Nach der Darstellung des Antragstellers sind die Feuchtigkeitsschäden im Keller seines Hauses erst Monate nach der vom Antragsgegner zu 1 vorsätzlich herbeigeführten Schadensereignis dadurch entstanden, daß die Antragsgegner zu 1 und 2 durch die Gasexplosion entstandene Öffnungen an der Vorder- und Rückseite sowie im Dach ihres Hauses nur unzulänglich mit Plastikplanen verschlossen haben, so daß Niederschlagswasser eindringen und in sein Haus übertreten konnte. Bei dieser Sachlage erscheint es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß wegen der behaupteten Feuchtigkeitsschäden Schadensersatzansprüche des Antragstellers gegen die Antragsgegner zu 1 und 2 aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 27 Abs. 1 NachbG NW (zur Schutzgesetzeigenschaft von § 27 NachbG NW vgl. BGH MDR 1985, 916 = NJW 1985, 1774, 1775) bestehen, die von dem Haftungsausschluß nach § 152 VVG nicht erfaßt sind und nach Pfändung und Überweisung des Befreiungsanspruchs der Antragsgegner zu 1 und 2 aus der Haftpflichtversicherung unmittelbar gegen die Antragsgegnerin zu 3 geltend gemacht werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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